Traktat: Die gesellschaftliche und politische Rolle der Freimaurerei und Geheimgesellschaften im 18. Jahrhundert: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 28. April 2017, 14:35 Uhr

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Die gesellschaftliche und politische Rolle der Freimaurerei und Geheimgesellschaften im 18. Jahrhundert

Von Helmut Reinalter


Die Freimaurerei und politischen Geheimbünde im 18. Jahrhundert sind durch das unterschiedliche Entwicklungstempo in Wirtschaft und Gesellschaft auf der einen und Staat und Politik auf der anderen Seite sowie durch die dadurch erzeugten Spannungen gefördert worden. Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts stand die freimaurerische Expansion in einem engen und komplizierten Verflechtungsprozess mit der europäischen Politik. Im Jahre 1717 (wahrscheinlich aber erst ca. 1721) wurde die Londoner Großloge gegründet, sechs Jahre später erschienen die Konstitutionen von James Anderson, womit der Übergang von der Werkmaurerei zur spekulativen Maurerei vollzogen wurde.

Die Freimaurerei war zu diesem Zeitpunkt in England in das Spannungsfeld von Jakobiten und Anhängern der neuen Hannoveraner Monarchie eingebettet. Die Jakobiten brachten die Freimaurerei von Großbritannien nach Spanien, Italien, Frankreich und vielleicht auch bis nach Russland. Politische Motive verdeutlichen auch die Trennung nationaler Logen von der Londoner Großloge während verschiedener kriegerischer Auseinandersetzungen und die enge Verbindung von Logen und Geheimgesellschaften zu späteren nationalen Unabhängigkeitsbewegungen, wie z. B. in Irland seit den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts und während der Ständerevolution in den österreichischen Niederlanden 1787/88, in Ungarn, Polen und in den Satellitenstaaten Napoleons.

Die europäische Freimaurerei

Die europäische Freimaurerei war zwar kein Kind der Aufklärung, sie wurde aber von ihren Ideen stark beeinflusst. Dabei spielte der politische Aspekt eine besondere Rolle. Die Freimaurerei war die einzige Institution der Bürger, die dem absolutistischen Herrschaftsanspruch Rechnung tragen konnte, gleichzeitig war sie aber auch bemüht, ihm dennoch zu entgehen: „Die Logen der Maurer sind für das neue Bürgertum eine typische Bildung einer indirekten Gewalt im absolutistischen Staat […] In die Logen, zunächst eine rein bürgerliche Schöpfung, verstehen es die Bürger, den sozial zwar anerkannten, aber politisch ebenfalls entrechteten Adel hineinzuziehen und so auf der Basis sozialer Gleichberechtigung mit ihm zu verkehren […], Noblemen, gentlemen and Working Men fanden hier Zutritt, und der Bürger gewann somit eine Plattform, auf der alle ständischen Unterschiede eingeebnet wurden. Mit dieser Tätigkeit richteten sich die Maurer gegen das bestehende Sozialgefüge, standen aber noch nicht in unabweisbarem Widerspruch zum absolutistischen Staat. Die politische Gleichheit der Untertanen führte zur sozialen Angleichung ständischer Unterschiede: dieses Durchführen hieß noch nicht das politische System des absolutistischen Staates selber sprengen.

Aber gerade dort, wo die soziale Einebnung der ständischen Hierarchie am stärksten angestrebt und zum Organisationsprinzip gezählt wurde, in den Logen, war die soziale Gleichheit eine Gleichheit außerhalb des Staates.“ Auch in Lessings Freimaurergesprächen wird der gesellschaftspolitische Aspekt der Freimaurerei besonders hervorgehoben. Lessing hoffte, dass er im Bruderbund doch jenes Ideal finden könnte, das mit den Zielen der Aufklärung übereinstimmt.

Habsburgermonarchie

In der Habsburgermonarchie unterstützten die Freimaurer die Reformpolitik Maria Theresias und Josephs II. Manche Forscher betonten sogar in diesem Zusammenhang, dass Joseph II. in der Instrumentalisierung des Bundes für seine politischen Ziele und Absichten als Vorläufer Napoleons bezeichnet werden könne. Leopold II. fasste über die Motive Josephs II. hinaus zur Realisierung seiner Politik sogar die Gründung einer „geheimen Assoziation“ ins Auge. Die Freimaurerei hat zweifelsohne als gesellschaftliche Formation die Aufklärung mitgeprägt und im Aufgeklärten Absolutismus eine wichtige soziale Rolle gespielt. Mit ihren strukturellen Gemeinsamkeiten stellte sie eine spezifische Antwort auf das System des Aufgeklärten Absolutismus dar. Verschiedene Gruppen, wie der antiabsolutistische Adel, das finanzkräftige Bürgertum und die Philosophen, die sozial z. T. anerkannt, aber teilweise ohne politischen Einfluss waren und in den bestehenden Einrichtungen des absolutistischen Staates keinen adäquaten Raum fanden, trafen sich auch in den Freimaurerlogen, um Kunst, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaftspolitik zu betreiben. Schon zur Zeit der Aufklärung entwickelte die Freimaurerei in den Logen ein in Ansätzen demokratischen Potenzial, das sich nicht nur in der ständischen Nivellierung, in der Verwirklichung der gesellschaftlichen Gleichheit in den Logen und im humanen Prinzip „Mensch unter Menschen“ manifestierte, sondern auch in der Selbstordnung und Selbstverwaltung, in der relativ stark ausgeprägte Formen der Willensbildung erkennbar waren, und im offenen Bekenntnis zur Demokratie, das gegen das real bestehende politische System und gegen den ständisch aufgebauten absoluten Staat gerichtet war.

