Traktat: Von der Freiheit eines freien Maurers

Aus Freimaurer-Wiki
Version vom 1. Juni 2014, 23:51 Uhr von Goldapfel (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Header800.jpg

Von der Freiheit eines freien Maurers

Zeichnung von Br. Selter aus dem Jahr 1954


Von der Freiheit eines freien Maurers Festzeichnung zum Stiftungsfest der Loge „Zu den drei Pfeilen“ im Orient Nürnberg am 21.5.1954.

Danken muss ich Ihnen allen zuerst, dass Sie mich aufgefordert haben bei diesem hohen Fest zu Ihnen zu sprechen; zu sprechen über die Freiheit eines freien Maurers Ich könnte diese Aufforderung vielleicht auffassen als eine Ehrung meiner Person; doch meine ich, dass Sie vielmehr damit meine Bauhütte ehren, die Loge „Lessing" im Orient Frankfurt am Main. Daher sei es mir gestattet als Eingang und Leitwort über meine Ausführungen einen Ausspruch Gotthold Ephraim Lessings zu setzen: „Und wenn Gott Vater selber vor mich träte, und böte mir in seiner Rechten alle Weisheit dieser Welt und in seiner Linken den immerwährenden Drang des Forschens nach der Wahrheit, mit der Auflage, mich immerfort und immer wieder zu irren und spräche: Wähle! Ich würde ihm dankbar in die Linke fallen und bitten « Gib, Vater, gib! Die volle Wahrheit ist ja nur für Dich allein!“

So können und dürfen die Gedanken, die ich heute vor Ihnen aussprechen will, auch nur gewertet und verstanden werden als der Ausfluss meines ganz persönlichen Strebens und Suchens nach der Wahrheit und müssen belastet sein mit der immerwährenden menschlichen - und nach Lessing: göttlichen - Auflage des fortgesetzten und immerwährenden Irrtums- Nicht von ungefähr sondern meines Erachtens aus höchster Erkenntnis langer Zeiten heraus hat der Freimaurerbund keine Lehre und keine Lehrsätze absoluter verbindlichem Wesensart, sondern er ist ein Bruderbund mit symbolischer Arbeitsweise. Darf ich das noch einmal unterstreichend und erläuternd ergänzen: mit symbolischer nicht mit allegorischer Arbeitsweise. Mancher ist vielleicht versucht zu sagen: Da ist doch kein Unterschied zwischen Allegorie und Symbol.

Doch hören wir darüber keinen Geringeren als unseren großen Bruder Goethe, der diesen Unterschied dahin definierte: „Die Allegorie verwandelt die Erscheinung in einen Begriff, den Begriff in ein Bild, doch so, dass der Begriff im Bilde immer noch -begrenzt und vollständig- zu halten und in demselben auszusprechen ist: Die Symbolik verwandelt die Erscheinung in Idee, die Idee in ein Bild, doch so, dass die Idee im Bilde unendlich wirksam und, selbst in allen Sprachen ausgesprochen, doch unaussprechlich bleibt:“ Sie sehen, meine Brüder, selbst den wesenhaften, kardinalen Unterschieds eine allegorische Arbeitsweise könnte lhnen nur fertige, ausgeprägte und unabänderliche Begriffe geben, von denen ein jeder nur einen engen und begrenzten Teil des Lebens erfassen und darstellen oder erläutern könnte; eine symbolische Arbeitsweise aber gibt - fast ist man versucht zu sagen: nur - eine einheitliche aber allumfassende Idee, die der Einzelne und jeder einzelne in eigener Arbeit für sich und für sich allein, zu begreifen suchen muss, von der er sich ergreifen - packen - lassen muss, um nun das Leben und das ganze Leben nach seinen Kräften und Einsichten nach dieser Idee zu sehen und zu meistern.

Hoch einmal mit anderen Worten und anderen Schlüssen: Die Allegorie gibt Begriffe und damit Lehren und Lehrsätze, die von außen an den einzelnen Menschen herangetragen werden und ihn zu beeinflussen, zu erziehen suchen. Die Symbolik gibt nur - aber hier „nur“ im Sinne von rein - die Idee, die im Anblick des Symbolgegenständes, im Anhören des Symbolwortes, in der Ausführung der Symbolhandlung im Inneren des Epopten - nach alter Mysterienweisheit des innerlich Schauenden - sich offenbart und ihn zur Erziehung aus eigener Kraft, zur Selbsterziehung zwingt. In dieser inneren Arbeit des Einzelnen liegt das Wesen eines Symbolbundes und damit der Freimaurerei beschlossen. Das Wesen der Freimaurerei, deren Aufgabe es ist zu erziehen. Einige wenige Brüder werden sich vielleicht noch der Ausführungen erinnern, die ich vor einigen Jahren im benachbarten Erlangen über die Aufgabe der Freimaurerei machte.

