Aachener Freimaurerverfolgung

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Inhaltsverzeichnis

Die sogenannte „Aachener Freimaurerverfolgung“

Eine aufgebauschte Affäre,
meist verzerrt dargestellt und phantasievoll ausgeschmückt

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Ausgearbeitet von Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2015 / All rights reserved - ESOTERIK von Dr. phil. Roland Müller

Hauptfragen
Was hat Ludwig Greinemann 1779 in Aachen wirklich gepredigt?
Was ist Johann Friedrich Richter tatsächlich passiert?
Was waren die Folgen?


Wichtige Literatur
Karl Heinrich Georgi: Geschichte der Loge zur Beständigkeit und Eintracht in Aachen. Aachen: Druck von C. H. Georgi 1878, 13-79
August Pauls: Geschichte der Aachener Freimaurerei. 1928, 136-407
Ferdinand Runkel. Geschichte der Freimaurerei in Deutschland. 2. Band, 1932, 210-218.

Kurze Chronologie der „Aachener Freimaurerverfolgung“ 1779-1780

Anhand des massgeblichen Buchs:
August Pauls: Geschichte der Aachener Freimaurerei. Clausthal-Zellerfeld: Ed. Pieper 1928, 526 Seiten


1773 Johannisloge „De l’Union et de l’Amitié“

1774 1.11. Gründung der Aachener Loge „La Constance“

1778 9.9. Gründung der Aachener Loge „Zur Beständigkeit“


1779


Anfang Februar: Der Nuntius am kurkölnischen Hofe, Monsignore Carlo Bellisomi, veranlasst die erste Logenschliessung in Aachen [Pauls, 149-151, 374, 378]
25.2. Bruder Andreas Edmund Ludwigs wird vor den Magistrat zitiert

21.3. Festloge
23.3. Erste Predigt von Ludwig Greinemann [Pauls, 136-138]
26.3. Edikt des Magistrats von Aachen verbietet „heimliche Versammlungen der sogenannten Frey-Mäurer“ und deren Unterstützung [Pauls, 139]
ca. 28. 3. Zweite Predigt von Ludwig Greinemann

11.4. erste Predigt von Pater Schuff
13.4. Rundschreiben der Loge „Zur Beständigkeit“ an befreundete Logen (frz. in Courier du Bas-.Rhin, Nr. 36, 5.5.1779)
17.4. Franz Dietrich v. Ditfurth schreibt dem Aachener Staatssyndikus Denys (ausführliche Antwort: 1.5.), dem Stuhlmeister der Loge Zur Beständigkeit und an Herzog Ferdinand von Braunschweig (Antwort: 1.5.) und bittet König Gustav III. von Schweden um Schutz
18.4. zweite Predigt von Pater Schuff, am Abend werden „einige Brüder auf der Strasse vom Pöbel insinuiert“
Noch im April: De Thier von der Lütticher Loge „Parfaite Intelligence“ erhält eine Audienz beim Lütticher Fürstbischof Graf Franz Karl v. Velbrück

Anfang Mai: Karl Friedrich Dachtler schreibt an den Herzog Ferdinand von Brauschweig (Antworten: 20.5. und 1.6.) [Pauls, 188-197]
9.5. Johann Friedrich Richter (Kaufmann und Färber) wird von einer aufgebrachten Volksmenge geschlagen und gestossen. Die Aussagen von Zeugen widersprechen sich; die vom Magistrat befragten geben an, Richter sei sturzbetrunken gewesen [Pauls, 197-207]
11.5. Der Ordenskanzler der Wetzlarer Präfektur, Freiherr v. Waldenfels, schreibt an Herzog Karl von Sachsen-Koburg-Meiningen (Antwort: 24.5.); dieser schreibt am 18./21.5. an den Fürstbischof (Antwort 4.6.) und am 21.5. an den Aachener Magistrat (Antwort 12.6.)
18.5. Nach einer Unterbrechung von fast zwei Monaten findet in Aachen wieder eine Versammlung der Freimaurer statt, allerdings nur eine Konferenzloge
19.5. v. Ditfurth schreibt einen langen Brief an den Prinzen Friedrich August von Braunschweig (Antwort am 30.7. von v. Hymmen)
19.5. Erbprinz Ludwig von Hessen-Darmstadt schreibt an den Lütticher Fürstbischof (Antwort: 2.6.) und an den Aachener Magistrat (Antwort: 11.6)
22.5. Sendschreiben an die beiden Aachener Mönche im Courier du Bas-Rhin, Nr. 41(ab 1798 öfters fälschlich Friedrich dem Grossen zugeschrieben; es stammt aber von Siegfried von Goué; frz. bei Pauls, 272-273; dt. und mit Kommentar bei Georgi, 46-50)
28.5. Herzog Ferdinand von Brauschweig schreibt an den Fürstbischof (Antwort: 12.6.)

4.6. Der Aachener Magistrat lässt in die „Gazette de Cologne“ eine Darstellung in seinem Sinne: Richter „étoit tellement enyvré qu’il fut hors d’état de se tenir debout“
5.6. Die Wetzlarer Direktorialloge wendet sich an König Gustav III.
Unabhängig davon hat sich der König bereits beim Kaiserlichen Hof in Wien für die Aachener eingesetzt
Anfang Juni: Der Fürstbischof hat die beiden Mönche „möglichst gelinde“ gemassregelt [Pauls, 227-228, 242-244; 329-338, 346, 392]
19.6. König Friedrich der Grosse will sich nicht in den Streit einmischen

Anfang Juli: der Schriftleiter des Courier du Bas-Rhin lehnt die Publikation einer Richtigstellung des Berichts in der „Gazette de Cologne“ ab
17.7. Herzog Adolph Friedrich IV. von Mecklenburg-Strelitz wendet sich mit einem energischen Schreiben an den Aachener Magistrat (es wird jedoch nicht abgeliefert)

14.12. Nach fast sieben Monaten Pause wird wieder eine Konferenzloge in Aachen abgehalten
16.12. Die gesamten Logeneffekten werden auf ein Landgut im holländischen Vals gebracht

1780

15. und 29.2. Zwei Konferenzlogen in Aachen

7.3. erste Tempelarbeit in Vaals mit Aufnahme von vier Kandidaten und zwei Rektifikationen
30.3. erneute Konferenzloge in Aachen

3.4. die beiden Herzöge Ernst und Georg von Mecklenburg-Strelitz wenden sich in einem Schreiben an den Aachener Magistrat (positive Antwort: 4.5.)
23.4. Schreiben von Fürst Karl Wilhelm von Nassau-Usingen an den Aachener Magistrat (dieselbe positive Antwort: 20.5.) [Georgi, 76-77, hat hier: Herzog Adolph Friedrich von Mecklenburg]

Die Aachener Loge wertet die Antwort des Magistrats vom 20.5. als „entscheidenden Schritt zu ihren Gunsten“ [Pauls, 382]

9.5. und 12.6. erneute Konferenzlogen in Aachen

21.6. Tempelarbeit in Vaals mit zahlreichen besuchenden Brüdern aus Schweden

13.-22.7. König Gustav III. von Schweden besucht Aachen, gibt sich als Freimaurer zu erkennen und empfängt am 16.7. den Magistrat
18. und 19.7. zwei Konferenzlogen in Aachen
21.7. Die Logenmöbel werden von Vaals nach Aachen zurückgebracht; eine Festloge findet statt.
Bis Ende Jahr fanden noch eine Lehrlingsloge und drei Konferenzlogen statt.

Der Aachener Magistrat hat das Edikt nie widerrufen.

Vier gleichlautende Texte mit dem ursprünglichen Bericht eines Augenzeugen

Die erste Predigt von Ludwig Greinemann fand am 23. März 1779 statt, die zweite 4,5 Tage später.

Es gibt insgesamt vier Texte, welche den ursprünglichen Bericht eines Augenzeugen enthalten:

1. Eine erste kurze Zusammenfassung 1779

Eine kurze Zusammenfassung der Predigten bereits in der Schrift:
Vertheidigung der Freymäurer wider die Verläumdungen zweener Geistlichen, welche den Orden öffentlich auf der Kanzel angegriffen haben. :
Frankfurt und Leipzig, bey Johann Philipp Haug 1779, 2-6 (hier auch bereits das Sendschreiben vom 22.5.1779 auf dt. 6-11, Fortsetzung 11-15) :
Dazu August Pauls: Geschichte der Aachener Freimaurerei. 1928, 350-352, 383

Die Angaben in August Wolfstieg: Bibliographie der freimaurerischen Literatur, Bd. 1, 1911, 431, Nr. 8307 (eine französische Übersetzung der „Vertheidigung“ aus dem Jahre 1797) sind irreführend: die Jahreszahl 1797 und die Behauptung (mit falschem Bezug auf Kloss‘ Bibliographie, 1844, Nr. 2921): „Die 30 Silberlinge des Judas waren u. a. die Taxe für seine Aufnahme in den Bund.“ :

2. Der erste Augenzeugenbericht

Die beiden Predigtberichte erstmals in August Siegfried von Goué: Über das Ganze der Maurerey. Band 1, 1782, 42. Brief, 185-190; :
Nachgedruckt in der „Berliner Freimaurerzeitung“ 4. Nr. 26. Juli 1783, 24-29.] Der Wortlaut unterscheidet sich nur an einigen wenigen Stellen leicht von den nachfolgenden Versionen. Vermutlich handelt es sich um den etwas ausführlicheren, aber unbeglaubigten Bericht, den August Pauls in einer Fussnote (1928, 138) erwähnt.

3. Die notariell beglaubigten Augenzeugenberichte

Version I (die authentische Version):
Karl Heinrich Georgi: Geschichte der Loge zur Beständigkeit und Eintracht in Aachen. Aachen: Georgi 1878, 18-20

Version II:
Eine nur in der Schreibweise leicht abweichende Fassung bei August Pauls: Geschichte der Aachener Freimaurerei. 1928, 136-138; vgl. auch 330, 333, 385-388, 406-407.

