Rezension: Klaus Jürgen Grün - Wörter machen Götter: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Sw-800-600-gruen woerter cover.jpg|thumb|350px|Der Buchcover mit einem Bild von René Margritte veranschaulicht die These: „Ceci n’est pas une pomme“ (das ist kein Apfel) - klar: das ist nur das Bild eines Apfels, letztlich ein Symbol. Man kann es nicht essen. <br>  Klaus-Jürgen Grün: ''„Margrittes Kunst ist der malerische Ausdruck dessen, was uns Freimaurerei seit 300 Jahren präsentiert."'']]
 
[[Datei:Sw-800-600-gruen woerter cover.jpg|thumb|350px|Der Buchcover mit einem Bild von René Margritte veranschaulicht die These: „Ceci n’est pas une pomme“ (das ist kein Apfel) - klar: das ist nur das Bild eines Apfels, letztlich ein Symbol. Man kann es nicht essen. <br>  Klaus-Jürgen Grün: ''„Margrittes Kunst ist der malerische Ausdruck dessen, was uns Freimaurerei seit 300 Jahren präsentiert."'']]
Im Universalienstreit ging und geht es um die Frage, ob Allgemeinbegriffe wie etwa Menschheit oder Gerechtigkeit oder Gott ein eigenständiges, objektiv fassbares Etwas sind, also Universalien, oder nur Wortetiketten für Denkfiguren, also Nominalien, hinter denen keine verortbare Realität steht. Während Religionen oder andere Machtsysteme zwischen Kommunikation und der Wirklichkeit, auf die sich die Kommunikation bezieht, ganz bewusst nicht unterscheiden, sind das für die Nominalisten zwei völlig verschiedene Welten.  
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Im Universalienstreit ging und geht es um die Frage, ob Allgemeinbegriffe wie etwa Menschheit oder Gerechtigkeit oder Gott ein eigenständiges, objektiv fassbares Etwas sind, also Universalien, oder nur Wortetiketten für Denkfiguren, also Nominalien, hinter denen keine verortbare Realität steht. Man könnte auch sagen, diese Nominalien sind reine Kommunikation. Während Religionen oder andere Machtsysteme zwischen „nominalistischer Kommunikation“ und der Wirklichkeit, auf die sich die Kommunikation bezieht, ganz bewusst nicht unterscheiden, sind das für die Nominalisten zwei völlig verschiedene Welten.  
  
 
Klaus-Jürgen Grün zieht diesen Konflikt mit vielen Beispielen durch das ganze Buch, und es wird bald klar, dass seine These nicht nur den Sinn hat, das Wesen der Freimaurerei schärfer zu fassen, sondern auch masonische Richtungen auszugrenzen, die in seinen Augen quasi häretisch sind, wie eben die 'Große Landesloge von Deutschland', die oft auch Freimaurerorden genannt wird.
 
Klaus-Jürgen Grün zieht diesen Konflikt mit vielen Beispielen durch das ganze Buch, und es wird bald klar, dass seine These nicht nur den Sinn hat, das Wesen der Freimaurerei schärfer zu fassen, sondern auch masonische Richtungen auszugrenzen, die in seinen Augen quasi häretisch sind, wie eben die 'Große Landesloge von Deutschland', die oft auch Freimaurerorden genannt wird.

Version vom 28. Februar 2018, 22:12 Uhr

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Rezension: Klaus-Jürgen Grün - Wörter machen Götter
Der symbolische Bund der Freimaurer und seine Freinde

Ich verstehe dieses Buch so, dass Klaus-Jürgen Grün die Argumente des philosophisch immer noch nachglimmenden mittelalterlichen Universalienstreits auf die Freimaurerei anwendet und diese dabei eindeutig im Lager der Nominalisten verortet. Was dazu führt, dass nach Ansicht von Grün freimaurerische Richtungen wie die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland keine Freimaurer sind, sondern eine „christliche Sekte“.
Von Rudi Rabe.

Der Buchcover mit einem Bild von René Margritte veranschaulicht die These: „Ceci n’est pas une pomme“ (das ist kein Apfel) - klar: das ist nur das Bild eines Apfels, letztlich ein Symbol. Man kann es nicht essen.
Klaus-Jürgen Grün: „Margrittes Kunst ist der malerische Ausdruck dessen, was uns Freimaurerei seit 300 Jahren präsentiert."