Dort zitierte ich aus dem General-Abschied des Wilhelmsbader Konventes vom Jahre 1887 die Worte: Und so protestieren wir (also legen wir öffentlich Bekenntnis ab) dass es die einzige Aufgabe unseres Bundes ist, ein jedes seiner Glieder besser und der menschlichen Gesellschaft nützlicher zu machen und zwar durch Liebe und die Erforschung der Wahrheit. Wie vollkommen berühren sich hier die klassische Definition der Aufgabe der Freimaurerei und die klassische Forderung Lessings: das unaufhörliche Forschen nach der Wahrheit ! Und finden wir nicht das gleiche Ziel und die gleiche Aufgabe zum Ausdruck gebracht in dem von Johann Caspar Bluntschli verfassten Ritual der Groß- und Bundesloge „Zur Sonne“ in Bayreuth, in dem dem Aufnahmesuchenden das Idealbild eines Bruders Freimaurer mit den Worten dargestellt wird: Der Freimaurer aber ist ein denkender und geistesfreier Mensch, der sich durch keine falsche Autorität fesseln lässt und das Wahre vom Falschen, das Edle vom Gemeinen zu unterscheiden weiß.

Und stellt uns nicht unser Bruder Herder dieselbe Aufgabe, wenn er fordert: Freidenker sollen wir alle sein, das ist: wir sollen dem Recht und der Wahrheit nachstreben, ihnen nacheifern, frei von allen Fesseln des Ansehens und Vorurteils, mit ungeteilter Seele. — Ein freier Geist ist der größte Vorzug des Menschen; freies Denken, worüber es sei, das sind Forderungen der Menschheit, die kein Priestertum rauben kann. Darum sagt aber auch die Verfassung der Vereinigten Grossloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland in ihrem Artikel 2: Glaubens—, Gewissens— und Denkfreiheit sind den Freimaurern höchstes Gut. Nun habe ich aber oben nicht gesagt, dass die Freimaurerei ein Symbolbund sei, sondern ich sagte bewusst und in klarer Erkenntnis der Bedeutung dieser Definition, dass die Freimaurerei ein sich in symbolischer Arbeitsweise betätigender Bruderbund sei.

Was könnte Bruderschaft und Brüderlichkeit aber anders bedeuten, als dass ein jeder einzelne Bruder die Ergebnisse seines Forschens nach der Wahrheit, die Folgerungen seines Denkens , den Inhalt seines Fühlens und Glaubens in brüderlicher Offenheit aussprechen darf. Darf, und wenn er sich dazu gedrängt fühlt, aussprechen muss! Und was bedeutet Bruderschaft und Brüderlichkeit anders, als dass das, was der Einzelne ausspricht, ausspricht unter der Möglichkeit sich immerfort und immer wieder zu irren, mit brüderlicher Milde angehört und hingenommen, aber mit ebenso brüderlicher Offenheit ausgesprochener Kritik unterzogen wird. Denn erst in dieser Aussprache und dieser Kritik kann freies Denken zur letzten Erfüllung unserer Aufgabe gelangen: zu Liebe und zur Erforschung der Wahrheit.

Es erscheint mir aber wichtig, noch auf eines hinzuweisen: die Freimaurerei ist ein Bruder bund und nicht etwa –wie sie früher häufig bezeichnet wurde und auch heute noch vereinzelt genannt wird - ein Orden. Als solcher wäre sie eine streng nach außen abgeschlossene Gemeinschaft mit einer das innere Leben unabänderlich ordnenden Regel und einer das Leben um sich streng ferne haltende Lebensweise. Die Freimaurerei will aber gerade das Gegenteil, wie es etwa die Verfassung einer Großloge in Deutschland vor 1933 aussprach: den in' den Logen gepflegten Geist sollen die Bruder hinaustragen in die menschliche Gesellschaft und ihn hier zur Richtschnur sich dienen lassen für all ihr Handeln und Lassen.: So soll und muss die Freimaurerei, oder so soll und muss mindestens jeder einzelne Bruder Freimaurer die Augen nicht schließen vor dem täglichen Leben mit allen seinen Erscheinungen um ihn herum, sondern er soll und muss die Idee der Freimaurerei, die sich zusammenfassen lässt in die wenigen Begriffe: Menschenliebe, Duldsamkeit und geistige Freiheit hinaustragen in das tägliche Leben, muss sie ausstrahlen in seinem eigenen täglichen Leben und sie so wirksam werden lassen als Vorbild für alle im ganzen Leben und Zusammenleben der Menschen mit ihm und um ihn. Darf ich mir in dieser Feierstunde und in diesem geweihten Raum den Hinweis darauf erlauben, wie weitgehend hier die ,Idee der Freimaurereizusammenfällt, mit dem Sinn der drei Säulen, die unseres Tempels Bau tragen, und mit den Lichtern, die ihn erleuchten. Menschenliebe mit Weisheit Duldsamkeit mit Stärke Geistesfreiheit mit Schönheit Und darf ich aussprechen, dass es in diesem Dreiklang und in dieser Idee für die Geistesfreiheit nur zwei Grenzen geben kann: eben Duldsamkeit und Menschen- und Bruderliebe.

