Wenzel Tobias Epstein: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 18. Juli 2018, 15:14 Uhr

Epsteins Eintrag ist mit dem Schattenriss seines Profils dekoriert, was damals sehr üblich war. Er lautet: „Rabbi Alieser Schamuenssohn sprach: Schäzze deine Lehrlinge, wie dich selbst, trage Achtung für deine Mitgesellen, als wären sie deine Lehrer. Verehre deinen Meister, als wäre er dir unmittelbar von Gott vorgesetzt. Aus den Originaltexten des Buches der Väter, 4te Abtheilung. Wien, am 21.III.5786

Wenzel Tobias Epstein - Ein faszinierender Freimaurer in Wien um 1800

Wolf-EpsteinBuch-S-1.jpg

Dieser Wiki-Artikel ist die stark gekürzte Fassung des Buchs „Wenzel Tobias Epstein – Stammbuch“: ein österreichisch-tschechisches Gemeinschaftswerk in beiden Sprachen.
Es wurde 2014 publiziert von Rüdiger Wolf, dem früheren Direktor des österreichischen Freimaurermuseums Rosenau, gemeinsam mit Miroslav Šipovič von der Forschungsloge ‚Quatuor Coronati No. 9’ der Národní Veliká Lože Česká (Tschechische National-Großloge). Das Buch ist ein Privatdruck und nicht im Handel.

Das Buch ist ausgesprochen bibliophil gestaltet mit nicht sehr viel Text auf Tschechisch und auf Deutsch, aber mit sehr vielen Illustrationen: vor allem aus dem Stammbuch von Wenzel Tobias Epstein. Auf mehreren Seiten wird darüber hinaus auch das umfangreiche Dokument gezeigt, mit dem er in den Adelstand erhoben wurde: 23 handschriftliche Seiten mit Gutachten, Anträgen und die "Allerhöchste Entschließung" Kaiser Josephs II. Der entscheidende Satz: "Ich bewillige dem Epstein (so sprach ein Monarch mit seinen Untertanen) den angesuchten Adelstand gegen Entrichtung der gewöhnlichen Taxe." Er war jetzt ein "Edler von Ankerberg" für sich und seine ehelichen Nachkommen, die er jedoch nicht hatte; Epstein blieb unverheiratet. Eine Transkription der für unsereiner kaum mehr lesbaren Dokumente wird im Buch abgedruckt.

Die nun folgenden Bilder sind eine kleine Auswahl aus Epsteins Stammbuchseiten. Im Buch werden alle gezeigt: an die neunzig Seiten mit Einträgen aus vierzehn Städten. Sie vermitteln einen Eindruck, mit welcher Liebe und Sorgfalt unsere Vorfahren in früheren Zeiten die Einträge in die Stammbücher von Freunden und Besuchern gestaltet haben.

Das Freimaurer-Wiki dankt den beiden Autoren für die Erlaubnis, diesen Buchauszug veröffentlichen zu dürfen.
„Geliebter Freunde Werth zu schätzen und sich nach lang durchlebter Zeit an ihren Nahmen zu ergötzen, dazu sey dieses Buch geweiht. Schreibt Freunde was ihr wollt in diese Blätter ein, doch mag kein niedrer Zug, der Freundschaft Schutz entweihn.“
Wien, 16. September 1780
Neapel 12. Dec. 1782
Noch einmal Neapel: Auf zwei Stammbuchseiten ein Lied für „al caro Amico il Signor Epstein“ ... den lieben Freund, den Herrn Epstein
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Das blinde Fräulein Paradis
Eine Widmung und auf der folgenden Seite des Stammbuchs eine Zeichnung des Weltumseglers Georg Forster
Wolf-EpsteinBuchS102-2.jpg
Für Wencuslao Tobia Epstein von
Vincenzo Guavana, Sohn des ...
Giovanni Sergievo 1780

Der Geist der europäischen Aufklärung erreichte die Länder im Reiche der Habsburger spät. Unter der Regentschaft Maria Theresias (1740-1780) war das Wirtschafts- und Geistesleben verkrustet. Unter Kaiser Josef II. entwickelte sich intensiv eine Aufbruchsstimmung, welche in der Residenzstadt Wien in Literatur, Publizistik, Kunst und Politik ihren Ausdruck fand. In dieser Zeit, im spätbarocken Wien, konnte ein Mann wie Epstein Karriere und gesellschaftlichen Aufstieg machen. Er erlebte die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche während der Regentschaften Maria Theresias, Josef II., Leopold II. und schließlich Franz II. (I.).