Im Universalienstreit ging und geht es um die Frage, ob Allgemeinbegriffe wie etwa Menschheit oder Gerechtigkeit oder Gott ein eigenständiges, objektiv fassbares Etwas sind, also Universalien, oder nur Wortetiketten für Denkfiguren, also Nominalien, hinter denen keine verortbare Realität steht. Man könnte auch sagen, diese Nominalien sind reine Kommunikation. Während Religionen oder andere Machtsysteme zwischen „nominalistischer Kommunikation“ und der Wirklichkeit, auf die sich die Kommunikation bezieht, ganz bewusst nicht unterscheiden, sind das für die Nominalisten zwei völlig verschiedene Welten.

Klaus-Jürgen Grün zieht diesen Konflikt mit vielen Beispielen durch das ganze Buch, und es wird bald klar, dass seine These nicht nur den Sinn hat, das Wesen der Freimaurerei schärfer zu fassen, sondern auch masonische Richtungen auszugrenzen, die in seinen Augen quasi häretisch sind, wie eben die 'Große Landesloge von Deutschland', die oft auch Freimaurerorden genannt wird.

Einige Zitate aus dem 400-Seiten-Buch:

„Vom Denken führt kein Weg zum Sein! Sei dies auch noch so wünschenswert. Existenz hat nichts zu tun mit Denken. Ich kann mir alles mögliche denken, aber ob es auch existiert, ist eine ganz andere Frage. Sie wird von der Logik niemals beantwortet. Gegen diese Erkenntnis setzt sich allerdings unkritisches und ungeschultes Denken stets hinweg.“ (Seite 67)

„Freimaurerische Symbolik unterscheidet sich von Religion und deren ‘Heiligem Ernst’ auch durch den Abbau der Zwanghaftigkeit, hinter jedem Symbol ein existierendes Übernatürliches sehen zu müssen. Dieser Abbau wiederum kann nicht das Interesse des religiösen Denkens sein.“ (75)

„In der Freimaurerei existiert keine Auffassung, die dem Symbol eine andere Wirklichkeit zuschreibt als die bloß symbolische. Symbole sind und bleiben Symbole, so wie das Brot Brot bleibt und der Wein Wein. Mit der Ablehnung der Neigung des Symbols zur Seite eines als existierend angenommenen Unsichtbaren und all den dazugehörigen Ungehörigkeiten, bleibt Freimaurerei von Religion unterschieden.“(76)

„Freimaurerei provoziert aufgrund seiner umfassenden Verwandlung liturgischer Elemente in rein symbolische Kategorien jedes streng religiöse Bewusstsein. Sie beruht auf der Einsicht, dass vielleicht alle religiösen Handlungen, Zeichen und Gegenstände rein symbolisch und metaphorisch zu verstehen sind, und in keinem von ihnen eine reale Gegenwart oder eine reale Verbindung zum Göttlichen aufgebaut wird. Es könnte nämlich sein, dass jeder Dialog mit Gott nur ein Selbstgespräch des Menschen bedeutet.“ (40)

„Eine paradoxe Konstruktion, die genau diese Ansprüche wieder auflösen will, bildet allerdings der so genannte Freimaurerorden der Großen Landesloge von Deutschland. Er ist keine Freimaurerei und wendet sich von Anfang an gegen die Anerkennung der Grundprinzipien der Freimaurerei.“ (359)

„Gegen die Zumutung von Seiten der Vereinigten Großlogen von Deutschland, unter seiner Satzung Freimaurer zur Anerkennung des Freimaurerordens zu zwingen, sollten sich Freimaurer möglichst bald zur Wehr setzen.“ (387)

Klaus-Jürgen Grüns Buch ist letztlich eine hochintellektuell verfasste Kampfschrift gegen den Freimaurerorden. Er hält diese Richtung für Pseudofreimaurerei. Und methodisch wirft er ihr vor, mit falschen Karten zu spielen, weil das in den ersten drei Graden des hochgradigen Freimaurerordens noch nicht zu durchschauen sei. Erst ganz oben, wenn's mehr oder weniger zu spät ist, werde dann klar, dass der Freimaurerorden keine Freimaurerei sei, die nach den Grundsätzen der Aufklärung ticke, sondern eine „christliche Sekte.“

Das Buch wird sehr stark polarisieren. Und es ist ja nicht das erste Buch Klaus-Jürgen Grüns, das sich diesem Thema mit Leidenschaft widmet. Aber ich denke, zum Glück leben wir in einer Weltgegend, wo Bücher wie diese gedruckt werden können. Es wäre schön, wenn es bald eine Antithese geben würde.

