Schauberg - Band I - 17 Das Symbol der drei Lichter der Sonne, des Mondes und des Meisters vom Stuhl und das Symbol der beiden Säulen

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Schauberg - Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei

Erstveröffentlichung: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

B a n d I. - Kapitel XVII.

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Das Symbol der drei Lichter der Sonne, des Mondes und des Meisters, und das Symbol der beiden Säulen.

Nicht ohne Bedeutung stehen in der Maurerloge die aufwärts steigende Sonne und der sich senkende Mond den beiden Säulen Jakin und Boaz gegenüber, indem sie dadurch den Sinn dieser beiden Säulen, als den ewigen Wechsel, Umschwung und Gegensatz von Tag und Nacht, Licht und Finsterniss, Werden und Vergehen, Leben und Tod und im Sittlichen vom Guten und Bösen, Reinen und Unreinen, Wahren und Falschen bezeichnend, bestimmen. Die beiden Säulen in dieser Bedeutung gehören dem höchsten Alterthume der Aegypter und der Semiten an und vermuthlich sind auch daraus bei den christlichen Germanen des Mittelalters die zwei Thürme der Dome und der Kirchen hervorgegangen, wie solche zwei Thürme auch den grossen Münster in Zürich schmücken.

Oefters wurden in Aegypten vor dem Eingang in den Tempel zwei hohe Obelisken aufgestellt und diese Obelisken heissen ägyptisch die Sonnenstrahlen. 1) Zu Karnak oder zu Theben in Aegypten stehen z. B. vor dem von König Thutmosis I. erbauten Tempeltheile zwei Obelisken von rothem Granit; 2) ebenso sind vor dem Tempel des Helios zu Heliopolis zwei prächtige Obelisken aufgestellt. 3) Die Obelisken bestehen gewöhnlich aus einem Stein und sind vierseitige Säulen, nach oben hin allmälig schmäler und in ein Pyramidion auslaufend, meistens mit einem etwas breitern Fussgestell, oft auf allen vier Seiten mit Hieroglyphen bedeckt. Die pyramidale Form erscheint deshalb bei den ägyptischen Bauwerken so vollendet, weil man in ihr die emporlodernde Flamme des Feuers nachbilden und dadurch das Aufsteigen des Menschengeistes aus dem ent-

1) Deutsche Taschen-Encyklopädie, Leipz. 1818, Art. "Obelisken."
2) Bunsen, Aegyptens Stelle in der Weltgeschichte, IV. S. 127.
3) Bunsen, a. a. O., V. S. 249.

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seelten Körper zu den göttlichen Wohnungen der Ruhe symbolisch andeuten wollte. Bei den semitischen Völkern, besonders bei den syrischen Stämmen und bei den Phöniciern, erscheinen in den Heiligthümern der Götter zwei Säulen von Holz, Erz oder Stein als göttliche Symbole. 1) So standen zu Tyrus in dem alten, von Gold als dem Symhole des Glanzes des Sonnenlichtes glänzenden Tempel des Melkarth, d. i. des Stadtkönigs, zwei berühmte SäuIen, die eine von lauterem Golde, welche König Hiram, der Zeitgenosse und Freund des Königs Salomo, errichtet hatte, die andere von Smaragdstein, welche des Nachts herrlich leuchtete. Auch in dem Tempel des Melkarth zu Gades standen zwei acht Ellen hohe eherne Säulen, auf welchen die Kosten des dortigen Tempelbaues verzeichnet waren. Die grössten Säulen aber sollte der Gott sich selbst errichtet haben an dem Ende der Erde, die Felsenberge Calpe und Abylyx an der Strasse von Gibraltar. 2) Nach aufgefundenen Münzen scheinen auch in Syrien beim Eingange mancher Tempel zwei Bäume, besonders zwei Cypressen, als die Symbole der Sonne und des Mondes gestanden zu haben.

Vor der östlichen Seite des salomonischen Tempels standen die beiden Säulen Jakin und Boaz, deren Name auf die zwei Säulen der Maurerlogen übertragen worden ist. 3) Movers erklärt Jakin aus dem Phönizischen als den Feststehenden, den Aufrechten, Boaz als den sich Bewegenden oder Fortschreitenden. Mit dieser Deutung von Movers stimmt es auch zusammen, dass der grosse Zeus-Bel oder Baal nach Diodor zu Babylon als stehend und als fortschreitend dargestellt war. Durch die beiden Säulen sollte sonach symbolisch ausgedrückt werden, dass Gott der Feststehende, der Unwandelbare und Ewige sei, aber zugleich auch der Bewegende, der Fortschreitende, der Schöpfer und Urheber jedes Lebens und Wechsels, - dass in dem Vergänglichen das Unvergängliche allein erscheine und sich offenbare. Ein verwandtes Symbol ist es, dass bei den Tyriern Kronos mit vier

1) Dunker, Geschichte des Alterthums, I. S. 153.
2) Dunker, Geschichte des Alterthums, I. S. 159.
3) Alpina für 1859, S. 106 ff.

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Augen, je zwei vorn und zwei hinten, nämlich mit zwei offenen und zwei in Ruhe geschlossenen Augen, und mit vier Schwingen an den Schultern, zwei erhobenen und zwei herabhängenden, abgebildet wurde, um auszusprechen, dass Gott sehe, wenn er schlafe, und schlafe, wenn er wache, - oder fliegend ruhe und ruhend fliege, - dass Ruhe und Bewegung, Oeffnen und Schliessen im nimmer endenden Spiele des Weltalls wechseln. ln diesem Sinne gibt auch Kopp, der Tempel Salomos, Stuttgart 1839, den Cherubim, welche die Wände des salomonischen Tempels zieren, einen erhobenen und einen gesenkten Flügel.

Obschon dieser Deutung- des Symbols der zwei Säulen die volle Zustimmung ertheilt werden muss, kann dennoch dieselbe erst in einer spätern Zeit der Menschengeschichte aufgekommen sein, weil dieselbe eine philosophische, eine speculative ist und die Menschen im Uranfange ihres Seins nicht philosophirten oder speculirten. Ursprünglich bedeuten die beiden Säulen einfach die auf- und die untergehende Sonne, den Morgen oder Tag (Jakin) und den Abend oder die Nacht (Boaz), oder auch die Sonne als die Leuchte des Tages und den Mond als die Leuchte der Nacht, 1) wie denn in dem Tempel des Melkarth oder des Herakles zu Tyrus die eine Säule bei Tage und die andere bei Nacht leuchtete. Auch Moses spricht: "Und Gott machte zwei grosse Lichter; das grössere, das dem Tag vorstelle, und ein kleineres Licht, das der Nacht verstehe." - Eine Fortbildung und Erweiterung des Symbols war es, dass dasselbe vom Tageslauf auf den Jahreslauf, von der am Morgen jeden Tages aufgehenden und am Abend wieder untergehenden Sonne auf die Sonne während ihres Jahreslaufes durch das Sternenmeer, durch den Thierkreis angewandt wurde. Nunmehr bezeichneten die Säulen Jakin und Boaz das steigende und das sinkende Jahr, den Sommer und den Winter, das ewig wechselnde Leben und

1) Bei den griechischen Dichtern ist es ein sehr oft vorkommendes Bild von der Sonne als Auge des Tages und vom Monde als Auge der Nacht. Auch hielten die alten Germanen Sonne, Mond und Sterne für Augen des Himmels (Furtwängler, die Idee des Todes, S. 56, Anm. 6).

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Sterben. Es sind die beiden Säulen, welche der Sonnengott Herakles am Ende seiner Bahn, am Ende der Erde sich selbst setzt und niemals überschreitet; es sind die beiden Sonnenwenden und Sonnenschranken, die Sonne auf der höchsten Spitze ihrer Bahn und am Ende derselben. Von dem Sonnengotte heissen die Säulen auch Sets oder Seth's Säulen, da Set zufolge, Bunsen, a. a. O., V. S. 291, der älteste urkundliche Name des Sonnengottes ist. Nach dem Sonnengotte ist bei den Aegyptern auch der Sirius oder Hundsstern Sothis genannt worden, weil die Sonne ihre höchste Kraft erlangt, wenn sie im Hundssterne steht, bei ihm angekommen ist, oder vielmehr mit dem Frühaufgange, Heliakalaufgange des Sirius, weshalb bei den Aegyptern alsdann das Jahr endete und neu anfing. Set bedeutet übrigens im Hebräischen wie im Aegyptischen auch die Säule selbst, überhaupt das Aufrechte, Aufgerichtete, das Hohe.

Die hohe Säule weiset auf den Höchsten, auf den im hohen Himmel thronenden Gott; sie trägt gleich der Opferflamme den Menschen und sein Gebet von der Erde zu dem himmlischen Vater empor. Der Mensch, Enosch im Hebräischen, ist der Sohn, das Kind des Set, des Sonnengottes; der Mensch ist auch Licht von dem ewigen Lichte. Die Säulen tragen daher nicht blos den Namen Set's oder dem Gotte errichtete Säulen, sondern auch Enoschs oder Enochs, d. h. von den Menschen geweihte Säulen. 1) Die Säulen sind das einigende Band zwischen dem Vater im Himmel, Set, und dem Menschen auf Erden, Enosch; sie sind der gemeinsame Weg, auf dem Gott zu seinen Kindern auf die Erde herabsteigt, und die Kinder wieder von der Erde zu ihm sich erheben. - Die Säulen trugen gewöhnlich eine weihende Inschrift und heissen daher in der Geschichte des phönicischen Sanchuniathons Ammunea, Säulen mit alter heiliger Schrift. 2)

Vielleicht dürfen auch die zwei Cherubim auf dem Deckel der jüdischen Bundeslade, welche Polak, Encyklopädie für Freimaurer I. S. 349, als das Symbol des Osiris

1) Vergl. auch Krause, Kunsturkunden, II. 1. S. 63 u. S. 138, Anm 1.
2) Bunsen, a. a. O., V. S. 293.

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und der Isis oder der männlichen und weiblichen, der zeugenden und gebärenden Naturkraft betrachtet, hierher bezogen werden. Bunsen, a. a. O., V. S. 286 ff., erklärt Cherubim als Feuersgluth und Seraphim als Brand oder Flamme. Jedenfalls war dem Alterthume und vorzüglich den semitischen Völkern die Säule zugleich ein phallisches, ein geschlechtliches Zeichen, sie bezeichnete auch die schöpferische und zeugende Naturkraft, den Schöpfer des Himmels und der Erde und der Menschen. 1)

Auch in dem berühmten Tempel des pelasgischen Zeus zu Dodona in Epirus, standen zwei eherne Säulen, welche Lasaulx, Studien des klassischen Alterthums, S. 301 ff., mit den zwei Säulen des salomonischen Tempels in Verbindung bringt und auf eine ganz eigenthümliche Weise für Glockensäulen erklärt. Schon Krünitz, ökonomische Encyklopädie, Bd. XIX. S. 86 ff., hatte die Ansicht aufgestellt, dass die beiden hohlen, ehernen Säulen vor dem salomonischen Tempel gleichsam zwei grosse Glocken gewesen seien, wozu das von den Kapitälen frei herabhangende Kettenwerk mit den Granatäpfeln die Schlägel gebildet haben, so dass auf solche Art bei dem Anhauch des Windes ein angenehmes Glockenspiel entstanden sei. Lasaulx S. 304 hält es nun nicht für unwahrscheinlich, dass auch die Säulen zu Dodona eine Nachbildung der salomonischen Säulen gewesen.

