Abbé Barruel Teil 4

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Abbé Barruel Teil 4

Bearbeitung von Roland Müller

Abbé Barruel: Denkwürdigkeiten

Teilstück IV: Hermetische, kabalistische und ecclectische Freimaurerei

Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Jakobinismus (frz. 1797-1798; dt. 1800-1803) Zweyter Theil

Eilftes Kapitel.

Neue Beweisthümer über das System und die Mysterien der Hinterhalts-Maurer.

Seiten 312-339

Um den ganzen Umfang des Systems, und der Hinterhalts-Logen der Freymaurerey zu beurtheilen, wollen wir in diesem Kapitel zwey wesentliche Resultate zusammenstellen; erstlich, das des allgemeinen Lehrgebäudes der gelehrtesten und eifrigsten Maurer; zweitens, das ihrer Meinungen über den Ursprung ihrer Societät selbst.

Die freymaurerischen Schriftsteller kommen darin alle überein, daß man die Freymaurerey in drey Klassen theilen könne, nemlich in die Hermetische, Kabalistische (welcher die der Martinisten sich anschliesset) und in die Ecclectische [nur hier mit „cc“ geschrieben].

Wenn wir zuerst die Schriftsteller dieser verschiedenen Klassen, über ihr religiöses System, zu Rathe ziehen; so werden wir sehen, daß sie mit den Sophisten unserer Tage in gleichem Falle sich befinden; das ist zu sagen, daß sie in dem Hasse gegen die einzigwahre Religion, gegen den Gott der Offenbarung und des Christenthums übereinstimmen; und daß sie in allem übrigen ihrer religiösen Systeme, oder vielmehr in den Lästerungen und Ausschweifungen ihrer Gottlosigkeit, so einander entgegen sind, als sie insgesammt dem Christenthume entgegen sind.

Das System der hermetischen Maurer, ist zu sagen; derer, die in ihren schottischen Graden insbesondere mit der Chemie sich beschäftigen, ist nichts anders, als der Pantheismus, oder der wahre Spinozismus. Für die ist alles Gott, und Gott ist alles. Dies ist ihr großes Geheimniß, in einem einzigen Wort, in den von den Tempelherren mitgebrachten Stein gehauen. Dies ist ihr Jehova.

Man lese die Vorrede des eifrigen Chavalier [orig. chevalier] de St. André, der uns eine so umständliche Beschreibung von diesen Graden gemacht hat, und man wird wahrnehmen, daß er deren ganzes Lehrgebäude und das Resultat davon in dem Satze des Hermes Trismegistus bestehen macht:

„Alles ist ein Theil der Gottheit; und wenn alles ein Theil davon ist, so ist alles Gott. Alles was mithin geschaffen ist. hat sich selbst geschaffen, und wird nie aufhören zu wirken, denn diese wirkende Kraft kann nicht ruhen; und wie Gott keinen Anfang hat; so hat gleicherweise auch seine Schöpfung weder Anfang noch Ende.“

Dies ist, sagt uns darauf der pantheistische Adepte ausdrücklich, der kurze aber deutliche Inbegrif der ganzen hermetischen Wissenschaft, und also auch derjenigen, die er sich glücklich schätzt, in den hohen schottischen Graden gefunden zu haben. Man glaube ja nicht, daß er den Sinn dieser Ausdrücke, alles ist Gott, zu mildern suche. Nein, seiner Meinung nach, können nur Unwissenheit und Vorurtheil Anstoß daran nehmen.

Man wende ihm auch nicht ein, daß, indem er die Erde, den Himmel, das Sandkorn, das Thier und den Menschen so viele Theile von Gott werden lasse, er die Gottheit selbst theilbar mache; denn er antwortet wieder, daß nur die Unwissenheit nicht einsehe, daß die Millionen und Millionen Theile solchergestalt mit einander verbunden seyn, und solchergestalt einen Gottall [un Dieu tout] ausmachen, daß wenn man ein einziges Theil davon absonderte, man das All selbst, oder den großen Jehova vernichtete.

