Sind Freimaurer bessere Menschen?

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Traktat - Sind Freimaurer bessere Menschen?

von Kai Stührenberg

Eine Betrachtung über Anspruch und Wirklichkeit

Wenn wir das Logenleben einmal ehrlich betrachten, dann werden wir wohl sehr oft zu der Erkenntnis kommen, dass die Brüder nicht nur aus Heiligen bestehen und dass wir im Zusammensein zumeist die gleichen menschlichen Schwächen vorfinden, wie man sie auch aus dem profanen Leben gewohnt ist.

Die Brüder und Schwestern sagen dann oft „es menschelt“ oder „Die Freimaurerei wäre eigentlich ganz schön, wenn nur die Brüder nicht wären“. Ein schneller Reflex, den man so häufig hört, dass dieses Thema offensichtlich ein häufig diskutiertes zu sein scheint.

Als ich es das erste Mal gehört habe, dachte ich mir: Das kann doch so nicht richtig sein. „Menscheln“ tut es doch schon im profanen Leben, sollte es in der Loge sollte nicht anders sein?

Besonders augenfällig werden die Unzulänglichkeiten der Brüder in den bekannten Freimaurer Foren auf Facebook. Hier ist Toleranz, Respekt und Höflichkeit oft kaum zu finden und Brüder überbieten sich gegenseitig dabei, Recht zu haben oder dem anderen falsche Gesinnung oder Unwissen, mangelnde Modernität oder sonst etwas vorzuwerfen.

Ist es daher tatsächlich so, wie viele Brüder sagen? Sind Freimaurer einfach nur ganz normale Menschen mit ganz normalen Schwächen?

Nun, um es gleich vorweg zu nehmen. Ich sage: Das kann und darf nicht sein. Natürlich wollen wir uns nicht erheben über die profane Welt, denn Demut ist eine der Tugenden, in der man sich als Freimaurer üben soll. Aber für einen Freimaurer gelten andere Regeln als für profane. Wir haben unser Gelöbnis abgelegt und wir haben uns einem Ideal verpflichtet. Dazu kommt, dass wir in jedem Ritual aufgefordert werden, in die Welt zu gehen und uns als Freimaurer zu bewähren. Wenn die Werte und Umgsangsformen nur im Tempel gelten, dann wäre es legitim zu fragen, welchen Sinn die Freimaurerei denn eigentlich hat.

Der Sinn unseres Weges ist doch zur Selbsterkenntnis zu kommen, uns zu reflektieren, bestimmten Werten zu entsprechen, die wir selbst als wesentlich erkennen und vor allem ein Vorbild zu sein, um durch uns und unser Verhalten zum Tempel der Humanität beizutragen.

„To Make a good man better“ heißt es und das sollte uns Ansporn und Verpflichtung zugleich sein.

Unser Ritual, die Symbole und das Brauchtum sind alle dazu geschaffen worden, um uns auf unserem Freimaurischen Weg zur Seite zu stehen. Ein Weg, den jeder Bruder ganz alleine gehen muss, in der ihm vorgesehenen Geschwindigkeit und mit der für ihn passenden Intensität.

Wir lernen als Lehrling bewußt, weltliche Hierachien, hinter uns zu lassen und nehmen eine Position der Demut und der Unwissenheit ein. Wir erkennen an, die Erfahrung der Gesellen und Meister. Wir machen uns bewußt, dass wir uns auf einen langen Weg begeben, auf dem wir noch häufig scheitern werden. Ein Weg aber der nicht nur Selbstzweck ist, sondern auch ein Ziel hat – Die Veredelung unseres Selbst.

Und wenn wir uns auch als Meister immer wieder bewußt machen, dass wir immer Lehrling bleiben, so sollte die immer der Erkenntnis dienen aber niemals der Rechtfertigung für unsere menschlichen Schwächen.

Natürlich haben wir alle diese Schwächen und immer wieder machen uns Brüder auf diese aufmerksam. Aber wie gehen wir damit um? Nutzen wir diese Situationen als Freimaurer sinnvoll aus?