Die Französische Revolution

Auch im Verhältnis zwischen Freimaurerei und Französischer Revolution zeigt sich die Rolle der Logenbrüder, die Einfluss auf das Revolutionsgeschehen nahmen. Wohl waren einzelne Mitglieder an der Vorbereitung und am Verlauf der Revolution aktiv beteiligt, die Bauhütten in der Spätaufklärung und am Beginn der Revolution waren aber weder Zentren der Konspiration noch ideologische Kommissionen oder „Generalstäbe des Umsturzes, sondern in erster Linie Treffpunkte, Diskussionsrunden und Kommunikationszentren, Orte des persönlichen Kontakts, Umschlagplätze für Ideen und Schriften, Anlaufstellen und Transmission für die Ideen der Aufklärung und der Revolution.“ In diesem Sinne war die Freimaurerei mit ihren Ideen und Handlungsweisen zwar bei der geistigen Vorbereitung der gesellschaftlichen Entwicklungen durch das kulturelle, humanitäre und ethische Engagement ihrer Mitglieder beteiligt, aber nicht am gewaltsamen Umsturz. Diese Aktivitäten steigerten sich vor allem dann, wenn die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse, wie am Beispiel der Aufklärung und Französischen Revolution, in einem Spannungsverhältnis zu den freimaurerischen, humanitär-ethischen Anliegen standen.

Beziehungen zwischen Freimaurern und Jakobinern

Dass auch enge Beziehungen zwischen Freimaurern und Jakobinern bestanden, ist ein weiteres Beispiel für den Einfluss der Französischen Revolution auf die Bruderkette.

Wie die Geschichte der Freimaurerei im 18. Jahrhundert zeigt, waren nicht wenige Mitglieder des Bundes an der Verbreitung der Ideen der Aufklärung, an Reformen und an Freiheitsbewegungen aktiv beteiligt. Als Beispiele sollen hier auswahlweise erwähnt werden: Ignaz Edler von Born, Johann Georg Adam Forster, Friedrich II., König von Preußen, Johann Wolfgang von Goethe, Gotthold Ephraim Lessing, Charles Louis de Secondat Montesquieu, François Marie Arouet Voltaire und Christoph Martin Wieland.

Diese Freimaurer zeigen die politische, kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung im 18. Jahrhundert des Bundes auf. Sie verdeutlichen, dass neben politischen und gesellschaftlichen Strukturen auch einzelne Persönlichkeiten in der Geschichte der Freimaurerei im 18. Jahrhundert eine zentrale Rolle spielten. Es ist allerdings nicht einfach, die Wirkungsgeschichte der Freimaurerei im gesellschaftlichen Entwicklungsprozess zu erklären.

„Die Gründe dafür liegen in der Tatsache, dass sich ein direkter Einfluss der Freimaurerei auf Staat, Politik und Gesellschaft nur schwer nachweisen lässt. Die Gegner der Freimaurer haben die Wirkung und Bedeutung immer dämonisiert und als politische Macht missverstanden. Eine einigermaßen seriöse und realistische Einschätzung der gesellschaftlichen Wirkung der Freimaurer muss sich in erster Linie auf die Selbstbildung als Personen und die Kongruenz ihres Selbsterziehungsprogramms sowie ihrer Ziele mit den wesentlichen Denkströmungen der jeweiligen Zeit beziehen.“

Dabei zeigt sich bei aller Vorsichtigkeit der Beurteilung die Einschätzung, dass die freimaurerischen Persönlichkeiten bei der Auflösung der frühneuzeitlichen Dogmen, in der Aufklärung und Säkularisierung und in den bürgerlichen Revolutionen eine gewisse Rolle spielten. Dies war zweifelsohne keine tragende Wirkung, wenngleich die freimaurerischen Ideen der Humanität und Toleranz in den geistesgeschichtlichen und politischen Entwicklungen bedeutsam waren. Die Freimaurerei trat nicht als Beweger und Auslöser in Erscheinung, wohl aber als Ermutiger und Verstärker, gleichsam wie Katalysatoren.

Die kulturelle Bedeutung der Freimaurerei

Die kulturelle Bedeutung der Freimaurerei lag in erster Linie in deren Bestreben, möglichst alle Glaubensbekenntnisse und die verschiedenen gesellschaftlich-politischen Auffassungen in toleranter Form zu vereinigen, in der Pflege sowie Weiterentwicklung ihrer Symbolik und Ritualistik sowie in den Reden, Liedern, Dichtungen, Bildern, Medaillen und Kupferstichen, die z. T. von namhaften freimaurerischen Schriftstellern und Künstlern geschaffen wurden. In diesem Zusammenhang müssen hier auch die zahlreichen wissenschaftlichen Initiativen und Aktivitäten von Freimaurern in Gelehrtengesellschaften erwähnt werden, wie z. B. in der Royal Society in London, in der Académie des Sciences in Paris und in verschiedenen französischen Provinzialakademien, die Enzyklopädie und die italienischen Akademien sowie die Eliteloge „Aux Neufs Soeurs“ in Paris, die 1776 gegründet wurde und zahlreiche Gelehrte sowie Künstler in ihren Reihen hatte und die Wiener Loge „Zur wahren Eintracht“, die den Plan einer freimaurerischen Akademie der Wissenschaften verfolgte. Als hervorstechende kulturelle Anliegen lassen sich hier vor allem das Interesse der exakten Wissenschaften, das Streben der Toleranz gegenüber den verschiedenen Konfessionen sowie der Forderung der Gleichheit der Menschen erkennen, die sich im Abbau der ständischen Privilegien innerhalb der Logen manifestierte. Die Freimaurerei setzte sich auch sehr aktiv für die Verbreitung der Menschenrechte ein.

