Schlossgarten Schwetzingen

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Der Schlossgarten in Schwetzingen

von Giovanni Grippo

Foto von Giovanni Grippo Obelisk im Nordosten

Der mystisch-freimaurerische Schlossgarten in Schwetzingen ist voller Anspielungen auf Hermetik und Alchemie. Sie galten noch im 18. Jahrhundert als Naturwissenschaften ihrer Zeit. Die Gestalter des Schlossgartens – u.a. Kurfürst Carl Theodor (1724-1799), Nicolas de Pigage (1723-1796) und Friedrich Ludwig Sckell (1750-1823) – nutzten hauptsächlich Analogien aus der griechisch-römischen Mythologie und mystische, hermetische sowie freimaurerische Sinnbilder, um ihre Intentionen zum Ausdruck zu bringen.

Vom Dreibrückentor aus können alle Bereiche des Gartens (Englischer Garten, Französischer Garten, Kreisparterre und Schloss) erreicht werden, ohne jemals den bereits selbst gegangenen Weg zu durchkreuzen. Dass der Schlossgarten allen offen stand, vermittelt einen guten Eindruck, wie hoch Kurfürst Carl Theodor seine Untertanen wertschätzte. Ob er damit die Absicht verfolgte, dem Besucher eine Eigeninitiation erlebbar zu machen oder ob er der Auffassung war, dass hermetisch-freimaurerische Inhalte allen Bürgern zugänglich sein sollten (wie der Schlossgarten selbst) oder ob er mit dem Schlossgarten mythologisches Interesse in den Besuchern wecken wollte, wird wahrscheinlich im Dunkeln der Geschichte bleiben. Der Garten ermöglicht indes einem Eingeweihten sowie einem Laien auf mannigfaltige Weise in ihm zu lesen.

Der Schlossgarten und die Freimaurer

Am kurpfälzischen Hof gab es nachweislich Freimaurer und spätestens ab den 1730er Jahren gab es in Mannheim Freimaurerlogen. Vermutlich hat Kurfürst Carl Theodor Zugehörigkeit nicht öffentlich bekannt machen wollen, weil die Freimaurerei in die Kritik geriet und auch zumal offiziell verboten wurde. Von wenigstens drei einflussreichen Personen am kurpfälzischen Hof ist bekannt, dass sie Mitglied in Freimaurerlogen waren: François Fegely (1691-1758, gen. Pater Seedorf) – der Erzieher und Beichtvater des Kurfürsten, Pfalzgraf Friedrich Michael von Zweibrücken (1724-1767) – der zeitweise in Schwetzingen residierende Schwager des Kurfürsten, und Sir Benjamin Thompson (1753-1814) – seit 1784 enger Berater des Kurfürsten in München.

Die Ausstattung des Schlossgartens illustriert in einer einzigartigen Weise die Ideenwelt der griechisch-römischen Mythologie, der Mystik, der Hermetik, der Alchemie, der Kabbalah, der Rosenkreuzer und der Freimaurer. Alles Strömungen, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts besonders in Deutschland en vogue waren. Die Umsetzung spiegelt zudem den Bildungsstand und das Können des leitenden Architekten Nicolas de Pigage und der ihn unterstützenden Künstler wieder. Der hohe Bildungsstand ist kaum mehr nachvollziehbar, weil sich das heutige Denken stark von dem Denken aus der Zeit der Entstehung des Schlossgartens im 18. Jahrhundert unterscheidet. Die Inhalte und Aussagen, die im Schlossgarten auf mannigfaltige Weise vermittelt werden, sind aber heute noch genauso aktuell wie sie es damals waren, denn die Fragen des Menschen nach seinem Existenzgrund sind zeitlos. Von 1752 bis gegen 1795 war die gesamte Gartenanlage vollendet.