Der Bruder der uns aufmerksam macht sollte sich prüfen, warum er das tut. Ist die Motivation, der Wunsch, dem Bruder zu helfen oder geht es nur darum Recht zu haben oder den anderen dazu zu bringen etwas so zu tun, wie man es selbst für richtig hält?

Der Bruder oder die Schwester den oder die man auf etwas aufmerksam macht, sollte prüfen, ob er vielleicht tatsächlich einen Fehler gemacht hat oder unaufmerksam war. Er sollte versuchen, den Reflex von Ärger, den die meisten in so einer Situation ersteinmal empfinden wahrzunehmen aber sich nicht davon beherrschen zu lassen. Denn ein Freier Mann ist nicht nur einer, der unabhängig von seinen Mitmenschen ist und eigene Entscheidungen fällt. Es ist auch ein Mann, der seine Gefühle erkennt sie annimmt und sie beherrschen kann.

Und so schwer es auch fällt, die Aufgabe eines Freimaurers muss immer sein, dankbar für Hinweise und Kritik zu sein, denn fast immer sind Anregungen ein Geschenk auf dem Weg zu einem besseren Selbst.

Eine gute Methode auf dem Weg zum wahren Meister ist es, die Elemente in einem selbst in das richtige Verhältnis zu bringen. Der eine hat einen Schwerpunkt im Feuerelement, weil er aufbrausend, hyperaktiv oder dominant ist. Der andere ist nah am Wasser gebaut und lässt sich von seinen Gefühlen treiben. Der andere verfängt sich in luftigen Diskussionen oder ein anderer hält an überkommenen Dingen Fest und scheut Veränderungen, weil das Erdelement in ihm überwiegt. Wenn man sich dieser Eigenschaften bewußt wird, dann kann man zum einen die positiven Eigenschaften der Elemente in sich entdecken oder verstärken aber man kann auch versuchen, die Elemente, die zu wenig oder zu stark ausgeprägt sind in ein richtiges Maß zu bringen.

Sich einmal hinzusetzten, und seine Eigenschaften den Elementen zuzuordnen ist auf alle Fälle ein lehrreiches Unterfangen das noch eindrücklicher wird, wenn man die Eigenschaften von seiner Ehefrau aufschreiben läßt. Manch einer wird sich wundern was für unterschiedliche Sichtweisen und Wahrnehmungen es geben kann 😊

In der Freimaurerei geht es darum, seinen Geist und seinen Charakter zu veredeln. Wir sollen unser Handeln am Winkelmaß ausrichten und mit dem Senkblei prüfen, ob wir rechtschaffen sind. Mit dem Zirkel sollen wir prüfen, ob unser Verhältnis zu unseren Mitmenschen so ist, dass alle davon profitieren können. Wir sollen an jede unserer Handlungen das Maß der Moral und SIttenlehre des heiligen Gesetzes anlegen und prüfen, wie weit wir noch davon entfernt sind.   Der Freimaurerorden hat mit dem Oberbaumeister „Jesus“ ein hehres Vorbild, dass vielleicht für die meisten von uns zu groß ist, um als realistischer Maßstab zu gelten. Für die meisten reicht vielleicht schon der alte Spruch: Was Du nicht willst was man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“

Immer wieder fangen wir an, am Stein des anderen zu arbeiten und versäumen darüber die Arbeit am eigenen Stein. Dass wir als Freimaurer am eigenen Stein arbeiten sollen, ist so trivial wie bedeutsam. Nur wenn wir nicht den Splitter des anderen suchen sondern den Balken im eigenen Auge sehen und bearbeiten, können wir uns entwickeln.

Natürlich ist das nicht leicht und wir bräuchten die Freimaurerei ja auch gar nicht, wenn wir schon perfekt wären. Natürlich machen wir Fehler, sind unvernünftig, vorurteilsbeladen und blind aber eines sollte uns von anderen definitiv unterscheiden: Wir sollten uns stets bemühen, die Dinge richtig zu machen und niemals aufhören, am rohen Stein zu arbeiten. Wir dürfen auch streiten und uns auch mal ärgern aber wenn uns ein Bruder aus ehrlicher Motivation und nicht aus Rechthaberei oder dem Gefühl der Überlegenheit darauf aufmerksam macht, dann sollten wir dankbar dafür sein, uns prüfen und spätestens jetzt einmal innehalten.