Version III:
Ebenfalls nur in der Schreibweise leicht abweichend bei Ferdinand Runkel: Geschichte der Freimaurerei in Deutschland. 2. Band, 1932, 211-214, 218.
Runkel hat seine Zitate bereits einige Jahre früher in andern Publikationen veröffentlicht.
Kommentar zu Runkel von August Pauls: Geschichte der Aachener Freimaurerei. 1928, 406-407:
„Wenn auch bereits Georgi in seiner ‚Geschichte der Aachener Loge zur Beständigkeit und Eintracht‘, einem heute gänzlich vergriffenen Werke, alle diese Schriftstücke wörtlich veröffentlicht hat [1878], so hat der Aufsatz des Br. Runkel, der sie als unveröffentlichtes Material ansah, sich das Verdienst erworben, weitere Kreise auf die Aachener Freimaurerverfolgung in einer einwandfreien Weise hinzuweisen.“

Der notariell beglaubigte Bericht eines Augenzeugen im Aachener Umfeld

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Karl Heinrich Georgi: Geschichte der Loge zur Beständigkeit und Eintracht in Aachen.
Aachen: Druck von C. H. Georgi 1878, 13-22


Die Stadt Aachen im 18. Jahrhundert: Eine Abneigung gegen alles Neue

Für die Masse war die Verfassung das hartnäckig vertheidigte traditionelle Paladium ihrer vermeintlichen Freiheit, die patrizischen Familien aber hielten um so zäher an ihr fest, als das mittelalterliche Neben- und Uebereirianderstehen der Aachener Reichsunmittelbarkeit, des Jülich'schen Feudalherrn und der kaiserlichen Macht, ohne feste Abgrenzung der Rechte und Pflichten, in der Wirklichkeit längst zu einem Durcheinander geworden war, in dem politische Partheisucht und Familienstreitigkeiten, persönlicher Ehrgeiz und Leidenschaften aller Art sich breit entwickeln konnten.

Schon im 17. Jahrhundert hatten sich einzelne Familien im Besitze der Gewalt zu halten gewußt, im 18. Jahrhundert regierten einzelne Männer, von ihrer Parthei jährlich wiedergewählt, wie Martin Lambert von Lonneux, 1725-1754, Johann Lambert Kahr, 1763-1775, so selbstständig, wie damals ein souverainer Landesherr in seinem Territorium.
Damit verfällt die Stadt durch das ganze 18. Jahrhundert in innere Kämpfe, die schließlich eine wüste demagogische Form annahmen und unter dem Namen der „Aachener Mäkelei" bekannt sind.

Bestechungen und Einschüchterungen, Drohungen und tumultuarische Straßenbewegungen wiederholten sich jährlich bei der Wahl. Der Sieger mußte seine großen Auslagen dem Amte wieder abgewinnen, Zerrüttung des städtischen Vermögens, schlechte Polizei, Justiz und Verwaltung, Nachsicht gegen Vergehen und steigende Verderbniß der Bürger waren die Folge.

Mit der Entartung der Stadt ging die Verarmung Hand in Hand, kirchliche Engherzigkeit und die kurzsichtige Selbstsucht der Zünfte hatten die früher blühenden Gewerbe vertrieben oder in Verfall gebracht. Die in der Stadt wohnenden Lutheraner und Reformirten mußten ihren Gottesdienst in dem zum Herzogthum Limburg gehörenden Vaels halten, sie durften weder ein Amt bekleiden, noch Advokat werden und wurden von manchen Nachtheilen getroffen.

Um dem Drucke zu entgehen, siedelten die Gewerbe nach Burtscheid, Vaels und andere Nachbarstädte über.
Einwohnerzahl, Wohlhabenheit und Betriebsamkeit der Stadt, die einst in Venedig und Antwerpen große Lagerhäuser gehabt, sank mehr und mehr; die vielen Fremden, welche zum Gebrauche der Bäder sich einfanden und die Hazardspiele sollten den Schaden ersetzen, verstärkten aber nur Faulheit und leichtfertige Gewinnsucht.
„Wolldiebe, Müßiggänger und Lottospieler" nennt Forster den gemeinen Mann, und sagt: „die Straßen wimmeln von Bettlern und das Sittenverderbniß ist zumal in der geringem Volksklasse allgemein"; ebenso klagt J. H. Campe: „nach öffentlichen Anstalten zur Bildung und Veredlung der Menschheit, zur Verbesserung der Erziehung, sieht man sich vergebens um."

In diesem zerrütteten Gemeinwesen sollte die neu belebte, nun unter dem Schutze eines mächtigen Bundes stehende Loge ,zur Beständigkeit‘ ihre Wirksamkeit entfalten. Wie die Verhältnisse lagen, konnten Conflikte mit den Bürgern und dem Stadtregimente nicht ausbleiben. In einem selbstständigen Gemeinwesen, dessen politischer Gesichtskreis durch die Mauern seiner Stadt abgeschlossen war, mußte sich nothwendig ein zähes Festhalten am Althergebrachten, eine Abneigung gegen alles Neue, das dem Volke unverständlich blieb, endlich ein einseitig ausgeprägter Lokalpatriotismus entwickeln, der in sich selbst sein volles Genüge fand und alles von außen hereingebrachte mit unverhohlenem Mißtrauen betrachtete.

Man wußte, daß eine Freimaurerloge in der Stadt bestand und kannte manche ihrer Mitglieder. Damals mehr noch wie heute erzeugte der Ausschluß der Oeffentlichkeit ihres Wirkens auch über die Kreise der leicht erregbarer: untersten Schichten der Gesellschaft hinaus, die schlimmsten Meinungen und abenteuerlichsten Vorstellungen. Der Bürger und Zunftgenosse, der fest zu seiner Kirche stand, sah im Freimaurer nur den Menschen ohne Religion. Wenn schon die Protestanten in der Stadt nur geduldet waren, wie viel schlechtere Christen mußten die von zwei Päpsten und noch vor wenigen Jahren verdammten und excommunizirten Freimaurer sein?
Aber auch der bessere Bürgerstand hatte zu jener Zeit in seiner Mehrheit nicht das Zeug um neue Ideale seinen Anschauungen rasch assimiliren zu können. Die Bildung die er in den fast ausnahmslos von den Jesuiten geleiteten höhern Schulanstalten empfing, war eine scholastisch-formale, die eine im spätern Leben auf ihrem Grunde fortwachsende individuelle Geistesentwicklung ausschloß. Auch der mittelmäßigste Kopf konnte die höhere Bildung als ein fertiges Ganze erwerben und sie machte in ihrer geistigen Abgeschlossenheit stumpf gegen die Aufnahme jedes nicht in ihrem Rahmen liegenden Gedankens.


Die Edikte des Aachener Magistrats

So konnte die Errichtung einer Loge nicht einmal gleichgültig ausgenommen werden, sie mußte das größte Mißtrauen erregen und es bedurfte nur eines geringfügigen Umstandes um die Bürgerschaft zu reizen und dem Magistrat den willkommenen Anlaß zum Eingreifen zu geben.

„Der Bürgerschaft war eben per edictum verboten worden, nicht über 10 Uhr Abends in Herbergen und Wirthshäusern sich aufzuhalten." Trotzdem „sah man eine aus Leuten von verschiedenen Klassen bestehende Gesellschaft zu nächtlichen Zeiten in einem gewissen Hause hiesiger Stadt sich versammeln." „Seltsame Gespräche liefen hierüber im Publikum, die Bürgerschaft wurde schwierig und murrte, daß andere Gesellschaften geduldet würden."

Der Magistrat gab dem Inhaber des Hauses, Bürger und Gastgeber Scholl, in der Stille auf, solche nächtliche Gesellschaft in seinem Hause abzuschaffen. „Dieses wurde zwar befolgt, aber die Gesellschaft bereitete sich ein anderes Haus" und installirte die Loge am 8. Februar 1779 im Hause des Nadelfabrikanten Br. Ludwigs, nicht ohne die begründete Vorsicht, den Miethkontrakt von einer dritten Person, die nicht Freimaurer war, als Privatmietherin abschließen zu lassen.

Schon am 25. Februar benachrichtigt Br. Ludwigs die Loge, „wie er seitens des Magistrats gestern citirt worden sei und bei heutiger Erscheinung vor den Bürgermeistern v. Wylre und Dauven, Syndici Branten und Denys und Sekretair Couven, ihm bedeutet worden wäre, daß in seinem Hause eine Freimaurerloge gehalten, worüber das Publikum geärgert würde, mithin der Magistrat von Amtswegen genöthigt sei, solche Gesellschaft zu verbieten".

In der That ließ es der Magistrat nicht bei der stillen Verwarnung der Hauseigenthümer bewenden, er schritt energisch ein und ächtete durch eine gedruckte „an die Stadtthore öffentlich affichirte" Verordnung die ganze Gesellschaft.

„Verordnung.
Em. En. Rath dieses Königl. Stuhls und des Heil. Röm. Reichs freyer Stadt Aachen ist es mißfälligst zu vernehmen gewesen, wie daß dahier in der Stadt heimliche Versammlungen der sogenannten Frey-Mäurer gehalten, und in Bürgerliche Häuser ausgenommen werden.
Wann aber En. Er. Rath diesen unerlaubten, verdächtigen, und von dem Römischen Stuhle mit dem Kirchen-Bann belegten Versammlungen ohne Aergerniß und Gefahr gemeiner Bürgerschaft nicht Nachsehen mag, solche hingegen zu stören und abzustellen tragenden Obrigkeitlichen Amtshalber sich schuldig erachtet.
Als hat En. Er. Rath sothane Versammlungen in der Stadt und Reich Aachen hiemit auf das schärfste verbotten, abgestellet und verbannet wissen, und erklären sollen und wollen, mit dem Anhang, daß der, oder diejenigen Bürger, auch Städtisch- oder Reichs Aachische Einwöhner, welche künftighin nach Verkündigung dieses Verbots sich unterstehen dürften, die verbotene Versammlungen in ihre Häuser aufzunehmen, zu erlauben und zu dulden, für das erstemal in eine Straf von ein hundert Goldgülden, für das zweytemal in eine Straf von zwey hundert Goldgülden, und für das drittemal in die Straf von drey hundert Goldgülden mit der That verfallen, und nebst dem auch ihres respectivè Bürger- und Einwöhners Rechts verlüstig seyn sollen.
Wobey En. Er. Rath sich versehet, jeder Bürger und Einwöhner, dem ab diesem verbottenen Zusammenkünften einige Wissenschaft zukommen möchte, werde solches den zeitlichen Herren Bürgermeistern um demehr anzubringen geneigt seyn, als demselben nebst Verschweigung seines Namens diesertwegen die halbe Strafe zur Recompenz abgereichet werden soll.
Also beschlossen im Rath den 26. Martii 1779.
(L.S.) Ex mandato
D. P. M. Becker, Secretarius.“


Die Loge theilte diese Verordnung unterm 29. März dem Obermeister der Direktorialloge in Wetzlar v. Ditfurth mit. Ehe eine Antwort erfolgte, erhielt die Situation eine unerwartete Verschärfung und demagogische Färbung durch die Einmischung zweier übereifriger Mönche.

