Cagliostro

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Cagliostro

Alexander, Graf v., eigentlich Josef Balsamo, * 1743 in Palermo, t 1795 im papstlichen Gefängnis San Leone, der "Erzzaüberer", einer der ganz großen und wohl der geistreichste Hochstapler des 18. Jahr hunderts, der seine Bedeutung neben zweifellos vorhandenen okkulten Fähigkeiten der Leicht glaubigkeit und dem mystischen Bedürfnis des Adels seiner Zeit verdankte. Im Verein mit seiner Geliebten, späteren Frau, Lorenza Feliciani, deren schöner Körper nicht selten als Lockspeise diente, verstand er es, durch sein imponierendes Auftreten, jahrelang als Magier, Heilkünstler und Prophet gleich seinem Kollegen, dem Grafen St. Germain, die so genanate gute Gesellschaft in seinen Bann zu ziehen. In einem 1910 erschienenen englischen Werk: "Cagliostro", the Splendour and Misery of a Master of Magic" versucht W. R. H. Trowbridge eine posthume Ehrenrettung des großen Abenteurers. Er halt vor allem die erst in der letzten Lebenezeit C.s behauptete Identität mit Josef Balsamo, der ein Schwindler und Falscher war, nicht für erwiesen und glaubt, daß C. nicht nur der ihm vorgeworfenen Betrugereien nicht fähigs sondern im Gegenteil ein arg mißbrauchter "Seher" gewesen sei, eine Anschauung, in der ihm Henry Ridgely Evans ("Cagliostro and his Egyptian Rite of Freemasonry", New York) folgt.

Ob C. wirklich in eine Freimaurerloge aufgenommen wurde, ist fraglich. Theveneau de Morande, einer seiner heftigsten Gegner, behauptete 1786 im"Courrier de l'Europe", die Aufnahme sei 1777 in der Londoner Loge "L'Espérance" erfolgt, die in London in der King's Head Tavern in Gerard Street, Soho zusammenkam. C. habe sich bei dieser Gelegenheit "Josef C. Oberst des 3. brandenburgischen Regiments ' genannt. Man hat aber für diese Behauptung keinen urkundlichen Beweis finden können, ebensowenig für die Angabe von Clavel, C. sei in Deutschland aufgenommen worden. Dieser selbst bestätigte die Angabe von Morande in etwas zweideutiger Weise in "Letter to the English People". Jedenfalls wurde er von den Freimaurern seiner Zeit allgemein als Br. betrachtet und hatte überall (auch in England) Zutritt zu den Logen. (B. Ivanoff, A. Q. C. XLII, 47148.)

Um 1775 begrundete C. eine eigene Freimaurerei, die er die ägyptische nannte und die von da an zum System seiner Hochstapeleien gehörte. In diesem ägyptischen Ritus verfocht er vor allem den Grundsatz, daß auch Frauen in den Orden aufgenommen werden müßten. Eine Loge, die er im Haag stiftete und deren Großmeisterin seine Frau wurde, war hauptsachlich für Damen bestimmt. 1779 war er in Mitau und nasführte dort den kurlandischen Adel in seinen "Adoptionslogen", bis ihn die kluge Elisabeth von der Recke (s. d.) durchschaute. Im Archiv der Rigaer Stadtbibliothek finden sich zwei Meisterpatente der Loge d'Adoption des trois Coeurs couronnés" und der ,.Loge d'Adoption des trois Epées couronnées". deren eines von C. unterzeichnet ist. Ein Versuch, auch in Petersburg unter dem Schutz von Katharina II. sein System zu verbreiten, mißlang, da die Grafin Recke die Kaiserin gewarnt hatte. Infolgedessen konnte er bei einer Seance in der Wohnung des Fursten Gagarin entlarvt werden. Der Kaiserin aber war dies Anlaß, drei Spottkomödien zu schreiben. den "Sibirischen Zaüberer", den "Betrüger" und den "Verblendeten", in denen sie den Schwindel C. s und and erer Hochstapler auf die ganze Freimaurerei übertrug.