Nicht aber können als Grenzen anerkannt werden: Nützlichkeitserwägungen, diplomatische Überlegungen, Zweckmäßigkeitsgründe, Eigeninteressen und letztlich Furcht vor der Verantwortung. Wer aus solchen Gründen den Wunsch und den Drang nach Freiheit aufgibt, gibt die Freiheit selber auf! Man hat nun gern von der Freiheit und dem Menschen gesprochen als von „einem Rechte, das mit ihm geboren“; aber wie nichts auf dieser Welt dem Menschen mühelos oder kampflos zufällt, so erwirbt er auch die geistige Freiheit nicht ohne Arbeit und oft genug muss er das mit ihm geborene Recht in Mühevollem Kampfe gegen die Feinde der Freiheit verteidigen. Nicht ohne Grund steht daher auch in manchen Logen am Altare ein Schwert, das der Meister bei der Eröffnung der Arbeit der hüllenden Scheide entzieht mit den Worten: Ich ziehe das Schwert des Geistes zum Kampfe für Wahrheit, Freiheit und Recht hier und überall. Wer die Geschichte dieser Welt selbst nur oberflächlich verfolgt, der wird erkennen, dass der Kampf um persönliche und geistige Freiheit wie eine ununterbrochene Linie durch den Ablauf der Geschehnisse zieht, und dass zu allen Zeiten die Gegner der Freiheit immer und überall dieselben waren.

Und wer die Geschichte der Freimaurerei verfolgt, die ja jetzt auch schon über fast zwei und ein halbes Jahrhundert aufgezeichnet ist, der wird ohne Mühe erkennen können, dass die Gegner der Freiheit auch immer -und überall die Gegner der Freimaurerei waren. Allein schon hierauf gründet sich die besondere Verpflichtung der Freimaurerei und die besondere Aufgabe jedes Bruders Freimaurer, nähmlich ein stets aufmerksamer Beobachter der Ereignisse und ein stets gewappneter Verteidiger der Freiheit zu sein. Es würde müßig sein, in diesem Kreise die Gegner der Freiheit und die Gegner der Freimaurerei im einzelnen aufzuzählen; sie sind Ihnen allen, meine Brüder, sicherlich zur Genüge bekannt. Ich kann und muss mich daher darauf beschränken, den Versuch zu unternehmen, alle diese gegnerischen Kräfte auf einen General-nenner zu bringen. Das scheint mir am besten zu gelingen in der Formel: Gegner der Freiheit sind der Mensch selbst, die Masse und die Macht! Es sei gleich hier in Klammern angefügt, dass der Verdacht, diese drei Begriffe seien um des gleichen Anfangsbuchstabens -quasi kabbalistisch-spielerisch - gewählt, nicht zutreffend ist, was das weiter gesagte zeigen mag. Und es sei ebenfalls jetzt schon ausgesprochen, dass diese drei Begriffe oder Wesen gar nicht unabhängig Nebeneinander stehen, sondern dass sie in einer auffallenden - man ist versucht zu sagen: gesetzmäßigen gegenseitigen Wechselwirkung voneinander abhängen.