katalysatorische Wirkung der Freimaurerei

Die bereits erwähnte katalysatorische Wirkung der Freimaurerei lässt sich im Zusammenhang mit wichtigen historischen Knotenpunkten, wie der Humanismus, die Aufklärung, die westlichen Demokratien, die Herausbildung des modernen Parlamentarismus, die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte und des modernen Sozialstaates zumindest ansatzweise feststellen. Die Freimaurer traten auch für die Verbreitung der Menschenrechte, für den Weltfrieden und die Lösung von Konflikten in einem humanitären und toleranten Sinne ein und waren in diesen Bemühungen nicht erfolglos. Dies trifft selbstverständlich auch auf die Freimaurerei in den USA zu, wobei dort die Bedeutung des humanitären Bundes für Politik und Gesellschaft vielleicht noch etwas stärker war als in Europa.

Amerikanische Revolution und Bürgerkrieg

Dieser Einfluss zeigt sich in den USA besonders in der Amerikanischen Revolution und im Bürgerkrieg. Michael Hochgeschwender charakterisiert die Amerikanische Revolution als ein einschneidendes Erlebnis nicht nur für die amerikanische Geschichte: „Die Amerikanische Revolution war ein komplexes, mitunter widersprüchliches historisches Ereignis, genauer: eine epochale Kette von Ereignissen, ein Prozess, der lange vor dem Ausbruch der Gewalttätigkeiten 1774 begann und erst Jahrzehnte nach dem Frieden von Paris 1783, der den USA die Unabhängigkeit brachte, allmählich zu einem Ende kam. Historische Ereignisse sind beständig interpretationsbedürftig. Nicht umsonst haben sich Historiker, Politikwissenschaftler und Publizisten seit den 1780er Jahren über den Charakter der Amerikanischen Revolution gestritten.“ Natürlich war der amerikanische Bürgerkrieg auch von zahlreichen Mythen begleitet, insbesondere auch von der Erklärung, dass die Revolution ein unumkehrbarer Weg zu liberalen Fortschritts- und Freiheitsidealen war.

Zeigt sich schon vor dem amerikanischen Bürgerkrieg der große Einfluss der amerikanischen Freimaurerei auf das gesellige Vereinsleben, so wurde der politische Einfluss durch die Amerikanische Revolution noch stärker. Washington D.C. war im 18. Jahrhundert nicht nur die Bundeshauptstadt der Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch der Mittelpunkt der Freimaurerei und hier besonders das Capitol, zu dem Präsident George Washington unter maurerischem Ritus den Grundstein legte. 1769 kam es zur Vereinigung der St. Andrews Lodge in Boston mit mehreren englischen Militärlogen der Ancients zur Großloge von Massachusetts. Als Großmeister für Boston, Neu-England und einen Umkreis von 100 Meilen fungierte Joseph Warren, der später im Unabhängigkeitskrieg in der Schlacht von Bunkerhill fiel. 1773 verlieh ihm der Schottische Großmeister den Titel eines Großmeisters für den amerikanischen Kontinent.

1872 verlegte die Südliche Jurisdiktion des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus ihren Sitz nach Washington in das House of the Temple. George Washington profilierte sich als hervorragender Kämpfer für die amerikanische Unabhängigkeit und wurde der erste Präsident der Vereinigten Staaten.

Freimaurer wurde er 1752 in der „Fredericksburg Lodge No. 1“ in Virginia. Im Jahre 1778 übersiedelte er nach Philadelphia und nahm dort an der berühmten Johannistagprozession der Großloge von Pennsylvania teil. Er soll während der ganzen Amerikanischen Revolution sehr viele Logen besucht haben, was auf sein freimaurerisches Engagement hinweist. 1788 wurde er Stuhlmeister der Loge „Alexandria“ in Virginia und blieb dies auch in seiner Zeit als Präsident der Vereinigten Staaten. Bei seiner Übernahme des Präsidentenamtes leistete er 1789 den Eid auf die Bibel der St. John’s Lodge No. 1 in New York. Den Eid nahm der Kanzler und gleichzeitige Großmeister der Großloge von New York, Robert R. Livingston ab, und General Jakob Morton, der bei der Zeremonie als Marshall fungierte, war Großsekretär und Stuhlmeister der St. John’s Lodge.

Einer der Biografen Washingtons, Sidney Hayden, verglich das öffentliche und private Leben des amerikanischen Präsidenten mit den Zielen der Freimaurerei und betonte, dass er von der freimaurerischen Übung sehr geprägt wurde: „Die Tugenden, die den Menschen veredeln, werden in der Freimaurerei gelehrt, geehrt und gepflegt; sie fördern das häusliche Leben und sind die Normen für die höchsten Pflichten des Staatsmannes.“ Nach Washington waren noch weitere Präsidenten auch als Freimaurer tätig, wie Andrew Jackson (1829-1837), Theodore Roosevelt (1901-1909), William Howard Taft (1909-19013), Warren Gamaliel Harding (1921-1923) und Harry S. Truman (1945-1953).