Epstein war der Sohn armer, jüdischer Eltern in Preßburg (heute Bratislava in der Slowakei) und besaß offenbar die Gabe, eigene Fähigkeiten den einflussreichen Gönnern zu präsentieren und so eine bemerkenswerte Karriere zu machen. Er kam im Alter von 13 Jahren von Preßburg nach Wien. Zehn Jahre später konvertierte er vom jüdischen zum katholischen Glauben, und bereits als 31-Jähriger wurde er in den Adelsstand (Epstein von Ankerberg) erhoben. Er war Freimaurer und traf dort W. A. Mozart, den Weltumsegler Georg Forster, den Marquis LaFayette, Josef von Sonnenfels und seine Gönner Tobias Gebler und die Grafen Lamberg und Sauer. Zeitgenossen beschreiben Epstein von Ankerberg als “...vielerfahrenen, weitgereisten Mann von sehr viel Geist, Wissen, Scharfsinn und glänzende Unterhaltungsgabe“, aber „...hätte er lieber ein offenes Rasiermesser der Quere nach verschluckt, als einen ihm gerade vom Hirn ins Maul fallenden guten oder schlechten Witz.“

Was wissen wir über sein Leben?

Am 8. Dezember 1758 gebar Rebekka Epstein Ihrem Mann Jakob den Sohn Wolf. Die Familie Epstein dürfte in Preßburg in eher ärmlichen Verhältnissen gelebt haben. Aus dem Akt „Erhebung in den Adelsstand“ wissen wir, dass „...sein Vater bei Errichtung des Tabak Gefälls als Substitut zu Linz bis zu seinem Ableben mit allem Eifer gedienet hat.“

Allgemein wird berichtet, dass der junge Epstein im Jahre 1771 nach Wien ging. Hier soll er anfangs Medizin, dann Jus studiert haben. Entscheidend für Epstein war die Förderung durch die jüdische Familie Hönig. Die Hönigs stammten aus dem westböhmischen Kuttenplan (heute: Chodová Planá). Adam Albert Hönig (1745-1811), 1784 „Edler von Henikstein“, ab 1807 „Ritter von Henikstein“, war ein erfolgreicher Geschäftsmann (Pächter des Tabakmonopols in Böhmen, Mähren und Schlesien). Er leitete die mährische Lehensbank und brachte die erste mährische Zeitung, die spätere „Brünner Zeitung“ heraus. Ab 1796 führe Adam Albert Hönig den Titel eines k.k. niederösterreichischen Regierungsrates. Die Familie Hönig gehörte 1777 zu den 25 tolerierten Familien Wiens mit Schutzpatent. Im Jahre 1781 konvertierte die Familie zum katholischen Glauben. Offensichtlich erfuhr Epstein in Wien durch die Familie Hönig Unterstützung. Dafür spricht auch, dass Vater Jakob im „Tabak Gefällen“ unterkam. Auch ist es möglich, dass der junge Epstein durch Adam Albert Hönig im Zeitungswesen Beschäftigung fand und in seinem Auftrag auf Reisen ging.

Die Konversion Epsteins im Jahre 1781

Epstein wurde bald klar, dass er als Jude, einer eingeschränkter Berufskarriere unterworfen war. Durch die Taufe wurde eine erhebliche Besserstellung erreicht. So definiert ein Dekret der Hofkanzlei: „Ein Israelit hört durch die Ablehnung des Judentums und den Empfang der Christen-
taufe auf, den in Rücksicht der Juden bestehenden Polizeigesetze unterworfen zu sein; und er hat von diesem Augenblick an einen gegründeten Anspruch auf alle Rechte erworben, welche den übrigen Untertanen im Staate zukommen.“