Sein wahres Glück machte C. eine Zeitlang in Frankreich wo er vor allem den Straßburger Kardinal-Erzbischof Prinz Louis Rohan an sich zu fesseln wußte (1780). Mit dessen Hilfe fand sein Ägyptischer Ritus einen so ausgezeichneten Nährboden, daß der Großadministrator des Grand Orient de France, Herzog von Luxembourg, die Wurde eines Großmeister-Protektors annahm. In Lyon und später in Paris grundete C. "Adoptions-Mutterlogen der hohen Ägytischen Freimaurerei" . An der Spitze stand der "Groß - Kophta" der manchmal als "Unbekannter Oberer" bezeichnet wurde, sich zumeist aber in C selbst verkörperte. Allen, die daran glaubten, wurde "Vollkommenheit durch physische und sittliche Wiedergeburt" versprochen. Wer die physische Wiedergeburt erlangen wollte, der mußte sich im Vollmonde des Maimonats aufs Land begeben, sich dort in ein Zimmer verschließen und 40 Tage lang mit magerer Kost begnugen. Er mußte sich wahrend dieser Zeit ein paar Mal etwas Blut abzapfen lassen, durfte nur destilliertes Wasser trinken und hatte nach und nach ein paar Tropfen "Materia prima" einzunehmen. "Am 39. Tage bekommt er zehn Tropfen vom Balsam des Großmeisters, und am 40. Tage geht er völlig verjungt und wiedergeboren nach Hause".


Wer aber die moralische Wiedergeburt erlangen wollte, hatte in ein besonders dazu eingerichtetes Haus zu ziehen. Auch dieses Haus durfte er wahrend 40 Tagen nicht verlassen "Wahrend dieser Zeit werden die geheimnisvollen Arbeiten verrichtet. Am 33. Tage kommen die sieben ersterschaffenen Engel und drücken eigenhandig ihre Sigille und Chiffren auf ein Stuck Pergament, das vorher auf besondere Weise zübereitet worden ist. Am 40. Tage sind die Engel mit dieser Arbeit fertig und geben jedem ihrer Lieblinge ein Pentagon. Wer dies empfängt, dessen Geist wird von göttlichem Feuer erfüllt, seine Einsichten werden unbegrenzt, seine Macht unermeßlich, er strebt von nun an nur nach Ruhe und Unsterblichkeit um von sich sagen zu können: Ich bin, der ich bin".

Für Frauen und Manner bestanden gesonderte Abteilungen. Männer konnten nur Aufnahme finden, wenn sie den Meistergrad einer Freimaurerloge besaßen, doch vollzogen die C.sehen Gründungen auch selbst die Weihe zum Lehrling, Gesellen und Meister. Das Ritual war reichlich okkultistisch. Man nahm lange an, C. habe es selbst erfunden- nach dessen eigenen Äußerungen beruhte es auf der Handschrift eines gewissen George Coston in London. John Yarker ("Arcane Schools") behauptete, daß der Ritus im wesentlichen mit jenem des französischen Kabbalisten Pasqually (s. d.), also den "Elus Coëns", übereinstimme daß Coston mutmaßlich ein Schüler von Pasqually gewesen sei. C. hat also wohl nicht viel anderes getan, als dieses System für seine Zwecke adaptiert, wobei, namentlich auch in den Außerlichkeiten, der "ägyptische" Charakter besonders hervorgehoben wurde. Die Kandidaten galten als Sucher der "wahren Maurerei der ägyptischen Weisen". Eine große Rolle spielte die heilige Sieben (sieben Engel entsprachen den sieben Planeten, und der Kandidat wurde in sieben "philosophischen Operationen" unterwiesen). Die Ordensdevise lautete reichlich dunkel : "Qui agnoseit martem, cognoseit artem". Die Symboldeutung wu ganz okkultistischer Natur. Im Mittelpunkt der höchsten Grade standen die Zaüberkiunste des Wundermanns.