Indessen dürften die Säulen zu Dodona wohl weit älter als die des Salomo sein 2) und wie alle dortigen Tempeleinrichtungen ägyptisch, oder wenigstens phönicisch - ägyptisch gewesen sein. 3) Aegyptischer Einfluss auf Griechenland ist begreiflich und wahrscheinlich, jüdischer Einfluss und dazu in Sachen der Religion und der Kunst wäre aber rein unbegreiflich, auch wenn man mit Lasaulx noch phönicische Vermittlung zulassen wollte. Nach Lasaulx hatte sich übrigens ein ähnlicbes Klingwerk an dem berühmten Grabmal des etruskischen Königs Porsena in Clusium befunden, wie in

1) Dunker, a. a. O., 1. S. 153, Anm. 1.
2) Vergl. Preller, griech. Mythol, I. S. 79 ff.
3) Alpina für 1860, S. 135.

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späterer Zeit Augustus den Gipfel des capitolinischen Jupitertempels mit Glocken habe umhängen lassen. - Auch hatte der alte pelasgische Zeus in Arkadien auf dem höchsten Gipfel, dem lykäischen Berge, einen Altar mit zwei Adler tragenden Säulen, den ihm Lykaon, der Sohn des ältesten Landeskönigs Pelasgos, errichtet und mit einem Kindesopfer eingeweiht haben sollte. - Mit den phönicischen Saulen als phallischen Zeichen, als Zeichen des zeugenden und schaffenden Gottes berühren sich auch die griechischen sog. Hermen als Symbole des zeugenden und befruchtenden Hermes. 1)

In einem den beiden Säulen Jakin und Boaz verwandten Sinne hatte auch der alte römische oder italische Sonnen- und Lichtgott Janus zwei Gesichter (daher Janus bifrons, geminus) und standen zwei Altäre, nach Morgen und nach Abend, vor seinem Tempel, um dadurch anzudeuten, dass er der Anfang und das Ende, der Auf- und Niedergang sei, - dass er am Morgen das Thor des Lichtes öffne und am Abend schliesse, - dass er das Licht morgens bringe und des Abends wieder hinwegnehme.

Der in Felsen gehauene Tempel zu Carli in Ostindien .hatte an dem Eingange des Vorhofes zu jeder Seite eine 24' hohe Säule, von denen die eine noch aufrecht steht. Eben zwei solcher Säulen befanden sich auch zu Persepolis.

Die beiden Säulen Jahin und Boaz in dem Dome zu Würzburg sind schon anderwärts berührt worden und dem dort Gesagten mag nur noch folgende Bemerkung aus Nr. 10 der Freimaurerzeitung vom Jahr 1856 beigefügt werden:

"Im Dome zu Würzburg stehen zu den Seiten einer mit Spitzbogen bedeckten Thüre, isolirt und ohne etwas zu tragen, zwei Säulen. Sie sind bräunlich und stechen gegen die hintere weisse Mauer ab. Ihre eigenthümliche Gestalt und die Aufschriften Jakin und Boaz deuten einen geheimnissvollen Sinn derselben an. Wahrscheinlich stammen sie aus dem 11. Jahrhundert, wo Bischof Heinrich I., Graf von Rottenburg, den jetzigen Dom neu erbauen liess. Dieser Bischof war in die Geheimnisse der Kunst eingeweiht und die Kirche wurde Johannes dem Täufer, dem

1) Preller, a. a. O., I. S. 250 ff.

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Schutzpatron der Bauleute, gewidmet. Von den erwähnten Aufschriften steht Jakin auf der vordern Seite der einen und Boaz auf der innern Seite der andern Säule. Ersteres bedeutet das Aufrichtende, Vertikale, letzteres das Starke, Gewährende, Horizontale, und aus der Zusammenstellung beider entsteht der rechte Winkel, - das älteste Bild der Formationsgesetze. Das Verhältniss der Stärke der Säulen zu deren Höhe ist wie 1 zu 9, also die bedeutungsvolle Zahl 3 Mal 3."

Diese Erklärung der Worte Jakin und Boaz ist gewiss zu künstlich und passt kaum zu dem ziemlich allgemeinen Gebrauche der beiden Säulen bei den Phöniciern. Jedenfalls darf man übrigens von der Beschaffenheit der beiden Säulen in dem Dome zu Würzburg, welche freistehende und nichtstragende Säulen sind, entgegen der von Einigen aufgestellten abweichenden Ansicht mit Bestimmtheit schliessen, dass auch die beiden Säulen des salomonischen Tempels freistehende Säulen gewesen seien und vor dem Tempel, nicht in der Vorhalle und dieselbe stützend gestanden haben, wie auch die beiden Säulen des Würzburger Domes ursprünglich an oder vor der Pforte des Doms standen und erst von Bischof Heinrich I. an ihre jetzige Stelle in dem von ihm erbauten Neumünster versetzt wurden. 1)

In dem maurerischen Archive, herausgegeben von J. H. Bürmann, S. 177 ff., ist die ganz unhaltbare Vermuthung ausgesprochen worden, dass die salomonischen Säulen zu Kanzeln, oder zu Minarets, wie sie noch alle morgenländischen Tempel haben, gedient haben; der Redner habe auf ihnen von den drei Seiten der Vorhöfe gesehen und gehört werden können.

In einzelnen Logen Deutschlands und der Schweiz und, wie es scheint, in allen englischen Logen 2) haben die beiden ersten Vorsteher zum Attribut eine kleine Säule, welche die beiden Säulen des salomonischen Tempels vorstellen sollen und von denen die des älteren Jakin und

1) Stieglitz, Beiträge zur Geschichte der Baukunst, Leipzig 1834, II. S. 112, vergl. mit Stieglitz, von altdeutscher Baukunst, Leipzig 1820, S. 186 ff.
2) Krause, Kunsturkunden, I. 1 S. 242, Nr. 20.

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die des jüngern Boaz heisst. 1) Beim Schlusse der Logenarbeiten stellt der jüngere Aufseher seine Säule aufrecht und der ältere legt die seinige nieder, welches bedeuten soll, dass, während die Brüder sich erholen, dem jüngern Aufseher die Sorge für die Loge anvertraut sei. 2) Auf dem Titelkupfer des bekannten englischen Werkes Jakin und Boaz, welches Titelkupfer aus den Ausgaben vom Jahr 1776 und 1800 Krause in den Kunsturkunden I. 1. S. 238 mitgetheilt hat, stehen die zwei Säulen der beiden Aufseher zuerst zwischen Sonne und Mond, sodann zwischen den eigentlichen Säulen des Tempels in der Mitte des Titelkupfers.

Die aufgehende Sonne und der untergehende Mond, Sol und Luna, der indische Surya und die Aswini, Apollo und Artemis, Helios und Selene, Zeus und Hera, Zeus und Europa, Zeus und Jo, - Janus, Dianus und Diana, - Osiris und Isis, Baal und Baaltis, Adad und Adargatis, die Dioskuren oder der Morgen- und Abendstern Polydeukos und Castor, Romulus und Remus, - bei den Indern die Aswini oder Rossegötter, der finstere Kumaras und der glänzende oder lichte Aswa 3), welche in der Maurerloge den beiden Säulen und den beiden Vorstehern gegenüberstehen, sind bei den Römern gewöhnliche Bilder der Ewigkeit, beide mit dem Epitheton aeternus und aeterna, in welcher Weise sie oft neben einander abgebildet, verehrt und pro salute imperii oder pro salute eines Kaisers angerufen werden. 4) Eben so waren bei den Griechen der auffahrende Helios und die herabsteigende oder herabfahrende Selene sehr üblich und z. B. am östlichen Gibelfelde des Parthenon zu Athen und am Throne des Zeus zu Olympia dargestellt. 5) Dasselbe Symbol muss auch in den Mithrasmysterien gebräuchich gewesen sein und erscheint mehrfach auf Mithrasdenkmalen. Auf aufgefun-

1) Vergl. in Lenning's Encyklopädie den Artikel: "Säulen." Bei Krause I. 1. S. 292 werden die Namen der Säulen der Aufseher umgekehrt angegeben.
2) Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 276 u. S. 292.
3) Furtwängler, die Idee des Todes, S. 5.
4) Preller, römische Myth., S. 290.
5) Furtwängler, a. a. O., S. 133.

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denen Mithrasdenkmalen erscheinen zwei Genien, der eine mit erhobener, der andere mit gesenkter Fackel, und über der Mithrashöhle, der maurerischen dunkelen Loge, fährt der Sonnengott einerseits mit seinem Gespanne empor, während andererseits die Göttin des Mondes das ihrige hinablenkt. 1) Die Genien mit der erhobenen und gesenkten Fackel sind hier ganz gleichbedeutend mit der aufgehenden Sonne und dem untergehenden Monde. Auf einem vor mehreren Jahren in Siebenbürgen aufgefundenen Mithrasdenkmale, wovon Lajard, a. a. O., Taf. XV, eine Abbildung gegeben hat, stehen die beiden Genien mit der erhobenen und gesenkten Fackel vor zwei Cypressen, welche beide Cypressen wieder die Symbole der Sonne und des Mondes sind und wohl aus Syrien stammen. Auch die griechische Kore oder Persephone 2) trägt auf Bildwerken solche zwei Fackeln, was auf ihr doppeltes Leben in der Ober- und Unterwelt, auf die zwei Seiten und Theile des Jahres hinweiset.

Die Dioskuren, des Lichtgottes Zeus Söhne, bedeuten mit ihren weissen Rossen den ewigen Wechsel und Umschwung zwischen dem Lichte des Tages und der Nacht, den Morgen- und den Abendstern, die Sonne und den Mond, oder auch die auf- und die untergehende Sonne. 3) Zuweilen werden den beiden Dioskuren auf Vasengemälden, um die in ihnen ausgedrückte Idee des ewigen Wechsels von Leben und Tod, Aufgang, und Untergang, Licht und Finsterniss noch mehr zu versinnlichen, ein weisses und ein schwarzes Pferd gegeben, wie auch von den vier Pferden des Sonnengottes zwei weiss und zwei schwarz dargestellt werden. Noch schöner aber ist dieses in dem unsterblichen Leben des Polydeukes und dem sterblichen des Castor ausgesprochen; das Irdische muss im Tode zerfallen und vergehen, der göttliche Geist aber,

1) Furtwängler, die ldee desTodes in den Mythen und Kunstdenkmälern der Griechen, Freiburg 1860, S. 17.
2) Ueber die Ableitung dieses Doppelnamens, vergl. Furtwängler, die Idee des Todes, S. 87, Anm. 12; Preller, griech. Mythologie, I. S. 496.
3) Furtwängler, a. a. O., S. 97 ff; Preller, griech. Mythologie, II. S. 66 ff.