Die höhere Geistlichkeit war freimaurerfreundlich, die niedere nicht

Die höhere Geistlichkeit war zu jener Zeit der Freimaurerei nicht gerade feindlich gesinnt, die allgemeinen Ausklärungsideen des Jahrhunderts, die wenige Jahre später im Josephinismus ihren praktischen Ausdruck fanden, waren auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen. Der Adel, aus dem sie entstammte, hatte mit den hohen Reichsfürsten vielfach dirigirende Stellen in den Logenverbänden inne, es galt allgemein als ein Zeichen hoher Geburt und vornehmer Bildung einer Freimaurerverbindung anzugehören.
Waren aber bei dem einen oder andern geistlichen Würdenträger diese Verhältnisse für sein Urtheil über die Freimaurerei nicht maßgebend, so hielten doch die eifersüchtig über ihre Souveränitätsrechte wachenden absolutistischen Fürsten des 18. Jahrhunderts, jede selbstständige Aktion der Geistlichkeit gegen eine Gesellschaft nieder, der sie selbst als Protektoren angehörten, oder der sie doch ihre Tolerirung zugesichert hatten. Dazu war die kirchliche Selbstständigkeit der höhern Geistlichkeit eine viel größere, und die Verbindung mit Rom eine viel lockerere wie heute, und päpstliche Bullen, deren faktische Publikation durch das landesherrliche Placet verhindert war, konnten ohne große Gewissensbeschwerden auch ihrem Inhalte nach übersehen werden.


Auch aus der mittleren Geistlichkeit traten manche aufgeklärte Köpfe in die Logen ein, in Aachen war schon am 18. September des Stiftungsjahres Modeste Pirson, Conventual-Ordensgeistlicher aus Dinant, aufgenommen worden.

Anders die niedere Geistlichkeit, die besonders in den zahlreichen Klöstern und Bettelorden eine eigene sociale Klasse bildete, die wenig abhängig vom Bischofe war und ihre Direktive direkt von den Ordensobern in Rom empfing. Sie ragte in ihrer Bildung und allgemeinen Anschauung nicht weit über die geistige Sphäre der untern Schichten der Gesellschaft hinaus, aus der sich ihre Mitglieder rekrutirten und fand auch ihre materielle Existenz nur im engsten Zusammenhange mit dem Volke.
So ahnte sie instinktmäßig in der Freimaurerei die Elemente einer Aufklärung, die ihre Stellung untergraben mußte, und trat daher für sich und im Sinne ihrer Gläubigen gegen jede Neuerung als streitbare Kämpen auf.


Die beiden Predigten von Ludwig Greinemann am 23.3. und 28. 3. 1779

Die allgemeine Mißstimmung der aachener Bürgerschaft gegen die Freimaurer benutzend, und „auf Anstiften eines fanatischen Hauptes der Regierung in Aachen, des Schöffen-Bürgermeisters v. Wylre", bestieg daher in den Fasten, am 23. März 1779, „der Dominikanermönch Greinemann die Kanzel und fing gegen den Freimaurerorden und dessen Mitglieder, ohngeachtet er gleich anfangs von zwei der wichtigsten Mitgliedern der Aachener Loge gewarnt und eines besseren belehrt worden, auf eine höchst ärgerliche und unter Christen nie erhörte Art, an zu predigen."
Das Referat über die Predigt lautet:

[Runkel ergänzt:
Diese Verordnung [vom 26.3., siehe oben] war veranlaßt durch leidenschaftliche Predigten zweier Mönche, und darüber finden sich notariell beglaubigte Berichte in den Neustrelitzer Akten, die an die schottische Directorial-Loge „Joseph zum Reichsadler" erstattet worden waren.
Der erste Bericht ist undatiert, trägt aber von der Hand [Georg Friedrich von] Röperts die Bleistiftnotiz „Aachen 10. Ap. 1779".

Pauls behauptet dagegen, er gebe den Bericht „nach den Akten des Aachener Logenarchivs“ wieder (siehe 1928, Fussnoten 136, 138 und 148).]


„N o t a.
Bei Gelegenheit der dahier einige Zeit gehaltenen Frey-Maurer Logen, hat sich einer binnen der Stadt Achen gestellter Dominikaner Prediger, Nahmens Ludovicus Greinemann, S. theol. lector aus dem Aichstädtischen bey Maynz gebürtig, zu vielmalen unterstanden gegen die Maurerey und deren Intoleranz (1) nicht nur überhaupt, sondern gegen die Brüder insbesondere seine Predigten dahin fulminando zu richten, als wenn selbige die lasterhafteste Bündnisse unter sich verschworen, woraus die gefährlichsten Folgen in der Religion und dem Staat selbsten entstehen könnten:
die Ausdrücke gingen soweit, daß er die Achische Maurer alle kennte, es stünden sogar Gerichts Persohnen darunter, und wie von solchen Leuten die Administration einer gleichgültigen Justitz erwartet werden könnte.
Er particularisirte weiter und deutete auf jene ehrliche Männer die in ihrer treibenden Handlung durch frequentirung der Loge anderst nichts blicken ließen als den Untergang ihrer Handlung, und daß sogar dieses eben die gerechte Schickung und Belohnung Gottes seye, daß dergleichen Handelsleuthe (worunter aber einer, durch Aufwiegelung einiger Neider das Unglück gehabt, ohngeacht seines bekannten Vermögens, von etlichen creditoren überfallen zu werden) zum Verderb gerathen müßten.
Bey diesen Ausdrücken war es nun ebenso ähnlich als wenn Er die bedeutete Subjecta mit dem Nahmen selbst von der Canzel abgerufen hätte. Er ging noch weiter und sagte, daß die Fr. Mr. nur Schelme, Spitzbuben und Teufelsbanner, auch dadurch, daß Sie [!] in der Aufnahme in die Maurerey einen Eyd leisteten, das nehmliche Beyspiel derer Spitzbuben und Schelme folgten die zu Herzogenrod und Volkenburg gehangen [Runkel: gefangen] wären. (2)
Dieses bey einem jeden rechtschaffenen Mann höchstärgerliche Predigen hat also den Pöbel zu gröster Gährung gegen die Maurer aufgebracht, auch nicht weniger erwürket daß der Achische Magistrat das schärfeste Edict gegen die Maurer auf die Stadt Thore affigiren lassen.
[1782 und 1783 ist hier ein Absatz eingeschoben:
Diese ließen die Freymaurer ganz geduldig, und mit aller dem Orden angemeßenen Ehrfurcht die möglichste Würkung gewinnen, und hoften also, daß nach einer kurzen Zeit der Pöbel seine blinde Hitze von selbsten verlieren, und daß so endlich und vielmehr alles Predigen, auch Publication des Edicts aufhören würde; Weit entfernt aber von diesem, denn der Pöbel ruhete zwar bey diesem Edicte, und erkennete deßen Kraft in der Folge.
Hingegen war aber der vorgemeldte Dominicaner Prediger gar nicht damit vergnügt, sondern finge an …]
Dieses stillte den Prediger ganz und gar nicht, sondern er finge in der lezten Predigt an unter dem Anschein die Vorsorg der Obrigkeit unter solchem Edict zu loben [Runkel: haben], eine weitere und zwar die aller zügelloseste Predigt, mit vorgegangener Abladung des Pöbels zu halten, wobey er nicht nur die vorangegangene [Runkel: vergangene] Ausdrücke weit schärfer wiederhohlte, sondern gar gegen die Obern der teutschen Fr. Mr. Logen schimpflich anginge mit denen formalien:
Wie, ihr Fr. Mr. Ihr Vorläufer des Antechrist, ihr seit würklich dahier [Runkel: daher] in der Stadt von einem Ort zu dem andern hingetrieben worden und man wird euch noch ferner vertreiben und wo solt ihr dann also zulezt hinfliehen? gelt, ihr meynt nacher [Pauls: nach] Braunschweig, ich will aber sagen nach [Runkel ohne „nach“] Babilon.
In der folge seiner Canzel Reden befließe [Runkel: beließe] er sich mit äußersten Kräften nicht nur die Regierung selbst gegen die Fr. Mr. aufzubringen, sondern und [Runkel: uns] zugleich den blöden Pöbel und dessen in Achen bekannter [Pauls: bekannte] Wuth und zügellosen [Runkel: zügellosester] Gesinnungen gegen sie aufzuwiegeln und zu Austilgung des Ordens zu Hülfe zu rufen.
Diesem nur Muth und Tapferkeit einzublasen, fienge er von sich selbsten an, und sagte: weder Drohungen weder Schmeichelreden hielten ihn gegen derselben Lastern zu predigen nicht ein, und dergl. mehr.
Den erstern Bestrebungen den Schein der Wahrheit beyzulegen so riefe er die hiesige Fr. Mr. als Betrieger der Städtischen auf den einkommenden Waaren gesezten Abgaben aus, behauptend, daß es eine ihrer fundamental Lehren seye die Waag-Pächtern zu betrügen [Runkel: zu betriegen, fort die Städtische Einkünfte zu beeinträchtigen; auch Pauls hängt an: fort die Städtische Einkünfte zu beeinträchtigen].
Den 2ten Endzweck seiner Predigt ganz sicher zu wege zu bringen, suchte er den Pöbel glaubend zu machen, und also andurch [Runkel: dadurch] an sich zu locken, daß die Fr. Mr. alle die in diesem Orden nicht einverleibte als profanen anseheten (in diesen ohngefehren Worten):
Euch Christen nennen sie profanen, das ist entweyhete, entheiligte und niederträchtige Persohnen, Sie allein wollen ehrwürdige, geweyhete und geheiligte Persohnen seyn; helfet Ihr Christen, dieses Unkraut mit mir bis auf die Wurzel zu vertilgen.
Zum Schlusse sezte er noch hinzu Sodoma und Gomora sind wegen ihrer Lastern durch den feuer Regen ein Opfer der Flamen und also bestraft worden, und euch Fr. Mr. wird selbige Strafe eben auch zum Theil werden.
Amen.
[1782 und 1783 fehlen das Amen und die nachfolgende amtliche Beglaubigung.]
Daß der vorbenannter Dominikaner Prediger der vom Canzel abgehaltenen leztern Predigt den vorstehenden lezteren Pphum [Paragraphen] anfangend, in der Folge seiner Canzelreden [Runkel ergänzt: &] bis zum Ende beygefügt habe, solches bescheinige mir annoch wohl beyfällig zu sein, Kraft meiner eigenen Unterschrift.
Kayserl, in der Reichs Stadt Achen residirender Notarius mppria.
(L. S.) Eickholtz."
(1) Das heißt, daß sie, die Maurerei, nicht toleriert werden solle.
(2) 1743-1745 wurden in der Nachbarschaft Aachens zu Herzogenrath, Scheidt, Rinburg und Kirchrath 52 Personen einer Räuberbande hingerichtet.