Im Taufprotokoll-Buch der Pfarre St. Stephan zu Wien wird zum 13. März 1781 festgehalten: „(Wolf) Epstein Wenzel Tobias Franz Josef, gebürtig von Preßburg 8. Dezember 1758, getauft auf der Wieden, in der Kirche der Wohlerwürdigen Väter Minimorum, der sogenannten Paulaner. Vater: Jakob Epstein, Mutter: Rebekka. Taufpaten: Tobias Baron Gebler, k.k. Staatsrat, Franz Baron von Kienmayer, k.k. n.ö. Regierungsrat.“

Der jüdische Vorname Wolf wurde nun durch die christlichen Vornamen den beiden Paten ersetzt: Wenzel Tobias Franz Josef. Dem konvertierten Wenzel Epstein öffnete sich nun der Zugang zum Staatsdienst. Im Adelsakt wird angeführt, dass Epstein sich 1782/1784 „als Substitut der eben eingeführten Zoll-Regie“ nützlich machte.

Den weiteren Weg bestimmte Graf Franz Josef Sauer (1760-1832), der Epsteins Talente erkannte. Epstein diente in Linz als oberöst. Gubernialsekretär und folgte dem Grafen Sauer im Jahre 1786 nach Innsbruck, wo Graf Sauer die Nachfolge des Gouverneurs Heister antrat. Im August 1790 beschwerte sich die tirolische Deputation in Wien bei Kaiser Leopold II. über Graf Sauer (Feind der Geistlichkeit, verantwortlich für alle Unzufriedenheit der Tiroler). Auch über den Präsidialsekretär der Gouverneurs Wenzel Epstein, Edler von Ankerberg, wurde Klage geführt. Auf dem Landtag (22. Juli – 11. September 1790) meinte ein Herr von Unterrichter: „Es sei schon so weit gekommen, dass ein wirklicher Konvertit Gubernialrat geworden, und zwei wirklich beschnittene Juden in die Kanzlei aufgenommen worden sein“. Ende des Jahres 1790 wurde Graf Sauer von seinem Posten abberufen und kehrte, zusammen mit seinem Sekretär Epstein, nach Wien zurück. Epstein wurde nach der Rückkehr zum wirklichen Hofsekretär befördert.

Wenzel Epsteins Ansuchen um Erhebung in den Adelsstand

Im Oktober 1788 brachte Epstein bei der k.k. vereinigten Hofkanzlei sein Ansuchen um Erhebung in den Adelsstand ein. Natürlich wurde sein Ansuchen von seinem Förderer, dem Gouverneur Franz Josef Graf Sauer, unterstützt. Kaiser Josef II. bewilligte „...dem Epstein den angesuchten Adelsstand gegen Entrichtung der gewöhnlichen Taxe“ am 20. November 1788. So wurde Wenzel Tobias Epstein in der erblichen Adelsstand mit dem Prädikat „Edler von Ankerberg“ erhoben mit Verleihung eines adeligen Wappens (4. Juni 1789).

Der Freimaurer Wenzel Tobias Epstein

In den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts stand in Wien und Prag der Bund der Freimaurer in Hochblüte. Kaiser Josef II. stand den Freimaurern mit misstrauischem Wohlwollen gegenüber. Im sogenannten „Josephinismus“ hatten Freimaurer eine wichtige Funktion in Umsetzung vieler Reformen (Toleranzpatent, aufklärerische Publizistik, Schulreformen usw.).

In der Zeit 1780 gab es in Wien acht Freimaurer Logen mit ca. 800 Mitgliedern. Die Mitgliederlisten lesen sich wie das „Who is who“ der Gesellschaft. Angehörige des Hochadels trafen auf Literaten, Hochbürokratie und Militärs. In den Logen bewegte man sich auf Augenhöhe.

Nach seiner Konversion im März 1781 war es natürlich auch das Betreiben Epsteins, als „getaufter, gewesener Jude“, in den Bund einzutreten. Immerhin waren seine beiden Taufpaten angesehene Freimaurer. Wir wissen, dass Epstein an vier verschiedenen Orten Mitglied einer Loge war: In Brünn: „Zur aufgehenden Sonne“ (1781); in Preßburg: „Zur Sicherheit“ (1782); in Neapel: „de la Vittoria“ (1782); und in Wien: „Zur gekrönten Hoffnung“ (1784-1790).