Die unveräußerlichen Rechte des Menschen wurden als Grund des Staatsrechtes zuerst 1776 in der von Freimaurern beeinflussten Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Nordamerika festgeschrieben: „Wir erachten es als selbstoffenbare Wahrheit, dass alle Menschen gleich geschaffen sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt sind; dass zu diesen Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehöre; dass, diese Rechte zu sichern, Regierungen unter den Menschen eingesetzt sind, welche ihre gerechten Befugnisse von der Einwilligung der Regierten ableiten, dass, sooft eine Regierungsform gegen diese Zeile zerstörend wirkt, es das Recht des Volkes ist, sie zu ändern oder abzuschaffen, eine neue Regierung einzusetzen und sie auf solche Grundsätze zu bauen, ihre Befugnisse solchergestalt einzurichten, als sie ihn am meisten geeignet erscheint, seine Sicherheit und sein Glück zu bewirken“.

In der „Erklärung der Menschenrechte der Französischen Revolution vom 13. September 1791, stark beeinflusst von der amerikanischen Erklärung und auf Initiative des Freimaurers Lafayette angenommen und zuerst in der Loge in Aix-en-Provence konzipiert, heißt es: „Alle Menschen sind von Natur frei und unabhängig. Jede Regierungsgewalt gehört allein dem Volke, die Behörden sind weiter nichts als die Bevollmächtigten und Diener desselben und ihm zu jeder Zeit verantwortlich.“

„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“

In der Revolutionsparole „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ sind die Menschenrechte und deren Ausprägungen enthalten und besonders stark in der französischen Freimaurerei verankert. Die Großloge von Wien gründete die österreichische Liga für Menschenrechte. Die tschechische Liga für Menschenrechte ist z. T. auch von Freimaurern konstituiert worden. Die Vereinten Nationen haben die Menschenrechte 1948 in ihre Satzungen aufgenommen und am 10. Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte erlassen. Die Menschenrechte sind heute trotz unterschiedlicher Menschenbilder zur grundlegenden und weltweit gültigen politischen Idee geworden. Sie bieten die Mindeststandards für die rechtliche, politische, soziale und ökonomische Lage von Menschen. Allerdings sind sie nicht überall auf der Welt tatsächlich respektiert bzw. durchgesetzt, aber kaum ein Regierungsvertreter oder Staat wagt es noch, die Menschenrechte prinzipiell infrage zu stellen. Natürlich gibt es in Bezug auf die Menschenrechte entgegengesetzte Positionen und verschiedene Deutungen der Menschenrechtsidee, wie z. B. eine asiatische „Interpretation“ gegenüber der dominierenden westlichen „Deutung“, die weniger individualistisch orientiert ist, oder eine islamische „Interpretation“, die die Begründung der Menschenrechte in der Scharia für unverzichtbar hält. Trotzdem sind die Auseinandersetzungen für Menschenrechte zu einem global bestimmenden politischen Emanzipationsmodell geworden.

Die Menschenrechte gehen in der Geschichte relativ weit zurück. Sie sind von Philosophen, Juristen und Theologen bereits im 17. Jahrhundert als Kern eines neuzeitlichen Naturrechts bezeichnet und von der Amerikanischen Revolution und den späteren bürgerlichen Revolutionen feierlich proklamiert worden. Die Landesfreiheiten, die in vielen Ländern des Mittelalters gewährt wurden, waren nicht Freiheiten des Menschen, sondern der Stände und der Korporationen. Dies trifft auch auf die Magna Charta von 1215 zu, mit der die Geschichte der englischen Freiheit einsetzte und die ihre Freiheiten nur der ständischen Korporation gab. Sie ist aber eine Basis zur späteren Entwicklung der individuellen Menschenrechte. Zu erwähnen wären hier vor allem die „Petition of Rights“ von 1628 und die berühmte „Habeas-Corpus-Akte“ von 1679. Zehn Jahre später brachte die Glorreiche Revolution in England die „Bill of Rights“ hervor.

Von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung der Menschenrechte war zweifelsohne die berühmte Erklärung der Unabhängigkeit von 1776 in den USA, in der ausdrücklich betont wurde, dass die Menschen mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet seien. So hat die Kolonie Virginia ihrer Verfassung eine besondere „Bill of Rights“ vorangestellt, „die vom gleichen Grundgedanken der natürlichen Freiheit und Gleichheit und vom unveräußerlichen Recht des Menschen auf Leben, Freiheit, Eigentum und Glück ausgehend im Einzelnen festlegt, auf welche Weise diese Rechte gesichert werden sollen“.

Illuminatenorden

Im 18. Jahrhundert entstanden neben der Freimaurerei auch politische Geheimbünde, die zwar z. T. die Freimaurerlogen beeinflussten und ihre Organisationsstruktur sowie Symbolik (manchmal in geänderter Form) übernahmen, aber sich aufgrund ihrer konspirativen Zielsetzung doch von ihr unterschieden. Besonders deutlich tritt der politische Aspekt in der Spätaufklärung und besonders im ausgehenden 18. Jahrhundert hervor, wo ausgesprochen politisch orientierte Geheimgesellschaften entstanden sind, die einen politisch-ideologischen Kern besaßen. Die Freimaurerei pflegte dagegen stärker hermetisch-esoterische Traditionen, war aber auch den Ideen der Aufklärung mitverpflichtet. Zu erwähnen wären hier der Geheimbund der Illuminaten (1776), die Bruderschaft der Gold- und Rosenkreuzer (1710) und der Geheimbund der Carbonari (ausgehendes 18. Jahrhundert).