Die beiden Predigten von Pater Schuff am 11. und 18.4. 1779

[Runkel meint:
„Der zweite Bericht läßt sich aus dem Konzept datieren, er ist am 12. April 1779 verfaßt.“]


Dem Pater Greinemann folgte der Capuzinerpater Schuff.

„Pro Nota.
Der Pater Schuff Lector von die Capuziner in Achen predigte im Achner Münster den 11. April 1779
[1782 und 1783 fehlt diese Datumsangabe]
[Runkel und Pauls: Der Pater Schuff [Runkel lässt den Namen weg] Lector von denen Capuzinern Prediger im Münster in Achen predigte gestern den 11. April 1779]
gegen die Fr. Mr, und schalte sie als unchristliche [Runkel ergänzt: „und“] Gottes vergessene Leuthe. Er ermahnte alle Christen sie als Heyden und publikaner (3) anzusehen, weilen sie sich durch ihre boßhafte und teuflische Zusammenkünfte den Kirchen Bann zugezogen hätten:
Eben diese Strafe zögen sich auch alle diejenigen auf den Halß, welche nur den mindesten Umgang mit Ihnen hätten, noch mehr aber jene so vor sie arbeitheten, besonders [Runkel: und am meisten] die so für ihre Loge, den Thron, die Tische, Sessel, Schürzen [Runkel und Pauls: die Tablier] etc. gemacht hätten [1782 und 1783 fehlen die 14 kursiven Wörter], ja so gar die welche die Fr. Mr. logirten, speiseten, tränckten oder auf andere Art bedienten wären verdamt und könnten ohnmöglich seelig werden: jene hingegen so ihre Ostern bereits gehalten und nicht gebeichtet hätten was für Umgang sie mit [Runkel und Pauls ergänzen: „denen“] Fr. Mr. gehabt, und was sie für sie gethan, wären in doppeltem Kirchenbann, den niemand als der Pabst allein aufheben könnte [Runkel und Pauls: könne],
gar in ihren letzten Zügen könnte kein Priester, sondern der Pabst selbsten nur allein diesen Bann [1782 und 1783: dieses Band] aufheben, und wann einer in diesem Kirchenbann sterbend, auf geweyheten Boden begraben würde, dessen Körper unter diesem Ausdruck [Runkel und Pauls: unter diesen Ausdrücken] wieder ausgegraben werden [Runkel unterlässt: „werden“] und auf einen weit davon entlegenen [Runkel und Pauls : entfernten] Ort zur Erde gebracht werden müsse, dann dieser geweyhete Ort durch dessen Leiche entweyhet, und von neuem geheiliget werden müsse [Runkel: müßte], wobei er die bekannte Historie von Pyrrhus allegirte.
Endlich rufte er alle [Pauls: alles] Pastores, Priester und Beichtiger auf und ermahnte sie [Runkel und Pauls: Sie] keinem Fr, Mr. unter keinem Praetext die heiligen Sacramente zu reichen etc. den 18, April 1779.
[Hier bricht 1782 und 1783 sowie bei Runkel, ohne das Datum angegeben zu haben, das Zitat ab.
1782 und 83 folgt eine verkürzte undverstümmelte Fassung des nächsten, kurzen, Berichts.
Pauls bringt hier schon ein Attest und zitiert den nächsten, kurzen, Bericht separat.]
Daß in der am verwichenen Sonntag den. 18. april 1779 des Nachmittags ab in der Königl. Stifts Kirchen zu unser Lieben Frauen hieselbst abgehaltenen predigt der Capuciner Prediger seine ganze den Sonntag dabevor, in Betref des Fr. Mr. Ordens abgehaltene Predigt und zwar in nachfolgenden ohngefehrlich worten:
Ja das. was ich in meiner letztern Sontagigen Predigt gesaget und angeführet habe, solches bekräftige ich hiermit nochmahlen als die reine Wahrheit und erbiethe mich allen und jeden, der nur Lust hat des weder [Pauls: des endes] zu mich zu kommen dieser Wahrheit halber gründlichst zu überzeugen, in allem und jedem bekräftiget habe,
bezeuge ich hiermit auf ersuchen mit Hand und Sigill.
(L. S.) Joes Ant. Eikholtz, caesareus Aquisgrani [Pauls: Aquisgrandi] redidens
Notarius publicus huc [Pauls: hac] 24. Aprilis 1779."
(3) Die bei den Römern ihrer Härte wegen verhaßten Pächter der Staatseinkünfte.


Dominikaner wie Capuziner waren Bettelorden. Es ist beachtenswerth für die fernere Entwicklung des Streites, daß der Dominikaner Greinemann, als der vom Magistrat angestiftete, politische Gründe gegen die Freimaurer in seine Predigt verflicht, während der Capuziner Schuff, der aus eigenem Antriebe, um seinen Orden nicht minder wachsam erscheinen zu lassen, aufgetreten zu sein scheint, nur die religiöse Seite der Frage behandelt.

„fama crescit eundo“ = Das Gerücht wächst mit seiner Verbreitung

Die Auszüge der Predigten wurden von der Loge „in forma authentica, von Notarien und Zeugen, die sie angehört haben und die nicht Maurer sind, unterschrieben", an v. Bostell und v. Ditfurth nach Wetzlar gesandt. (4)

(4) Das Handbuch der Freimaurerei [Band 1, 1863, 1-2] gibt in einer Note unter Aachen eine aus dem Wiener Journal für Freimaurer vom Jahre 1785 entnommene, in obigen Auszügen nicht enthaltene Hauptkraftstelle der Predigten des Pater Greinemann.
Ein Artikel „Verfolgung der Maurerei in Aachen" in der Freimaurerbibliothek. 8. Stück. Berlin 1803. Seite 121. schöpft aus derselben Quelle und fügt noch den Todschlag eines Maurers durch den Aachener Pöbel hinzu.
Wir geben die Stellen nicht wieder, um den Irrthum nicht noch zu verlängern, die Behauptung beider Aufsätze müssen auf das fama crescit eundo zurückgeführt werden. In unsern Originalguellen findet sich kein Anhalt dafür, gewiß wird die Loge bei der großen gegenseitigen Erbitterung nicht gerade die kräftigsten Stellen und Thatsachen wie einen Todschlag unterdrückt haben.
Ebenso ist der Aachen betreffende Passus in dem Artikel „Verfolgungen" im Handbuch der Freimaurerei nach dem Verfolg unserer Darstellung wesentlich umzuarbeiten.


Unterm 13. April 1779 erließ die aachener Loge ein Ausschreiben an alle befreundeten Logen, in dem sie den Inhalt der Magistratsverordnung und die beiden Predigten wiedergibt und um den Beistand der Logen in ihrer mißlichen Lage bittet.
Sie erwähnt dabei, daß die Predigten die gewünschte Wirkung gehabt und „bereits einige Brüder auf öffentlicher Straße, wenn auch nur leicht, mißhandelt wurden, die Maurer daher aus Besorgniß vor einem übelgesinnten Pöbel nur selten auszugehen wagen".

Auf eine Anfrage in Wetzlar, ob sich die Aachener Loge nicht auch an die Großloge in Paris wenden dürfe, erfolgte die Antwort, daß, da der Vorfall die Maurerei überhaupt, mithin alle Brüder betreffe, dies ohne allen Anstand und ohne Zeitversäumniß geschehen solle.


Verbote und Verfolgungen auch anderswo

Von allen Seiten, von Riga bis Neapel, liefen Briefe mit dem Ausdruck der Theilnahme ein, ohne daß indeß die einzelnen Logen thatsächlich eingreifen konnten. Die Loge ,Eugenia zum gekrönten Löwen‘ in Danzig, wie die Loge ,de la victoire‘ in Neapel sandten Berichte, in denen sie ihre eigenen ähnlichen Verfolgungen schilderten. (5)

(5) In Danzig hatte der Magistrat 1763 ein Edikt gegen die Freimaurer erlassen, schärfer wie das Aachener:
in Neapel erfuhr man die Aachener Verfolgung durch einen Artikel des Courrier du Bas-Rhin (siehe im Text). Dort verbot Ferdinand IV. 1775 die Freimaurerei; die Mitglieder wurden von der Staatsjustiz und dem Pöbel verfolgt, bis 1782 der König einen gewissen Grad von Duldung zuließ. Unterm 23. März 1782 zeigte die Loge in Neapel unserer Loge das Aufhören der Verfolgungen an.
Bis um 1740 waren in Frankreich, Schweden, Polen, Florenz, Spanien, Portugal, der Schweiz und auf Malta von Staatswegen allgemeine Verbote gegen die Freimaurerei erlassen und einzelne Mitglieder verfolgt worden. (Geschichte der Gr. National-Mutterloge S. 5.)
1779 war die Freimaurerei so allgemein verbreitet und geduldet, daß der Aachener Fall überall großes Aufsehen erregte.

Ein Bericht aus der Aachener Loge drei Wochen nach der Predigt

Chronologen. Ein periodisches Werk von Wekhrlin. Zweyter Band, 1779. 67-72
[Der Text ist nicht abgedruckt in August Pauls: Geschichte der Aachener Freimaurerei. 1928, 153, 353.]

Der kranke Löwe.

Ich bin nicht Freymaurer. Ein Mensch von meiner Freymütigkeit würde ein ungeschickes Subjekt für die Loge seyn. Alles was ich von diesem Orden weis, ist, daß man Nichts von ihm weis. Ich darf mich also ohne Scheu über folgenden Zufall erklären.

Die Loge zu Achen hat in den öfentlichen Blättern folgendes Circular bekannt gemacht.

[Mit einigen kleineren Abweichungen – und einer gekürzten Predigt von Schufft – bereits in:
Vertheidigung der Freymäurer wider die Verläumdungen zweener Geistlichen, welche den Orden öffentlich auf der Kanzel angegriffen haben“ 1779, 1-6. Die Schrift wurde zuerst auf Französisch in Holland gedruckt.
Kommentar dazu bei August Pauls, 1928, 153, 350-352.
Ferner in:
Receuil précieux de la maçonnerie Adonhiramite. 1781, 103-109;
dt. Vollständige Sammlung der ganzen Adon-Hiramitischen Maurerey. 1786, 130-137; mit der falschen Behauptung, die Predigten hätten „Anlass zur Ermordung verschiedener Brüder“ gegeben. Es folgt, 138-144, das Sendschreiben vom 22.5.1779.]


Aus der Loge Constantia zu Achen den 13ten April 1779

Zum Ruhme des großen Baumeisters des Weltgebäudes.
Heil, Kraft und Einigkeit.
Hochehrwürdige und Hochansehnliche Brüder!

Die Loge von der Beständigkeit, gelegen im Orient von Achen, ersucht die ehrwürdige Gemeinschaft aller Logen, ihr in der unglücklichen Lage, worinn sie sich befindet, ihren Schuz angedeihen zu lassen.