In Paris, wo C. 1785 anlangte, richtete ihm der Kardinal Rohan ein haus mit einer ägyptischen kammer" ein. Houdon, der berühmte Bildhauuer, verewigte ihn in Marmor. Auf Stichen von Bartolozzi wurde er als der große Menschenfreund gefeiert; man nannte ihn gar den göttlichen C.". Die "Philaleten" (s. d) die in diesem Zeitraum ihren internationalen Freimaurerkongreß abhielten, luden ihn zur Teilnahme ein. Er sagte zunächst zu und versprach. den Versammelten die Geister vor zuführen , die Mittelglieder zwischen dem Menschen und dem Schöpfer seien. Dann verlangte er aber, daß man seinen Ritus annehme, zur Lyoner Mutterloge seines Systems ("Sagesse Triomphante") übertrete und die Archive der auf dem Kongreß vertretenen "irregularen" freimauerischen Systeme verbrenne; nur dann könne er "einen Lichtstrahl in die Dunkelheit ihres Tempels leuchten lassen. Der Baron von als Unterhandler suchte C. zu billigeren Forderungen zu bewegen. Dieser gab and aber nicht nach. Schließlich reisten drei Philaleten nach Lyon und ließen sich dort in den ägyptischen Ritus aufnehmen. Trotzdem ihr Urteil gunstig ausfiel, schlugen die Verhandlungen schließlich doch fehl. Kurze Zeit später wurde C. unschuldig in die beruchtigte Halsbandgeschichte verwickelt und nach seinem Freispruch auf Befehl des Königs ausgewiesen. Damit begann sein Stern zu verbleichen, zumal der "Courrier de l'Europe" ihn nun aufs heftigste angriff. Das führte, nach Trowbridge, dazu, daß die Londoner Freimaurer, die ihn zuerst freundlich aufnahmen, dann vollstandig fallen ließen, was namentlich in einer Arbeit der Lodge of Antiquity (1. November 1786) seinen Ausdruck fand. Die Ablehnung (und Verspottung durch den Optiker March), der er hier begegnete, ist in einer Karikatur von Gillray von 1786 ("A Masonic Anecdote") festgehalten. Nun wollte C. sein System mit jenem Swedenborgs verbinden. In einem Inserat des "Morning Herald" rief er alle wahren Maurer im Namen Jehovas auf, zu einer Versammlung in O'Reilly's Tavern in Great Queen Street zu erscheinen, um dort einen neuen Tempel, ein neues Jerusalem zu errichten Bemerkenswerterweise lag dieses Gasthaus gegenüber dem Großlogenhaus.