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das Licht währt unsterblich. Dieselben Ideen bezeichnen ferner die doppelt, nämlich weiss und dunkelroth gefärbten Mysterieneier, welche Bachofen in seiner Gräbersymbolik S. 292 ff. so geistvoll besprochen hat. - Endlich erscheinen Castor und Polydeukes auch in Verbindung mit der niederfahrenden Selene und dem auffahrenden Helios und mit Hesperos und Phosphoros, dem Abend- und dem Morgenstern, welche eine gesenkte und erhobene Fackel als die Genien des Todes und des ewigen Lebens tragen. 1) Es ist also hier eine wahre Häufung gleichbedeutender Symbole vorhanden, gerade wie bei den Maurern der aufgehenden Sonne und dem untergehenden Monde die beiden Säulen gegenüberstehen oder die drei Pfeiler der Loge in den drei Lichtern um den Teppich und auch in den drei ersten Vorstehern der Loge erscheinen.

In den Mysterien bedeuten der untergehende Mond und die aufgehende Sonne nicht blos den irdischen Umschwung und Wechsel von Nacht und Tag, Tod und Leben, sondern zugleich im höhern Sinne das Hervorgehen des ewigen Lichtes und Lebens aus dem irdischen Tode und Grabe. Aehnlich muss das Symbol der Sonne und des Mondes in den eleusinischen Geheimnissen enthalten gewesen sein, da zwei der ersten Priester ihre Attribute trugen; noch mehr gilt dieses von den ägyptischen Mysterien, worin die Sonne und der Mond die Symbole des Osiris und der Isis gewesen sind. Das Symbol des untergehenden Mondes und der aufgehenden Sonne, zumal in Verbindung mit den beiden Säulen darf somit als ein sehr alterthümliches bei den Maurern erklärt werden und ist ihnen vermuthlich und gewiss von den römischen Bauleuten wohl zunächst aus Syrien und Phönicien oder auch aus den Mithrasmysterien überliefert worden. Für das Letztere spricht besonders die den Mithrashöhlen entsprechende Maurerloge als Symbol der Welt und die Auffassung des Maurers als eines Lichtstreiters, wie zugleich der in den beiden Säulen und in der aufgehenden Sonne und dem herabsteigenden Monde sich verkündende Dualismus der physischen und der sittlichen Welt durchaus parsisch, mithrisch

1) Furtwängler, a. a. O., S. 133.

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oder zarathustrisch ist. Der tiefere und höchste sympolische Sinn des Symbols der aufgehenden Sonne und des untergehenden Mondes möchte die Idee der Unsterblichkeit sein; der Untergang des Mondes oder des Irdischen ist der Aufgang des Himmlischen, des ewigen Lichtes und Tages. Der Untergang des lrdischen, die Nacht und das Grab sind die Bedingung, die Wiege des himmlischen Lichtes und Lebens, der Unsterblichkeit des göttlichen Geistes in dem Menschen. Nur deponens aliena (die irdische Fessel und Hülle abstreifend), ascendit unus. Zwischen Sonne und Mond im Osten steht der Altar des Ewigen und im Westen weilen die Brüder, die Menschheit, sehnend und hoffend den Blick nach Osten, nach dem ewigen Lichte gewandt.

Der zwischen Sonne und Mond thronende Ewige gibt von selbst die drei kleinen oder ursprünglich ohne Zweifel die drei grossen und einzigen Lichter der Sonne und des Mondes und des Meisters vom Stuhl, des letzteren als des Symbols des Meisters der Meister, des Schöpfers der Sonne und des Mondes und des Heeres der Sterne, der himmlischen Heerschaaren. Die drei kleinen oder grossen Lichter sind also, näher und tiefer betrachtet, nur ein alterthümliches Bild und Symbol des allmächtigen Baumeisters der Welt, des Schöpfers von Himmel und Erde, des in seiner Schöpfung erscheinenden und sich offenbarenden Gottes. In diesem Sinne allein ist die Antwort des ältesten englischen Lehrlingsfragestückes auf die 41. Frage zu verstehen:

"Die Sonne regiert den Tag, der Mond regiert die Nacht und der Meistermaurer die Loge (d. i. die Welt)."

Um das Symbol der drei kleinen Lichter der Sonne, des Mondes und des Meistermaurers, welches Symbol sodann selbst wieder durch die drei um den Teppich in einem Dreieck aufgestellten Lichter und durch den Meister vom Stuhl mit den beiden ersten Vorstehern symbolisiert wird, in seiner ursprünglichen Bedeutung zu erfassen, muss man davon ausgehen, dass die alten Mysterien wesentlich zum Zwecke hatten, die Schöpfung der Welt, des Lichtes aus der Finsterniss, - den Schöpfer des Lichtes und die von ihm erschaffenen Lichter selbst bildlich oder symbolisch darzustellen. Unter Mysterien sind hier die

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uralten geheimen religiösen Verbindungen, Feierlichkeiten und Weihen zu verstehen; im eigentlichen und engsten Sinne aber sind die Mysterien die Aufnahme in den geheimen religiösen Bund, die Weihe zum Mitgliede desselben und die dabei üblichen Gebräuche und vorgetragenen Lehren. Auch die römischen Baucorporationen, aus welchen die Bauzünfte des germanischen Mittelalters, besonders die englischen und aus diesen wieder die heutigen maurerischen Logen hervorgegangen sind, waren zugleich geschlossene religiöse Vereine, im vollen und wahren Sinne Mysterien, womit auch der nothwendige geschichtliche Zusammenhang der heutigen Freimaurerei mit den Mysterien des Alterthums gegeben und genau bestimmt ist.

Im geschichtlichen Sinne ist die Freimaurerei das Mysterium, die geheime Religion, der Gottglauben und der Gottesdienst der römisch-germanischen Baukünstler. Die Geschichte der Freimaurerei wird nur dann gehörig und vollständig begriffen werden können, wenn mehr, als solches bisher geschehen ist, berücksichtigt wird, dass die römischen Baucorporationen und die germanischen Bauzünfte und Innungen zugleich religiöse Brüderschaften (woher einzig und allein die Benennung ihrer Mitglieder als Brüder), fraternitates, confratriae, confraterniae, wie sie in deutschen und schweizerischen Urkunden ausdrücklich genannt werden, gewesen sind. 1) Die deutschen Handwerksverbindungen werden ursprünglich in den lateinischen Urkunden entweder schlechthin Genossenschaften (societates) oder Brüderschaften, fraternitates, so im Stiftungsbriefe der Bettziehweber von Cöln, oder auch confraternitates im Edict Kaisers Friedrich II. des Staufers vom J. 1232, auch confratriae, confraterniae genannt. In dem bischöflichen Stiftungsbriefe der Zunft der Kürsner in Basel vom J. 1226 wird confraternitas, confraternia, societas und Zunft ganz gleich-

1) Vergl. bei Hoffmann v. Fallersleben und Schade, Weimarisches Jahrbuch für deutsche Sprache, Literatur und Kunst, Bd. IV (1856). S. 241-344, die schöne Abhandlung von Schade: "Vom deutschen Handwerksleben in Brauch, Spruch und Lied." An diese Abhandlung von Schade schliesst sich dessen höchst schätzenswerthe weitere Abhandlung: "Ueber Jünglingsweihen," a. a. O. Bd. VI (1857). S. 241 ff.

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bedeutend gebraucht. Es heisst nämlich in diesem Stiftungsbriefe: "Quod si aliquis ipsorum in aliquo contra condietum ipsorum excesserit, nobis sive successoribus nostris quinque solidos, civitati quinque et quinque ad usus confraternie corum, quod in vulgari dicitur Zhunft, quam in honore beate Marie virginis constituerunt, sine contradictione et remissione qualibet persolvat. Et quicunque ex ipsorum opere in ipsorum societate et confraternitate voluerit interesse, in introitu suo decem solidos persolvant, et eorum successores si in eadem confraternitate consortes esse voluerint, tantum tres solidos in introitu eorum persolvant. Qui vero ex ipsorum opere in eorum societate prout superius dictum est noluerint interesse, ab officio operandi pro suo arbitrio et a foro emendi et vendendi et a tota communione eorum penitus exeludatur." 1)

Zu Basel wurde die Zunft der Maurer im J. 1248 gegründet und vereinigte neben diesen noch die Gypser, Zimmerleute, Kühler und Wagner. 2) Alle Zünfte waren eine geistliche Brüderschaft oder vielmehr aus diesen ältern Brüderschaften hervorgegangen, welche im Leben schon treu zusammenhielten, auf ihren Stuben ihre gemeinsamen Trinkgelage hatten, arme Genossen unterstützten oder beim Absterben auf ihre Kosten begruben u. s. w. Die Zunft war zunächst ein geschlossener Verein der Mitglieder desselben Handwerks und sollte schützen vor Eingriffen nichtzünftiger Handwerker; er war aber auch zugleich ein das gesammte übrige Leben, namentlich das politische, umfassender Verein. Je tiefer man in die Geschichte eindringt, um so mehr wird man zu der Ueberzeugung gelangen, dass die wahre Maurerei und Brüderlichkeit, das Zusammenhalten im Leben und Tod im J. 1717 untergegangen und begraben worden und die blose Schönrednerei, die Phrasenmacherei seit dem zur Herrschaft gelangt sei. Die Idee der Maurerei

1) Archiv für schweiz. Geschichte, Bd. Xl. S. 35, Zürich 1856, woselbst der erwähnte Stiftungsbrief vollständig abgedruckt ist, und sich zugleich eine lesenswerthe Abhandlung von Fechter über die politische Emancipation der Handwerker Basels und den Eintritt ihrer Zünfte in den Rath befindet.
2) A. a. O., S 18

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hat sich wohl erhalten, aber die Maurer sind keine praktischen Idealisten mehr, sondern nicht selten ideenlose Praktiker; es herrscht das Wort und fehlt die That. - Die Benennung Zunft ist schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts üblich und zunft, gazunft, bizunft, gizunft bedeutet Vertrag, Uebereinkunft, Bündniss, Einverständniss. In England wird die Zunft, die Handwerksinnung noch heute allgemein mystery genannt, was höchst beachtenswerth ist. 1) Die deutsche Innung ist verderbt aus Einung. DieZünfte und Innungen, die Handwerke waren ursprünglich ganz an die Priesterschaft, bei den Christen an die Kirche und die Klöster angelehnt und trugen deshalb das kirchliche Gewand einer Bruderschaft (confraternitas, confraternia, confratria); erst nach und nach löseten sie sich von der Kirche los und gewannen ein selbstständiges Leben, wurden aus kirchlichen oder religiösen Vereinen bürgerliche oder auch politische, die eigentlichen Handwerkszünfte, in denen das Handwerk mit seinen Interessen vorherrschte und das Religiöse mehr in den Hintergrund trat.