Der Pater Ludwig Greinemann, ein Dominikaner von Maynz gebürtig, itziger Lector der Theologie in hiesigem Dominikanerkloster, hat in verwichener Fastenzeit beständig gegen die Freymäurer in dieser Stadt und ihr Institut gepredigt: er hat sich nicht daran begnügt, in allgemeinen Ausdrücken zu predigen, sondern er hat auch persönlich die Brüder angegriffen, so daß alle seine Zuhörer sie leicht erkennen konnten.

Er sagte, die Freymäurer hätten einen Vertrag unter sich, woraus die gefährlichsten Folgen sowol für die Religion als für den Staat entstehen könnten: er schmeichle sich, alle Maurer dieser Stadt zu kennen, und von guter Hand zu wissen, daß sich Personen von der Regierung in der Gesellschaft befänden.

Er sezte hinzu: wie, meine geliebten Zuhörer, könnt ihr nun verlangen. daß die Gerechtigkeit von solchen Mitgliedern verwaltet werde?

Ein Unglück, das einem unserer Brüder in seiner Handlung zusties, gab dem Prediger Gelegenheit zu sagen, daß sey eine Strafe Gottes, und alle Maurer würde die göttliche Rache treffen, wenn sie sich nicht bekehrten. Dem Publiko ward nicht schwehr, diesen unglückichrn [unglücklichen] Bruder zu erkennen.

Der Prediger trieb die Verläumdung so weit, daß er sagte, die Mäurer wären lauter Spizbuben und Zauberer, die bey ihrer Aufnahme einen Eid leisteten, der dem Eide, der Räuber gleiche, die im Lande Rolduc, und Faulcaumont aufgehangen wären.

Der Magistrat dieser Stadt lies am 26ten Marz ein Mandat bubliciren, worinn er sich auf die gegen die Freymaurer ergangene Excommunication beruft, und denjenigen, welche dieselben aufnehmen, oder erlauben Loge in ihren Häusern zu halten, eine Geldstrafe von 100 Goldgüldem zum erstenmal, von 200 Goldgülden zum zweitenmal, und von 300 Goldgülden, nebst der Verbannung, zum drittenmal angekündigt, und demjenigen, welcher dergleichen Versammlung angiebt, die Helfte der Strafe mit Verschweigung seines Namens verspricht.

Nachdem der. ehrwürdjge Vater [Pater] Dominikaner den Magistrat wegen dieser weisen Verordnung zur Ausrottung der Freymaurer gar sehr gelobt hatte, so drückt er sich in seiner lezten Predigt gerade mit diesen Worten, aus:

„Ihr Maurer, Vorläufer des Antichrists, ihr seyd schon von einem Ende dieser Stadt zum andern gejagt worden, und diß wird noch weiter geschehen. Was für eine Parthey ist euch nun übrig? Wohin wollt ihr gehen? Nach Braunschweig? — Nein, -- nach Babilon.“

Nachdem es ihm geglückt war, den Magistrat auf seine Seite zu ziehen, um etwas gegen die Maurer zu beschließen, so rief er auch das Volk zu Hilf, und beschwor es, ihm in der Ausrottung dieses verfluchten Geschlechts behilflich zu seyn.

Diese Einladung .hatte die Wirkung, welche er sich davon versprochen hatte; da man einige Brüder auf der Gaße insultiert hat: welches verurschet, daß wir nur selten ausgehen können, aus Besorgnß, einem Volke, das mit einem guten Wil!en zum.Bösen erfüllt: ist, eine freye Laufbahn zu eröfnen, das überdiß durchs Predigten des ehrwürdigen Paters ermundert wird, welcher demselben die Versicherung ertheilt hat, daß weder Drohungen noch Schmeicheleyen ihn verhindern würden, diese Spizbuben.und Betrüger zu verfolgen, wofern ihn nur das Volk mit seinem gewöhnlichen Eifer und Mut unterstüzen würde.

Er schloß mit der.Anmerkung, daß Sodom und Gomorra mit einem Feuerregen vom Himmel wären bestraft worden — und ihr Maurer, sezte er hinzu, dergleichen Schicksal warte auch eurer.


Der Pater Schuft, ein Kapuziner, Prediger der Cathedralkirche zu Achen, predigte gleichfalls am 11ten Apr. gegen die unglücklichen Brüder. Anfangs nannte er sie böse Christen und Gottlose. Er ermahnte alle gute Christen, sie als Heiden und Zöllner zu betrachten, weil sie durch ihre Bosheiten und teuflischen Versammlungen sich den Kirchenbann zugezogen hätten.

Dieselben Strafen, sagte er, sind denjenigen vorbehalten, die mit ihnen Umgang pflegen; und noch vielmehr denjenigen, welche für sie und ihre Loge arbeiten: ja selbst diejenigen, welche ihnen Wohnung geben, sie speisen und ihnen dienen, können-nicht seelig werden. Diejenigen, welche auf Ostern gebeichtet und ihren Beichtvätern den Umgang, den sie mit ihnen gehabt, nicht bekannt haben, sind doppelt excommunicirt, und der Pabst allein kan sie, selbst in den lezten Augenblicken des Lebens, loßsprechen.

Und wann in dieser Zwischenzeit einer von ihnen stürbe, und in geweihter Erde begraben würde: so müßte man seinen Leichnam ausgraben, und ihn weit von der geweihten Erde entfernen, welche, weil sie besudelt wäre, von Neuem wieder müßte geweihet werden. U. s. w.

Endlich ermahnet der Pater Schuft alle Pfarrer, Vikaren und Beichtväter, allen Maurern die Sacramente zu verweigern, unter welchem Vorwande sie selbige auch verlangen können.

Urtheilen sie, hochehrwürdige Brüdere, von unserer traurigen Lage. Wenn diese Mönche fortfahren zu predigen, so laufen wir alle Gefahr, ermordet zu werden. Wir nehmen unsere Zuflucht zu ihnen, geliebte Brüder. Nur ihre gute Dienste können uns aus der Angst reißen, in der wir uns befinden.

Ihre mitleidigen Herzen und ihr Eifer für die königliche Kunst berechtigen uns, zu hoffen, daß sie ihre Bitten mit, den unsrigen vereinigen werden, damit uns von einem gewißen Orte Schuz gewährt werden möge.

In dieser süßen Erwartung haben wir. Das Glück durch die Zahl ihres Orients, und durch die Ehre, welche sie verdienen zu seyn ihre ergebensten Brüdere
von der Loge der Constantia zu Achen.


Was auch der Vorwurf des Freymäurerordens seyn mag, so verdient, er Verehrung, weil er ein Geheimniß ist. Er trägt das geheiligte Siegel der Verschwiegenheit auf sich.

Ein Bericht in einem Buch im Herbst 1779

Aus:
Geschichte des Schiksals der Freymäurer zu Neapel. 1779, Anhang, 110-117.
Dazu August Pauls: Geschichte der Aachener Freimaurerei. 1928, 352-353:
„In starker Ausschmückung der wirklichen Begebenheit …“


Während der Zeit, da diese Geschichte, geschrieben wurde, hat sich das Gericht von einer neuen Verfolgung verbreitet, die zu Aachen über die Freymäurer ergangen, und allerdings werth ist, der vorigen Begebenheit, der ohnedem das Ende noch abgeht, gleichsam als untergeschobner Schweif einstweilen angehängt zu werden.

Ein dortiger Dominicaner Mönch, seines Nahmens Ludwig Grunzmann, gebürtig aus Maynz hatte die Fasten über, nachdem er wahrscheinlicher Weise die Anweisungen zu christlicher Liebe, zur Wohlthätigkeit, Leutseeligkeit und allerley Art von guten Handlungen erschöpft hatte, am Ende die Freymäurer zum Gegenstand seiner heiligen Betrachtungen gemacht.
Er mahlte sie darinn mit den gehäßigsten Farben ab, die wie man weiß, von seines gleichen mehr aufgeworfen als aufgetragen sind; und gab ihnen, um ja der Tugend der Popularität getreu zu bleiben, schlechtweg die Nahmen Spizbuben, Beutelschneider, Hexenmeister, Sodomiten, Teufelsbanner, und um das ärgste von allem hinzuzusezen, sogar Vorläufer des Antichrist. Und versicherte seine christliche Zuhörer auf sein Wort, daß das Feuer, das Sodom und Gomorrha verzehrt habe, nicht lange säumen werde, über diese eingefleischten Kinder des Beelzebub, des Obersten der Teufel, auszubrechen.


Die Obrigkeit, in weiser Betrachtung, was Mönchenwuth für eine Art von Wuth sey, und aus Furcht, wenn sie in heiliger Brunst sich mit der Pöbelwuth paaren würde, daß eine tausendköpfige Schlange zur Welt kommen möchte, die so leicht nicht aus dem Weg zu schaffen wäre, hielt fürs rathsamste, den Mönchen zu streicheln, und wo möglich zu besänftigen. In dieser Absicht ließ sie ein Mandat ausgehn, worinn die päbstlich Excommunication der Freymäurer bestätigt, und denen , die ihren Zusamenkünften Vorschub leisten würden, eine gradweis zunehmende Strafe angekündigt wird.

Statt befriedigt, nur noch wüthender, und izt auf die Stüze der Obrigkeit trozend, fieng der hochwürdige Pater, der bisher schrie, nun zu brüllen an. Und was befürchtet wurde, geschah. Es gelang ihm, den Pöbel, der von jeher ein unglücklicher Raub des Fanatismus war, anzustecken. Er beschwur die Menge beym Crucifix, das er in der Hand hatte, bey dem Bild dessen der lauter Sanftmuth und Liebe war, mit ihm zu wüthen, und diese Pest der Christenheit zu vertilgen.


Noch gesellte sich zu ihm ein rüstiger Capuciner, genannt Schuft, und ermahnte alle gut catholischen Christen, die Freymäurer nicht anders anzusehn als Heiden, die von Gott nichts wissen, und dem zukünftigen Zorn nicht entrinnen werden. Und erklärte als gleicher Strafe theilhaftig alle, die ruchlos genug seyn würden, sie zu beherbergen, zu bedienen, mit ihnen zu essen, zu trincken oder zu schlaffen; und wenn sie ohne diese Höllenbrände anzugeben, die Osterbeicht vorüberlassen; so soll jeder oder jede, wenn schon einzelnes Individuum, zweifach excommuniciert werden ; von welcher zweifachen Excommunication auch in der lezten Todesstunde sie niemand werde losmachen können als der Pabst zu Rom. Und wenn sie unentdeckt sterben; und unglücklicher Weise in geweihte Erde begraben werden, so sollen sie, sobald entdeckt, wieder ausgegraben und weit davon in gemeine sündliche Erde verscharrt, und der von ihnen entheiligte Boden müsse wieder aufs neue geweiht werden.