Foto von Giovanni Grippo Statue der Botanik

Das Schwedische System

Das Schwedische System ist bis heute in Skandinavien vorherrschend. Der Dänische Freimaurerorden wurde 1743 in Kopenhagen (übernahm aber erst ab 1855 das Schwedische System mit ein paar dänischen Eigentümlichkeiten) und die Große Landesloge von Schweden wurde 1760 in Stockholm gegründet. Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland wurde 1770 in Berlin gegründet. Österreich war der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland als Provinz angeschlossen bis sich in Wien 1784 die Große Landesloge von Österreich gründete. Die Verbindung von Kurfürst Carl Theodor nach Österreich ist nicht nur durch Wolfgang Amadeus Mozart und seinen Vater bezeugt. Der siebenjährige Mozart besuchte zwischen dem 15. und 29. Juli 1763 mit seiner Schwester und seinem Vater im Rahmen einer Konzertreise den kurpfälzischen Hof. Auch Christoph Willibald Gluck, einer der bedeutendsten Opernkomponisten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, ist ein wichtiger Vermittler der 1774 als Komponist nach Schwetzingen übersiedelte. Er inszenierte die Oper La contesa de’ numi (von Pietro Metastasio) am 9. April 1749 für den Königshof in Kopenhagen, was als eine mögliche Verbindung nach Skandinavien verstanden werden kann. Denn auch wenn sich die Königshäuser Schwedens und Dänemarks zu der Zeit nicht über den Weg trauten, so hielten sie nichtsdestotrotz formelle und diplomatische Gepflogenheiten ein. Gluck wird wahrscheinlich Pietro Metastasios (1698-1782) Kompositionen nach Schwetzingen gebracht haben. Besonders Ovid (43 v. Chr. - 17. n. Chr.) und sein Werk Metamorphosen spielen bei Metastasio und beim Schlossgarten in Schwetzingen eine große Rolle, besonders auffallend dabei ist, dass Metastasios Anpassungen von Ovids Überlieferungen im Schlossgarten nachempfunden sind.

Die drei Ordensabteilungen

Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland sowie die skandinavischen Freimaurerorden sind in drei sogenannten Ordensabteilungen untergliedert. Die erste sind die Johannislogen. Die zweite sind die Andreaslogen. Die dritte sind die Ordenskapitel. Darüber hinaus existiert die Höchste Ordensabteilung. Sie entspricht der Administrationsebene und kann mit dem Schloss identifiziert werden. Diesem dreigliedrigen Aufbau folgen die drei Farben, die den drei Elementen der jüdischen Mystik (diese kennt nur drei Elemente im Vergleich zur Alchemie) zugeordnet werden können: Blau und Gelb sind die Farben der Johannisloge (I. bis III. Grad); Rot und Grün sind die Farben der Andreasloge (IV. bis VI. Grad); Weiß und Rot sind die Farben der Ordenskapitel (VII. bis X. Grad). Die erste Farbe einer Ordensabteilung steht für eines der drei Elemente der jüdischen Mystik: Blau für Wasser, Rot für Feuer und Weiß für Luft/Geist. Die zweite Farbe einer Ordensabteilung kann mit den drei christlichen Tu-genden in Verbindung gebracht werden: Gelb für Glaube, Grün für Hoffnung und Rot für Liebe. Die Reihenfolge Glaube, Hoffnung, Liebe entspricht der Bibelstelle aus dem 1. Korinther 13,13.

Foto von Giovanni Grippo Arion-Brunnen


Die Parkanlage lässt sich in drei Abschnitte unterteilen:

  • Der Englische Garten im Westen ist der Natur nachgeahmt und das Element Wasser überwiegt (Schwarzes Meerle, Großer Weiher, Moscheeweiher usw.). Der Englische Garten kann für die Herrschaft der Natur über den Menschen stehen.
  • Der Französische Garten ist von einer geraden Linienführung sowie von rechten Winkeln durchzogen. Er kann für die Herrschaft der Kunst über die Natur stehen. Die Natur wird zum Kunstobjekt. Das Element Feuer spielt im mittleren Bereich des Gartens eine große Rolle; allein durch die fehlende Dominanz des Wassers im Vergleich zum Englischen Garten und der sich darin häufenden Sonnen- und Löwen-Symbolik.
  • Der Französische Garten im Osten wird vom Hirschbrunnen am westlichen Rand des Kreisparterres, sowie dem Arion-Brunnen in der Mitte des Kreisparterres beherrscht. Der mittlere Bereich ist flach angelegt, so dass der Wind freies Spiel hat. Das Kreisparterre ist durch nördliche und südliche Zirkelgebäude im Osten und durch die beiden Laubengänge (berceaux en treillage) im Westen umrandet. Dabei ist es wichtig, dass es sich im Westen um Laubengänge, d.h. um überschreitbare Abgrenzungen handelt, und nicht um Gebäude oder steinerne Mauern, wie im östlichen Bereich des Kreisparterres. Insbesondere soll damit die Verbindung zu den Bereichen im Norden wo Galatea-Brunnen und Pan-Statue sowie im Süden wo Minerva-Tempel und Lykischer Apollon stehen deutlich gemacht werden.