Das ganze Mittelalter darf als der Zersetzungs- und Auflösungsprocess des frühern allumfassenden priesterlichen Wissens, Wirkens und Lebens in viele einzelne selbstständige Wissens- und Wirkenskreise, besonders in die der Zünfte und Handwerke und der Universitäten, betrachtet werden, wobei den Priestern zuletzt nur noch der Gottesdienst und kaum die Theologie verblieben. Die Entstehungs- und Entwickelungsgeschichte der Zünfte und der Universitäten ist wesentlich dieselbe, beide bilden nur ein grosses Ganze, obwohl das selbstständige Handwerks- (und Kunst-) Leben vielleicht etwas früher erwacht sein mag als das eigentliche wissenschaftliche oder Universitätsleben. Viele Wissenschaft und Kunst war unmittelbar mit dem Auftreten der Zünfte verbunden, so die ganze Baukunst mit allen ihren Hülfskünsten, z. B. der Malerei und Giesserei, mit der Zunft der Steinmetzen und Maurer.

Im Alterthum und ganz vorzüglich in Aegypten war

1) Vergl. irgend ein englisches Wörterbuch und Lenning, Encyklopädie, II. S. 552.

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ursprünglich das Wissen, und also auch die Baukunst mit allen ihren Hülfswissenschaften und Hülfskünsten, nur ein priesterliches, weil die Priester die einzig Wissenden - die Theologen, Gesetzgeber und Richter, Astronomen und Astrologen, Aerzte, Philosophen und namentlich auch die Schreiber, Maler, Baumeister und Bildhauer u. s. w. des Volkes waren. Wenn die Alten z. B. die Rechtsgelehrten justitiae sacerdotes, Priester der Gerechtigkeit nennen, wie Ulpian §. 1. Inst. de just. et jur., ist dieser Ausdruck nicht blos bildlich, sondern für die Aegypter, Phönicier, Juden, alten Römer u. s. w. ganz wörtlich zu verstehen. 1) Auch die Gesetzgebung war daher eine durchaus priesterliche und zwar nicht blos bei den Aegyptern und Phöniciern, sondern auch bei dem Zendvolke diejenige des Zarathustra (besonders im Vendidad), bei den Juden die mosaische, bei den Indern die Gesetze des Menu u. s. w. Die Priesterwissenschaft wurde als Geheimniss, Mysterium streng bewahrt und nur den Eingeweihten stufenweise mitgetheilt; insofern sind die alten, wenigstens die ägyptischen Mysterien auch Lehr- und Bildungsanstalten, wissenschaftliche Geheimbünde, wie namentlich der Bund oder die Schule des Pythagoras, mit welchem erst die eigentliche Wissenschaft in Griechenland anhebt, noch ein solcher wissenschaftlicher Geheimbund, eine förmliche, aber streng geschlossene Erziehungsanstalt, eine Art Hochschule war.

Die verschiedenen Grade der alten ägyptischen und pythagoräischen Mysterien, der alten Priesterschulen, dürfen in dieser Richtung den verschiedenen Classen unserer Schulen oder Gymnasien und besonders den akademischen Würden in den verschiedenen Wissenschaften verglichen werden, wie die grossen Priesteranstalten und Priestercollegien zu Theben, Memphis und Heliopolis als die ägyptischen Hochschulen angesehen werden können und müssen. Darauf, dass die ägyptischen Mysterien in solcher Art Bildungsanstalten, Hochschulen und gelehrte Akademien waren, beruht es, dass viele Griechen, welche sich eine besondere wissenschaftliche Bildung verschaffen wollten, nach Aegypten oder auch nach Asien zogen und in die dortigen My-

1) Bachofen, Gräbersymbolik, S. 169.

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sterien sich einweihen, d. h. an den Priesterschulen unterrichten liessen. Ob schon Homer, wie behauptet wird, in die ägyptischen Mysterien eingeweiht gewesen sei, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls waren eingeweiht z. B. Lykurg (eingeweiht im Jahr 807 vor Christus) und Solon, Thales (eingeweiht in die Mysterien der Isis), Pythagoras (eingeweiht zu Theben, wozu er sich sogar der Beschneidung unterworfen hatte), der göttliche Platon (eingeweiht im Tempel zu Heliopolis), Pittakus (soll im Jahr 585 vor Christus eingeweiht worden sein), Herodot (eingeweiht in die Mysterien der Isis im Tempel zu Memphis 483 v. Chr.), Eudoxus (eingeweiht zu Sais im Jahr 371 vor Chr. nach dem Temple mystique, Paris 1856, S. 140), Demokrit von Abdera u. s. w. Sehr berühmt waren auch bei den Griechen und Römern die Mysterien oder der Dienst der 7 Kabiren auf Samothrace. In den alten, bis an das Ende des zweiten oder den Anfang des dritten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung bestandenen Mysterien von Samothrace wurde der Tod des jüngsten der Kabiren, des Cadmilos, von den Eingeweihten mit Weinen und Seufzen gefeiert. Cadmilos wurde von seinen zwei Brüdern getödtet, welche entflohen und seine Zeugungstheile in einem Körbchen oder Kästchen mit sich nahmen. 1)

In den Mysterien der Korybanten wurde in ähnlicher Weise der Tod des jungen Attis dargestellt und beklagt und zwar um die Zeit der Tag- und Nachtgleiche des Frühlings, welchem Trauerfeste zuletzt ein wildes Freudenfest über die Rückkehr des Attis in das Leben folgte. 2) Nach Schelling, über die Gottheiten von Samothrace, Stuttgart und Tübingen 1815, ist der Dienst der Kabiren der älteste des ganzen Griechenlands, der mit dem ersten Licht höheren und besseren Wissens in den samothraciischen Gegenden aufging und der nicht eher als mit dem alten Glauben selbst untergegangen zu sein scheint. Aus den Wäldern Samothraciens erhielt Griechenland mit der geheimeren Göttergeschichte zuerst den Glauben an ein

1) Sainte-Croix, Versuch über die alten Mysterien, übersetzt von Lenz, Gotha 1790, S. 52.
2) Sainte-Croix, a. a. O., S. 72 ff.

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künftiges Leben. Besser und für das Leben wie für den Tod fröhlicher wurden nach allgemeiner Ueberzeugung die dort Eingeweihten. Eine Zuflucht des Unglücks, ja des Verbrechens, so weit es durch Bekenntniss und Entsündigung versöhnt werden mochte, hielt in Zeiten früherer und späterer Wildheit, samothraciischer Gebrauch menschliches Gefühl aufrecht. - Zufolge Jamblichus in vit. Pyth. cap. 28 soll auch Pythagoras in Samothrace Weisheit gesucht und gefunden haben, welche Nachricht Schelling weder für unwahrscheinlich noch für unrichtig hält. Bunsen, a. a. O., V. S. 325 findet in dem geheimen phönicischen Dienste auf Lemnos und Samothrace die Keime des Osiris- und Dionysos-Mythus. Die alten heiligen Urkunden Phöniciens berichteten, dass der Dienst der Kabiren, d. h. der Dienst der 7 weltschaffenden Kräfte mit dem obersten Gotte, dem Achten, dem Eröffner oder dem bewusst schaffenden Gotte, einst von der Küste Phöniciens nach Aegypiten gebracht worden sei. In die Geheimnisse zu Eleusis in Attika, welche aber weniger wissenschaftlicher als religiös-sittlicher Natur waren, pflegten fast alle gebildeten Griechen zur Zeit der Blüthe derselben sich aufnehmen zu lassen, wie dieses auch viele Männer anderer Nationen, besonders der Römer, z. B. Cicero, thaten.

Die Mysterien im engern und eigentlichen Sinne waren die mit Einweihungen verbundene und nur den schon Eingeweihten zugängliche, also wesentlich geheime Feier des Hauptfestes desjenigen Gottes oder derjenigen Göttin, welche von den Eingeweihten vorzüglich verehrt wurde, z. B. des Osiris und der Isis, der Demeter und des Dionysos oder Jacchos, Bacchos, des maurerischen Hiram oder auch Johannes des Täufers. Ehe man die Weihe erhielt, musste man vorbereitet und unterrichtet sein, wodurch der Unterricht und die Weihe unzertrennlich verbunden, jener die Bedingung, die Vorstufe für diese war. Der Unterricht, die Lehren waren auch ein Mysterium, wie die Weihe und Festfeier selbst und insofern gelangte man durch das Mysterium (den Unterricht) zu dem Mysterium oder zu den Mysterien. Den Hauptinhalt der letztern bildete die dramatische Darstellung der Geschichte oder des Leidens, Sterbens und Wiederauferstehens des

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verehrten Gottes ganz in derselben Weise, wie dieses noch heute in der christlichen Kirche bei den Katholiken bezüglich Jesus und bei der Meisteraufnahme der Maurer mit Hiram geschieht, ja sogar bei den Japanesen an ihrem Feste Matsuri mit einer dem Adonis ähnlichen Person geschehen soll. Durch diese Darstellung, womit ergänzend und erläuternd der Vortrag oder die Erzählung der heiligen Sage der Gottheit verbunden war, gerade wie bei den Maurern der Vortrag der Hirammythe damit verbunden ist, sollten die Eingeweihten sterben, die Schrecken des Todes überwinden und an Gott und Unsterblichkeit, an die ewige Gerechtigkeit glauben lernen.