Buchrückseite: Klaus Jürgen Grün - Wörter machen Götter

Es ist reichlich geschrieben worden über den symbolischen Bund der Freimaurer, erstmals jedoch unternimmt Klaus-Jürgen Grün, Philosophieprofessor in Frankfurt und langjähriger Vorsitzender der Forschungsgesellschaft Quatuor Coronati, in seinem eben erschienenen Buch „Wörter machen Götter“ den Versuch, den Symbolcharakter der Freimaurerei anhand einiger ihrer wesentlichen Symbole nach dem Vorbild der konzeptuellen Metapher zu beschreiben. Er weist nach, dass die Umwandlung religiöser und liturgischer Elemente in reine Symbole die wichtigste Arbeit der Freimaurer darstellt. Was der einzelne Bruder dabei denkt, ist nebensächlich, sobald er sich im Ritual durch sein Tun auszeichnet. Nicht im Denken oder Glauben liegt die Kraft, sondern in der Tat.

Klaus-Jürgen Grün spart dabei nicht mit Kritik an denjenigen, die in der Freimaurerei eine wie auch immer geartete religiöse Organisation sehen und etwa christliche Glaubenslehren zum Dogma erheben wollen. Das 400-seitige Werk knüpft an seine Bücher „Menschenähnlichkeit“ und „Das verlorene Wort“ an und ist auch eine Verteidigungsschrift der humanitären Freimaurerei. Verlagstext

Anmerkungen zu Klaus-Jürgen Grün „Wörter machen Götter“

von Christopher Sicurella

Bewundert oder gefürchtet, geliebt oder verhasst – selten fallen Reaktionen auf Publikationen von Klaus-Jürgen Grün in ein indifferentes Mittelmaß. Selten heißt aber nicht immer, weswegen eine mittelmäßige Kommentierung eines Buch folgt, welche ich nicht als Rezension bezeichnen kann und will.

Klaus-Jürgen Grün und wie er die Welt sieht. Der Autor verspricht im Untertitel von "Wörter machen Götter" nicht weniger als Aufklärung über den "symbolischen Bund der Freimaurer und seine Feinde". Feinde hatte und hat der Bund zu jeder Zeit. Irreführend hier, denn von den "eigentlichen" (ein Reizwort für Grün) Feinden ist nicht die Rede. Fragen wie "In welchen Ländern ist Freimaurerei verboten und warum ?", "In welchen Ländern existieren Gesetzte, welche die Mitgliedschaft bei den Freimaurern unter Todesstrafe stellt, und warum ?", "Wer bekämpft die Freimaurerei offen oder verdeckt, und warum ?" fehlen. Stattdessen sucht und findet Klaus-Jürgen Grün die "eigentlichen" Feinde ausgerechnet innerhalb der Freimaurerei, genauer in Form der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland – Freimaurerorden (fortan GLL), einer von fünf Großlogen, welche unter dem Dach der Vereinigten Großlogen von Deutschland die Anerkennung der Vereinigten Großloge von England in Anspruch nimmt. Und das ärgert den Autor augenscheinlich, erkennt er doch in dem explizit christlichen Bezug der Auffassung oder Auslegung von Freimaurerei durch die Große Landesloge einen Sonderweg inmitten der von religiöser Toleranz geprägten weltweiten Großlogenlandschaft. Auf (Freimaurerei in) Skandinavien will ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen, da das Buch sich auf die GLL fokussiert.

Das Buch muss Gemüter meiner Meinung nach weder erhitzen noch kalt lassen – manche Speise lässt sich auch lauwarm verzehren.

Drei Teile des Buches

Als Leser teile ich das Buch in drei Teile: Bis Seite 135 – bis Seite 300 - und die letzten einhundert Seiten.