Bereits ein Monat nach der Konversion in Wien wird Epstein in die Brünner Loge „Zur aufgehenden Sonne“ am 27. April 1781 rezipiert. Die Initiative zur Aufnahme dürfte von Max Graf Lamberg (1729-1792) ausgegangen sein, der zu dieser Zeit Meister vom Stuhl der Brünner Loge war. Max Graf Lamberg galt als Humanist und Gelehrter. Lamberg war schon 1761 mit dem Johannes Ferdinand Grafen Kuefstein (1727-1789) in einem Hochgradsystem vereint (Rosenkreuzer). Im Aufnahmediplom Epsteins findet sich Lambergs Medaillon als „Großkommandeur des Tempels von Jerusalem“. Die Brünner Loge schwächelte dahin, bis sie sich mit der Brünner Loge „Zu den wahren vereinigten Freunden“ fusionierte. Die Loge neigte stets zur Tradition der Rosenkreuzer und zu den „Asiatischen Brüdern“ (ein System, in welchen auch ungetaufte Juden Aufnahme fanden). Es finden sich keine Nachweise für Epsteins Aktivitäten in der Brünner Freimaurerloge.

Im Jahre 1782 traten der Preßburger Loge „Zur Sicherheit“ neun neue Mitglieder bei, darunter Leopold Hönig und Wenzel Epstein sowie der k.k. Kämmerer Franz Graf Batthyány. Interessant ist nun ein Mitgliedverzeichnis der Loge „de la Vittoria“ in Neapel aus dem Jahre 1782. Unter der Nr. 80 Leopold Hönig und unter Nr. 81 Wenzel Epstein. Dieser begleitete offenbar den Großhändler Hönig nach Neapel.

Den nachhaltigsten Eindruck hinterließ der Freimaurer Epstein als Mitglied der prominenten Wiener Loge „Zur gekrönten Hoffnung“, welcher er 1783/1784 beitrat. Das Mitgliedverzeichnis dieser Loge aus dem Juli des Jahres 1785 führt an: Nr. 4 Epstein Wenzel Epstein, Negoziant, Zweiter Aufseher. Nr. 11, Nr. 50, Nr. 64 und Nr. 106 Tobias Philipp Freiherr Gebler, Vizekanzler Hofkanzlei (Taufpate Epsteins),
Wenzel Graf Sauer, Hofrat der Hofkanzlei (später Chef Epsteins), Franz Graf Esterházy, k.k. Kämmerer (Taufpate Leopold Hönigs) und Franz Freiherr Kienmayer, k.k. Truchsess (Taufpate Epsteins).

Epstein brachte sich offensichtlich engagiert in die Loge ein. Bereits knapp zwei Jahre nach seiner Aufnahme wählte man aus dem Kreis der insgesamt in Wien anwesenden 111 Brüdern Wenzel Epstein zum 2. Aufseher. Im Jahre 1785 gibt Wenzel Epstein noch zweimal Beweise seiner Aktivitäten in der Loge „Zur gekrönten Hoffnung“. Beide Male im Zusammenhang mit Aufführungen freimaurerischer Kompositionen des Bruders Wolfgang Amadé Mozart (KV 471 und KV 477).

Der Meister vom Stuhl der Wiener Loge „Zur wahren Eintracht“, der Mutterloge von Ignaz von Born, wurde vom Kaiser Josef II. für eine Erfindung ausgezeichnet. Dies veranlasste die Brüder der Schwester-Loge „Zur gekrönten Hoffnung“, zu Ehren Borns eine Komposition in Auftrag zu geben. Nach einem Text von Bruder Franz Petran komponierte Bruder Mozart innerhalb von nur zwei Tagen die Kantate für Tenor, dreistimmigen Männerchor und Orchester, KV 471, „Die Maurerfreude“. In Gegenwart von Vater und Bruder Leopold Mozart wurde am 24. April 1785 unter der Leitung des Komponisten in der Loge „Zur gekrönten Hoffnung“ die Aufführung gegeben. In einer Mitteilung der Loge vom 31. Juli 1785 wurde den Wiener Logen bekanntgegeben, dass die Kantate mit „...einer Vorrede unseres Br. Epstein...“ in Druck gegeben und zum Besten der Armen angeboten wurde. (Mozart war in der Loge „Zur Wohltätigkeit“ Mitglied.)