Da aber der Mensch den Glauben an einen Gott und an die Unsterblichkeit seines eigenen Geistes blos aus der Betrachtung der unendlichen Weltschöpfung, des Himmels und der Erde, der auf- und untergehenden Sonne, der stets aus ihrem Grabe wiedererstehenden Naturkraft, des wiederkehrenden Frühlings mit der Sonnenpracht und Macht geschöpft hatte, sind die Mysterien ursprünglich auch nur die Feier des Sonnen- und Jahreslaufes, die Darstellung des Vergehens und des Wiedererstehens der Sonnen- und Naturkraft, des Herbstes oder Winters und des Frühlings. Osiris, Isis, Demeter, Dionysos, Hiram, selbst Johannes der Täufer und Jesus sind von dieser Seite blose Personificationen der scheinbaren und wirklichen Geschichte der Sonne und der Erde, sind insofern blose mythische Personen. Die geheime Lehre ist desshalb zunächst nur die Lehre von dem Laufe der Sonne, des Mondes wie der übrigen Sterne und ihres Einflusses auf das jährliche Schicksal der Erde und der Menschen, - man dürfte fast sagen, der Himmels- und der Erdkunde, wobei aber die Erdkunde, wesentlich auf das einzelne in Frage stehende Land, z. B. Aegypten, oder Attika, oder auch Griechenland, beschränkt und fest localisirt erscheint. Auf diese Weise ist die Feier der Mysterien mehr oder weniger zu einer Feier des Landesschicksales und Landeslebens, Osiris z. B; bei den Aegyptern zum Nilgotte, zum Nile geworden und ebenso Isis zu dem von dem Nile befruchteten, nach den Anschwellungen des Niles in der trockenen Jahreszeit sich sehnenden, den verlorenen Nilgatten beklagenden und

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suchenden Lande Aegypten, der ägyptischen Erde. An die Himmels- und Erdkunde schloss sich aber alles übrige Wissen nothwendig an; die Mysterien umfassten alles Wissen, so lange sie die einzigen Bildungsanstalten und die Priester die einzigen Leiter und Lehrer derselben waren. In den heiligen Büchern der ägyptischen Priester, in den 42 sog. hermetischen Schriften ist daher die ganze ägyptische Wissenschaft in allen ihren Theilen niedergelegt. 1) Aller Unterricht daraus wurde aber nur mündlich als eine treu zu bewahrende Geheimlehre, als ein Mysterium ertheilt. Auch die gallischen Druiden, welche gleichfalls ein religiös-wissenschaftlicher Geheimbund mit verschiedenen Graden waren, ertheilten ihren Unterricht ohne Bücher nur mündlich, damit die Lehre besser geheim bleibe. 2)

Ebenso hielt es Pythagoras in seiner Schule zu Crotona in Unter-Italien oder Gross-Griechenland und sollten es wenigstens die Maurer halten. Selbst das Christenthum war in den ersten Jahrhunderten ein bloser Mysteriendienst, wurde nur durch eine besondere Weihe, die Taufe, ertheilt und der ganze christliche Gottesdienst war ein geheimer der Eingeweihten, wozu freilich auch die äussern Verhältnisse und die Verfolgungen und Bedrängungen im römischen Reiche nöthigten. Im Mittelalter waren die christlichen oder geistlichen Mysterien zu blosen Schauspielen oder Schauspielaufzügen herabgesunken, in denen an den Festen Christi oder der Heiligen deren Schicksale oder auch sonstige testamentalische Geschichten durch die Kirche oder die Geistlichen dem Volke vorgestellt wurden.

Alle Mysterien hatten in religiöser Hinsicht sich die schöne Aufgabe gestellt, in den Aufzunehmenden den Glauben an den allmächtigen Gott, welcher Himmel und Erde, - die Sonne, den Mond und die Sterne geschaffen hat, mit aller Stärke zu erwecken und lebendig zu erhalten. Die reine Lehre von Gott als dem Schöpfer des

1) Röth, Geschichte unserer abendländischen Philosophie, I. S. 110 ff.
2) Döllinger, Heidenthum und Judenthum, Regensburg 1857, S 558.

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Lichts oder der Sonne, des Mondes und der Sterne hat vorzüglich auch Moses, der Lehrling der ägyptischen Priester, in der Genesis 1, 14 ff., den Juden verkündet: "Da sprach Gott, es sollen werden Lichter an der Feste des Himmels, zu scheiden zwischen Tag und Nacht, und zu geben Zeichen für Zeiten, und für Tage und Jahre, und die seien Lichter an der Feste des Himmels, dass sie leuchten auf die Erde. Und es geschah also. Und Gott machte die beiden grossen Lichter: das grosse Licht, das den Tag regiere, und das kleine Licht, das die Nacht regiere; dazu auch die Sterne. Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, dass sie scheinen auf die Erde, und den Tag und die Nacht regierten, und schieden zwischen Licht und Finsterniss. Und Gott sah, dass es gut war.

Und es ward Abend und ward Morgen, vierter Tag." - Also Gott ist der Schöpfer der Sonne, des Mondes und der Sterne, durch sie erleuchtet und beherrscht er die Welt, den Tag und die Nacht. Gott ist das ewige, unerschaffene, unveränderliche und unsichtbare, oder nach der Sprache der Aegypter verborgene Licht; die Sonne, der Mond und die Sterne sind die von Gott erschaffenen zeitlichen, veränderlichen und sichtbaren Lichter. Der einfache und doch unendlich grosse Gedanke war, Gott sei es, welcher Himmel und Erde erschaffen hat und erhält, - der der Sonne, dem Monde und den Sternen ihre Bahnen angewiesen hat, - der Licht werden lässt. Die Wurzel, aus welcher sämmtliche japhetische oder arische Benennungen der Gottheit, das Sanskrit dêwas, das Griechische , - das Lateinische deus, womit auch dies, der Tag, sich berührt, - das Litthauische diewas, - das Lettische dews, das Preussische deiws und das Keltische dia stammen, ist das Zendwort div oder dju, welches leuchten, glänzen bedeutet. Gott ist der Leuchtende, der Glänzende, das Licht, der Himmel. Auch Zeus, Jupiter, der deutsche Gott Tyr und der gallische Gott Dis, von welchem nach Cäsar de bello gall. VI, 18 alle Gallier abzustammen glaubten, tragen ihren Namen nur von dem Leuchten, von dem Lichte. Gott ist das Wesen, die Macht, welche sprach: "Es werde Licht;" Gott ist der Herr des Lichtes, der Himmelskönig, divaspati, djupatar, djupitar, lateinisch

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Djupiter, Diespiter, Jupiter. 1) Es muss ein Gott, ein Schöpfer sein, weil die Schöpfung ist, weil Sonne, Mond und die Sterne leuchten. Daher sind bei den arischen oder indo-germanischen Völkern die Sonne, der Mond und dazu auch die Sterne das ursprünglichste und allgemeinste Symbol der Gottheit, gleichsam die lebenden Zeugen und Bürgen Gottes. Das Feuer und das Licht sind nur die Symbole der Symbole. Die höchste Vorstellung Gottes bei den Indern ist eine unendlich strahlende Sonne. Da'her heisst es in der Bhagavad-Gitá als Krischnas auf die Bitten des Ardchunas sich diesem in seinem wahren Wesen zeigt:

"Wenn hoch am Himmel urplötzlich von tausend Sonnen rings empor Licht flammte, gliche sein Strahlen dem Glanze dieses Erhabenen."

Ebenso wird Indra als der Gott des unermesslichen Glanzes geschildert. 2)

Im ägyptischen Todtenbuche, herausgegeben von Lepsius, Leipzig 1842, sagt Osiris von sich selbst: "Ich bin der Lichtgott, der Sohn des Lichtes; ich wohne im erhabenen Lande des Lichtes, geboren und gezogen im erhabenen Lande des Lichtes."

Die erhabenste Vorstellung von der Gottheit haben die Juden; denn ihnen ist Gott nicht allein der unsichtbare, sondern auch der unerblickbare; der Sterbliche vermag den Anblick des unendlichen Lichtes und Glanzes Gottes nicht zu ertragen. Daher wird Moses V. 4, 10 ff. gesagt, dass Gott vom Berge Horeb herab aus dem Feuer zu dem Volke Israels gesprochen und man ausser der Stimme keine Gestalt gewahrt habe. Noch schöner wird dieses bei Moses II. 33, 18 ff. dargestellt. Als Moses den Ewigen bittet, ihn doch seine Herrlichkeit sehen zu lassen, antwortet der Ewige:

" Er aber sprach, lass mich doch deine Herrlichkeit sehen. Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht

1) Lassen, indische Alterthumskunde, I. S. 756; Gfrörer Urgeschichte des menschlichen Geschlechts, Schaffhausen 1855, I. S. 180 vergl. mit S. 165; Spiegel, Avesta, I. S. 6; Wollheim, Mythol. des alten Indien, S. 96.
2) Lassen, a. a. O. I. S. 638, Anm. 1.

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vorübergehen lassen alle meine Schöne, und will ausrufen den Namen, der Ewige vor dir. Denn wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wess ich mich erbarme, dess erbarme ich mich. Und sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch bleibt leben, der mich siehet. Und der Ewige sprach weiter: Siehe, es ist eine Stätte bei mir; da sollst du stehen auf dem Felsen. Wenn nun meine Herrlichkeit vorübergehet, will ich dich in der Felskluft stehen lassen, und meine Hand über dich decken, bis ich vorübergegangen bin. Und wenn ich meine Hand von dir wegthue, wirst du meine Rückseite sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen. - - Da kam der Ewige hernieder in einer Wolke und stellte sich daselbst zu ihm, und rief aus den Namen, der Ewige. Und da der Ewige vor seinem Angesicht vorüberging, rief Er, der Ewige! der Ewige! ein barmherziger und gnädiger, langmüthiger Gott, und von grosser Gnade und Treue; der da bewahret Gnade in's tausendste Glied, und vergibt Missethat, Uebertretung und Sünde, der aber keine Missethat ungestraft lässt, sondern die Missethat der Väter heimsuchet an Kindern und Kindeskindern, bis in's dritte und vierte Glied.

Und Moses neigete sich eilends zur Erde und betete an und sprach: Habe ich, Herr, Gnade vor deinen Augen gefunden, so ziehe doch der Herr in unserer Mitte, denn es ist ein halsstarriges Volk, und vergib unsere Missethat und Sünde, und mache uns zu deinem Eigenthum. - - Denun Moses vom Berge Sinai hinabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Zeugnisses in seiner Hand, und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzete, davon, dass er mit Ihm geredet hatte. Und Aaron und alle Kinder Israel sahen Moses: und siehe, die Haut seines Angesichts glänzete, und sie fürchteten sich, zu ihm heranzutreten. Da rief ihnen Moses; und sie kehrten zu ihm zurück, Aaron und alle Fürsten der Gemeinde; und Moses redete mit ihnen. Darnach aber traten herzu alle, Kinder Israel. Und er gebot ihnen Alles, was der Ewige mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai. Und nachdem Moses mit ihnen zu Ende geredet, legte er eine Hülle auf sein Angesicht. Und wenn er hineinging vor den Ewigen, mit ihm zu reden, that er die Hülle ab, bis er wieder

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herausging. Und wenn er herauskam und redete zu den Kindern Israel, was ihm geboten war; so sahen die Kinder Israel, dass die Haut seines Angesichts glänzete. Dann that er die Hülle wieder auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden." -

Wird noch in Betracht gezogen das Gebot, von dem Ewigen sich kein Bildniss und Gleichniss zu machen, so wie neben ihm keinen andern Gott zu verehren, erhält man den höchsten Begriff des einzigen und allmächtigen Gottes. Moses V. 3, 24 sagt daher mit Recht: "Denn welcher Gott ist im Himmel und auf Erden, der es deinen Werken und deiner Macht könnte gleichthun?"