Die Ziele des Illuminatenordens, der 1776 von Adam Weishaupt, Professor für Kanonisches Recht an der Universität Ingolstadt, gegründet wurde, waren eingebunden in einen universalen geschichtsphilosophischen Begründungszusammenhang, wonach die Aufklärung als eine Entwicklungsstufe eines naturwüchsigen Geschichtsprozesses verstanden wurde, dessen Ursprung in einem vorhistorischen Naturzustand lag. Ziel dieses Geschichtsprozesses war ein Endzustand, der sich mit dem Ausgangspunkt der Gesellschaft, dem Naturzustand, deckte. Dabei handelte es sich um eine kosmopolitische Weltordnung ohne Staaten, Fürsten und Stände. Die Aufklärer, die sich – wie der Illuminatenorden – zu organisieren begannen, fassten die Wiederherstellung der menschlichen Rechte und die Förderung von Aufklärung und Moral ins Auge, um so jegliche Herrschaft langsam abzubauen. Die Vernunft sollte das „alleinige Gesetzbuch der Menschen“, das Menschengeschlecht „dereinst eine Familie und die Welt der Aufenthalt vernünftiger Menschen“ werden.

Unter Aufklärung verstand Weishaupt weniger eine geistige Bewegung als vielmehr eine moralische und politische Qualität. Sie war bei ihm nicht identisch mit theoretischen abstrakten Problemen, sondern verändert Menschen und ihre Gesellschaft, trägt zur Vervollkommnung der Menschen bei und bessert das „Herz“. Die Moral wird bei ihm mit der Lehre Jesu und seinen Jüngern gleichgesetzt. Sie führt die Menschen zur höchsten Vollendung. Die christliche Forderung der Nächstenliebe und der Gütergemeinschaft reflektiert nach seiner Auffassung den Naturzustand des Menschen und ermöglicht erst die Freiheit. Unverkennbar schließt sich hier Weishaupts Lehre an das utopische Potenzial der christlichen Botschaft an. Durch die aufkommende Fürstenherrschaft, den weltlichen Despotismus und die zunehmende Zivilisation wurde jedoch das menschliche Naturparadies zerstört, und die Priesterherrschaft, der geistliche Despotismus und die Theokratie haben die Lehre Jesu depraviert.

Die wesentlichste Aussage des Urchristentums sei in der „Hülle der Freimaurerei“ erhalten geblieben, zumal diese durch die Verbreitung der Lehre Jesu und der Aufklärung der Vernunft ein tätiges Christentum verkörpere. Die Freimaurerei habe sich aber im Laufe der Zeit durch Eigennutz und die Erfindung von neuen Graden, Goldmacherei und Zeremonien von ihrer ursprünglichen Idee so weit entfernt, dass die Illuminaten Vernunft und Moral retten mussten. Letztlich wollte der Orden, den die menschliche Natur depravierenden Despotismus überwinden und einen kosmopolitischen Republikanismus errichten, in dem die aufgeklärte Vernunft den Naturzustand des Menschen von Gleichheit und Freiheit wiederherstellen werde. Damit wurde zum ersten Mal unter Berufung auf die Aufklärung der Geltungsanspruch vernünftiger Normen auf den staatlichen Bereich erweitert und in der Forderung nach einem Vernunftstaat eine politische Utopie konzipiert, die die politische Seite des aufgeklärten Denkens nun auch verwirklichen sollte.

Anfang 1780 begann sich der Orden, der ursprünglich ein geheimer Studentenbund war, über Bayern hinaus zu verbreiten. Mit dem Eintritt Adolph Freiherrn von Knigges wurde er neu strukturiert und durch eine Reform des Ordenssystems gestärkt. Knigge konnte durch unermüdlichen Einsatz und zahlreiche persönliche Beziehungen dem Orden weitere Mitglieder zuführen. Die Ziele, die der Freiherr verfolgte, waren darauf gerichtet, eine stärkere Verbindung zwischen dem Orden und der Freimaurerei herzustellen, weshalb er die Unterwanderung der bestehenden Logen und die Einverleibung in den eigenen Orden vorsah.

In das Gradsystem des Illuminatenordens wurde daher die Freimaurerei bewusst als zweite Klasse aufgenommen, weil dies der Absicht entgegenkam, die bestehenden Logen systematisch zu unterwandern. Die Freimaurerei sollte auf diese Weise stärker für die politischen Ziele des Illuminatenordens eingesetzt werden. Für diese bewusste Unterwanderung war vor allem Weishaupt, während Knigge, der sehr enge Kontakte zur Freimaurerei unterhielt, für eine Vereinigung beider Gesellschaften eintrat, um seinen freimaurerischen Reformplan, die Strikte Observanz zu reinigen, besser realisieren zu können.

Auf dem Höhepunkt seines Aufbaus umfasste der Illuminatenorden 600 bis 700 Mitglieder in ganz Deutschland, die sich größtenteils aus Beamten, Professoren und Weltgeistlichen, darunter auch ein hoher Anteil an Adeligen, zusammensetzte, während Kaufleute und Kleinbürger unterrepräsentiert waren. Die verschiedenen Gegensätzlichkeiten, persönlichen Kämpfe und die Aufdeckung sowie Verfolgung 1784/85 führten schließlich zum Verfall und zur Auflösung des Geheimbundes. Mit der Aufdeckung des Ordens bekam die reaktionäre Entwicklung in Deutschland neuen Auftrieb und zudem den Beweis in die Hand, dass die Aufklärung religions- und staatsfeindlich eingestellt war. So wurden die Illuminaten als politische Feinde des bestehenden Systems denunziert und nach 1789 als Jakobiner und Urheber der Französischen Revolution verketzert. Schüchterne Wiederbelebungsversuche, wie z. B. Carl Friedrich Bahrdts „Deutsche Union“, blieben nur kurze Erscheinungen.