Und seither sind verschiedene, die als Freymäurer angesehen waren, öffentlich beschimpft und angefallen worden; und keiner darf es wagen, sich des Tages sehen zu lassen, aus Furcht, ein Opfer der öffentlichen Wuth zu werden.

Wenn bey diesem Aufstand nicht für die öffentliche Ruhe und Sicherheit, und nebenher für eine Entzündung des armen Dominicaners und seines eifrigen Mitarbeiters zu fürchten wäre; so dürfte sich der Orden der Freymäurer überhaupt vielmehr Glück dazu wünschen. Denn was müßte er in den Augen der Weisen seyn, wenn er sogar auch den Mönchen (die wenigen edlen darunter sind billig genug mir selber Recht zu geben) wenn er, sag ich, auch den Mönchen und dem niedern Pöbel gefiele?

Wer aufgeklärten Geistes und fähig ist, schöne Handlungen zu schäzen und zu thun; wen, über das schimmernde Nichts gemeiner Seelen erhaben, die großen Gegenstände der Menschheit rühren; der wird, wenn er die Gesellschaft der Freymäurer noch nicht kennt, sich gewis hüten, ein rasches Urtheil gegen sie zu fällen. Er wird sich nicht verhindern können, eine Gesellschaft von so grossem Umfang, die aus so viel ehrwürdigen Personen besteht, je länger er sie betrachten wird, mit einer Art von Erstaunen und Ehrerbietung anzusehen. Einen Körper, dessen Arme gleichsam von einem Ende der Erde zum andern reichen, und mit Liebe die ganze Menschheit umfassen.
Die Form dieses Körpers, die Auswahl seiner Glieder, seine Handlungen werden ihm endlich die Gesinnungen abgewinnen, ein so schöner Körper müsse eine schöne Seele, und müsse mit einer ihm ähnlichen Seele einen gewissen Zweck seines Daseyns, und könne keinen andern haben, als der mit ihm zusammenstimmend, also schön seyn muß und groß, wie er selbst.
Dann wird ihm die Verborgenheit seiner Seele nicht mehr verdächtig, sie wird ihm zulezt vernünftig und nothwendig vorkommen. Aehnlich vielleicht dem grossen Rad der Natur, womit sie das Universum bewegt. Ihre Wirkungen sind sichtbar, wohlthätig und weise. Ihre Werkstätte hat sie verschlossen.

Eine ironische Schilderung in einem Reisebericht, 1784

Aus:
Johann Pezzl. Faustin oder das aufgeklärte philosophische Jahrhundert. 1784, 184-185


Einige Wochen hatt' er in diesem wonniglichen Taumel zugebracht, hatt' auf Philosophie und Aufklärung vergessen, da ihn sein Freund Brükner mit einem gedrukten Bnef aus seinem Liebesschlummer wekte. Die Freimäurer Loge in dem benachbarten Aachen hatt' ein Zirkulare ausgesandt, darin sie ihre Schwesterlogen um Beistand anrufte; denn der Kapuziner Schuft hatte in Kompagnie mit einem Dominikaner daselbst auf der Kanzel — wo noch täglich Pasquillanten und Prediger stehen — allgewaltig gegen die Mäurer gelermt, sie Spizbuben und Zauberer geheissen; behauptet, daß sie und alle die mit ihnen umgehen, des Teufels seyen; auch das Auditorium beschworen, es sollte das verfluchte Geschlecht ausrotten; und das Kanallje von Aachen hatte würklich einige Brüder insultirt.
Sogar der hochweise Magistrat war über dieses Mönchsgelärm in Flammen gerathen, und hatte ein Mandat publizirt, darin er sich auf die gegen den Orden geschleuderte Exkommunikazion beruft, und daher bei Strafe von dreihundert Goldgülden und Landesverweisung verbietet, einen Maurer in seinem Hause aufzunehmen oder Loge darin halten zu lassen.
Pater Schuft präkonisirte hierüber die Abderitischen Rathsherren mit dem ganzen Strom seiner Kapuziner Eloquenz: Und seitdem heißt jeder elende, hämische, tükische, schadenfrohe Dümmling ein — Schuft …

Faustin, der zu jeder andern Zeit dieses für Deutschland unerhörte Beispiel von Pfaffen-Insolenz und Magistratischer Betise kraft seiner gewöhnlichen Theilnemmung an allem, was sich auf den Sieg der Wahrheit bezog, mit ehrenvollen Klagen bedauert, und wenigst mit der Neapolitanischen Freimäurer-Verfolgung würde verglichen haben …

Die erste massive Verfälschung durch Edler Ignaz von Born, 1785

Journal für Freymaurer. Band 2, Zweites Vierteljahr, 1785, 94-107.
Nachgedruckt in Freymäurer-Bibliothek. Bd. 8, 1803, 121-132.

Stark verkürzt in:
Johann Christian Gädicke: Freimaurer-Lexicon. 1818, 3-5.
Die Version von Gädicke ungefähr nachgedruckt auf englisch in:
Albert Gallatin Mackey: Encyclopedia of Freemasonry. 1874 unter „Aix-la-Chapelle“; auch noch in der Auflage 1912, Bd. 1, 42-43; nachgedruckt auch in „The Builder Magazine“, Vol. VIII, Nr. 8, August 1921
Übrigens: Bereits in „The Builder Magazine“ Vol. II, Nr.5, May 1916 hat R. J. Lemert eine lange Suche nach dem angeblichen Sendschreiben von Friedrich II an die beiden Mönche beschrieben unter dem Titel „A Masonic Myth in the Making“.


Auszüge und Kommentare bei August Pauls: Geschichte der Aachener Freimaurerei. 1928, 390-392:
„Leider hat der Verfasser, ein ehemaliger Jesuitennovize, der 1783 Meister vom Stuhl der Wiener Eintrachtloge war, in unverantwortlicher Weise sich bei der Darstellung des Sachverhalts Übertreibungen und Ausschmückungen zu Schulden kommen lassen, die später bedauerlicher Weise in andere Veröffentlichungen übergegangen sind.“


Verfolgung der Maurerey zu Aachen im Jahre 1779.

Kaum war die Verfolgung gegen unsern Orden in Neapel gestillet, als an einer Ecke von Deutschland zwey rüstige Mönche auf den Kampfplatz trotten, um es mit der Maurerey aufzunehmen. Einer derselben Ludwig Greinemann, war ein Dominikaner und ein seines Ordensvaters würdiger Sohn, der, wenn er die Macht eines Großinquisitors in den Händen gehabt hätte, vielleicht den Scheiterhaufen nie würde haben erlöschen lassen.
Indeß that er, was er als Lektor der Theologie konnte. Er fluchte den Ketzern und Mönchsfeinden von seinem Lehrstuhle und schickte sie zur Hölle so oft es ihm gefiel.

Dieser streitfertige Athlet bestieg im Jahre 1779 zur Fastenzeit die Kanzel seines Klosters zu Aachen, nicht um seine Zuhörer mit der Lebensgeschichte und dem Tode seines Erlösers zu erbauen, sondern um durch die ganze Reihe seiner Predigten zu beweisen, daß die Juden, die den Heiland kreuzigten, freye Maurer gewesen seyen [1803: die 11 kursiven Wörter fehlen; Gädicke, 1818, bringt sie trotzdem], daß Pilatus und Herodes die Vorsteher einer Loge gewesen, daß Judas, bevor er seinen Meister verrieth, sich habe in der Synagoge zum Maurer aufnehmen lassen, und als er die 30 Silberlinge zurückgab, bevor er hingieng, sich zu erhenken, nichts weiter gethan habe, als dass er die Taxe für die Aufnahme in den Orden bezahlte.

Aus dieser ganz auf die Bibel gegründeten Voraussetzung zog unser P. Lektor mit aller möglichen Mönchserudition die unumstößlliche Folge: daß das Bündniß der Maurer für den Staat und die Religion die nachtheiligsten Folgen haben müsse, daß dessen Glieder Räuber, Schurken, Zauberer, Sodomiten und Vorläufer des Antichrists seyen, und daß in der freyen Reichstadt Aachen Niemand Gerechtigkeit hoffen und suchen dürfe, so lange unter den Mitgliedern der Regierung selbst Maurer angetroffen würden.
Er erkühnte sich einige fast namentlich anzuzeigen, und benützte das Unglück, das gerade damals einen der Brüder in seinen Handlungsgeschäften traf, um zu beweisen, daß die rächende Hand des Herrn den Maurer auf jedem Schritte verfolge.

Der Magistrat von Aachen bemerkte die Gährung, welche durch den Sauerteig, mit dem der seelenhungrige Fastenredner seine Zuhörer speiste, unter dem Pöbel verursacht wurde, und glaubte seiner Klugheit schuldig zu seyn, das Volk zu überzeugen, daß ein wohlweiser Magistrat von der Seuche der Maurerey nicht angesteckt sey, und das Zutrauen einer ehrsamen Bürgerschaft noch im vollen Masse verdiene. Er ließ demnach am 26ten Marz durch ein öffentlich aufgeschlagenes [1803: angeschlagenes] Dekret bekannt machen:

„ Es würde den Einwohnern der freyen Reichsstadt Aachen noch rückerinnerlich beywohnen, wienach [1803: wie noch] die Sekte der Freymaurer bereits von zwey päbstlichen Heiligkeiten mit dem Kirchenbanne belegt worden sey, und ein edler und hochweiser Magistrat zu jener, dieser Excommunication ipso facto anklebenden, ewigen Verdammung aus stadtväterlicher Fürsorge noch die zeitliche Strafe beyzufügen beschlossen habe, daß jeder, der den sogenannten freyen Maurern eine Freystadt anbieten oder gestatten sollte, in seinem Hause derley Zusammenkünfte zu halten, es das erstemal mit 100 fl. das zweytemal mit 200 fl. büssen und zum drittenmal aus der Stadt und dessen Gebiete verwiesen werden solle. Und das von Rechtswegen."