Wir Freimaurer haben den unermesslichen Vorteil, dass wir jeden untereinander Streit beilegen können, indem wir uns auf unsere Freimaurerischen Ideale besinnen und uns dementsprechend benehmen oder uns gegenseitig daran erinnern. Das ist eigentlich gar nicht so schwer, denn es reichen ein paar Regeln:

  • Höre zu und verstehe, bevor Du antwortest!
  • Versuche nicht Deine Meinung bestätigt zu bekommen sondern sie in Frage stellen zu lassen!
  • Frage Dich nicht, was der andere zur Lösung des Problems beitragen könnte, sondern frage Dich, was Du tun kannst!
  • Sei immer respektvoll in Sprache und Ton!
  • Sei tolerant gegenüber der Meinung Deines Bruders. Denn egal ob Du sie teilst oder nicht, sie hat ihren Wert und ihre Berechtigung.
  • Achte darauf von den Brüdern mehr zu lernen als Du sie selber belehren kannst.

Zurecht mag der eine oder andere Bruder einwenden, dass wir ja nun kein Club von Moralaposteln und Schönrednern sind. Ja und damit haben sie Recht. Diese Tugenden dürfen nicht zur reinen Form verkommen, sondern müssen vom Herzen aus gelebt werden. Nur dann haben sie einen echten Mehwert.

Der formale Umgang in der Loge und die Höflichkeit im Tempel ist noch nicht das Ziel, sondern dient der Erinnerung und der Einübung in unserer Lehrart. Dies, die respektvollen Anreden des Meisters oder der Obödienzen und die Ordnung im Ritual helfen uns dabei, dass wir die freimaurerischen Werte mit der Zeit immer mehr verinnerlichen und das sie irgendwann Teil von uns selbst werden. Genau das führt dann zu der positiven Veränderung, die die Menschen in unserem Umfeld häufig bei uns wahrnehmen.

Wenn wir es nun nicht immer schaffen, uns richtig zu verhalten so ist das in der Loge sicher verschmerzbar, denn hier sind wir umgeben von Brüdern und Schwestern, die uns um unserer selbst Willen lieben und die uns Toleranz und Respekt entgegenbringen. Lediglich kann unser Verhalten hier und da einen Bruder Lehrling oder Gesellen verunsichern.

Wenn wir uns aber im profanen Leben daneben benehmen, dann dürfen wir nie vergessen, dass wir damit nicht nur uns selbst schlecht dastehen lassen, sondern auch kein gutes Licht auf die Weltbruderkette der Freimaurerei werfen. Vergessen wir nie dass Vorurteile schneller bestätigt als entkräftet werden.

Und seien wir ehrlich, wenn wöchentliche Treffen, brüderliches Beisammensein, Rituale und Symbole keinen Effekt auf die Brüder zeigen würden, dann müssten wir uns selber fragen, ob wir unsere Zeit eigentlich richtig verbringen und wir müssen uns fragen lassen, ob die Freimaurerei wirklich einen Beitrag zum Tempel der Humanität leisten kann.

Wir sind also nicht wirklich die besseren Menschen aber wir sollten uns immer bemühen, gute Menschen zu sein. Und wir sollten immer so handeln, dass wir selbst und jeder Bruder Freimaurer stolz auf uns sein kann. Und wenn wir einmal fehlen, dann sollten wir daraus lernen und es das nächste Mal besser machen. Diesem Weg haben wir uns freiwillig unterworfen und das sollten wir niemals vergessen.

Man hat uns aufgenommen, weil man uns für würdig erachtet hat. Und daher sollten wir uns auch als würdig erweisen. Und dazu haben wir jeden Tag eine neue Chance. Geht raus in die Welt und bewährt Euch als Freimaurer. Darum geht es in der Freimaurerei.

Es geschehe also.