Der wesentlichste Unterschied zwischen dem Illuminatenorden und der Freimaurerei lag trotz personeller Verknüpfung im Charakter und der Zielsetzung beider Gesellschaften. Die Freimaurerei war in erster Linie eine esoterische Gemeinschaft ohne Ideologie, die Rituale und Symbole sehr betonte, während der Geheimbund der Illuminaten ein rational-aufgeklärtes System mit ideologisch-politischer Zielsetzung besaß. Daher ist der Illuminatenorden stärker den politischen Geheimbünden zuzuordnen. In der Zeitschriften „Eudämonia“ von 1796 hieß es über die Illuminaten, dass die Absichten dieses „abscheulichen Bundes“ darauf ausgerichtet seien, „die Altäre umzustürzen, die Throne zu untergraben“ und die Moral zu verletzen, die gesellschaftliche Ordnung in Frage zu stellen und jede bürgerliche und religiöse Einrichtung zu zerstören.

Verschwörungstheorie

Diese als „Verschwörungstheorie“ in die Forschung eingegangenen Vorstellungen eines weiten Netzes radikaler Wühlarbeit des Illuminatenordens haben sich heute als konterrevolutionäre Erfindung herausgestellt, was sich am Beispiel des Illuminatenordens anschaulich belegen lässt. Der Geheimbund der Illuminaten hat allerdings die gewaltsame Revolution abgelehnt, da er die Herrschaft der Moral auf konspirativem Weg erreichen wollte, ohne den absolutistischen Staat revolutionär zu bedrohen.

Zwischen der älteren Rosenkreuzerbewegung und der im 18. Jahrhundert entstandenen Bruderschaft der Gold- und Rosenkreuzer bestand kein direkter Zusammenhang. Der erste Hinweis auf die Gold- und Rosenkreuzer ist eine Schrift von Sincerus Renatus (Samuel Richter) aus dem Jahre 1710. Ab diesem Zeitpunkt gab es die Verbindung von Rose und Kreuz mit dem Gold, die die Zweiteilung rosenkreuzerischen Geheimwissens in Theologie und Philosophie zum Ausdruck brachte und das im „Stein der Weisen“ zu einer Einheit zusammengeführt wurde.

Die älteste Quelle über die Gold- und Rosenkreuzer-Bruderschaft stammt aus dem Jahre 1761. Sie enthält Statuten, ein Ritual und wurde zum Teil wörtlich aus der 1749 in Leipzig herausgekommenen Schrift des Johann Heinrich Schmidt, der sich Hermann Fictuld nannte, abgeschrieben. Vor 1767 bestand die Bruderschaft organisatorisch aus einem Kaiser und Vizekaiser, die aber nach der Ordensreform nicht mehr erwähnt wurden, und aus sieben Klassen, die sich aus 77 Magi, 700 Majoratsmitgliedern, 1000 Adepti Exemti, 1000 Jüngern und aus dem jüngst Aufgenommenen zusammensetzten. Der Orden wurde 1764 durch die Aufhebung des Prager Zirkels öffentlich bekannt. Aus diesem Kreis existierte bereits eine enge Verbindung zwischen den Rosenkreuzern und der Freimaurerei.

Das Eindringen der Rosenkreuzer in die Freimaurerlogen

Das Eindringen der Rosenkreuzer in die Freimaurerlogen wurde vor allem durch das Hochgradsystem begünstigt, das sich gegen die aufgeklärten Ziele der Freimaurerei richtete. Die Rosenkreuzer gaben sich innerhalb dieses Systems als die höchste Stufe der Freimaurerei aus. Das Herrschaftssystem des Ordens wurde durch eine Hierarchie des Wissens ideell gefestigt, die vom freimaurerischen Hochgradsystem beeinflusst war.

Es gliederte sich in neun Grade, die dem jeweiligen Stand in der rosenkreuzerischen Ausbildung und der praktischen sowie theoretischen Kenntnis der Lehre der Bruderschaft entsprachen. Das Anliegen des Ordens war religiöser und politischer Natur. Im Zentrum der Philosophie stand eine pansophische Emanationslehre, wonach die Natur ein „Ausfluss der Schöpferkraft Gottes und somit selbst ein Stück Gottheit“ sei. Dazu kam dann später eine starke Politisierung im Zuge des Differenzierungsprozesses der Aufklärung. Dabei standen eine ausgeprägte Personalpolitik und die Bildung einer sozialintegrierenden elitären Gruppe im Vordergrund. Das Beispiel der Politik des preußischen Ministers Johann Christoph von Wöllner zeigt, dass das Anliegen der Rosenkreuzer nach der erfolgten Politisierung des Ordenszweckes religiös orientiert blieb. Die Auseinandersetzung mit der Aufklärung, die den Inhalt der rosenkreuzerischen Politik ausfüllte, war ein Kampf gegen Irreligiosität, Deismus und Naturalismus. Politischen Einfluss gewann der Orden vor allem in Preußen und mit Abschwächung auch in Bayern.

Italienische Geheimgesellschaften

Waren die italienischen Geheimgesellschaften vor der Französischen Revolution noch stark der Ideologie der Aufklärung verpflichtet, so wurden sie nach dem Sturz Napoleons politischer und spielten künftig besonders in der italienischen Nationalbewegung eine Rolle. Der „Köhler-Bund“, die „Carboneria“, entstand in Italien höchstwahrscheinlich durch rückwandernde Flüchtlinge, die in Frankreich oder in der Schweiz von den „Fendeurs“ (Holzfällern) gehört hatten oder vielleicht auch Mitglieder dieses Bundes waren.