Betrachten war also die eben gegebene Formel näher: Gegner der Freiheit des Menschen, sagte ich, ist der Mensch selbst! Eine anscheinend widersinnige Behauptung,… und doch: Es liegt nun einmal im Wesen des Menschen -und wir können das aus der Geschichte der menschlichen Entwickelung klar und deutlich ablesen- der Drang, sich mit anderen Menschen zusammenzuschließen; zu vereinigen zur Familie, zur Horde, zum Stamm, zum Gau und letztlich zum Volk. In diesem Zusammenschluss und dem daraus folgenden Zusammenleben liegen, wenn ich noch einmal Lessing — jetzt aus seinen Gesprächen für Freimaurer -- zitieren darf, die Gründe für alle Trennungen zwischen den Menschen. In diesem Zusammenleben liegen aber auch bereits die Gründe für den Verlust -oder besser gesagt für die Aufgabe - der Freiheit des Einzelnen. Es ist so leicht in der Mehrzahl bestimmte Tätigkeiten, bestimmte Pflichten, damit aber auch zwangsläufig bestimmte Rechte anderen zu überlassen. Es ist so bequem, die manchmal nicht leichte Aufgabe des Denkens, die mindestens ebenso manchmal noch schwierigere Aufgabe der Sammlung und Bewahrung von Beobachtungen und Wissen widerstandslos in die Hände und Köpfe anderer übergehen zu lassen, die sich dadurch eine Vormachtstellung erwerben, anstatt diese Arbeit selbst zu leisten und sich damit Freiheit und Unabhängigkeit zu bewahren.

Dabei bietet aber die Geschichte Bespiele genug dafür, dass es wahrlich nicht immer die Besten - die aristoi — waren, in deren Hände die Macht überging, die sie nun zum Besten aller verwendeten, sehr oft entschied die bloße körperliche Kraft und Robustheit, nicht etwa nur in primitiven, rohen Zeiten: wir brauchen uns nur zu erinnern, dass der Adel ursprünglich ein Schwertadel war und der Ausdruck Blutadel oft recht doppelsinnig war, und dass wir erst gegen das Ende des 18ten Jahrhunderts in einem nennenswerten Maße von einem Geistesadel sprechen hören und sprechen können. Es ist so bequem, wenn auch vielleicht noch eher verständlich, insbesondere die Dinge des numinosen, alles was mit dem noch nicht erkannten Geschehen zusammenhängt und daher übernatürlich, unbegreiflich, unabwendbar erscheint, anderen zu überlassen. Es ist bequem, ist verständlich aber noch gefährlicher, denn es gab in die Hände anderer nicht Macht über den Körper, sondern Macht über die Seele, jene Funktion des menschlichen Organismus, die wandelbar, leitbar unsichtbar und unkontrollierbar ist wie keine Andere0 Und den Menschen beherrschend wie keine andere.

So kam die Macht über die Seelen in Hände von Menschen, die - wie unser Bruder August Horneffer in seinem Buch „Der Priester“ überzeugend darlegt, nicht in der Mitte ihrer Mitwelt sondern an deren Rande, irgendwie im "Abwegigen" stehen, sei es im Asketischen oder sei es im Ekstatischen, Rauschhaften. Wir sehen also, wie sich aus Lernunwilligkeit, Denkfaulheit, vielfach vielleicht auch aus Ermüdung nach langem Widerstand, ein Gefühl des „Lass es doch andere machen, wenn ich nur meine Ruhe habe " sich entwickelt, das zwangsläufig in die Unfreiheit des Körpers aber auch des Geistes führte. Nun könnte man mir entgegnen, dass meine Beispiele aus einer längst vergangenen Zeit, etwa aus der Kindheit der Menschheit stammten.

Dem ist aber meines Erachtens nicht so, nur liegen die Dinge heute insofern anders, als wir die geschilderten Geschehnisse heute in solcher Häufigkeit erleben, dass sie uns beinahe nicht mehr zum Bewusstsein kommen, ja dass sie uns als etwas Selbstverständliches erscheinen, sodass selbst keineswegs oberflächliche Beobachter und keineswegs kleine Geister das Wort von der Vermassung der Menschen ablehnen. Damit wären wir bei dem zweiten Teil meiner Formel angelangt: Gegner der Freiheit des Menschen ist die Masse. Ich möchte nicht missverstanden werden. Nicht jede Mehrzahl oder jede Vielzahl von Menschen ist eine Masse. Aber da, wo sich in zunehmendem Maße Menschen gedankenlos einer Ideologie, einem Wirtschafts- oder Parteiprogramm ergeben, wo sie nur das eigene kleine Interesse, den eigenen direkten Vorteil aus der Verwirklichung etwa dieses Programmes sehen, ohne über den Effekt für den größeren Kreis, etwa ein ganzes Volk nachzudenken geschweige denn ihn zu erkennen, da entwickelt sich mit der elementaren Gewalt einer Lawine wachsend, niederbrechend und zerstörend die Masse.