Das Kreisparterre ist gleichzeitig Mittelpunkt der Gartenanlage, die von West nach Ost gelesen werden möchte, wenn sie z.B. freimaurerisch zu interpretieren ist. Sie weist, sowohl auf christliche Symbolik wie auf das Lateinische Kreuz und das Andreaskreuz als auch auf spezifisch freimaurerische Symbole, wie den Winkelhaken und den Zirkel hin.

Thematische Bereiche

Eine kurze Betrachtung ermöglicht die Eingrenzung thematischer Bereiche innerhalb des Gartens, z.B. wird im nördlichen Wäldchen das natürliche, unzivilisierte Leben dem zivilisierten Leben im südlichen Wäldchen gegenübergestellt. Im südlichen Wäldchen, wo sich der Minerva-Tempel befindet, ist auch in der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland die Stelle des I. Aufsehers, der die Vernunft in einem Ritual verkörpert. Der Tempel ist der Göttin der Weisheit, Klugheit und Vernunft geweiht.

Foto von Giovanni Grippo Merkur-Tempel (Ruine)

Ruine eines römischen Wasserkastells und Botaniktempel finden sich in Michael Maiers Werk von 1618 »Atalanta fugiens« im Emblem 14 wieder. Der sich in den Schwanz bei-ßende Drache, könnte für die beiden Kanäle stehen, die den Französischen Garten samt Schloss umschließen. Die Drehrichtung des Drachen könnte die Richtung angeben, wie der Schlossgarten zu begehen ist, um seine Geheimnisse zu ergründen. Dass dieses Werk eine große Rolle im Garten einnimmt, erkennt man nicht nur daran, dass östlich des Schlosses zwei vergoldete Atalanten stehen. Wenn man auf das Schloss blickt, ist links die kalydonische Atalante mit dem Eberkopf und auf der rechten Seite die arkadische Atalante mit einem der goldenen Äpfel der Hesperiden.

Dass die römische Kultur Quelle alles dessen ist, was noch im Schlossgarten folgen wird, wird dadurch deutlich indem ein Wasserfall in der Mitte der Rückwand des Wasserkastells entspringt und vom Bauwerk in den davor liegenden Kanal herunter fließt. Der Kanal fließt von Norden nach Süden also genau in die entgegengesetzte Richtung als der Verlauf sein sollte. Die Illusion des gewünschten Flusslaufs - vom römischen Wasserkastell in den Schlossgarten hinein - wurde dadurch erzeugt indem der Wasserfall so breit angelegt wurde und so viel Wasser hinein gepumpt wurde, dass eine optische Täuschung entsteht. Der Englische Garten und der Französische Garten sind durch einen Kanal voneinander getrennt, der beim Wasserkastell beginnt. Mit dem Leimbach-Kanal im Osten umschließen beide Kanäle den Französischen Garten samt Schloss. Dies soll wahrscheinlich unterstreichen, dass alles was innerhalb der beiden Wasserkanäle an Symbolik und Szenerie folgt nur durch die griechisch-römische Kultur erklärbar sein wird.


Die beiden Kanäle umschließen bewusst den Französischen Garten, das Kreisparterre und das Schloss. Der Englische Garten wird ausgeschlossen. Dies ermöglicht die Symbolik im Englischen Garten auch außerhalb der Grenzen der griechisch-römischen Kultur zu suchen. Die Chinesische Brücke z.B. erlaubt sogar eine Interpretation weit über den abendländischen Kulturkreis hinaus.

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