Möglich wäre auch, dass die Carboneria in Süditalien mit den „Charbonniers“ der Franche-Comté in Verbindung stand. Schon 1797 musste sich der neapolitanische Polizeiminister Salicetti mit einer „Verschwörung“ befassen, die er als „carbonaristisch“ bezeichnete.

1809 schlossen sich die verstreuten Einzelgruppen der Carbonari-Bewegung in einer ersten Hauptloge „Vendita“ in Capua zusammen. Joseph Bonaparte und Joachim Murat könnten die Carboneria nach Süditalien gebracht haben. Pierre Joseph Priot, einer der politisch engagiertesten „alten“ Jakobiner, hatte sich schon in Frankreich für ein geeintes Italien eingesetzt. Als Kommissar der französischen Regierung auf Elba entfaltete er ein besonderes Interesse für die Armen und Benachteiligten, wurde in Italien bald in Chieti Intendent der Abruzzen und dann in Cosenza Intendent Kalabriens. In beiden Städten übernahm er auch die höchsten Ämter der Freimaurerei. In Frankreich war er Mitglied der „Société secrète des Bones Cousins Charbonnier“, die in der Franche-Comté wirkte. Vielfach wurde Priot als der eigentliche Gründer der neapolitanischen Carboneria angesehen, weil die ersten „Geschäfte“ der Bewegung mit seiner Ankunft in den Abruzzen und in Kalabrien entstanden.

Die Carboneria verbreitete sich schnell unter den Kleinbürgern und Handwerkern der Haupt- und Provinzstädte. Zu dieser raschen Verbreitung trug sicher das einfache Ritual bei, das auf den christlichen Glauben und der Verehrung des Hl. Theobald, des Schutzheiligen der Kohlenhändler, aufbaute. Die Sektionen der Organisation bezeichnete man als „Geschäfte“.

Sie unterstanden sogenannten „Muttergeschäften“, die ihrerseits von einem „hohen Geschäft“ mit Sitz in Salerno oder Neapel abhingen. Es gab die Grade des Lehrlings und des Meisters, die ein philanthropisches, unabhängiges und konstitutionelles Programm vertraten. Noch vor 1818 kam ein dritter Grad, der Großmeister der Carboneria, hinzu, der aber nur wenigen Auserwählten vorbehalten blieb. Dieser Grad propagierte die Landverteilung (lex agraria) und die Gütergemeinschaft. Wegen seiner politischen Stoßrichtung erregte dieses Programm Aufsehen und erzeugte auch Unruhe in den eigenen Reihen, sodass dieser Grad wieder zurückgenommen werden musste. An seine Stelle traten sieben Grade nach dem Vorbild der Freimaurerei und ein neuer Geheimbund, der sich „Guelvia“ nannte. Dieser Bund entstand mit der Absicht, dem ursprünglich radikalen Programm des dritten Grades entgegenzuwirken. Von Neapel aus verbreitete sich die Carboneria im Kirchenstaat, in der Emilia, in der Toskana, in Ligurien, in Piemont und entlang der Seehandelsroute Neapel – Portoferraio – Livorno – Genua.

Die napoleonischen Logen wurden mit der Ankunft der Österreicher in Lombardo-Venetien sofort geschlossen. An ihre Stelle trat jedoch eine Reihe neuer Geheimorganisationen mit politischer Zielsetzung. Im Norden waren es vor allem die von Buonarroti aus Genf angeführten „Adelfi“ und im Süden Italiens der Geheimbund der Carbonari. Neben diesen beiden Organisationen existierten kleinere Bünde, die zum Teil selbstständig oder auf Initiative der beiden großen Gruppen entstanden. Diese bedienten sich der kleineren Bünde, um eigene Aktivitäten zu verschleiern und den Verfolgungen der Polizei zu entgehen. So gab es verschiedene Organisationen, wie z. B. die der „Spillanera“, der „Cavallieri del Sole“ und der „Decisi“, deren Mitglieder nicht wussten, dass sie von größeren Bünden gelenkt wurden. Sie alle verfolgten ein klar umrissenes politisches Ziel: die Errichtung einer Republik oder konstitutionellen Monarchie und die Freiheit sowie Unabhängigkeit vom Ausland. Nach dem Sturz Napoleons bemühten sich die „Adelfi“ in Piemont um eine Rückkehr des Herrschers und des Revolutionärs Buonarroti, bisher ein entschiedener Gegner Napoleons, und unterstützten von Genf und Grenoble aus die Einberufung von Freiwilligen gegen die wiedereingesetzten Bourbonen. Gleichzeitig formierte sich in der Lombardei die erste Verschwörung gegen Österreich, die vor allem von Offizieren des aufgelösten napoleonischen Heeres getragen wurde und bei der sich erstmals die Geheimgesellschaft der „Centri“ hervortat, die den Sturz des österreichischen Gouvernements und die Errichtung einer Monarchie unter Murat oder Viktor Emanuel I. von Savoyen ins Auge fasste. In Italien blieb die politische Situation, wenn man von einigen kleineren Umsturzversuchen absieht, bis zu den großen Unruhen 1820/1821 ruhig.

In Neapel erreichten die unzufriedenen Aufständischen 1820 durch eine von der Carboneria angeregte friedliche Massenkundgebung vom König die Bewilligung einer Konstitution. Die Erhebung der Carbonari unter General Pepe war vor allem gegen die Misswirtschaft König Ferdinands I. gerichtet. Die Aufständischen wollten eine Landesreform und versuchten, die Unruhen auf das übrige Italien auszuweiten. Um dieses Ziel zu erreichen, reisten Emissäre nach Piemont, in die Lombardei und in den Kirchenstaat. Der Umsturz, anfänglich erfolgreich, wurde später von der österreichischen Armee niedergeschlagen, wobei mitentscheidend war, dass das konstitutionelle Parlament in Neapel mehrheitlich aus gemäßigten, alten Anhänger Murats und reichen Großgrundbesitzern zusammengesetzt war, die die politische Macht mit dem Monarchen teilen wollten und den Reformvorstellungen der Carbonari eher skeptisch gegenüberstanden.