Am 17. November 1785 wurde in der Loge „Zur gekrönten Hoffnung“ eine Trauerfeier für die verstorbenen Brüder, den Hofkanzler Franz Graf Esterházy von Galántha und Georg August Herzog von Mecklenburg-Strelitz abgehalten. Bei dieser Trauerarbeit wurde die eindrucksvolle Freimaurerkomposition von Wolfgang Amadé Mozart „Maurerische Trauermusik“, KV 477, zur Aufführung gebracht. Den Nachruf auf den Grafen Esterházy sprach Wenzel Epstein. Diese Traurede wurde im „Journal für Freymaurer“, 2. Jahrgang, 4. Vierteljahr, abgedruckt. Ebenfalls wurde die Rede Epsteins in der „Wiener Realzeitung“ vom 20. Dezember 1785 angekündigt.

Im Sommer des Jahres 1784 besuchte der Weltumsegler und Freimaurer Georg Forster Wien und blieb sechs Wochen. Während dieser Zeit wurde Forster mit den Spitzen in Gesellschaft und Politik bekannt gemacht und er genoss den Reigen. In seinem Tagebuch berichtete Forster auch über Begegnungen mit Wenzel Epstein in Wien: „Donnerstag, 12. August 1784: Mittagessen mit 54 Gästen, darunter Baron von Gebler, Herr Epstein „gewesener Jude, in Hebräischen und Orientalischen Literatur versiert, Herausgeber der Brünner Zeitung.“
Dienstag, 16. August 1784: „Um 2 Uhr Mittagessen mit Herrn von Henikstein (Adam Albert Hönig) und Epstein getaufte Juden.“ Samstag, 21. August 1784: „Das Cabinet von Bartsch, da Epstein, Mineralien geschenkt bekommen.“
Montag, 30. August 1784: In der Früh „Herr von Epstein“.
„In die Freimaurerloge gegangen, Mittagessen mit 26 Personen, Baron von Gebler, Epstein.“ Dienstag, 31. August 1784: „Zu Epstein gegangen.““ Am 24. August 1784 empfing Kaiser Josef II. Georg Forster in Audienz. Forster bezeichnete die Tage in Wien als die schönsten in seinem Leben. Am Donnerstag, 16. September, reiste er ab nach Wilna.

Wenzel Tobias Epstein im Urteil seiner Zeitgenossen

Es gibt zwei Quellen, die nähere Angaben zur Person Epstein und seinen Lebensumständen liefern können.

Der Verleger und Buchhändler Franz Gräffer (1785- 1852) kannte Epstein gut. Im Jahre 1819 lud Gräffer Epstein zur Mitarbeit am „Conversationsblatt“ ein. Gräffer redigierte dieses Blatt in den Jahren 1819-1821. Gräffer definiert Epstein: „Er war ein Mann von vielen Kenntnissen, von glänzendem Verstand, feinem Lichtenberg ́schen Witz; äußerst interessant im Umgang, ein meisterhafter Schachspieler. Zu Ankerbergs Lichtseiten gehört auch seine numismatische Gelehrsamkeit. Er besaß und vermehrte mit wissenschaftlichem Eifer einen Schatz von Münzen. In seinem Album (Stammbuch) stehen: Denis, Max Lamberg, Gebler, Nicolai, Forster, Wessenberg, Cesarotti.“

Wenzel Tobias Epstein hinterließ interessante, handschriftliche Erinnerungen, welche der Freimaurerforscher Gustav Brabbée (1822-1909) noch einsehen und benutzen konnte. Heute gelten diese als verschollen. Brabbée schreibt: „Br. Epstein-Ankerberg war ein vielerfahrener, weitgereister Mann von sehr viel Geist, Wissen, Scharfsinn und Unterhaltungsgabe.“ Als unleugsame Schattenseite seines Charakters galt sein oft verletzender Humor, „...welcher nicht selten zu nicht wieder gut zu machender Konflikten mannigfacher Art führte und entfremdete ihm für immer so manches Herz.“