Moses V. 6, 5 ff. ruft: "Höre, Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige allein. Und du sollst den Ewigen, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer, Seele und aus allen Kräften. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen in deinem Herzen sein. Und da sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon rede, wenn du in deinem Hause sitzest, oder auf dem Wege gehest, und wenn du dich niederlegest, oder aufstehest; und sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie tragen als Denkbinde zwischen deinen Augen; und du sollst sie über deines Hauses Pfosten schreiben, und an deine Thore." - Moses V. 101 17 ff. heisst es: "Denn der Ewige, euer Gott, ist der Gott der Götter und Herr der Herren; der grosse, mächtige und furchtbare Gott, der keine Person ansiehet und kein Geschenk nimmt; der Recht schaffet den Waisen und Wittwen, und hat die Fremdlinge lieb, dass er ihnen Speise und Kleider gebe.

Darum sollt ihr die Fremdlinge lieben; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Aegyptenland. Den Ewigen, deinen Gott, sollst du fürchten, ihm sollst du dienen, und ihm sollst du anhangen, und bei seinem Namen schwören. Er ist dein Preis und Er dein Gott, der für dich solche grosse und furchtbare Dinge gethan hat, die deine Augen gesehen haben. Mit siebzig Seelen zogen deine Väter hinab nach Aegypten; aber nun hat dich der Ewige, dein Gott, so zahlreich gemacht, wie die Sterne des Himmels."

Auch nach Homer Iliad. XX. 130 ist das Sehen einer Gottheit oft den Menschen verderblich.

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Schrecken ergreift ihn gewiss, wenn ein Gott entgegen ihm wandelt durch die Schlacht; denn furchtbar zu schauen ist der Götter Erscheinung.

Die Menschen verlieren die Augen, sie sterben auch, oder es trifft sie sonst ein bedeutendes Unglück beim Anblick der Göttergestalten.

Verwandt hiermit ist, dass nach jüngern jüdischen Vorstellungen Gott seinen Thron in einer Feuerburg hat. In dem Buche Henoch wird ohne Zweifel nach ursprünglich phönicisch-syrischer Mythe die ummauerte Gottesburg also beschrieben: "Ich schritt vorwärts, bis ich an eine Mauer kam, gebaut aus Steinen von Crystall. Eine zitternde Flamme umgab sie, welche mich in Schrecken zu setzen begann. In diese zitternde Flamme trat ich ein. Und ich näherte mich einer geräumigen Wohnung, welche auch gebaut war aus Steinen von Crystall. Sowohl ihre Wände als ihr Fussboden waren von Crystall, und von Crystall war auch der Grund. Ihr Dach hatte das Ansehen von Sternen, die sich heftig bewegen, und von leuchtenden Blitzen, und unter ihnen waren Cherubs von Feuer. Eine Flamme brannte rings um ihre Mauern, und ihr Portal loderte von Feuer.

Als ich in diese Wohnung trat, war sie heiss wie Feuer und kalt wie Eis (bei den Chaldäern wurde nämlich der Planet Saturn zugleich heiss und kalt gedacht)" - Weiter beschreibt Henoch eine zweite Feuerburg innerhalb dieser erstern. "Und siehe, da war eine andere geräumige Wohnung, zu welcher jeder Eingang vor mir offen stand, errichtet in einer zitternden Flamme. Ihr Fussboden war auf Feuer, oben waren Blitze und sich bewegende Sterne, während ihr Dach ein loderndes Feuer zeigte. Aufmerksam betrachtete ich sie, dass sie einen erhabenen Thron enthielt, der von Ansehen dem Reif ähnlich war, während sein Umfang dem glänzendsten Sterne glich. Unten von diesem mächtigen Strome her strömten Bäche lodernden Feuers; auch ihn zu sehen war unmöglich. Ein Grosser in Herrlichkeit sass darauf, dessen Kleid glänzender als die Sonne und weisser als der Schnee. Kein Engel mochte hindurchzudringen, zu schauen das Antlitz desselben, des Herrlichen und Strahlenden. Auch konnte kein Sterblicher ihn ansehen. Ein Feuer loderte rings um ihn. Ein Feuer auch von grossem Um-

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fang stieg immerwährend von ihm auf, so dass keiner von Denjenigen, welche ihn umgaben, im Stande war, sich ihm zu nähern, unter den Myriaden, die vor ihm waren." 1) - Aehnlich sind die Vorstellungen in dem so häufig chaldäisirenden Buche Daniel. Der Alte der Tage sitzt da auf einem Throne, sein Kleid ist weiss wie Schnee, sein Haupthaar wie reine Wolle, sein Thron Feuerflammen, die Räder lodernd Feuer, ein Feuerstrom ergiesst sich von ihm aus (7, 9 ff.). - Ganz gleich wird in der Offenbarung Johannis I. 12 ff. Jesus im Himmel geschildert: "Und ich habe mich umgewandt, die Stimme zu sehen, welche mit mir redete; und als ich mich umgewandt, sah ich sieben goldene Leuchter, und in der Mitte der sieben Leuchter Einen, der war einem Menschensohne gleich, mit einem Kleide angethan, bis auf die Füsse, und um die Brust mit einem goldenen Gürtel umgürtet.

Aber sein Haupt und seine Haare waren weiss, wie weisse Wolle, ja wie Schnee; und seine Augen wie eine Feuerflamme, und seine Füsse gleich glänzendem Erze, wie im glühenden Ofen, und seine Stimme wie das Tosen vieler Wasser. Und er hatte in seiner rechten Hand sieben Sterne; und aus seinem Munde ging ein scharfes zweischneidiges Schwert; und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, die in ihrer Kraft leuchtet." 2) - Die Vorstellung einer Feuerburg als der Wohnung Gottes findet sich übrigens auch bei den Pythagoräern, indem der Pythagoräer Philolaus das Centralfeuer das Haus und die Wohnung des Zeus nannte. Es liegt gewiss dieselbe Vorstellung zu Grunde, wenn der ägyptische erstgeschaffene Urgott und Urschöpfer Ptah, d. i. das schöpferische Urfeuer, in einem goldenen Palaste wohnen soll. Golden ist desshalb auch der Tempel oder die Wohnung Jehovah's, welche ihm Salomo zu Jerusalem erbaute.

Die in der deutschen Mythologie vorkommende Göttin lsis, althd. Isa, bedeutet ein glänzendes Wesen und ebenso bezeichnet der deutsche Gott Heimdaller den Weltglänzen-

1) Movers, die Phönicier, I. S. 259 u. 60.
2) Vergl. auch Dunker, Geschichte des Alterthums, I. S. 210, Anm. 7.und Schwartz, Ursprung der Mythol., S. 279 ff.

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den. 1) Von Buddha wird gesagt, dass lichter Glanz und Wohlgeruch von seinem Körper ausströme als Wiederschein der inneren Verklärung und Heiligung, der unbegrenzten Weisheit und Tugend, - als Ausstrahlung des inneren Lichtes. 2) In dem gleichen Sinne wird in der deutschen Mythologie von dem Gotte Baldur, dem göttlichen Urbilde eines reinen Jünglings, gesagt, er sei so schön von Antlitz und so glänzend, dass ein Schein von ihm ausgehe. Das lichteste aller Kräuter, die Kamille, heisst Baldurs Augenbraune. 3) Dieser den Lichtgöttern entströmende Lichtschein hat namentlich bei den arischen oder indogermanischen Völkern schon frühe dahin geführt, dieselben mit einem Licht- oder Strahlenkranze oder Glanze darzustellen. 4) So werden z. B. bei den Griechen Apollo und Bellerophon dargestellt und ebenso Andere, um sie als Sonnen- oder Lichthelden zu bezeichnen.

Zu Anxur oder Tarracina wurde der jugendliche Jupiter Anxur oder Anxurus mit einer grossen Strahlenkrone dargestellt, so dass er also dem Apollo verwandt, ein jugendlicher Sonnengott gewesen sein muss. Der eigentliche römische Sonnengott, Sol, ist gleichfalls von einer Strahlenkrone umgeben. Auch der später zu Alexandrien aufgekommene, etwas dunkele Gott Serapis trägt eine Strahlenkrone, wesshalb Furtwängler, die Idee des Todes, S. 138, ihn für den Sonnengott erklärt. 5) In Indien sind ausser den buddhistischen Heiligen namentlich auch die Mutter Buddha's, den Säugling Buddha auf dem Schoosse haltend, mit einer Glorie

1) Wolf, Zeitschrift, Il. S. 317 und Ettmüller, lex Anglosax. S. 557.
2) Köppen, die Religion des Buddha, Berlin 1857, S. 435.
3) Menzel, Odin, S. 67; Simrok, deutsche Mythologie, S. 93.
4) Stephani, der Nimbus und Strahlenkranz in den Werken der alten Kunst, Petersburg 1859.
5) Vergl. auch Preller, römische Mythologie, S. 723 ff,; Furtwängler, a. A. O., S. 136, Anm. 1. Preller leitet mit Clemens den Namen Serapis oder Sirapis von Osiris-Apis, Osorapis ab, während Furtwängler den Namen nicht für ägyptisch hält und aus dem Orient herleitet. Bunsen, Aegyptens Stelle in der Weltgeschichte, Va, S. 11, stimmt mit Preller überein; Creuzer, Symbolik, I. S. 312 ff., und Prichard, ägypt. Mythol., S. 74 ff., sind unentschieden.

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um das Haupt geziert. 1) Auch auf syrischen Denkmalen erscheint Sol sanctissimus mit dem Strahlenkranz um das Haupt. 2) Hieraus ist sodann der Strahlenkranz, die Glorie hervorgegangen, welche in der katholischen Kirche Christus, seine Mutter Maria und die Heiligen schmückt und sowohl ihr Wohnen in dem Lichte, als ihre sittliche Reinheit und Höhe andeutet. Auch das Kreuz, als ein Symbol von Christus, ist in der katholischen Kirche gewöhnlich von einem Strahlenkranze umgeben. Zugleich stehen Gott als das Licht, die durch das Licht geschaffene Welt und die weisse Farbe (weiss) als das Leuchten des Lichtes in der innigsten Sprachverwandtschaft bei den indo-germanischen Völkern und Gott, Welt und weiss (Licht) erscheinen als gleichbedeutend. 3)

Im Litthauischen z. B. heisst swesti leuchten, swétas die Welt, - im Slavischen svit-ati leuchten, svetu Licht und Welt. Das W im Deutschen weiss (sansk, cvêta, cviti und sita von der Wurzel cvi, weiss sein, womit auch das zendische cpi-tama, der Heiligste, zusammenhängt) und Welt ist dasselbe und deutet auf die Bewegung des Lichtes, auf das Werden der Welt durch die Bewegung des Weissen oder Lichtes hin.