Bis Seite 135 bin ich in meiner Betrachtung so unschlüssig wie der Auto selbst. Vergleichbar mit einem Ruderboot, welches mit zwei Ruderschlägen vorwärts, dann mit zwei Ruderschlägen zurück, nicht von der Stelle kommt, wechseln Vorwürfe und Anklagen unter Verwendung von Begriffen wie 'Feindseligkeit', 'falsches Denken' (oder 'Pseudo-Denken') und 'Unredlichkeit' mit relativistischen Beschwichtigungen:

Seite 11 (Zitat): "Die Spannungen, die dabei entstehen, erinnern daran, dass weder die Worte der Sprache noch die Bilder der Vorstellung Abspiegelung von Tatsachen der Welt sind."

Wer diese Aussage anerkennt, und hierzu zähle ich den Autor, der diese Aussage trifft, räumt ein, dass auch eigene Worte und Vorstellungen nicht Abspiegelung von Tatsachen der Welt sind. Insofern dürfen sich leicht erregbare Kritiker wieder beruhigten.

Seite 29 (Zitat): "So wenig wir sagen können, was „die Kunst“ oder was „die Wahrheit“ sei, so wenig können wir sagen, was „die Freimaurerei“ ist."
Seite 111 (Zitat): "Vor allem erkenne ich dann vielleicht, dass ihre andere politische, religiöse und philosophische Auffassung von der Welt nicht weniger Anspruch auf Gültigkeit erhebt, als meine eigene."
Seite 113 (Zitat): "Nur, weil ein Mensch eine andere Vorstellung von der Welt hat als ich, ist er nicht von minderem Wert."
Seite 113 (Zitat): "Der Wert des Menschen zeigt sich nicht zuletzt dort, wo er bereit ist, seine Vorstellungen von der Welt einer kritischen Bewährungsprobe auszusetzen."

Und das rechne ich dem Autor hoch an, dass er diese, seine Meinung nicht (nur) privitissime im Hinterzimmer äußert, sondern durch die Veröffentlichung seines vorliegenden Buches bereit ist, seine Vorstellung von der Welt (auch von der Freimaurerei) einer kritischen Bewährungsprobe auszusetzen.

Seite 89 (Zitat): "Aber Symbole muss ich deuten, und nur in dieser Deutung erlangen sie Wirklichkeit. Sie werden Gegenstände und Ereignisse, deren Bedeutung auf Deutung beruht."

Offen bleibt für mich wem, außer ihm selbst, Klaus-Jürgen Grün die Deutung überlässt, oder ob es an ihm ist jemandem die Deutung zu überlassen - nach dem Motto "Du kannst für dich deuten wie Du willst, das ist dann aber falsches Denken, versteckte Feindseligkeit und unredlich." Klingt ähnlich wie das saloppe "Sicher kannste das so machen – aber dann isses halt Scheiße." Im übertragenen Sinn gesprochen beschriftet er ein Etikett mit dem 'Zauberwort' "Unredlichkeit" und heftet es Menschen an, die seine Weltsicht nicht teilen. Das Etikettieren soll dabei den Anschein einer Allgemeingültigkeit erwecken.

Seite 30 (Zitat): "Es ist aus unserer Sicht die falsche Frage, welche der Aussagen denn die wahre Freimaurerei bezeichne. Wer diese Frage stellt, ist in der modernen Freimaurerei noch nicht angekommen."

Und in der 'modernen Freimaurerei' muss der Leser schon 'angekommen sein', wenn er das Buch liest, denn wenn man 'ad fontes' in der Zeit zurückgeht, liest sich das ganz anders:

(Nicht im Buch behandelt): Elias Ashmole, der sich intensiv mit der Alchemie beschäftigte, und dessen Aufnahme am 16. Oktober 1646, uns ihn als einen der ersten spekulativen Maurer bezeichnen lässt, eröffnet sein 1652 erschienenes Buch "Theatrum chemicum britannicum - containing severall poeticall pieces of our famous English philosophers, who have written the hermetique mysteries in their owne ancient language" mit den Worten:
"To all ingeniously elaborate students in the most Divine Mysteries of Hermetic Learning. The subject of this ensuing Worke, is a philosophical account of that Eminent Secret treasur’d up in the bosome of Nature; which hath been sought for of Many, but found by a Few,… So what our Savior said to his Disciples, may (I hope without offence) be spoken to the Elected Sons of Art; Unto you is given to know the Mysteries of the Kingdom of God; but to others in Parables, that seeing they might not see, and hearing they might not understand."

