Traktat: Dunkle Zeit der Victoria zur Morgenröthe

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Dunkle Zeit der Victoria zur Morgenröthe

Dunkle Zeit

Für die Brüder der Hagener Loge Victoria zur Morgenröthe brach 1934, wie für alle Logen im deutschen Reich, eine besonders dunkle Zeit an. So berichtet Großmeister von Heeringen über die Geschehnisse des 4.Juli 1934 als in Lüdenscheid, Altena, und Hagen die Logenhäuser von der SS beschlagnahmt und geplündert wurden.


(Auszug)

„Die Johannisloge in Hagen i. Westf. Gen. Victoria zur Morgenröthe meldet durch den Logenmeister Herrn Seminarstudienrat i. R. Ernst Ackermann am 5. Juli folgendes:


„Am 4. Juli 1934 abends um 10 ½ Uhr wurde dem zum hiesigen Ordenshause gerufenen Ordensbruder Junius von dort anwesenden Herren: S.S. Obersturmbannführer Brand (vermutlich aus München) und drei weiteren (Herren) S.S. Uniformierten, sowie Kommissar Künthe, letzterer von der hiesigen Kriminalpolizei, folgendes mitgeteilt: Auf Befehl der Geheimen Staatspolizei haben wir das Logenhaus zu beschlagnahmen. Zeigen Sie uns bitte alle Räume, damit wir sie in Augenschein nehmen und dann versiegeln können.

Herr Hauptkommissar Künthe legitimierte sich noch durch ein Schreiben, dessen Inhalt nicht bekannt gegeben wurde, das mit der Unterschrift >>Heyderich<< und mit dem Kopf der Geh. Staatspolizeiamtes Berlin II.I.B.2 versehen war und das Datum vom 1. Juni 1934 trug.

Sämtliche Räume wurden gezeigt, die Zugänge versiegelt. Herr Junius erhob formell Einspruch, gab die gewünschten Auskünfte und erklärte, dass der Vorfall der Ordensleitung in Berlin gemeldet werden würde. Man hätte hier nichts zu verbergen, alles könne offengelegt werden. Ob Beschwerde erhoben würde, hinge von dem weiteren Verlauf ab.

Der Vorgang wickelte sich im übrigen reibungslos und korrekt ab. Am 5. Juli vormittags 9 ½ Uhr wurde Herr Junius wieder zum Ordenshause gerufen, wo Herr Obersturmbannführer Brand in Anwesenheit von zwei Herren in Zivil und etwa 6 S.S. Uniformierten erklärte: “Die Kassenbücher, sämtliche Akten, Vermögen der Loge und das Haus wird beschlagnahmt“. Es wurden dann die Kassenwarte, Sekretär und Inventarverwalter der Ordensabteilungen zum Ordenshaus gerufen, um sämtliche Schlüssel abzuliefern, Bankkonten, Postscheck usw. anzugeben. Über die Aushändigung der Bücher und Schlüssel wurde eine Quittung von S.S. Obersturmbannführer Brand ausgestellt.

Die Ordensmitglieder einschl. dem inzwischen eingetroffenen Konventmeister Ackermann wurden dann wieder entlassen. Herr Junius blieb noch im Ordenshause. Es erschienen dann weitere ca. 25 S.S. Uniformierte, draussen fuhren Lastwagen vor. Das Inventar der Andachtsräume des Johanniskonvents, des Andreaskonvents und des Kapitels wurde abtransportiert., ebenso der Inhalt von Schränken und Behältnissen, sowie auch geschlossene Schränke und Behälter, ferner Altäre, Stühle, Vorhänge,Decken, Leuchter usw. Vorher wurden die Andachtsräume photographiert. Herr Obersturmbannführer Brand erklärte, die Sachen würden nach Berlin abtransportiert. Herr Junius verließ nach 12 Uhr das Ordenshaus, während der Abtransport noch andauerte.

Es ging alles unter Kontrolle des Obersturmbannführers Brand vor sich, der noch mitteilte, dass Zusammenkünfte im Ordenshaus bis auf weiteres nicht stattfinden könnten, dass aber die Loge nicht aufgelöst sei, man möchte jedoch der Polizei Mitteilung machen, , falls man anderswo zu einer Versammlung zusammenkäme. Die Gesellschaftsräume, sowie der Weinkeller wurden nicht ausgeräumt, aber versiegelt. Es verlautet, dass die Kreisleitung der S.S. in dem Hause untergebracht würde. Die Sendungen wurden an die Geheime Staatspolizei Berlin, Prinz-Albrecht-Str. adressiert.“


Soweit der zitierte Bericht aus Hagen. Die Aktionen durften nicht in der Presse erwähnt werden. Mit dem Widerspruch der Beschlagnahme, aber des Weiterbestehens der Logen erhielt man die Möglichkeit den Logen später durch staatliche Verfügung die „freiwillige Auflösung“ zu befehlen. Da die Logen unter ihrer bisherigen Adresse nicht mehr erreichbar waren, wandte sich die nationalsozialistische Führung an die Großlogen. Auch wenn die Großlogen versuchten, sich bis zur Selbstverleugnung von den freimaurerischen Gedankengut als „Deutsch-christlicher Orden“ neu zu erfinden oder mit Schreiben an den Reichs- und Preussischen Minister des Innern als gute und treue Staatsbürger in der Tradition des Preussentums z. T. anbiederten, waren die Würfel über die Freimaurerei in Deutschland längst gefallen. 1935 wurde in Berlin die letzte Logenversammlung aller deutschen Ordens-Logen auch die anwesenden Geheimen Staatspolizisten beeindruckende – traditionell würdevolle Logenarbeit- abgehalten. Das Schlußgebet soll gelautet habe: ...Herr steh´ uns auch weiterhin bei! Es will Abend werden in unserem deutschen Vaterlande! Für die Freimaurer begann endgültig die dunkle Zeit. Niemand der Anwesenden konnte ahnen, wie Deutschland zehn Jahre später aussah.

Auch wenn die Freimaurerlogen und deren Brüder als solche Versammlungsverbot hatten, traf man sich doch im kleinen Kreis oder zu Kegel oder Skatrunden. Viele Brüder blieben auf den Schlachtfeldern. Doch schon kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges sammelten sich die übrig gebliebenen Brüder der Victoria zur Morgenröthe neu. Der heiße Wunsch, die Loge wieder zu reaktivieren ging schon 1947 in Erfüllung, auch wenn die Arbeiten noch von Improvisation in Hinterzimmern von Kneipen und die Tafellogen von Mangelernährung geprägt waren. Zum ersten Johannisfest nach dem zweiten Weltkrieg am 23. Juni 1947 lädt der Logenmeister Max Junius mit der Bitte ein, Lebensmittelmarken für 100 gr. Brot und 10 gr. Fett mitzubringen. Auf den bei solchen Arbeiten, so nennen die Freimaurer ihre rituellen Zusammenkünfte, üblichen schwarzen Anzug, musste aus Mangel verzichtet werden. Immerhin konnten zu diesem Zeitpunkt schon 61 Mitglieder verzeichnet werden, darunter auch Oberbürgermeister Willi Cuno.

Hans Körner 28.10.2013

Victoria zur Morgenröthe, Hagen