Weiss und weise sind gleichfalls nicht verschieden und bezeichnen nur das körperliche und geistige Licht, die körperliche und geistige Welt, die körperliche und geistige Schönheit. Die Japhetiten sind die Schönen, die Weissen und die Weisen, denn Japhet bezeichnet die Schönheit. In diesem Sinne heisst es auch in den Klageliedern des Jeremias: "Ihre Edlen waren weisser als Schnee und lauterer als Milch," und im hohen Liede wird gesagt: "Mein Geliebter ist weiss und röthlich und von Tausenden auserkoren." Nach Hitzig, Zeitschrift des wissenschaftlichen Vereins in Zürich, 1856 S. 142 ff., bezeichnen auch Germani die blendend Weissen im Gegensatz zu den Kuschi oder Mohren.

Das klare Bewusstsein, dass Gott der Schöpfer der Sonne, des Mondes und der Sterne sei, wurde indessen

1) Abbildungen zu Creuzer's Symbolik, Taf. XXVI.
2) Lajard, a. a. O., Taf. I.
3) Lassen, a. a. O., I. S. 655, Anm. 1.

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bald dadurch getrübt, dass man die Schöpfung mit dem Schöpfer, die Wirkung mit der Ursache, die Folge mit dem Grunde verwechselte, indem man die blos symbolische Bedeutung vergass und Sonne, Mond und Sterne als die Gottheit selbst betrachtete, der Gottheit oder dem Meister, gleichstellte. In den 3 kleinen maurerischen Lichtern ist nur die Vergöttlichung der Sonne und des Mondes - das dreieinige Wesen Gottes, der Sonne und des Mondes nach der sehr alten asiatisch-ägyptischen, das Symbol missverstehenden und die Schöpfung an die Stelle des Schöpfers setzenden Vorstellung enthalten. In ihrer ursprünglichsten und einfachsten Bedeutung bezeichneten die 3 Lichter bloß Gott und seine Schöpfung, das schaffende Eine und ewige Licht, die Offenbarung Gottes durch die Schöpfung der Welt, und das Einzige göttliche Licht, der Eine Schöpfer spaltete sich erst in 3 sich gleichstehende, Lichter, nachdem der astrologische Glaube und Aberglaube der Chaldäer und Aegypter auch die Sonne, den Mond und die Sterne zu Göttern gestaltet hatte.

Die 3 kleinen Lichter in diesem Sinne können nur Jahrhunderte vor Christus in die heidnische Maurerei Eingang gefunden haben und beweisen, alles gegentheilige Gerede widerlegend, jedem der Geschichte und der Mythologie Kundigen, wie hoch hinauf in das vorchristliche Alterthum in ihren letzten Wurzeln und in ihren ersten Anfängen die Maurerei reiche. Bei den Griechen erscheinen die 3 maurerischen Lichter als Zeus, der Himmelsvater, mit seinen beiden Kindern Apollo, als Sonnengott und Sonne, und Artemis, als Mondsgöttin und Mond.

Das gemeinsame Attribut dieser 3 Güter ist der Blitz oder der Pfeil, der letztere das dem Schwerte verwandte Symbol des Lichtstrahles; mit dem Blitze oder Pfeile überwinden jene Lichtgottheiten die Finsterniss und alle finstern Gewalten; das Lichtvolle und Gute in der Natur- und Geisteswelt gehört ihnen an und wird von ihnen geschaffen und beschützt. Diese 3 höchsten Gottheiten oder 3 grossen und grössten Lichter wurden auch, wie wir näher und genau wissen, ähnlich wie bei den Maurern, in den eleusinischen Geheimnissen durch die 3 obersten Priester, gleichsam durch die 3 ersten Beamten der Loge symbolisch dargestellt.

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Den Gott mit dem Hammer, den Lichtschöpfer, den Weltenschöpfer , den Werkmeister des Alls'(Vicvakarman in der Sprache der Inder) den Welterbauer den grossen Baumeister (Ptah-Hephästos) des Weltalls stellte der oberste Priester, der Hierophant, d. i. der Vorzeiger des Heiligthums, oder der Mystagog, der Führer der Eingeweihten, dar. Er leitete die ganze Aufnahme und ertheilte das Licht, sprach: "Es werde Licht." Dabei tragen die obersten Priester gleich den Göttern eine blaue, weisse oder rothe Kleidung zur Erinnerung an das blaue Himmelszelt, an das reine Himmelslicht oder an das Feuer als Symbol des letztern; ähnlich sind die Tempel, die Kirchen, die Logen geschmückt.

Die Sonne und der Mond wurden in den eleusinischen Geheimnissen durch den Oberfackelträger und den Altardiener versinnbildlicht, indem der Oberfackelträger mit den Attributen der Sonne und der Altardiener mit denen des Mondes bekleidet war. Bei den heutigen Maurern hängt es damit oder wenigstens mit den weit verbreiteten 3 grossen Lichtern zusammen, dass dem ersten Vorsteher sich gegenüber die Sonne erhebt und er die Sonnen-, Licht- oder Mittagskolonne zu leiten hat, während dem zweiten Vorsteher gegenüber der Mond sich senkt und ihm die Mond- oder Mitternachtskolonne untergeben ist. Der Meister vom Stuhl und die beiden ersten Vorsteher sind mithin die lebendigen Symbole der alten Götterdreiheit oder vielmehr des alten dreieinigen Gottes.

Ob die heutigen Maurer sich zu dem Glauben an einen 3fachen oder 3einigen Gott bekennen wollen oder nicht, ist höchst gleichgültig und sieht jetzt nicht entfernt in Frage, indem es sich blos darum handelt, was vor Jahrhunderten und Jahrtausenden Jene gedacht haben, welche das Symbol einführten oder aus dem übrigen Zeitglauben aufnahmen und gläubig gebrauchten, nicht aber aus einem geschriebenen Katechismus gefühl- und gedankenlos auswendig lernten. Die geschichtliche Symbolik wäre in der That und Wahrheit in einer sehr peinlichen Lage, wenn sie auf die Gefühle und Gedanken der heutigen Freimaurer beschränkt wäre. Um daher ein für alle Mal jedes mögliche Missverständniss abzuschneiden, sei hier ausdrücklich bemerkt, dass

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keineswegs die Dogmatik oder Glaubenslehre der heutigen Freimaurer darzustellen und zu schreiben beabsichtigt wird, sondern die Absicht eine rein geschichtliche, autiquarische oder archeolische ist, es der stolzen Gegenwart überlassend, ob sie gleich dem Alterthume bei den Symbolen Etwas fühlen und denken wolle. Immerhin ist es für den Menschen und Geschichtsforscher nicht ohne Interesse, zu wissen und zu denken, welcher Geist dereinst die todte und modernde Mumie belebt habe. Auch erscheint es gewiss dem Geduldigsten unerträglich, noch immer von drei kleinen oder grossen Lichtern sprechen zu hören, wo man oft vergeblich nach einem einzigen Lichte sucht und weder Ein grosses noch kleines Licht zu finden vermag. Die Geschichtsforschung, welche sich heute in der Maurerei so breit macht und leider das grosse Wort führt, verdient kaum den Namen derselben, weil sie jedes ächt historischen Sinnes bar und ledig ist. Das grosse, hohle und winzige Stichwort der Zeit ist, dass die jetzige Freimaurerei zuletzt auf den mittelalterlichen Brüderschaften und Zünften der Steinmetzen und Bauleute beruhe und historisch durchaus nicht weiter hinaufreiche, während jene Brüderschaften und Zünfte keineswegs der erste Anfang, sondern blos eine neue abschliessende Entwicklungsstufe mit einer grossen Vorgeschichte sind, durch welche Vorgeschichte sie mit den Römern und Griechen und mit dem gesammten Alterthume in Verbindung und Zusammenhang treten.

In dem alten Testamente finden sich viele Stellen worin den Juden untersagt wird, nach der urasiatischen und besonders syrischen, assyrischen und babylonischen Weise den Bel, Baal (verwandt mit dem griechischen Zeus, dem deutschen Thôrr und dem indischen Indra), die Sonne, den Mond und die Sterne anzubeten. Im II. Buche der Könige 23, 5 wird vom König Josua z. B. erzählt: "Und er that ab die Camarim (Götzenpriester), welche die Könige in Juda gestiftet hatten, da man räucherte auf den Höhen, in den Städten Juda und um Jerusalem her: auch die, welche dem Baal, der Sonne und dem Mond und den Gestirnen und allem Heer des Himmels räucherten." - Im V. Buche Mosis 4, 19 heist es: "Und dass du nicht deine Augen gen Himmel aufhebest, und sehest

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die Sonne und den Mond, und die Sterne, und das ganze Heer des Himmels, und werdest angetrieben, sie anzubeten und ihnen zu dienen: da der Herr dein Gott dieselben allen Völkern unter dem ganzen Himmel gegeben hat." - Und oben daselbst 17, 3: "und hingehet, und andern Göttern dienet, und sie anbetet, es sei die Sonne oder den Mond, sammt allem Heere des Himmels, das ich nicht geboten habe."

An die drei kleinen Lichter der Maurer erinnern auch die Münzen von Damaskus aus der Zeit des Trebonianus Gallus in der Mitte mit einer Cypresse, Symbol der über Leben und Tod gebietenden Astarte, zur Rechten derselben ein Stier und zur Linken ein Pferd. Lajard, recherches sur le culte du cyprés pyramidal, p. 83 ff., erblickt in dem Pferde das Symbol der Sonne und in dem Stiere dasjenige des Mondes und vergleicht mit den Münzen von Damaskus diejenigen von Aradus, welche nur insofern abweichen, als an die Stelle des Pferdes ein Löwe getreten ist.

Die Römer, besonders Cäsar, erzählen von den alten Deutschen , dass dieselben Sonne, Mond und Herkules nach römischer Bezeichnung, - Sol, Luna und Vuleanus, d. i. Sonne, Mond und Thôrr als Götter anbeten. 1) Cäsar de bello gall. lib. VI, cap. 21 sagt: "Deorum numero eos solos ducunt quorum opibis aperte juvantur, Solem, et Vuleanum et Lunam." Andere lasen: "Deorum numero eos solos ducunt, quos cernunt, Solem et Vuleanum et Lunam: reliquos ne fama quidem acceperunt." Der Glaube der alten Deutschen war somit der asiatische Lichtglaube, ein Gestirndienst, der Dienst des dreifachen oder dreieinigen Gottes, der Sonne, des Mondes und des blauen Himmelsäthers, wie derselbe Glaube ursprünglich in den sogenannten drei kleinen Lichtern der Maurerei enthalten ist und weshalb beider Glaube gleich alt sein, zu einer und derselben Zeit entsprungen sein müssen. Das Symbol. der drei kleinen Lichter d. h. ursprünglich der drei einzigen und höchsten, des dreieinigen Gottes darf mit Sicherheit als ein vorchristliches erklärt werden, dem in der

1) Simrok, deutsche Mythologie, S. 428 u. 480.