Sperrig kommen für mich andere Aussagen daher:

Seite 11 (Zitat): "Beispielsweise verstehen wir Freimaurerei sehr viel besser, wenn wir die Muster des Atheismus auf die Muster der Freimaurerei anwenden."

Wer ist wir ? Sofern der Autor nicht von sich im Plural (Pluralis Majestatis) spricht, wen nimmt er dann komplizenhaft in das "wir" mit auf? Den Leser und sich selbst ? Alle Freimaurer abzüglich der Mitglieder der Großen Landesloge ?

Verstehen wir Freimaurerei auch sehr viel besser, wenn wir die Muster des Deismus / des Pantheismus / des Dachdeckerhandwerks auf die Muster der Freimaurerei anwenden ?

Das wir "die Freimaurerei sehr viel besser verstünden, wenn wir die Muster des Atheismus auf die Muster der Freimaurerei anwenden" bleibt als Aussage des Autors im Raum stehen. Die Autorität, mit der diese Aussage getätigt wird, bleibt für mich offen.

Verstehen wir Freimaurerei auch sehr viel besser, wenn wir die Muster alchemistisch-rosenkreuzerischer Einflüsse auf die Muster der Freimaurerei anwenden ?

Grüns Mentor Alfred Schmidt schrieb in "Entstehungsgeschichte der humanitären Freimaurerei" dazu :

(Zitat): "Die Frage nach alchemistisch-rosenkreuzerischen Einflüssen auf die Anfänge der Freimaurerei gehört zu den ältesten, noch keineswegs erledigten Themen der Forschung.“ Diese Einflüsse waren „so tiefgreifend, dass im siebzehnten Jahrhundert die Namen Freimaurer und Rosenkreuzer nahezu dasselbe bezeichnen. ... Die schon im frühen siebzehnten Jahrhundert in England nachweisbaren Societies of Freemasons knüpfen zwar an Bräuche der Maurerzünfte an, führen aber eine eigenständige Existenz und sind, im Gegensatz zu jenen, nicht spezifisch religiös, sondern philosophisch orientiert. ... Zugehörigkeit zur Zukunft der Steinmetzen wird in dem sich herausbildenden Bund immer unwichtiger, wenn sie nicht ... nur eine Tarnung war für jene Kreise, die im religiös-politischen Wirrwarr der Zeit nach neuen geistigen und weltanschaulichen Grundlagen suchten."
Seite 103 (Zitat): "Frauen können ebenso Freimaurer sein wie Männer, was allein die Existenz zahlreicher Frauenlogen beweist."

Eine gewagte Aussage. Ich bin, ebenso wie der Autor, keine Frau. Anders als der Autor vermag ich nicht mit Gewissheit zu sagen, ob Frauen "ebenso" Freimaurer sein können wie Männer. Möglicherweise können Frauen ebenso, ähnlich, anders, schlechter oder besser Freimaurer sein als Männer. Wegen der durchgehend männlichen Identifikationsfiguren aus den Legenden und historischen Passworten der Freimaurerei fällt es mir schwer zu glauben (und noch schwerer zu wissen) dass Frauen "ebenso" wie Männer Freimaurer – vielleicht sogar Freimaurerinnen - sein können.

Der Nebensatz "was allein die Existenz zahlreicher Frauenlogen beweist" beweist für mich so viel oder wenig wie der Satz (den der Buchautor nicht geschrieben hat): Profane können ebenso Freimaurer sein wie Initiierte, was allein die Existenz zahlreicher Winkellogen beweist.

Seite 129 (Zitat): "Für alle sichtbar und allen bekannt, hat der die Arbeit leitende Meister auch keine Ausbildung zur Magie."

Keine gewagte, sondern eine falsche Aussage, und außerdem eine, deren Relevanz für mich nicht erkennbar ist.

Mir ist nicht sichtbar und im Zweifelsfall auch nicht bekannt, ob der die Arbeit leitende Meister eine Ausbildung zur Magie (gemeint ist wohl 'zum Magier'), zum Juristen oder zum Hutmacher absolviert hat. Es ist für mich auch nicht relevant, ob der die Arbeit leitende Meister eine Ausbildung 'zur Magie', zum Juristen oder zum Hutmacher absolviert hat, solange er wortgetreu die rituelle Arbeit durchführt, wie es sein Amt, in welches er gewählt wurde, von ihm verlangt. Streng genommen ist ein Amt ein Posten, der mit bestimmten Pflichten verbunden ist, und vermag nicht aus sich selbst heraus etwas von jemandem zu verlangen. Gemeint ist die Erwartungshaltung der Brüder, er möge sein Amt ausüben, unter anderem indem er in der Leitung der Arbeit das Ritual wortgetreu durchführt und die Deutung jedem einzelnen Bruder überlässt.