Wenn der Bruder Maurer sich damit brüstet, ein Theil von Gott, zu seyn, so sagt ihm der Oberpriester der Mysterien: Gleichwie ein jeder Theil des Körpers, z. B. der kleine Finger immer kleiner ist als der ganze Körper; also ist auch der Mensch, obwohl ein kleiner Theil von Gott immer unendlich kleiner als Jehova. Indessen kann der Adepte, welch ein kleiner Theil von Gott er auch seyn mag, im Voraus sich freuen; denn die Zeit wird kommen, wo er mit dem großen All sich vereinigt finden, wo, nachdem alles in Jehova zurückgekehret seyn wird, eine vollkommne Uebereinstimmung eintreten, und der wahre Pantheismus für immer hergestellet werden wird. (Vorrede zu den schottischen Maurer-Graden.)

Der Leser erwartet, ohne Zweifel, von mir keine Widerlegung dieses abgeschmackten und gottlosen maurerischen Systems. Um darzuthun, wie so ganz es der hermetischen Freymaurerey angehöret, mache ich nur bemerklich, daß nicht die Vorrede allein den Gegenstand dieser Art Maurerey uns kennbar macht. Auf die Beschreibung ihres Grades, folgen die Lehrsätze, genannt von Salomon. Es folget ferner, das Urbild der Welt [Monde Archétype]; und alle diese Erfindungen sind bestimmt, dieselbige Gottlosigkeit zu begründen. (Zweiter Theil der schottischen Maurer-Grade. Stockholmer Ausgabe von 1782.)

Man wird uns also nicht beschuldigen, daß wir diesen Zweig der Freymaurerey verlästern, indem wir ihm ein System zuschreiben, welches aus dem Bösewicht, wie aus dem Gerechten, die Gottheit selbst machet, und aus den Frevelthaten, wie aus der Tugend, Wirkungen der Gottheit selbst; ein System überdrein, welches den Bösen wie den Guten, ein gleiches Schicksal verkündiget, nemlich daß sie, die einen, wie die andern, dermahleinst im Schooße der Gottheit sich vereinigt finden, und in Ewigkeit Gott seyn werden, wenn sie aufhören, Menschen zu seyn.

Ohne weniger gottlos zu seyn, hat das System, der kabalistischen Maurer etwas mehr erniedrigendes für den menschlichen Verstand, vorzüglich in einem Seculo, daß sich anmaßet, mit besonderer Auszeichnung, das Seculum des Lichts, das Seculum der Philosophie sich zu nennen. In den Logen der preußischen Rosenkreutzer herrschte dieses System der Kabale, wenigstens vor ihrer Vereinigung mit den Illuminaten. (S. die Briefe von Philo an Spartacus.)

Ich weiß zuverlässig, daß wenige Jahre vor der Revolution, es auch in Frankreich, insbesondere zu Bourdeaux [orig. Bordeaux], das System einiger Rosenkreutzerlogen war.

Um nicht auf das Ungefähr davon zu reden, will ich das Resultat der kabalistischen Lehren anführen, welche neuerlich im Druck erschienen sind, unter dem Titel: das Telescope oder Seherohr, von Zoroaster [1796]. Sie sind einem Prinzen dediciret, den der Verfasser zwar nicht nennet, dessen Renomme uns aber seinen Eifer für dergleichen Mysterien kennbar genug macht. So geleitet, werde ich nicht beschuldigt werden können, den Brüdern fälschlich etwas aufzubürden.

Der Jehova der kabalistischen Logen ist nicht mehr, der Gott Großall. Es ist zugleich der Gott Sisamoro und der Gott Senamira. Zu dem ersten gesellet sich der Genius Sallak, und zu dem zweiten der Genius Sokak. Rückwärts gelesen, heissen diese berüchtigten Worte in der Cabala, Oromasis, oder der gute Gott, und Arimanes, der böse Gott; Man findet weiter Kallus [orig. Kallas] und Kakos; zwey fast ganz aus dem Griechischen entlehnte Worte, wovon das erste Gut bedeutet, und das andere Böse. (S. Telescope von Zoroaster, S. 13.)