Eine so fromme und patriotische Verfügung verdiente den Beyfall des P. Greinemann. Er unterließ auch nicht in seiner folgenden Predigt den Eifer der edeln Väter der Stadt seinem erbauten Auditorium anzurühmen, dann aber sich an die Maurer zu wenden, und sie zu fragen, wo sie sich nun hinflüchten würden, nach Braunschweig oder Babylon? denn wenn sie in Aachen blieben, würde über sie Schwefel und Feuer, wie einst über Sodoma und Gomorra regnen müssen, um das Ungeziefer samt den Maurern [1803: Mauern; Pauls vermutet: Mauern] zu vertilgen, in die es sich eingenistet hätte. Doch — so fuhr er fort seine geängstigten Zuhörer zu trösten — Doch das soll nicht geschehen!
Wir wollen, um so ein Unglück von unsrer Stadt abzuwenden, sie selbst ausrotten, diese schändliche Menschenrasse [1803: Menschenrace]! Wenn ihr mir euern Beystand versprechet, will ich jeden, der mir aufstößt, mit eigener Hand erlegen. Kein menschliches Ansehen soll mich daran hindern, und der Würgengel, der auf Geheiß meiner Ordensgenossen so oft den Scheiterhaufen angezündet hat, um Ketzer und Unglaubige zu verbrennen, soll mir beystehen.

So schloß er seine Predigt. Der erbaute Pöbel eilte nach der Strasse und mißhandelte jeden, den er im Verdacht hatte, als gehöre er zur Sekte der Maurer.


Der Ruhm, den sich der Dominikaner durch diesen seine apostolischen Eifer bey Lieb und Andacht von Aachen erwarb, machte die Eifersucht des P. Schuft, eines Kapuziners, rege, dem damals das Amt eines Sonntagspredigers in der Domkirche zu Aachen anvertraut war. Er hielt es für einen, der Würde seines Amtes und seines Ordens zu nahe tretenden Schritt, daß der Sohn des h. Dominikus und der Prediger einer gemeinen Klosterkirche, ihm — einem Kapuziner und Domprediger — es an Seeleneifer und Ketzermacherey zuvorthun wolle.
Er faßte den Entschluß seinem Gegner zu zeigen, um wie viel wirksamer der Vortrag eines zottigen Mönchs auf das Volk sey, als jener eines geschorenen. Von diesem edlen Eifer belebt, bestieg unser armer Schuft am folgenden Sonntage die Kanzel, las der Trost durstenden Versammlung einen Text aus dem Evangelium vor, der von Heiden und Publikanen handelte, und zog daraus die ganz natürliche Folge: daß der Heiland seine Jünger gegen diese nur darum gewarnet habe, weil sie der gottlosen Zunft der Freymaurer damaliger Zeiten zugethan waren, nach welchem Beyspiele die untrüglichen Statthalter Gottes auf Erden die Maurerey ebenfalls mit dem schweren Kirchenbanne belegt hätten.
Jeder Maurer sey also aus dem Schoose der Kirchen verstossen, und ausgeschlossen von dem Erbe, das unser Erlöser mit seinem Blute dem Menschen erkaufet habe.
Aber nicht nur der Maurer, sondern jeder, der mit ihm spricht, ihm dient, für ihn arbeitet, ihn speiset und beherbergt, sey gleichfalls mit dein Kirchenbanne belegt, und könne auch in seiner letzten Todesstunde nur durch den Pabst selbst von der ewigen Verdammung losgesprochen werden, wenn er in der nächsten österlichen Beicht dieses sein Verbrechen verschweigen würde. So ein Sünder müsse auch nach seinem Tode aus der geweihten Erde ausgegraben und auf den Schindanger geworden werden.

Der Unsinn des rasenden Schufts wirkte auf die Zuhörer, wie der Geifer eines tollen Hundes auf den Verwundeten. In allen Strassen lief der Pöbel wütend und rief aus vollem Halse: Er wolle alle Maurer erschlagen.

Zum Unglück trafen ein Paar dieser Fanatiker auf einen unsrer Brüder, den sie so gewaltig anfielen, daß er für todt auf dem Platz blieb.

In dieser kritischen Lage wandte sich endlich die Loge zur Beständigkeit in Aachen an die benachbarten Logen und forderte ihre und einiger Fürsten, die dem Orden von jeher Schutz und Ansehen gaben, Bruderliebe auf, um sie der androhenden Gefahr zu entziehen.

Diese Aufforderung war nicht fruchtlos. Die beyden apostolischen Maurerstürmer erhielten von sicherer Hand ein französisches Schreiben, das mir auch ihre Aufmerksamkeit MM. BB. und einen Platz in dieser Abhandlung zu verdienen scheint.

Eine weitere massive Verfälschung durch Karl Oppel 1880

Karl Oppel in den „Mittheilungen aus den Protokollen der Großen Mutterloge des Eklektischen Freimaurerbundes in Frankfurt am Main“, Neue Folge No. 76, 1880, 20-22.

dazu August Pauls: Geschichte der Aachener Freimaurerei. 1928, 402-403:
„Die Aachener Freimaurerverfolgung hat Br. Oppel in einer wenig glücklichen Weise dargestellt. Er folgt der Hauptsache den übertriebenen Angaben des Br. v. Born im Wiener ‚Journal‘ und lässt den Kapuziner Schuff (nicht den Dominikaner Greinemann, wie v. Born es dargestellt hatte) sogar den Rang angeben, den die Vorsteher der Loge in Jerusalem bekleidet hätten….
Es ist wirklich sehr bedauerlich, dass ein Freimaurer in der Stellung eines Grossmeisters, wie Br. Oppel, … in so unkritischer Weise … eine geschichtliche Begebenheit in seinem vor einem grösseren Bruderkreis gehaltenen Vortrag geschildert hat.“]


Vor hundert Jahren, d. h am 15. September 1778, ward in Aachen die Loge „zur Beständigkeit" gegründet. Sie gehörte elf Jahre lang (von 1783 bis 1794) zu dem eklektischen Bunde und arbeitet jetzt untem [!] dem Namen: „Zur Beständigkeit und Eintracht" unter der Großloge zu den drei Weltkugeln.

Kaum war die Loge in Aachen gegründet, als erleuchtete und ideal gesinnte Bürger der Stadt hinzutraten und sich ein reges Leben entfaltete, das die schönsten Blüthen und Früchte hoffen ließ. Darob stutzten die, welche von Aufklärung, Menschenwürde und Menschenrecht nichts hören wollten, und schon nach wenigen Monaten, in der Fastenzeit 1779, hielt der Dominikaner Pater Greinemann die aufregendsten Predigten gegen die Freimaurer, welche er als Gottesleugner, Betrüger und Schurken schilderte. Seine Enthüllungen der Schlechtigkeiten, welche die Freimaurer trieben, waren haarsträubend und das gläubige Volk gerieth in Gährung.

Den geschichtskundigen Confrater noch zu überbieten, trat wenige Tage später der Kapuziner Pater Schuff auf und belehrte die mit Entsetzen zuhorchende Menge, daß diejenigen, welche vor 2000 Jahren Jesum gekreuzigt, Freimaurer gewesen seien; Herodes aber sei Meister vom Stuhl der Loge in Jerusalem und Pilatus sein Stellvertreter, Zugeordneter gewesen. Nicht genug: Auch der Verräther Judas war ein Logenbruder; und da er seine Aufnahme-Gebühren nicht entrichten konnte, verrieth er gegen Bezahlung von dreißig Silberlingen seinen Herrn und Meister und beglich mit diesem Sündengelde seine Reception.

Das war der Schmach doch zu viel. Jedes ehrliche Gemüth empörte sich; „Judas! Judas!" schrieen die Knaben auf der Straße jedem nach, der als Freimaurer bekannt war; die Mitglieder der Loge wurden öffentlich insultirt, und an die Abhaltung von Arbeiten war nicht zu denken; der Pöbel würde das Lokal gestürmt haben.

Die Aufregung der Aachener Bürgerschaft wuchs mit jeder Predigt, welche die Mönche hielten, und — dem Impulse der Menge nachgebend, folgend — erließ der Magistrat am 29. März 1779 ein Dekret, welches jeden Hausbesitzer mit 100 Gulden Strafe bedrohte, der gestattete, daß Freimaurer in seinem Hause sich versammelten. Im Wiederholungsfalle sollte die Buße auf 200 Gulden erhöht werden. Das war eine sehr bedeutende Summe für die damalige Zeit, und nicht nur waren damit die ritualmäßigen Arbeiten unmöglich gemacht, es konnten sich die Brüder auch nicht einmal zu einer Berathung und Besprechung versammeln.

Der Meister vom Stuhl schrieb zunächst an den Großmeister, Herzog Ferdinand von Braunschweig, sodann an andere Reichsfürsten, welche Mitglieder des Bundes waren, und alle diese verwandten sich mit Eifer und Hingebung bei dem Magistrat der Stadt für die Freimaurer.
Aber auch Profane, Fürsten und Gelehrte, traten für die unschuldig Verfolgten ein; es erschien eine ganze Reihe von Flugschriften in deutscher und französischer Sprache; von allen Seiten ward dem Magistrat vorgehalten, daß die Freimaurer die edelsten Grundsätze hegten und verbreiteten und jeden Schutzes und jeder Förderung würdig seien.

Solchem Drängen konnten die Väter der Stadt nicht widerstehen, und als sich die Aufregung gelegt und einer ruhigen Betrachtung der Verhältnisse Platz gemacht hatte, nahmen sie (nach fünf Vierteljahren) am 26. Mai 1780 nicht nur jenes Drohedikt zurück, sondern verpflichteten sich zugleich, den Freimaurern in der Reichsstadt Aachen obrigkeitlichen Schutz zu gewähren und keinen Angriff auf sie zu dulden. — Die Arbeiten wurden wieder eröffnet, wackere Männer traten in der Brüder Reihen, mit der Zeit konnte die Loge ein eigenes Haus erwerben, und die Lehren der Königlichen Kunst blieben nicht in der Theorie, sondern wurden fruchtbringend in das Leben übertragen.

Das Weiterleben der richtigen und der falschen Texte

1. korrekt

A. Nachschlagewerke

Korrekte, wenn auch knappe Angaben, finden sich in:
C. Lenning: Allgemeines Handbuch der Freimaurerei. Band 1, 1863, 1-2
[nicht korrekt sind die Angaben in der ersten von zwei Anmerkungen, siehe oben Georgi: „fama crescit eundo“]
derselbe Text - ohne zwei Anmerkungen - auch in
Allgemeines Handbuch der Freimaurerei. Band 1, 1900.

Korrekte Angaben ferner – in Anlehnung an August Pauls „Geschichte der Aachener Freimaurerei“ (1928) - in:
Eugen Lennhoff, Oskar Posner: Internationales Freimaurer-Lexikon. 1932 unter den Schlagworten:
„Aachener Freimaurerverfolgung“ (Sp. 1); „Bellisoni [besser: Bellisomi], Carlo“ (Sp. 163-164); „Welbrück, Franz Karl Graf v.“ (Sp. 1681)
unter „Greinemann“ (Sp. 636) steht jedoch die falsche Jahreszahl 1727 (sie wurde in der Ausgabe von Dieter Binder, 2000, 363, nicht korrigiert).