Seite 130 (Zitat): "Tatsächlich sind die Metaphern der Unterwürfigkeit in wesentlichen Erscheinungen nur die perfide Art, Vorrang vor allen anderen zu verkünden."

Einspruch. Ich verstehe im Tempel meine Verbeugung gen Osten – nicht vor dem Meister vom Stuhl – nie als perfide Art Vorrang vor allen anderen zu verkünden. Wie der Autor seine eigene Verbeugung oder die Verbeugungen der anderen beurteilt, kann von meiner Sicht natürlich abweichen. Wovor ich mich durch die Verbeugung als Geste der ‚Demut ohne Verleugnung des eigenen Wertes‘ verneige, bleibt meine Privatsache.

Was leitet man aus den eingangs erwähnten Einsichten nun ab? Fatalistisch klingt in meinen Ohren das

Seite 134 (Zitat): "Allein aus diesem Grund ist der Kampf vieler Atheisten gegen die 'Zwangsneurose Religion' schon jetzt ein verlorener Krieg."

Der Wendepunkt

Die langersehnte Wende setzt bei Seite 135 und dem Kapitel ‚Der Raue Stein‘ ein.

Bis hierhin hat sich Klaus-Jürgen Grün warm geschrieben; Nun läuft er zur gewohnten Form auf. Nach meinem persönlichen Empfinden wäre genau dieses Kapitel die treffende Eröffnung des Buches gewesen. Wen 400 Seiten schrecken, der beginnt hier zu lesen.

Ab diesem Punkt folge ich der eloquenten Konsequenz, mit welcher Gedanken entwickelt und dargelegt werden, inhaltlich mit Genuss, auch weil ich das Gefühl habe, er nehme sich ab hier nicht mehr selbst den Wind aus den Segeln.

Selbstkritisch nimmt er Philosophie-Professoren, wie er selbst einer ist, aufs Korn, wenn er Alexander Ulfig zitiert, wie dieser Karl R. Popper aus dessen Artikel „Gegen die großen Worte“ zitiert:

Seite 185 (Zitat): "…dass 'das grausame Spiel, Einfaches kompliziert und Triviales schwierig auszudrücken' von vielen Geisteswissenschaftlern als ihre 'legitime Aufgabe' betrachtet wird. Sie haben nichts anderes gelernt, als Menschen 'in einem Meer von Worten' zu ertränken."

Und das nicht ohne Grund. Diszipliniert beweist der Autor des Buches sich selbst und dem Leser fortan dieses 'grausame Spiel' zu umzugehen, und erklärt geduldig und, seiner Argumentation dienlich, hilfreich und ohne 'Einfaches kompliziert und Triviales schwierig auszudrücken'.

Ich unterstelle Klaus-Jürgen Grün, einem passionierten Freizeit-Piloten, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dem Tower nach dem Empfang dessen Funkmeldung "Unwetterwarnung" nicht zu antworten (wie folgt),

Seite 200 (Zitat): "… zum anderen aber ist der Gebrauch der Sprache ein Bekenntnis dazu, dass Geschriebenes und Gesprochenes nichts weiter sind als Worte. Die wörtliche Bedeutung von Worten hat sich mit jedem weiteren Schub der Aufklärung abgeschwächt. Stark war die Bedeutung, als man glauben konnte, dass es Worte gäbe, die identisch mit der Sache seien, die sie bezeichneten."

oder zu unterstellen das Wort sei 'magisch aufgeladen' (obschon daraufhin alle Piloten im Umkreis ihre Sportflugzeuge baldmöglichst landen), sondern vielmehr den nächsten Flughafen zur Landung anzusteuern. Und genau so, wie er sich wahrscheinlich auf den Funkspruch "Unwetterwarnung" verlassen würde, will Grün – so meine Wahrnehmung - selbst so vertrauenswürdig wie der Tower sein, um in 'der nebligen Suppe' Freimaurer 'im Blindflug' zum sicheren (Flug-)Hafen zu führen, damit sie wieder 'festen Boden unter den Füssen' haben. Zumindest sprachlich und basierend auf wissenschaftlicher Hirnforschung.