Gesellen wir dem Oromasis eine Menge guter Geister, wie er es ist, zu, und dem bösen Arimanes eben so viele solcher Geister, die alle an seiner Bösartigkeit Theil nehmen; so haben wir den Jehova der kabalistischen Freymaurer, ist zu sagen, das große Mysterium von dem in ihren Logen wiedergefundenen Worte, die Religion und den Gottesdienst, die sie an die Stelle des Christenthums setzen. Von diesen guten und bösen Geistern, sind die einen denkende Wesen höherer Ordnung, und diese stehen den Planeten vor, dem Aufgange und Untergange der Sonne, und dem Zunehmen und Abnehmen des Mondes. Die andern sind Engel, Geister unterer Ordnung, aber doch über den Geist des Menschen erhaben. Sie theilen sich in die Herrschaft über die Sterne, und über den Einfluß des Gestirns.

In beiden dieser Ordnungen befinden sich Engel des Lebens, des Sieges, des Glücks; und Engel des Todes und der unglücklichen Begebenheiten. Allen ist das allerverborgenste, der vergangenen, der gegenwärtigen und der zukünftigen Zeit bekannt; und diese großen Kenntnisse können sie den Adepten mittheilen. Um ihre Gunst zu erwerben, muß der kabalische Maurer, was man im gemeinen Leben, das Zauberbuch des Teufelskünstlers zu nennen pflegt, studieren. Er muß die Namen, die Zeichen der Planeten, des Gestirns, und der guten oder bösen Geister, die auf sie wirken, und die geheime Schrift, welche sie andeutet, kennen.

In dem Worte: Ghenelia, muß er, z. B. die aufgehende Sonne erkennen, als eine reine, sanfte und wirksame Verstandeskraft, welche die Geburt, und alle guten natürlichen Neigungen leitet.

Ich will hier das Wörterbuch der Zauberkunst nicht weiter aufdecken, noch weniger die Zirkel, Triangel, das Gemählde, und die Urnen und magischen Spiegel der ganzen Wissenschaft der kabalistischen Rosenkreutzer beschreiben. Der Leser weiß schon genug davon, um den verächtlichsten und abgeschmacktesten Aberglauben darin wahrzunehmen. Er würde nur der niedrigsten Art seyn, wenn der Adepte nicht die Gottesvergessenheit so weit triebe, daß er die Gemeinschaft und die Erscheinung der bösen Geister, die er unter dem Namen von Schutzgeistern anrufet, und von denen er das Gedeihen seiner Bezauberungen erwartet, als eine wahre Gunst- oder Gnadenbezeugung ansähe. Wenn man. den Meistern dieser Kunst Glauben beymessen kann, so werden dem der Kabale eingeweiheten Maurer die Gunstbezeugungen dieser guten oder bösen Geister, nach dem Maaße seines Vertrauens in ihre Macht, zugetheilet. Sie machen sich ihm sichtbar, und erklären ihm alles, was in dem magischen Gemählde, dem menschlichen Verstande unerreichbar bleibet.

Den Adepten darf die Gesellschaft der bösen Geister nicht erschrecken. Er muß vest glauben, daß der ärgste unter ihnen, das ärgste der Wesen, welche der gemeine Mann Teufel nennet, niemahls eine böse Gesellschaft für den Menschen sey. Ja, er muß in manchen Umständen, den Besuch der bösen Geister, dem der guten vorzuziehen wissen, weil oft die besten, Ruhe, Glück und bisweilen das Leben kosten; und hingegen oft man den bösen Engeln ausnehmend große Verbindlichkeiten habe, (ldem pag. 118 und 136.)

Diese Geister oder Dämonen mögen kommen, woher sie wollen, sie allein sind es, die den Adepten von den Verborgenen Dingen Kenntniß verleihen, ihn zum Propheten machen; und dann wird er erfahren, daß Moses und die Propheten, die drey von einem Stern geleitete Weisen, keine andere Anführer oder Meister gehabt, keine andere Kunst verstanden haben, als die seinige, und die von Nostrodamus. (Idem passim.)