B. Ferdinand Runkel. Geschichte der Freimaurerei in Deutschland

Korrekt auch - siehe ganz oben:
Ferdinand Runkel. Geschichte der Freimaurerei in Deutschland. 2. Band, 1932, 211-214, 218.

C. Diethelm Brüggemann: Kleist. Die Magie

Diethelm Brüggemann spürt in seiner gut 500seitigen Studie „Kleist. Die Magie“ (2004) den esoterischen resp. hermetischen Einflüssen auf sechs Erzählungen von Heinrich von Kleist nach. Dabei kommt immer wieder die Freimaurerei zur Sprache. Beim „Erdbeben in Chili“ (1806) widmet er ein ganzes Kapitel der „Freimaurerverfolgung“ in Aachen (296-302): Er stützt sich dabei bis in die Details auf das Buch von August Pauls und bemerkt: „Die Aachener Freimaurer, sie betrieben einen beispiellosen Aufwand, alle Welt von ihren Leiden zu unterrichten“ (297).


2. nicht korrekt

A. Arthur Singer: Der Kampf Roms gegen die Freimaurerei

Aus:
August Pauls: Geschichte der Aachener Freimaurerei. 1928, 406:
„In der geschichtlichen Studie ‚Der Kampf Roms gegen die Freimaurerei‘, den Br. Arthur Singer (Budapest) 1925 in Leipzig herausgegeben hat, fehlt naturgemäss auch nicht eine Darstellung der Aachener Freimaurerverfolgung, sie steht in den sehr lesenswerten Werk auf 37-38. Leider ist der gelehrte Verfasser bei Schilderung der Predigten und des Magistratsedikts, sowie der Beendigung des Aachener Freimaurerstreits, sei es unmittelbar, sei es mittelbar, in das Fahrwasser des v. Bornschen Aufsatzes im Wiener ‚Journal‘ geraten: so wirken sich Entstellungen noch nach 140 Jahren aus!“

Zusätzlich:
Paradoxerweise gibt Arthur Singer in einer Fussnote als Quelle für die Predigten an:
Vertheidigung der F. M. wider die Verleumdung zweener Geistlicher. Frankfurt 1779.
Dort steht freilich (siehe oben) nichts von dem, was Singer zitiert; das leicht modifizierte Zitat folgt dem Text von v. Born (1785).
Während sich auch die Wiedergabe des Edikts an v. Born anlehnt, stammt die verkürzte dt. Übersetzung des Sendschreibens vom 22.5.1779 aus der Zeitschrift „Astraea“, 1830, 353 – zu dieser Quelle meint Pauls (1928, 276): „Diese Wiedergabe des Sendschreibens ist die Fehlerquelle für manche späteren Veröffentlichungen.“


Der Auszug aus dem Druckschreiben nach der Wiedereröffnung der Aachener Loge scheint dagegen aus August Pauls Buch (1928, 381) zu stammen.

B. Manfred Steffens: Freimaurer in Deutschland

Ohne jegliche Quellenangabe zitiert Manfred Steffens in seinem historischen Werk „Freimaurer in Deutschland“ (1964, 265-267) dreimal aus den Predigten von Greinemann und einmal aus der ersten Predigt von Schuff, ferner bringt er nicht ganz korrekt das Edikt des Aachener Magistrats und einen Ausschnitt aus dem „Schlussbericht“ vom 1. Januar 1782.


C. Johannes Rogalla von Bieberstein: Die These von der Verschwörung 1776 -1945

In seiner Dissertation an der Universität Bochum 1971: „Die These von der Verschwörung 1776-1945“ (1976) zitiert Johannes Rogalla von Bieberstein paradox:
Seite 82: zuerst Ludwig Greinemann 1779 mit der Behauptung „Vorläufer des Antichrist“ aus der „Vertheidigung“ von 1779,3, hernach über die Juden als Freimaurer aus Arthur Singer, 1925, 37, und schliesslich die Rücknahme des Edikts nach Ferdinand Runkel (2. Bd, 1932, 210ff);
Seite 158 mit der Jahreszahl 1778 die Behauptung „Vorläufer des Antichrist“ aus Arthur Singer, 1925, 38, sowie über die Juden als Freimaurer aus Arthur Singer, 1925, 37.

Das Zitat wurde unter anderem in einem Artikel unter dem Titel “Drei Punkte“ im Spiegel (23.3.1981) wiedergegeben.
Dieter A. Binder stützt sich in seinem Buch „Die diskrete Gesellschaft“ (1988) und in der Taschenbuchausgabe unter dem Titel „Die Freimaurer“ (2000, 98) ebenfalls auf Arthur Singer resp. Rogalla, mit der Jahreszahl 1778 und der kecken Behauptung: „In diesem Kontext versteht es sich von selbst, dass Judas, ehe er Jesus verriet, noch rasch das Licht in der Loge empfing.“

Ein kürzerer Hinweis findet sich sogar in der Wikipedia unter „Antisemitismus (bis 1945)“ sowie „Weltjudentum“.

In dem von Helmut Reinalter herausgegebenen Band „Das Weltbild des Rechtsextremismus“ (1998, 201) spricht Franko Petri pauschal – d. h. ohne Zitat und Quellenangabe - vom „ersten expliziten Beleg für den Vorwurf einer ‚jüdisch-freimaurerischen Verschwörung‘“.

Noch 2006 brachten das Zitat Tom Goeller in seiner historischen Schrift „Freimaurer“ (108) und 2010 Helmut Reinalter in seiner Schrift „Die Weltverschwörer“, dazu mit der falschen Jahreszahl 1778.

D. Nachschlagewerke

In Coil’s Masonic Encyclopedia (1995, 56; 1. Aufl. 1961) findet sich unter „Anti-Masonry“ eine kurze Schilderung angelehnt an Johann Christian Gaedike (1818); die Namen lauten Ludwig Grieneman und Peter Schuff.

Daniel Ligou übernimmt in seinem „Dictionnaire de la franc-maçonnerie“ (1998, 562-563; ursprünglich 1974) die Version von v. Born und behauptet immer noch, das Sendschreiben an die beiden Aachener Mönche stamme von Frédéric II:


3. Eine vorsichtige Äusserung

Vorsichtig äussert sich Elias H. Füllenbach in Band 5 des „Handbuchs des Antisemitismus“ „Organisationen, Institutionen, Bewegungen“ (hrsg. Wolfgang Benz, 2012, 220).
Er weist darauf hin, dass sich „diese folgenreiche Verschwörungstheorie erst in späteren Schilderungen der ‚Aachener Freimaurerverfolgung‘“ findet.




An Umfang und Genauigkeit bisher unübertroffen enthält das bis zur Gegenwart aktualisierte große lexikalische Standardwerk über die Freimaurerei neben einem lexikografischen Teil, Grundgesetzen, Chronik und Vokabularium der Freimaurerei auch Darstellungen der Leistungen ihrer Mitglieder. Die Vielzahl der Stichworte, Bibliografie und Index ermöglichen einen leichten Zugang zur immer noch geheimnisumwitterten Welt der Feimaurer. Prof. Dieter A. Binder; geboren 1953, lehrt an der Karl-Franzens-Universität Graz und der Andrassy-Universität Budapest Geschichte. Autor zahlreicher Publikationen zur Österreichischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und zur Kulturgeschichte. Bestellung: SCHOPF

Aachener Freimaurerverfolgung Bei Lennhoff, Posner und Binder

Quelle: Lennhoff, Posner, Binder

Anfangs 1779 veranlasste der päpstliche Nuntius Carlo Bellisoni in Köln den Aachener Magistrat zu einem Vorgehen gegen die dortige Loge "Zur Beständigkeit". Am 23. März 1779 predigte der Dominikaner Greinemann gegen die Aachener Freimaurer, die er "Schelmen, Spitzbuben und Teufelsbanner" nannte und mit einer berüchtigten Räuberbande aus der Aachener Gegend verglich. Vom Aachener Magistrat wurde sodann in einer Verordnung vom 26. März 1779 allen Aachenern das Dulden von Logenversammlungen in ihren Wohnungen bei strengen Strafen verboten.

Am 11. April 1779 predigte der Kapuziner Schuff im Aachener Münster gegen die Aachener Logenbrüder und warnte die Gläubigen vor jedem Umgang mit ihnen; alsbald kam es dann zu Tätlichkeiten gegen Aachener Brüder. Auf Anraten ihrer Wetzlarer Direktorialloge hatte die Aachener Loge nach dem Erscheinen der Magistratsverordnung ihre Versammlungen eingestellt, sie verlegte Ende 1779 vorläufig ihren Sitz nach Vaals in Holland. Die Aachener Freimaurerverfolgung rief in der deutschen und ausländischen Presse ein ungeheures Aufsehen hervor. Besonders nachhaltig nahm sich die Wetzlarer Direktorialloge "Joseph zum Reichsadler", insbesondere durch die Brüder v. Ditfurth und Freiherr v. Waldenfels, der Aachener Freimaurer an.

Sie wussten eine Reihe von Fürsten, die der Strikten Observanz angehörten, zugunsten der Aachener Loge zu interessieren und zu Vorstellungen beim Aachener Magistrat sowie beim Fürstbischof von Lüttich, Graf v. Welbrück, der selbst Freimaurer war, zu bewegen. Welbrück, der mit dem zugunsten der Aachener Mönche eingenommenen Kölner Nuntius über die Aachener Freimaurerverfolgung einen Briefwechsel führte, verbot den beiden Mönchen das Predigen gegen die Freimaurer und bestrafte sie. Friedrich der Große, dem man fälschlich die Urheberschaft eines von Siegfried von Goué herrührenden Sendschreibens an die Mönche (erschienen im Clever "Courrier du Bas-Rhin" vom 22. Mai 1779) zugeschrieben hat, lehnte tatsächlich jeden Eingriff in die Aachener Freimaurerstreitigkeiten ab.

Ihr Ende fand die Aachener Freimaurerverfolgung im Juli 1780, als König Gustav III., der sich schon im Sommer 1779 zugunsten der Aachener Brüder bei Kaiser Joseph II. verwendet hatte, die Aachener Bäder besuchte und sich beim dortigen Magistrat zugunsten der Aachener Loge verwandte. Diese wurde nach Aachen zurück verlegt und blieb seitdem unbehelligt.

Über die Aachener Freimaurerverfolgung gibt es ein umfangreiches Schrifttum; die abschließende kritische Darstellung hat der Ehrenmeister der Aachener Loge Dr. August Pauls in seinem Werk "Geschichte der Aachener Freimaurerei", I. Band (1928), auf Grund seines umfangreichen Materials, u. a. aus dem Großarchiv des Vatikans, gegeben.

Siehe auch