Traktat: Mein freimaurerisches Geheimnis

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Sieht sehr geheimnisvoll aus, die Klosterruine von Eldena in Mecklenburg-Vorpommern, eines der Lieblingsmotive von Caspar David Friedrich, wunderbar fotografiert von Uwe Schröder:
"Ich habe versucht, der Ruine ein bißchen von ihrem geraubten Geheimnis zurückzugeben."
Mit dem freimaurerischen Geheimnis hat die Ruine nichts zu tun, aber vielleicht bringt das Bild auf geheimnisvolle Weise etwas fröhliche Ruhe in Dein Gemüt, lieber Wiki-Leser.

"Mein freimaurerisches Geheimnis"

Ein Vortrag, 2014 gehalten von Bruder Hans-Dieter Bertuch, Loge ZUR KETTE in München, vor geladenen Gästen seiner Loge

Gerade einmal wieder werden mit ständigen Wiederholungen im Fernsehen - angeblich wissenschaftlich erforscht – interne Geheimnisse der „Geheimgesellschaften“ verbreitet – natürlich auch über Freimaurerei. Das ist „quotenwirksam“, wie auch die Vermischung von Fiktion und Geheimnisvollem in Dan Browns Romanen.

Über Verwirrungen, Verleumdungen und das Verschwörungszeugs

Man liest und hört ja oft derlei Zeug, im Internet, in der Verschwörungsliteratur, in ultrakonservativ-katholischen Netzwerken wie kreuz-net.info und so weiter. In Buchläden findet man Bücher über die Freimaurerei unter Rubriken wie „Sekten“ oder „Geheimgesellschaften“ eingeordnet, anstatt sie den soziokulturellen Einrichtungen zuzuweisen.

Die Freimaurerei wird heute je nach Auffassung des Betrachters entweder als harmlos nostalgische Kuriosität wahrgenommen - sozusagen lediglich als eine verschrobene Einrichtung für Männer, die gerne Geheimnis spielen wollen - oder aber in den Wirrköpfen ihrer Gegner und der Verschwörungsneurotiker als ein höchst gefährlicher Männerbund; wahlweise und je nach Ausrichtung der individuellen Neurose des Betrachters bestehend aus Juden, Katholiken, Kapitalisten, Kommunisten oder Alt-Nazis – jedenfalls aus Leuten, die nach wie vor die Weltmacht anstreben und natürlich ihre dunklen Machenschaften verbergen müssen.

Und viele, sehr viele Menschen reagieren darauf - bewusst und unbewusst nach dem Grundsatz: Verleumde nur dreist - etwas wird schon hängen bleiben. Mit anderen Worten: es wird wohl schon irgendwas dran sein. Frei nach dem Motto: „Kein Rauch ohne Feuer!“

Damit will ich mich heute Abend nicht weiter auseinandersetzen. Ich setze vielmehr voraus, dass Sie, liebe Gäste, schon ein vernünftiges Basiswissen um Freimaurerei haben – sonst wären Sie nämlich nicht hier. Sonst hätten Sie überhaupt keine Einladung von uns erhalten.

Meine Zweifel an freimaurerischer Medienarbeit

Ja sicher, es gibt verschiedene Wege, mit der Anhäufung von Missverständnissen und Vorurteilen umzugehen, welche die Freimaurerei und ihr Geheimnis umgeben.

Es gibt zum Beispiel Logen, die treten in der Öffentlichkeit auf, deren Stuhlmeister lassen sich mit Foto in der Tagespresse ablichten und wundern sich – oder auch nicht – darüber, wie sie dann plötzlich in der Presse ‚rüberkommen’, und darüber, was auf Sensation und Grusel fixierte Journalisten daraus machen: „Es tut sich Geheimnisvolles …“ lautet die Schlagzeile der Passauer Neuen Presse über eine an sich sonst ziemlich banale Mitteilung einer Passauer Ordensloge. Oder: „Nicht nur im Geheimen. Wiesbadener Loge Plato macht sich zum ersten Mal öffentlich“ titelte etwa gleichzeitig die Allgemeine Zeitung Wiesbaden.

Das kann man alles so machen. Und es gibt tatsächlich nichts, was grundsätzlich dagegen spräche. Aber jede Loge sollte und muss für sich entscheiden, wie sie damit umgeht.

Deutlich wird aber schon an den eben genannten harmlosen Beispielen: Den „Sensations- und Gruselfaktor“ werden wir auf diese Weise nicht los.

Wir hier - das sei nun noch einmal deutlich gesagt - wir sind eine diskrete Loge. Wir werben nicht in der Öffentlichkeit, und wir fühlen uns auch nicht dafür verantwortlich, Anderen ihren Grusel zu nehmen. Wir meinen, dass wir das sowieso nicht können.

Wer sich nach den Mechanismen der Verschwörungstheoretik dem „Gruselfaktor“ Freimaurerei verschrieben hat, wird sich auch durch „Aufklärung“ und „Öffentlichkeitsarbeit“ nicht davon abbringen lassen.

Wir wollen nicht werben. Wir sind eine diskrete Loge. Das heißt: Wir werben genau dadurch, dass wir nicht werben. Das ist das Geheimnis.