Wollen Sie Beispiele? Aus Zeiten, die und allen noch aus der Geschichte der Neuzeit bekannt sind? Nunn, der Sturm auf die Bastille und die Jacobinerherrschaft in der großen, die Herrschaft der Kommune in der zweiten französischen Revolution. Beispiele aus der Zeit, die die meisten von uns noch miterlebt haben? Die Oktoberrevolution von 1917 in Petersburg, eine Lawine, die bis in unsere Tage gerollt ist und jetzt an der Elbe, dem Himalaya und den Küsten des Stillen Ozeans -ob scheinbar oder tatsächlich für immer, das wissen wir noch nicht - zum Stehen gekommen ist. Wollen Sie ein Gegenbeispiel aus der gleichen Zeit? Die Novemberrevolution des Jahres 1918 in Deutschland, die durch die Einsicht und die Tatkraft denkender und nicht gedankenlos auf ein Programm eingeschworener Männer aufgefangen und in eine ruhige Entwicklung übergeleitet wurde.

Diese Tat hätte sich zu einem Ruhmesblatt deutscher Freiheit entwickeln können, wenn sie nicht ausgelöscht worden wäre durch das beschämende und weit erschütternde Versagen vor der Ideologie Hitlers im Jahre 1933- Auch die deutsche Freimaurerei ist hier von Mitschuld nicht ganz freizusprechen. Und wollen sie die ersten Anzeichen aus unseren Tagen hören und sehen, dass sich wieder das laue Gefühl regt: Lass doch andere machen, wenn ich nur meine Ruhe habe, oder das resignierendes: Ich kann es doch nicht ändern. Nun: wir haben Wahlen in unseren Tagen und in unserem Vaterlande erlebt, an der sich über 40% der Wahlberechtigten nicht beteiligten, also auf ihr Recht der freien Entscheidung, mindestens der Mitentscheidung aus Gleichgültigkeit oder Entschlusslosigkeit freiwillig verzichteten.

Wir erleben es seit Jahren beginnend und in den letzten Monaten und Wochen in erschütterndem und erschreckenden Maße sich steigernd, dass Gedankengänge in die Regierung und Verwaltung und unseres Staates hineingetragen werden, dass die Massen zu ihrer Unterstützung auf die Straßen geführt um nicht zu sagen getrieben werden, dass an die religiösen Bindungen appelliert wird für diese Gedanken, mit anderen Worten, dass die Religion - die tiefste, innerste und letzte Bindung des Einzelnen an seinen Gott - hineingezerrt wird in die Gebiete der Verwaltung, der Gesetzgebung und der Politik, wo sie nichts zu suchen hat und wo die Kirche allenfalls etwas gewinnen, die Religion aber nur Schaden erleiden kann. Alles das, ohne das sich in der Mehrzahl der Bevölkerung ein Widerspruch erhebt. Bedarf es mehr des Beweises dafür, dass sich in der Hand einiger, ja man kann in einzelnen Fällen ruhig sagen: in der Hand Einzelner wieder eine Macht anhäuft, die die Freiheit des Geistes gefährdet, ja bedroht. Daher der dritte Teil meiner Formel: Gegner der Freiheit des Menschen ist die Macht !

Mit der Macht nun hat es eine eigene Bewandtnis. Sie hat -oder zum mindesten darf man sagen: sie scheint zu haben - eine eigene ihr innewohnende Gesetzmäßigkeit, der zufolge sie in ihrem Träger die Sucht nach immer größerer Macht erzeugt, ihren Träger zum Missbrauch der Macht verleitet und letzten Endes sein Wesen, sein Gewissen und seinen Charakter zerstört. Gewiss gibt es in der Geschichte Beispiele genügend für lautere und edle Charaktere, am denen diese Versuchungen der Macht ab-flossen wie Wasser und Fett sich abstoßen, aber die Beispiele des Gegenteils sind doch in der weit überwiegenden Mehrzahl. Erinnern wir uns nur an den Jahrhunderte dauernden Kampf, den unter erschütterndem Missbrauch ihrer Macht über die Seelen die Päpste gegen die deutschen Kaiser führten.

Erinnern wir uns eines der klassischsten Beispiele der Zerstörung eines Charakters durch die Lust an der Macht über andere, jenen Herzog von Otranto, Ihnen sicher bekannter unter dem Namen Joseph Fouché; katholischer Priester, Revolutionär, Königsmörder, Jacobiner, Polizeiminister unter dem Direktorium, in der Republik, unter Napoleon, den Orleans, wieder unter Napoleon und unter den Bourbonen. Und haben wir nicht noch alle jenes Beispiel vor Augen des Malergesellen aus Niederösterreich, dem der Titel und die Macht eines Führers des Deutschen Volkes nicht genügte, der auch noch der Größte Feldherr aller Zeiten werden wollte, auf diesem Wege Europa ins Elend führte und der sich noch auf selbstmörderischer Flucht aus der Verantwortung , als für Deutschlands Freiheit vor dem Feinde gefallen ausposaunen ließ.