Die Bemühungen blieben erfolglos; C. reiste ruhelos umher und suchte schließlich mit seinem ägyptischen Ritus in Rom Fuß zu fassen. Am 27. Dezember 1789 wurde er aber von den Organen der lnquisition festgenommen . In seinem Prozeß vor dem Gerichtshof der Inquisition suchte er sich auf die Illuminaten (lies: Freimaurer) auszureden, die ihn auf seinem Irrweg vorwärtsgetrieben hatten. Im Kellergewölbe eines Landhauses bei Frankfurt a. M. habe man ihn zum Illuminaten und ohne sein Vorwissen auch gleich zu einem der zwölf Großmeister gemacht. Ein mit Blut geschriebener Eid habe ihn zur Tötung aller Despoten verptlichten wollen. Die freimaurerisch-illuminatischen Machenschaften seien in erster Linie gegen Frankreich gerichtet gewesen, aber sie würden weitergehen. In den europaischen Banken lägen große Summen bereit. Nicht weniger als 180.000 Freimaurer müßten für die revolutionären Zwecke jahrlich je 100 Goldfrancs zur Verfugung stellen, von 20.000 Logen in Amerika und Europa langten jeweils am Johannisfest zusammen weitere 500.000 Louis d'0r ein. Die Inschrift eines bei ihm gefundenen Siegels L. P. D. deutete C. mit "Lilia destrue pedibus", "zertritt die Lilien (der Bourbonen) unter den Fußen!" Dieser reumütige Schwindel rettete C. den Kopf. Er wurde zwar wegen Häresie, Zaüberei und Freimaurerei zum Tode verurteilt, aber dann zu lebenslanglichem Zuchthaus begnädigt. Im Urteil der Inquisition wird unter Berufung auf die Bullen von Clemens XII. und Benedict XIV. ausdrucklich auf die freimaurerische Betätigung des Scharlatans hingewiesen. Durch das Verdikt wurde auch ein C abgenommenes Manuskript "ägyptische Maurerei" feierlich dem Henker zur öffentlichen Verbrennung überliefert. Zu seinem Stuck "Joseph Balsamo" hat Alexander Dumas (Pere) einen szenischen Prolog geschrieben: "La Réception de Balsamo chez les Franes-Maçons", der, bei der Uraufführung (und auch später) weggelassen, 1778 vom "Figaro" publiziert und 1924 von Coté - Darly in einem Neudruck (Paris, "Symbolisme") herausgebracht wurde. Welchen Zaüber die Gestalt des Abenteurers auf seine Zeitgenossen àusubte, zeigt die Anteilnahme Goethes an seinen Schicksalen. Er hat wahrend seiner Italienreise 1787 in Palermo Nachforschungen nach C. angestellt, bei einem Rechtsanwalt den Stammbaum feststellen lassen und auch die Familie besucht. Er gab sich dabei als Engländer, Mr. WiIton, aus und erhielt von der Mutter und den Geschwistern einen Brief an den zur Zeit in London weilenden C. mit. Diesen Besuch behandelt Goethe nicht nur in der "Italienischen Reise" (Palermo 13./14. April 1787), er kam auch noch 1792 in einem in der Freitagsgesellschaft gehaltenen Vortrag darauf zurück. ("Des Joseph Balsamo, genannt Cagliostro Stammbaum. Mit einigen Nachrichten von seiner in Palermo noch lebenden Familie.") Das Interesse der Weimarer Gesellschaft kommt auch zum Ausdruck in der von Jagemann, dem Bibliothekar der Herzogin Anna Amalia besorgten deutschen übersetzung aus einem Auszuge der Prozeßakten gegen C. ("Compendio della vita e delle gest di G. Balsamo, denominato il Conte C.", Rom. 1791.) Goethe hatte sich schon 1780 eifrig mit der rätselhaften Figur des C. beschäftigt, als er vom Besuche Lavaters bei dem großen Magier erfahren hatte. Er schrieb 1781 dringlich an Lavater, er solle ihm ein Wort "aus der ganzen Tiefe" sagen. Aber schon kurz hinterher (18. März) fällt er das Urteil, "Narr mit Kraft und Lump sind nah verwandt". Der Besuch der Elisabeth von der Recke, die er durch Bode kennenlernte, bestätigte sein verdammendes Urteil. Als er nun von dem die Hofgesellschaft begreiflicherweise sehr erregenden Halsbandskandal hörte, suchte er in einem Opern texte Befreiung. Diese Oper sollte "Die Mystificierten" heißen. Reichardt (s. d.) sollte die Musik schreiben Neuerlichen Anstoß; zur Beschäftigung mit dem Thema gab ihm die Übernahme der Leitung der neuen Hofbühne Und so entstand das Lustspiel "Der Großcophta". Auch in der "Kampagne in Frankreich" findet C. seinen Platz. Goethe schildert, wie ihn schon 1785 die Halsbandgeschichte wie das Haupt der Gorgo geschreckt habe. Aber es waltete kein froher Geist über dem "Großcophta". Bei der Aufführung "fühlte sich ein grober, respektabler Teil des Publikums entfremdet sowie das weibliche Zartgefühl vor einem verwegenen Liebesabenteuer entsetzt".