Liebe Zuhörer, das war’s! Ich habe das freimaurerische Geheimnis verraten. Und wenn Sie mehr erwartet haben, dann muss ich sie enttäuschen, und wenn sie meinen: „da muss doch noch etwas anderes sein“ – dann sollten Sie jetzt nach Hause gehen.

Das Geheimnis der Diskretion

Aber wir können auch weiter über dieses eine Geheimnis reden – über das Geheimnis der Diskretion und Verschwiegenheit.

Im Text des Gelöbnisses, das wir Freimaurer alle einmal bei unserer Aufnahme abgegeben haben, heißt es:

„… Verschwiegenheit zu bewahren über die Gebräuche und inneren Angelegenheiten der Maurerei und mit niemandem darüber zu sprechen, den ich nicht sicher als Maurer erkannt habe …“

Verschwiegenheit ist eine schwierige Tugend.

In Zeiten der „operativen“ oder „vor-modernen“ Freimaurerei, war es für eine Freimaurerloge existentiell wichtig, Verschwiegenheit zu bewahren oder, wie wir sagen: “die Loge wohl und gehörig gedeckt zu halten”. Niemand sollte es wissen, weder wo, noch was die Loge ist, noch wer zur Loge gehört noch was in der Loge geschieht.

Andernfalls konnte dies im Zeitalter des Absolutismus, und später und auch heute noch in totalitären Staaten Verfolgung, Folter und Tod zur Folge haben. Denn die Freimaurerlogen waren - und sind es hoffentlich auch heute noch ein wenig - „Heimstatt“ für Gedanken, die sonst und so eher nicht gedacht wurden und werden.

Die Verantwortung für diese “Deckung” der Logen - ihr Verschlossen- Sein also - liegt in der Hand des “wachhabenden” Bruders; und auch heute noch “spielen” wir dies auf eine symbolische Weise jedes Mal, wenn wir die Loge öffnen und schließen, um uns daran zu erinnern.

Ich will mich hier allerdings nicht mit Verschwiegenheit, Vertraulichkeit oder mit der sogenannten “Deckung” einer Loge in alten Zeiten befassen. Jeder Freimaurerlehrling lernt, was das heißt und kennt die Geschichte, und auch Nicht-Freimaurer können das Gleiche leicht in populären Darstellungen der Freimaurerei nachlesen.

Nachzudenken aber lohnt es sich darüber, was das immer wieder Gleiche in sich wandelnden Zeiten heißt.

Vorhin hatte ich die Worte des Gelöbnisses gelesen, das so oder ähnlich jeder Freimaurer bei seiner Aufnahme spricht und im besten Falle nicht mehr vergessen sollte. Dennoch – immer und immer wieder wurden diese Worte missachtet und missbraucht.

Aber was heißt Diskretion?

Also was heißt das denn, "… Verschwiegenheit zu bewahren über die Gebräuche und inneren Angelegenheiten der Maurerei und mit niemandem darüber zu sprechen, den ich nicht sicher als Maurer erkannt habe …"?

Um etwas Struktur in die weiteren Überlegungen zu bringen, versuche ich verschiedene Formen der freimaurerischen Diskretion zu unterscheiden: die rituelle Diskretion, die sozial-korporative Diskretion und die personale Diskretion.

Erstens: Die rituelle Diskretion:

Eigentlich halte ich diese Form der Diskretion, also die Verschwiegenheit über unser freimaurerisches Ritual, heutzutage für einigermaßen unwichtig.

Wir wissen, es ist alles da, dort draußen, in Bibliotheken, im Internet, überall – man findet alles, alle Rituale und Gebräuche, und wer nicht ganz ungeschickt ist, wird auch Märchen und Lügen und Legenden von den wahren Fakten und Tatsachen und von den wirklich verwendeten Ritualtexten unterscheiden können, auch ohne als Freimaurer eingeweiht worden zu sein.

Heutzutage, in Zeiten, wo man wirklich alles irgendwo im Internet runterladen kann (doch auch schon vor 20 oder 30 Jahren für den, der nur intelligent genug war, eine wissenschaftliche Bibliothek methodisch zu benutzen) … sollen „Profane“ (also Nichtmitglieder) doch unsere Rituale kennen – was nützt es ihnen, was schadet es uns?!

Innerlich anfangen können sie damit sowieso nichts, und wir geben uns nicht der Lächerlichkeit preis, so zu tun, als würden wir etwas geheim halten wollen, was sich sowieso jeder irgendwo besorgen kann.

Aber welchen Grund, also, sollte es geben, das, was unter uns in einer „wohl und gehörig gedeckten“ Loge geschieht, der Neugier - von wem auch immer - preiszugeben?

Man sollte heutzutage nicht mehr sagen 'Das Ritual ist geheim' sondern 'Wir reden nicht (mit 'Profanen') über das Ritual'.

Zweitens: Die sozial-korporative Diskretion

Gemeint ist: Verschwiegenheit über die inneren Angelegenheiten einer Loge, wie es im Gelöbnis heißt, und darüber hinaus Verschwiegenheit über die persönlichen Angelegenheiten eines Bruders jedem anderen gegenüber, sei er Freimaurer oder nicht.