Lassen wir die Beispiele aus der Staatspolitik und erinnern wir uns aus der Wirtschaft jener Beispiele eines schwedischen Zündholzkönigs Ivar Kreuger, jenes belgischen Wirtschaftskönigs Löwenstein, die Macht über ganze Industrien an sich rissen, bis sie daran zu Grunde gingen. Wahrhaft grandiose, in ihrer Größe aber makabre Beispiele dafür, dass die Macht ihre Herren vernichtet, wie ein Moloch seine Anhänger ,seine Kinder, in sich frisst. Feind der Freiheit des Menschen ist die Macht! Die Macht, wenn sie die der Vermassung erlegenen, willenlos gewordene Masse bewegt, wie ein Spieler die Steine auf dem Schachbrett der Geschichte oder der Wirtschaft hin und her schiebt. Feind der Freiheit des Menschen ist die Masse. Die Masse, zu der die Menschen werden, wenn der Einzelne, sich seines eigenen Rechtes die Dinge zu erkennen, zu verstehen, zu denken und seine Gedanken aus zusprechen begibt. Feind der Freiheit des Menschen ist eben dieser Mensch selbst. Die Beispiele, die ich Ihnen gab, gehören der Vergangenheit, viele schon der Geschichte an. So muss man nun fragen, sind die Menschen denn heute noch, sind sie schon- wieder so weit, dass sie freiwillig ihr Recht auf Freiheit aus der Hand geben? lch will und ich darf Ihnen diese Frage nicht Beantworten, denn dann würde ich selbst Ihnen ja das Recht nehmen, das "Recht in Freiheit sich ihre eigenen Gedanken zu machen, das Recht in eigener Freiheit eine Antwort auf alle diese Fragen zu finden.

Ich möchte Ihnen nur eine Antwort auf diese Fragen vortragen, die ich vor einigen Tagen in einer der angesehensten deutschen Zeitungen fand. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Deutschland“ war in einem Leitartikel folgender Gedankengang vorgetragen: Der Deutsche Bundestag ist die Versammlung der Vertreter des Volkes, das durch diese Vertreter sein Recht ausübt, die Leitung des Staates und die Gesetzgebung zu bestimmen. In Wirklichkeit haben aber diese Vertreter des Volkes die Leitung der Dinge von sich gegeben. An erster Stelle steht in der Leitung der Dinge die Bundesregierung, an zweiter Stelle eine ständig mächtiger werdende Bürokratie, dann erst kommt an- dritter Stelle der Bundestag. Und wenn nicht alles täuscht - so fährt der Schreiber des Artikels fort - dann wird er diese dritte Stelle auch noch freiwillig der kommenden Wehrmacht räumen, wenn diese erst voll geschaffen ist; ob diese aber sich mit dem dritten Platz zufrieden gibt, ob sie nicht den ersten Verlangen wird, das ist eine noch offene Frage.

Soweit diese eine Antwort, die wie gesagt nicht meine eigene ist« Ich fürchte meine Ausführungen sind ein Kolleg über die Freiheit schlechthin gewordenund über ihre Feinde, während es doch meine Aufgabe war, über die Freiheit eines freien Maurers zu ihnen zu sprechen. So muss ich denn zu meinen eigentlichen Thema zurück und darf die Frage stellen: Sind die Verhältnisse in der Freimaurerei anders und andere, als ich sie bisher für das Leben der Menschen allgemein skizziert habe? Sind alle Brüder unseres Bundes Freimaurer, wie unser Bruder Johann Caspar Bluntschli sie schilderte: geistesfreie und denkende Männer, die von keiner falschen Autorität sich fesseln lassen und das Wahre vom Falschen, das Edle vom Gemeinen zu unterscheiden wissen? Oder finden wir auch in unseren Kreise den Gedanken: Lasst mit meine Ruhe, lasst andere doch machen? Finden wir auch in unserem Kreise Zeichen der Massenbildung? Finden wir auch in unserem Kreise die zer-störende Wirkung, die die Macht auf ihre Träger ausübt ? Eigentlich wären diese Fragen müßig, denn unser geliebter Bruder Bernhard Beyer hat ja vor Jahren schon gesagt: Die Freimaurerei ist immer und überall das Produkt ihrer Zeit und ihrer Umgebung.