Die NATO und die baltischen Staaten bleiben unverändert gut beraten zu missachten was sich liest wie folgt

Seite 296 (Zitat): "Schon die römische Weisheit, “Wenn du den Frieden willst, rüste dich für den Krieg”, erscheint als Voraussetzung für den Frieden, tatsächlich ist sie das Resultat, des zuvor wirksam gewesenen paradoxen Denkens."

und, davon unbeeindruckt, weiterhin der römischen Weisheit zu folgen, um eine Invasion durch Russland abzuwenden. Ein reales Szenario, in dem Krieg oder Frieden von mehr abhängen, als der Erläuterung paradoxen Denkens, scheint nicht nur geografisch weit entfernt vom Autor. Hier stoßen bloße Worte an ihre Grenzen, gemeinhin 'reality check' genannt.

Das furiose Finale

Mit der Seite 300 beginnt eine nächste Phase des Buches, die ich als dritten Abschnitt ansehe.

Selbstbefreit und selbstbewusst enthemmt sich Klaus-Jürgen Grün zum finalen Befreiungsschlag. Jeder Selbstzweifel scheint nun verflogen, von Fatalismus keine Spur. Sei es Rückenwind oder Auftrieb - beflügelt enteilt der Autor, sozusagen im Vorübergehen die Auflösung der VGLvD fordernd, gleich bis 'hinauf' zur UGLE. Die Forderung nach dem 'belief in a Supreme Being' wird als Unmöglichkeit dargestellt, und etwas später lernt der Leser, dass Christen und Atheisten in etwa das Gleiche seien, zumindest wenn man die Nomoi Platons gelesen habe.

Seite 313 (Zitat): "Es zeugt von geistiger Verwahrlosung, wenn dieser Unsinn zu einem Kriterium für das Wesen der Freimaurerei herangezogen werden soll."

Den Ausschluss von Frauen erlebt der Autor privat als (Zitat) "Privatmeinung altertümlich denkender Männer" - dabei steht jedermann, und jeder Frau, mithin ihm selbst, der Beitritt in eine gemischte Loge für Männer und Frauen doch längst frei. Was schert denjenigen, der das so möchte, die Anerkennung einer Regularität, die er für verfehlt hält ?

Seite 333 (Zitat): „Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass mit der Entstehung der Freimaurerei in diesem Verhältnis eine Wende eingetreten ist ..:“

Die wiederholte Verwendung des Wortes 'wir' vereinnahmt eine mir unbekannte Zahl von Menschen (Mitautoren?), möglicherweise um eigenen Argumenten mehr Gewicht zu verleihen.

Das Buch ist kein 'game changer' und Hysterie halte ich für unangebracht. Zartbesaitete 'Betroffene' möchten sich nach der Lektüre vielleicht kurz erholen. Wenn ich mir vergegenwärtige, dass Freimaurerei sehr gut praktiziert werden kann, und funktioniert, ohne dass jemand jemals von den beschriebenen Erkenntnissen der Hirnforschung oder der Linguistik gehört hat, so leite ich davon ab, dass auch nach dem Lesen des Buches, nicht alles auf den Kopf gestellt ist, kein Reset und keine 'Stunde Null' ausgerufen werden muss. Klaus-Jürgen Grün stellt seine Sicht in aller Deutlichkeit einer interessierten Öffentlichkeit vor, und verteidigt diese gegen zu erwartenden Gegenwind. Das ist so legitim wie die Ablehnung des Geschriebenen. Über die Kapitel des Buches verteilt findet sich der Stein des Anstoßes mitunter detailliert dargelegt: Die Statuten, die Praxis und die Auslegung der GLL folgen christlichen Grundsätzen. Soweit so bekannt, schließlich macht die GLL selbst keinen Hehl daraus, wie die Quellenangaben im Buch belegen. Die Implikation "Wenn dem so ist, dann verdient die GLL die Anerkennung nicht" verliert im gleichen Moment schon deswegen ihre Schärfe, weil der Autor das Messer der übergeordneten Großlogenstrukturen als stumpf darstellt.