Wenn der Adepte zu diesem Grade der Narrheit, der Ausschweifung, des Aberglaubens und der Gottesvergessenheit sich aufgeschwungen hat, denn gewinnet ihn die Sekte um so viel mehr lieb.

Denn hat er bewiesen, daß er die Vorschriften und Gesetze des Sisamoro und des Senamira höher schätzet, als die des Evangeliums; daß er lieber ein Narr seyn will, als ein Christ; und das wird das größte Mysterium der kabalistischen Maurer ausmachen.

Derjenige Hinterhalts-Maurer, welcher einen andern Weg erwählen würde, um zu demselbigen Ziele zu gelangen, muß wenigstens sich hüten, den Kredit der Kabale zu schwächen. Wenn er von ihrer Kunst für sich keinen Ge brauch machen will, so soll er wenigstens sagen:

„daß die Sterndeutungskunst nichts wunderbares habe, als die Mittel, deren sie sich bedienet; und daß ihr Zweck sehr einfach sey; daß möglicherweise, in der Geburtsstunde eines Menschen, ein Gestirn unter einem gewissen Himmelsstriche, in einem gewissen Standpunkte sich befinde, und daß die Natur alsdann eine solche Wendung genommen habe, die durch den Zusammenfluß von tausend in einandergreifenden Ursachen, demselben entweder nachtheilig oder vortheilhaft seyn muß.[“]

Wenn er durch einige hinzugefügte Trugschlüsse diese Ideen zu beglaubigen suchet, und sich zugleich für einen Philosophen ausgiebt; so wird die Sekte ihm Dank wissen für einen Dienst, der wenigstens die Ehrenrettung des von uns der Verachtung preisgegebenen kabalistischen Maurers begleitet, und der Kunst einiges Gewicht geben kann. (S. Fortsetzung der Irrthümer und der Wahrheit, von einem unbekannten Philosophen, Maur. Jahr 5784.) (10)

(10) Des Titels einer Fortsetzung der Irrthümer und der Wahrheit ohngeachtet, ist es doch keine Fortsetzung von dem Werke, dessen ich jetzt erwähnen werde. Das ist blos einer der Kniffe des Holbachschen Clubs, welcher, da er den erstaunlichen Eindruck wahrnahm, den das Buch St Martin machte, dieses Titels sich bedienete, die Neugierde desto mehr zu reizen. In dieser vorgeblichen Fortsetzung findet man ganze Blätter aus den Schriften des Clubs abgeschrieben, keinesweges aber das System von St Martin; jedoch gleichen Eifer für die maurerischen Grade,


Ich fürchte zwar, den Leser durch die umständliche Erzählung der Ungereimtheiten der Hinterhalts-Maurer zu ermüden; aber, um dem Geschichtschreiber Beweise zu liefern, schreibe ich.

Wenn derselbe die großen Veranlassungen der Revolution angiebt, so muß er doch wenigstens eine allgemeine Kenntniß von den Systemen der Gottlosigkeit und Rebellion haben, die sie herbeygeführet haben. Ich erspare ihm die beschwerlichen Nachforschungen, es bleibet ihm nur übrig, die Beweise zu verificiren, und er weiß, wo sie zu finden sind.

Eine der Hauptlisten der Sekte ist übrigens, nicht nur ihre Lehrsätze zu verbergen, und die mannigfaltigen Mittel, zum Zwecke zu gelangen; sondern auch, wenn es ihr gelingen könnte, selbst die Benennung ihrer verschiedenen Klassen zu verbergen. Die, von der man glauben mögte, daß sie am wenigsten Gottesvergessen, am wenigsten aufrührisch sey, ist grade die gewaltthätigste gewesen, und hat die mehreste Kunst angewandt, die alten Systeme der größesten Feinde des Christentums und der Staatsverwaltungen [des gouvernemens], wieder zu beleben.

Wundern wird man sich vielleicht, zu sehen, daß ich unsere martinistischen Freymaurer mit in diese Klasse setze, dennoch sind sie es, von denen ich reden werde.