So müssen wir also überall und zu allen Zeiten und also auch heute und bei uns in der Freimaurerei die Strömungen und Erscheinungen finden, die wir im profanen Leben feststellen konnten und können. Sehen wir also zu. Ich will aber jetzt nicht - wie Sie, meine Brüder, vielleicht argwöhnen könnten— Beispiele aus unserer Vereinigten Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland bringen und Kritik an deren Einrichtungen und Handlungen üben, denn das ist mir durch Gesetz dieser Grossloge ohne ihre vorherige Kenntnisnahme an meinen Ausführungen und Stellungnahme zu meinen Darlegungen verboten. Ich muss mich hier – wie es auch durchaus meinen Neigungen entspricht - an die Geschichte halten oder Brüder anderer Großlogen zitieren und es meinen Zuhörern überlassen Parallelen zu ziehen, wo solche gegeben sind. Folgen Sie mir also einmal zurück ins Jahr 175o nach England: dort trat eine Spaltung, eine Art Schisma der Freimaurerei ein, wobei die Dissentierenden sich die Alten und die zeitlich früheren die Modernen nannten.

Da erhoben die Alten gegen die Modernen den Vorwurf, sie hätten die Alten Landmarken verlassen und Neuerungen eingeführt. In einer sehr subtilen Untersuchung etwa aus dem zweiten Drittel des vorigen Jahrhunderts weist Bruder Georg Kloß – Arzt aus Frankfurt Am Main und Großmeister des Eklektischen Freimaurerbundes - nach, dass diese Neuerungen darin "bestanden, dass die Große Loge von London eine besondere Loge, die der Stewards eingerichtet, deren Mitgliedern das Recht zum Tragen besonderer Bänder und Schurze und später das Alleinige Recht zur Besetzung der Großlogenämter gegeben hatte.“ Darin erblickten die Alten Maurer eine Aufgabe des überlieferten Rechtes der freien unduneingeschränkten Wahl des Großmeisters und der Großbeamten durch die Jahresversammlung , das sogenannte Große Fest.

Zustande gekommen war aber diese Sonderstellung der Stewards zunächst einfach nur dadurch, dass gewisse Brüder besondere technische Aufgaben eben bei der Durchführung dieses Großen Festes übernommen hatten, die anderen etwas zu lästig und zeitraubend waren. Aus dem mangelnden Interesse und Arbeitseifer auf der einen Seite erwuchs also ein Vorrecht auf der anderen und der Verlust des freien Wahlrechtes. Die andere Neuerung, die die Modems eingeführt hatten, war das Amt des Königlichen Großmeisters mit dem ihm anhängenden Recht zur Ernennung eines „ acting Grand-Master“ also eines amtierenden Großmeisters worin, wiederum eine Einschränkung der freien Wahl erblickt wurde. Nahezu 70 Jahre währte dieses Schisma, das endlich im Jahre 1816 durch die Gründung der United Grand Lodge beseitigt wurde, wobei die Auffassungen der Modems im Wesentlichen obsiegten, während in den Kolonien, so z.B. in den Vereinigten Staaten von Amerika noch heute im Wesentlichen die Auffassungen der Ancient Masons den Vorrang haben.

Erloschen sind aber die Gedankengänge und die gegensätzlichen Auffassungen aus dieser Zeit bis heute noch nicht, denn sie sind, wie sich aus dem eben gesagten ergibt, in die Freimaurereien anderer Länder übergegangen. Der Unabhängigkeitsdrang der Ancients Masons ging zeitweise so weit, dass sie auf die Ordnungen vor der Gründung der Großen Loge von London sich berufend, die Konstitutionsurkunde einer Großloge für eine Loge als nicht erforderlich postulierten, und eine Freimaurerloge als eine souveräne, aus sich selbst entstehende Körperschaft auffassten, solange nur die Mindestzahl von sieben Brüdern regulärer Provenienz vorhanden war. Sie lehnten daher die verschiedenen Dispensrechte des Großmeisters ab, wie sie in den General-Regulations der Jahres 1723 bis 1738 festgelegt waren und forderten die strikte Durchführung einer. Bestimmung aus dem Jahr 1723, nach der einzig und allein der einzelnen Loge das Recht zustand zu entscheiden, wen sie aufnehmen oder ablehnen oder ausschließen wolle.