Das heißt nicht nur Verschwiegenheit über familiäre und finanzielle Angelegenheiten, sondern auch über Fehlbarkeit und Schwäche eines Bruders und auch über Versagen in der Loge.

Sogar wenn es hinreichenden Grund zu juristischen Schritten gegenüber einem Bruder geben sollte – und auch dies kann nun einmal bei Menschen, die wir alle sind, vorkommen – muss dies mit äußerster Umsicht gehandhabt werden.

Denn wenn eine Loge kein geschützter Raum mehr ist für die Fehlbarkeit und Schwäche von Menschen, hat sie schon das Beste verloren, was sie geben kann, und wird nutzlos.

Drittens: Die personale Diskretion

Ich habe keinerlei Recht, einem „Profanen“ gegenüber einen Bruder als solchen zu erkennen zu geben, auch nicht andeutungsweise.

Ich habe vielmehr die Pflicht, alles zu vermeiden, was seine Deckung beschädigen könnte, alles zu vermeiden also, was auch nur die Vermutung aufkommen lassen könnte, dass er ein Bruder Freimaurer sei – etwa dadurch, dass ich selbst mich öffentlich als Freimaurer bekenne und gleichzeitig mit meinen „weitreichenden Kontakten“ oder einem auffälligen Freundes- und Bekanntenkreis hausieren gehe.

Wenn ich nicht sicher weiß, dass der jeweilige Bruder sich selbst öffentlich als Freimaurer bekennt, habe ich unbedingtes Schweigen zu wahren – unter allen Umständen.

Dies gilt ungefragt als Normalfall, d.h. unter der stillschweigenden Voraussetzung, dass der Bruder auf seine Deckung Wert legt.

Wieder könnte man fragen: Und wozu? Was soll das Ganze? Wir haben doch nichts zu verbergen! Natürlich nicht, und viele von uns reden ja auch selbst freimütig davon, dass sie Freimaurer sind. Es gibt ja nichts zu verbergen oder zu verheimlichen, und seiner Logenzugehörigkeit braucht man sich auch nicht zu schämen – im Gegenteil.

Kann man sich denn nicht als Freimaurer bekennen? Doch, man kann.

Vielleicht ist es aber auch einmal eine ganz gute Übung, dem Bekenntniswahn zwischen religiösen Fundamentalismen, Facebook, Twitter und Reality-TV-Soaps ein Zeichen von Diskretion entgegenzusetzen?! Und noch etwas anderes ist wichtig und zu bedenken: Auch auf andere Weise noch geht es um den Schutz der Persönlichkeitssphäre eines Bruders: es könnte ja sein, dass irgendwann auch in diesem Land Freimaurer von bestimmten öffentlichen Berufen ausgeschlossen werden sollen (Vorstöße in diese Richtung hat es ja vor wenigen Jahren erst in England und Italien gegeben).

Besser ist’s auf jeden Fall, zu schweigen. Die Feinde von Gewissensfreiheit, Freiheit des Denkens, Gleichheit unter Menschen, Toleranz und Menschenliebe, sie alle sammeln schon längst wieder ihre Daten. Diskretion, Schweigen-Können, ist die Stärke, die dagegen hält!

Mein Fazit

Geschwätzigkeit und Eitelkeit sind nicht das geeignete Mittel, um die Vorzüge der Freimaurerei zu verkünden.

Viele Menschen zieht auch etwas anderes an: Die wahren Vorzüge werden durch Taten verkündet – und durch Verschwiegenheit.

In einer geschwätzigen Welt mit Datenkraken wie Twitter und Facebook usw. sind Diskretion und Verschwiegenheit die alten neuen Tugenden der Freimaurerei, welche die Menschen schätzen, die wir brauchen. Denn wer schweigen kann, der zeigt: Hier ist ein Mensch, dem ich trauen kann, weil er nicht alles verbreiten wird, was ich ihm über mich und meine innersten Dinge anvertrauen mag.

Dies zeigt sich im priesterliche Beichtgeheimnis und auch im berufsbezogenen Schweigegebot von Ärzten oder Anwälten.

Verschwiegenheit ist die freimaurerische Tugend schlechthin mit Aussicht auf Zuverlässigkeit, Verlässlichkeit, Beständigkeit in einer Bruderschaft, oder zumindest auf das Bemühen darum.

Darum wird nun auch deutlich: Wir schweigen nicht über das Ritual, weil es ein Geheimnis wäre. Das ist es definitiv nicht.

Und wir schweigen nicht über unsere Brüder, weil sie die geheimen Oberen der kommenden freimaurerischen Weltverschwörung wären, oder anderer Unsinn. Das sind sie definitiv nicht.

Wir sprechen ganz einfach nur deshalb nicht über alles dies, weil es unser Training auf Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit hin ist.

Das ist unser Geheimnis. Und wenn ein Fremder sich uns anschließt und zum Bruder wird, dann teilen wir dieses offen daliegende Geheimnis mit ihm, und er teilt es mit uns – nichts mehr und nichts weniger als das.

Siehe auch