Vorstellbar, dass jemand, der sich berufen fühlt, einen Gegenentwurf zu dem vorliegenden Buch herausbringt, in welchem er darlegt, wie Anhänger oder Vertreter westlicher Philosophie und Wissenschaft versuchten die Königliche Kunst zu kapern, um, so wie neueste philosophische und wissenschaftliche Modelle stets die vorangegangenen für überholt erklären, Althergebrachtes für überholt zu erklären. Alle handeln dabei immer - das steht außer Frage - mit den besten Absichten.

Wen all das verwirrt, dem kann man das so kurz zusammenfassen:

Eine 'Jungenbande' unterhält einen 'Geheimclub' in einem Baumhaus, so wie schon ihre Väter und Großväter und Urgroßväter vor ihnen. Wer die Mutprobe besteht (Kirschkerne in Nachbars Garten zu spucken), erhält das 'geheime Losungswort' "Fitzliputzi" und Zutritt ins Baumhaus und verpflichtet sich mittels 'Indianerehrenwort' es für immer so beizubehalten.
Erst später, nach der Mutprobe 'Klingelstreich bei der Nachbarin' erfährt er selbst, dass das Losungswort "Fitzliputzi" den 'Novizen' vorbehalten ist, und erhält ein zweites, zuvor geheim gehaltenes Losungswort "Sesam öffne dich", mit dem sich die 'Klingelstreicherprobten' erkennen.
(Achtung! Transferleistung! Es gibt andere Baumhäuser für Mädchenclubs, und solche für Jungens und Mädchen, die scheren sich nicht darum vom 1. Londoner Baumhausklub einen Ausweis zugeschickt zu bekommen.)
Dann kommt einer und meint Mädchen dürften doch genauso ins Baumhaus, und dass er erfahren habe, dass fünf Schrebergärten weiter "In Nachfolge des weißen Flauschhasen" als Passwort des dortigen Baumhauses gelte. Weiter noch, dass nämlich nach einer weiteren Mutprobe alsdann das bis dahin geheim gehaltene Passwort "Ewig treu dem weißen Flauschhasen" gelte, was einem dort anfangs nicht gesagt würde. Und weil es bewiesenermaßen keinen weißen Flauschhasen gebe, müsste man doch etwas dagegen unternehmen.
Das klingt kindisch, wird aber mit heiligem Ernst betrieben - Indianerehrenwort.

Mache Begriffe musste ich mir selbst noch einmal vergegenwärtigen

Der Relativismus, gelegentlich auch Relationismus, ist eine philosophische Denkrichtung, welche die Wahrheit von Aussagen, Forderungen und Prinzipien als stets von etwas anderem bedingt ansieht und absolute Wahrheiten verneint – dass also jede Aussage auf Bedingungen aufbaut, deren Wahrheit jedoch wiederum auf Bedingungen fußt und so fort. Diese Rahmenbedingungen ermöglichen es, die Aussage auch zu verändern und zu verhandeln. Relativisten begründen dies oft mit dem epistemologischen Argument, dass eine sichere Erkenntnis der Welt unmöglich ist. Andere verweisen auf den zusammengesetzten Charakter von Wahrheiten, die stets auf andere Wahrheiten Bezug nehmen. Ethische Relativisten verwerfen die Idee absoluter ethischer Werte. Verschiedene Teilströmungen leiten daraus unterschiedliche Konsequenzen ab. Einige ethische Relativisten gehen davon aus, dass in letzter Konsequenz alle ethischen Werte und Aussagen über die Welt gleichermaßen wahr sind. Andere vertreten die Position, dass einige Aussagen "wahrer" oder "richtiger" als andere sind.
Der Pluralis Majestatis (lat., „Plural der Hoheit“) wird verwendet, um eine Person, meist einen Herrscher, als besonders mächtig oder würdig auszuzeichnen, bzw. die Person zeichnet sich selbst so aus, indem sie von sich im Plural spricht. Bei Monarchen oder anderen Autoritäten spielt die Vorstellung eine Rolle, dass sie für ihre Untertanen beziehungsweise Untergebenen sprechen bzw. zu sprechen glauben.
  • Vom Unbewiesenen
Daran erkenn' ich den gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern,
Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar,
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr,
Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht,
Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht.
Goethe, Faust

Christopher Sicurella

Siehe auch

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