Es ist nicht ohne Interesse zu überlegen, wieweit diese gegensätzlichen Auffassungen sich in der Entwickelung der Freimaurerei in eine humanitäre und eine christliche Richtung ausgewirkt haben, und zu prüfen, ob nicht die strikte Aufrechterhaltung des Prinzips der Souveränität der Einzellogen, wobei die Großlogen reine Verwaltungskörperschaften geblieben wären, die Ausbildung von Systemen in der Freimaurerei überhaupt verhindert hätte. Diese Trennung in humanitäre und christliche Freimaurerei ist nämlich gar nicht so sehr eine Frage des religiösen Bekenntnisses oder gar der Rasse, wie man geneigt sein könnte anzunehmen, sie ist vielmehr eine Frage der Einstellung zur Freiheit. Lassen Sie mich Ihnen darüber mit den Worten eines führenden Bru-ders einer ausländischen Großloge Berichten, weil diese zugleich gegenüber den von mir gebrachten historischen Beispielen uns einen Einblick geben in die heutige Haltung der Freimaurerei. In seinem Bericht über die Bearbeitung des Studienthemas des Jahresthemas 1951 in den deutschsprachigen Logen der Schweizerischen Großloge „Alpina“ führt der damalige Großredner, Bruder Imhof, aus: Die christliche, präziser gesagt protestantische Position ruht auf einer traditionellen Kontinuität seit der Gründung der klassischen Freimaurerei in England. Sie hat einen stark ausgeprägten institutionellen Charakter mit seinen mannigfachen Folgen: Autoritär des Großmeisters, Wert der Tradition, konsequente Ordnung in der Amtsnachfolge und Ämterbesetzung etc.

In der humanitären Position liegt der Hauptakzent auf der Freiheit des Geistes und der sich stets erneuernden Initiative, mittels der versucht wird, die Freimaurerei zu modernisieren, aber mit der daraus entstehenden Gefahr der Eigenbrödelei und der Schwächung der Obödienz. Wir brauchen nur die vom Bruder Imhof gewählten Ausdrucke in Kongruenz zu setzen mit meiner Formel von den Gegnern der Freiheit traditionelle Kontinuität = freiwillige Aufgabe der Mitwirkung des Einzelnen institutioneller Charakter = Masse Autorität = Macht und sie dann anzuwenden auf ein heute noch in Deutschland beste-hendes christliches System, und wir kommen zu dem Schluss, das es sich dabei um etwas handelt, das ich -um mich der eigenen Worte unseres schweizerischen Bruders zu bedienen- eine „orthodoxe Obödienz“ nennen möchte. Orthodoxie aber ist – nicht nur in der Freimaurerei - unvereinbar mit geistiger Freiheit und sich stets erneuernder Initiative. Wie stellt sich nun unser Schweizer Bruder selbst zu diesen beiden Möglichkeiten? Hören wir ihn selbst. In der Einleitung zu seinem Bericht, prägt er den beherzigenswerten Satz: „Die Großlogen sind nicht um ihrer selbst Willen da! Sie wollen den Logen dienen, indem sie dieselben stets auf auf das reiche Geistesgut der Königlichen Kunst hinweisen“. Und an anderer Stelle seines Berichtes sagt er von der freimaurerischen Wirksamkeit: „sie ist immer sich erneuernde schöpferische Arbeit, also Leben, demgegenüber Tatenlosigkeit gleichbedeutend ist mit Tod !“ Und doch entschlüpft ihm, vielleicht ungewollt das Bekenntnis: „Wir -nämlich die Schweizer Freimaurer- sind nicht so glücklich wie andere Obödienzen, die, eine einheitliche oberste weltanschauliche Führung besitzen“.

Auch hier finden wir also schon ein erstes, wenn auch noch leises Zeichen einer Flucht aus der Verantwortung des Einzelnen in den, Schutz einer Führung. Das aber ist der erste Schritt zur Aufgabe der Freiheit. Geistige Freiheit und stets sich erneuernde Initiative, sie sind Grundlage und Inhalt der Freiheit eines freien Maurers.

Würden wir Freimaurer die Freiheit aufgeben, dann wären wir nicht mehr freie Maurer am ideellen Bau der Menschheit, sondern allenfalls noch Maurer, die die Steine beischaffen zum Bau von Zwingburgen, Kärrner, die Schwitzen, wenn die Könige der Macht bauen. Flucht des Einzelnen aus der Verantwortung, Aufgabe des Denkens des Einzelnen, Verzicht auf das Recht mitzureden, wenn seine eigenen Dinge abgehandelt und entschieden werden, das sind die ersten Schritte in die Unfreiheit. Die Freiheit werden wir uns nicht erhalten, wenn nur einer, wenn nur wenige für sie eintreten. Die Freiheit werden wir nur gewinnen und besitzen, wenn jeden Augenblich jeder einzelne von uns bereit ist, vor die Front zu treten und wie weiland Arnold Winkelried in der Schlacht von Sempach die Lanzen und die Schwerter der Feinde zu umfassen, in die eigene Brust zu ziehen und sich zu opfern mit dem Rufe:

Der Freiheit eine Gasse

Siehe auch