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spätern christlichen Zeit sodann das jetzige Symbol der drei grossen Lichter der Bibel, des Winkelmasses und des Zirkels oder der Liebe zu Gott, zu der Tugend und zu den Menschen entgegengesetzt worden ist. Wäre das Symbol der drei grossen Lichter ein ursprünglicher Bestandtheil der Maurerei und nicht erst nachher in dieselbe, vermuthlich nach dem Vorgange und der Lehre der Essäer und Therapeuten aufgenommen worden, so würde hieraus mit Nothwendigkeit folgen, dass die Maurerei nicht über Christus hinaufreichen könne und eine wesentlich und durchaus christliche Stiftung sei, was aber mit der Geschichte und vorzüglich mit der Geschichte der römischen Baucorporationen unvereinbar ist.

In ihrem letzten Ursprunge ist die Maurerei vielleicht viele Jahrtausende vor Christus mit der gebildeten Menschheit in Hochasien, im Osten entstanden und von dort über alle Länder der Erde ausgebreitet, in Europa aber durch das Christenthum wesentlich fort- und umgebildet worden, daher auch die Geschichte der Maurerei in zwei grosse Epochen, die vorchristliche und nachchristliche, zerfällt und ebenso ihre Symbole und Gebräuche sich zunächst entweder als rein heidnische oder rein christliche, beziehungsweise heidnisch - christliche erweisen müssen.

Das Symbol der drei kleinen Lichter ist rein heidnisch, dasjenige der drei grossen Lichter rein christlich; jedoch ist bei dem Symbole der drei grossen Lichter nicht zu vergessen, dass das Christenthum die Lichtsymbole nur aus dem Heidenthum überkommen hat, dass das Christenthum nur der fortgebildete und höher geschrittene alte asiatische Lichtglaube ist. Die Eintheilung der Lichter in grosse und kleine ist unstreitig der mosaischen Genesis 1, 16 nachgebildet und nur ein Erzeugniss des christlichen Mittelalters, welches ursprünglich der Maurerei fremd gewesen. Wie aus Krause, Kunsturkunden, I. 2., S. 370, zu ersehen ist, machte die katholische Geistlichkeit sogar den Versuch, den maurerischen drei Lichtern die drei christlichen Personen der Gottheit, den Vater, den Sohn und den heiligen Geist unterzuschieben. Da in den während des christlichen Mittelalters eingeführten drei grossen Lichtern der Bibel, des Winkelmasses und des Zirkels nicht der Gottesbegriff, sondern blos die trilogische Lehre enthalten ist, dass der

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drei Maurer an Gott glauben, die Tugend üben und die Menschen lieben solle, so hat das im Jahr 1717 zu London entstandene sogenannte neuenglische System der rein symbolischen Maurerei, ohne damit entfernt den Werth und die Wahrheit jener moralischen Lehren verkennen zu wollen, mit Recht die drei alten oder kleinen Lichter als die einzigen beibehalten, 1) wie sie es sind und nur im rechten Sinne, in der Sprache der Genesis ausgelegt werden müssen.

Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
Wie auch der menschliche wanke;
Hoch über der Zeit und dem Raume webt
Lebendig der höchste Gedanke
Und ob Alles im ewigen Wechsel kreist,
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.

Die drei kleinen oder grossen Lichter sind jetzt allein das Symbol des Einen Gottes, welcher die Sonne, den Mond und die Sterne geschaffen hat und durch sie den Tag und die Nacht erleuchtet und regiert. Die Sonne, der Mond und die Sterne sind gleichsam die Augen des allsehenden und allwissenden Gottes; die Sonne namentlich ist das uralte asiatisch-ägyptische Auge der Vorsehung und wird namentlich auch in der katholischen Kirche als das Symbol Gottes und seiner Kirche gebraucht. Da sichtlich nur die geistliche Furcht des Mittelalters die sehr alten und ursprünglich heidnischen drei Lichter zu den drei kleinen Lichtern herabgesetzt hat, ist die abweichende Vermuthung Krause's, a. a. O., I. 2, S. 366, über den Ursprung der drei kleinen Lichter aus dem Sitze der drei die Loge haltenden und regierenden Beamten bei den Hauptfenstern der Bauhütte unbegründet und unhaltbar.

In den drei grossen Pfeilern der Weisheit, Stärke und Schönheit, welche die Loge, d. h. das Weltall tragen und erhalten und die durch den Meister im Osten den ältern Aufseher im Westen und den jüngern Aufseher im Süden vorgestellt werden, ist nur Gott in seinen drei höchsten Eigenschaften ausgedrückt. Der dreiarmige Leuchter hat dieselbe symbolische Bedeutung und ist dem auf die

1) Krause, a. a. O., I. 2, S. 404.

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sieben Planetengottheiten hinweisenden 7armigen Leuchter verwandt. Das Licht und die Lichter - 3, 7 oder 12 Lichter, sind überhaupt das Grundsymbol der alten Maurerei und bezeichnen entweder den Einen oder den dreieinigen Gott, die sieben Planeten oder die zwölf Zodiakalgottheiten, die zwölf Gottheiten des Thierkreises, die Eine Sonne in ihrem Laufe durch die zwölf Zeichen des Thierkreises. Die Maurerei ist nur der Glaube und der Dienst des ewigen Lichtes, wie dieses in dem irdischen Lichte sich verkündet und offenbart hat; die Maurerei war und ist allein die Erkenntniss und die Verehrung des einzigen grossen unsichtbaren Lichtes, welches allem irdischen Lichte das Dasein gegeben hat; die Maurerei ist die Lehre, dass es nur Eine wahre Offenbarung Gottes gebe, seine Schöpfung, die Welt.

Die drei um den Teppich aufgestellten Lichter bezeichnen auch die drei Pfeiler, welche die Loge oder die Welt stützen und tragen, so dass also das Symbol der drei kleinen Lichter und das Symbol der drei Pfeiler sich fortwährend berühren und in einander hinüberspielen. Das Symbol der drei Pfeiler 1) ist übrigens wohl weit jünger als das Symbol der drei kleinen Lichter, da es ein rein geistiges oder moralisches ist und durch keinen Zug an die alten Naturreligionen erinnert. Nur wenn man die drei Pfeiler auf die drei kleinen Lichter selbst beziehen und deuten wollte und könnte, würden dieselben eine alterthümliche Gestaltung und Färbung erhalten.

Wie aus dem Artikel "Lichter" in Lenning's Encyklopädie zu ersehen ist, sind die sogenannten drei grossen Lichter der Bibel, des Winkelmasses und des Zirkels auch in den französischen Logen der drei Johannisgrade ganz erloschen und werden nur in den höhern Graden, vorzüglich in dem Grade d'Ecossais angewandt.

Endlich stimmen mit den maurerischen drei Pfeilern wenigstens einigermassen überein, haben eine gewisse Aehnlichkeit damit bei den Buddhisten die drei Formeln der Zuflucht oder, wie sie auch genannt werden, die drei Stützen. Sie sind das Gelöbniss, durch welches der

1) Vergl. in Lenning's Encyklopädie den Art. "Pfeiler."

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Glaube und die Hingabe an den Buddha, sein Gesetz und seine Kirche übernommen und bezeugt wird, und lauten,

ich nehme meine Zuflucht zum Buddha. Ich nehme meine Zuflcht zur Lehre (Dharma). ich nehme meine Zuflucht zum Verein der Geistlichen (Kirche, Sangha).

Dieses Glaubensbekenntniss pflegt an Bet- und Festtagen vor dem Bilde des Buddha und den Priestern wiederholt zu werden und ist bei den südlichen Buddhisten die bekannteste und gebräuchlichste Gebetsformel. 1) - Uebrigens ist das Symbol der drei Pfeiler, auf welchen die Loge und die Welt ruht, oder des dreieinigen Gottes, beziehungsweise des Gottes der Weisheit, Stärke und Schönheit, welcher die Welt und die Menschen lenkt, auch bei den Aegyptern sehr gebräuchlich und wird von ihnen unter dem Bilde der bekannten weiblichen Sphinx dargestellt. Die altägyptischen Sphinxe, die Sphinxe mit Jungfrauenköpfen, sind sinnende Jungfrauen mit dem Leibe eines Löwen.

Die Sphinx, im Ganzen betrachtet, war das Symbol der Weisheit, des verborgenen und geheimen Wissens, des göttlichen Mysteriums. In dem Bilde der Sphinx sollte die Gestalt der Jungfrau zugleich die Schönheit und die des Löwen die stärke andeuten. Den Namen der Sphinx führt Zoëga auf das Koptische Phiih (, das Göttliche) zurück, und die Sphinx ist somit das Symbol des weisen, starken und schönen Gottes, - der göttlichen Weisheit, Stärke und Schönheit. Die Sphinx, das Symbol ,des göttlichen Mysteriums, wurde bei den Griechen zur räthselgebenden Jungfrau und die thebanische Sphinx stellte das Räthsel von dem Menschen als Thier, das am Morgen auf vier, am, Mittag auf zwei und am Abend auf drei Beinen gehe, welches Räthsel nur der Grieche Oedipus zu lösen vermochte, d. h. wohl, erst die Griechen haben das den Menschen von der Gottheit gestellte Räthsel, die gegebene Aufgabe befriedigend gelöset und erfüllt, was auch vollkommen seine Richtigkeit hat. - Der ägyptischen Sphinx sind auch verwandt die geflügelten assyrischen Stiere mit Menschenköpfen, indem hier durch das Men-

1) Köppen, Religion des Buddha, S. 443.

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schenhaupt die Weisheit, durch den Stierleib die Stärke und durch die Flügel die Allgegenwart Gottes bezeichnet werden soll. Die ägyptischen Sphinxe waren nicht geflügelt, wohl aber trugen die griechischen Sphinxe, gewiss nach dem assyrischen Vorbilde, Flügel, - wurden also zu einem verstärkten Symbole der Haupteigenschaften Gottes.

In dem Symbole der drei Pfeiler ist die oberste Regel, das Ziel und die Aufgabe des maurerischen Strebens und Lebens ausgedrückt. Die drei Haupttugenden des Maurers sind darnach Weisheit, Stärke und Schönheit; der Maurer soll weise, stark und schön leben. Das heilige Buch der Chinesen, das I-King, stellt in diesem gleichen Sinne vier Tugenden des Himmels als Vorbilder der menschlichen Tugenden auf, das Gute, Schöne, Nützliche und Wahre.

Siehe auch