Zur selben Zeit brach auch in Piemont eine Revolte aus, um die fremde Besatzung aus Italien zu vertreiben. Sie scheiterte aber, da schon sehr früh Kontroversen unter den Aufständischen ausgebrochen waren. Die Unruhen beunruhigten die Herrscher der Heiligen Allianz in hohem Maße, sodass harte Strafmaßnahmen und Prozesse gegen die Geheimorganisationen folgten. Besonders die Prozesse gegen die Geheimbünde in Lombardo-Venetien deckten die Reichweite des Netzes der „Adelfi“ und „Federati“ auf. Ein schwerer Schlag traf Philippe Buonarroti und seine Organisation, als ein Beauftragter in Mailand verhaftet wurde und das gesamte dokumentarische Material in die Hände der Polizei fiel. Buonarroti wurde daraufhin aus Genf ausgewiesen und flüchtete nach Brüssel. Auch im Kirchenstaat und im Reich beider Sizilien ging die Polizei massiv gegen die Geheimbünde vor. Die Carboneria in Süditalien konnte aber, wie die weitere Entwicklung zeigte, nicht zerschlagen werden.

Schon gegen Ende der 20er-Jahre des 19. Jahrhunderts machten sich in Ober- und Mittelitalien erneut umstürzlerische Bewegungen bemerkbar. 1827 begann Giuseppe Mazzini seine Tätigkeit in der Carboneria als Sekretär des „Geschäfts“ („La Speranza“) in Genua. Er breitete sein Verbindungsnetz von Genua bis in die Toskana und in die Lombardei aus. Auch in Piemont hatten Gruppen der Carboneria mit Exilierten Kontakt aufgenommen, die im Ausland zum Teil alte Organisationen der Carboneria wieder aufbauten, teils neue Organisationen gründeten und in Brüssel in enger Verbindung zu Buonarroti standen. Unter den wiedererrichteten Geheimgesellschaften überwog die Carboneria, mit der die Erinnerung an den Aufstand in Neapel 1820/21 eng verbunden blieb. Beim Ausbruch der französischen Julirevolution 1830 eilte Buonarroti nach Paris, wo er mit den Revolutionären Kontakt aufnahm. Gemeinsam mit anderen Immigranten gründete er Anfang 1831 die „Giunta liberatrice italiana“, die ein geeintes Italien unter dem Zeichen demokratischer Freiheit anstrebte. Auch in Mittel- und Norditalien kam es zu neuen Aufständen. In Genua wurde von der Polizei eine Verschwörung der Carboneria aufgedeckt und ihr führender Kopf, Mazzini, konnte dabei verhaftet werden. Weitere Unruhen brachen in Florenz und in Modena aus, doch alle diese Aufstände wurden, wie schon vorher, durch den österreichischen Eingriff und strenge Polizeimaßnahmen niedergeschlagen.

Zahlreiche Patrioten fanden in Frankreich Exil, von wo aus sie auf eine Wiederaufnahme der revolutionären Aktivitäten hofften. Mazzini plante während seiner Gefängniszeit eine neue Vereinigung, die, um den Nachstellungen der Polizei zu entgehen, auf die bisher erprobten Methoden der Geheimgesellschaften verzichten sollte. Er war der Überzeugung, dass Riten und Zeremonien einem offenen Gespräch aller Mitglieder im Wege stünden. Sein Motto lautete: „Überlegung und Aktion.“ Als er sich 1831 entweder für einen Zwangswohnsitz oder für das Exil entscheiden musste, wählte er Letzteres und ging nach Marseille, wo er die Vereinigung „Giovine Italia“ gründete. Ihr Programm umfasste den Kampf für ein von Fremdherrschaft befreites Italien und eine durch ein allgemeines Wahlrecht errichtete einheitliche demokratische Republik. Das „Junge Italien“ trug bereits Züge einer modernen politischen Partei und verdrängte langsam die Carbonari-Bewegung in Italien. Buonarroti, der zunächst mit dieser neuen Vereinigung zusammenarbeiten wollte, leitete aufgrund ihres Erfolges gezielt Gegenmaßnahme ein und gründete eine neue, nur für Italien bestimmte Geheimgesellschaft („Veri Italiani“), die zwar auf die äußeren Formen der Carboneria verzichtete, dennoch aber an den Grundsätzen einer geheimen Lenkung und eines sozial-revolutionären Umsturzes in Italien festhielt. Diese Neugründung hatte zudem die wichtige Aufgabe, der italienischen Nationalbewegung eine sozialistische Prägung zu geben. Die Unterschiede der beiden Organisationen und ihrer Mentoren, Mazzini und Buonarroti, traten dabei immer deutlicher hervor und steigerten sich bis zum offenen Bruch 1833.

Diese hier aufgezeigten Beispiele über den politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Einfluss der Freimaurerei auf das 18. Jahrhundert zeigen, dass die Freimaurerei im Entwicklungsprozess des 18. Jahrhunderts nicht ohne gewisse Wirkung geblieben ist. Sie konnte z. T. die Gesellschaft zumindest indirekt mit ihren humanitären Zielen beeinflussen. Man sollte aber ihre Bedeutung in diesem Zusammenhang nicht überschätzen.

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