Epstein blieb unverheiratet. Nach seiner Rückkehr von Innsbruck logierte Epstein in Wien in der Teinfaltstraße, in der Grünangerstraße und in der Renngasse Nr. 138, wo er am 27. Juni 1824 starb. Die „Wiener Zeitung“ berichtet: „Den 27 Junius Hr. Wenzel Epstein Edler von Ankerberg, quiescierter k.k. Hofsekretär, alt 67 Jahr, in der Renngasse Nr. 138, an der Entkräftung“.

Es existierte ein Testament, welches der Wiener Historiker Gustav Gugitz im Jahre 1918 unter der Archiv-Nr. „Verlassenschaftsakt, Fasc. V., Nr. 114 ex 1824“, Archiv der Stadt Wien, kannte. Allerdings teilte das Wiener Stadt- und Landesarchiv dem Verfasser im Schreiben vom 5. Februar 2009 mit: „Eine Einsichtnahme in den Index für das magistratische Zivilgericht/Testament ergab für das Jahr 1824 bei den Namen Ankerberg bzw. Epstein keine Einträge.“ Das Testament ist offensichtlich verschollen. Gugitz berichtet, dass das hinterlassene Vermögen Epsteins 33.460 Gulden ausmachte und vor allem in den Sammlungen steckte. Er besaß Schmuck, Edelsteine, eine Münz- und Gemäldesammlung (135 Gemälde). Seine Schwestern Sarah Epstein (Wirtschafterin bei Fanny Arnstein) und Barbara, verheiratete Jankowsky waren seine Erben.

Das Stammbuch („Album“) des Wenzel Tobias Epstein

Wie wir von Gräffer wissen, erscheint in Nachlassakt ein Stammbuch, welches jedenfalls an seine Schwestern ging. Das Stammbuch enthält 217 Blatt Eintragungen und Zeichnungen. Es ist in rotem Maroquineinband mit Goldpressleiste und Goldschrift heute im Besitz des Wien Museum, Inv. Nr. 56.192 (10,5x17cm). Im verloren gegangenen Nachlassakt erscheint es als „schwarzsamtenes Stammbuch mit Silber mundiert“ auf.

Das Objekt im Wien Museum wurde in den Jahren 1934/35 aus dem Wiener Kunsthistorischen Museum übernommen und stammte ursprünglich aus der „Figdor-Stiftung“. Albert Figdor (1843-1927) legte sein riesiges, ererbtes Vermögen in wertvollen Kunstgegenständen an. Bald galt er als der größte Privatsammler Europas auf allen Gebieten des Kunstgewerbes. So sammelte er auch Dokumente, Briefe, Aufzeichnungen und Stammbücher. Nach Figdors Tod im Jahre 1927 entstand ein mehrjähriger Streit um seine Kunstsammlung, welcher schließlich zu einer Versteigung führte (der Katalog umfasste 4718 Nummern). Kleinere Teile wurden vorher als „Figdor-Stiftung“ an Wiener Museen abgegeben. Auf diesem Weg gelangte Epsteins Stammbuch im Wien Museum. Die Einträge stammen aus den Jahren 1779-1794, wobei die meisten aus Wien, gefolgt von Neapel und Brünn stammen. Weitere Orte: Venedig, Rom, Triest, Turin, Parma, Florenz, Caserna, Fiume, Iglau, Ofen und schließlich Innsbruck.

Der Weltbürger Epstein hinterlässt in seinem „Memorandum“ eine Sammlung schöpferischer Ideen von gebildeten, toleranten und künstlerisch tätigen Zeitgenossen in Mitteleuropa zur Zeit der Aufklärung.

Weitere Forschungsarbeiten von Rüdiger Wolf:


Wenzel Tobias Epstein ist auch einer von rund siebzig Freimaurern, die sich in Kronauers Freimaurer-Album aus der Mozart-Zeit handschriftlich verewigt haben: einem Stammbuch von Johann Georg Kronauer. Das Kleinod hat die Zeiten überdauert; es ist im Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek.

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