Ich weiß die Abkunft des Mr. St. Martin nicht, dessen Namen sie tragen; aber schwerlich wird man unter dem äusseren Schein der Frömmigkeit, und bey einer andächtigen, süßen und mystischen Sprache, mehr Heucheley antreffen, als bey dieser unreifen Geburt der niedrigsten Sclaverey [on trouve plus d’hypocrisie que dans cet avorton de l’esclave Curbique; in der engl. Übersetzung: .than the hypocrisy of this spurious offspring of Curbicus the slave]. Ich habe Männer gesehen, die er verführet hatte; ich habe andere gesehen, die er verführen wollte; alle haben von seiner großen Verehrung gegen Jesus Christus, und gegen sein Evangelium, und gegen die Staatsverwaltungen mich unterhalten.

Ich nehme seine Lehre, und seinen wichtigsten Gegenstand, aus seinen Schriften; aus der, welche er zur Offenbarung für seine Anhänger gemacht hat, aus seinem berüchtigten Werke, der Irrthümer und der Wahrheit [dt. von Matthias Claudius, 1782], her. Ich weiß wie viel es kostet, die Räthsel dieses Werks der Finsterniß zu entziefern, aber man muß mit eben der Beharrlichkeit für die Wahrheit kämpfen, als die Adepten für die Lüge es thun.

Es gehöret Geduld dazu, den ganzen Zusammenhang der Martinistischen Grundsätze aus dem mysteriösen Vortrage von Zahlen und Räthseln herauszuwinden. Soviel als möglich, wollen wir dem Leser diese Arbeit erleichtern.

Ihr Held, der berüchtigte St. Martin, soll ganz in seiner Blöße sich zeigen, und wird dann nichts weiter seyn, als ein verächtlicher Nachbeter, des unter dem Namen Manes allgemein bekannten Ketzereystifters [il ne sera plus que le vil copiste des inepties de l’esclave hérésiarque, plus généralement connu sous le nom de Manès].

Mit allen seinen krummen Sprüngen teilet er seine Anhänger auf gleichen Fußsteigen, zu gleichem Hasse gegen die Altäre des Christenthums, die Thronen der Souverains, und gegen jedes politisches Regiment. Wir wollen mit seinem religiösen System den Anfang machen. Ich sehe ein, daß selbst bey der Abkürzung und Zusammenfassung ganzer Haufen und Stöße von Ungereimtheiten, ich dennoch den Leser um Geduld zu ersuchen habe. Aber da die Martinistischen Maurer vorzüglich zu der Revolution beygetragen haben; so ist es auch nöthig, daß ihre philosophischen Narrheiten bekannt werden.

Man stelle sich gleich anfangs, ein erstes, einziges, allgemeines Wesen vor, das sich selbst Grundursache und die Quelle alles Anfangs ist. In diesem allgemeinen Wesen wird man glauben, den Gott Großall, den wahren Pantheismus, wieder zu erblicken. Das ist allerdings das erste Wesen der Martinisten. (S. den 2. Theil der Irrthümer und Wahrheit, S. 149.) Aber aus diesem Gott Großall, machen sie einen gedoppelten Gott, oder die beiden Urstoffe, den guten und den bösen.

Jener, obwohl von dem ersten Wesen hervorgebracht, hat dennoch seine ganze Macht und seine ganze Kraft aus sich selbst. Er ist unendlich gut, und kann nur Gutes wirken. Er bringet ein neues Wesen mit ihm von gleicher Natur hervor, welches anfangs gut ist, wie er, aber unendlich bösartig wird, und nur Böses wirken kann. (1. Abtheilung.) Der gute Gott oder der gute Urstoff, obgleich er alle seine Macht von sich selbst hat, konnte dennoch, weder diese Welt, noch irgend ein körperliches Wesen schaffen, ohne die Mitwirkung des bösen Gottes. (Idem von den Weltursachen, Verbindungen.) Der eine wirkte, der andere wirkte zurück, ihre Kämpfe bildeten oder schufen die Weit, und aus diesen Kämpfen des guten und bösen Gottes, oder des guten oder bösen Urstofs entsprangen die Körper. Der Mensch war zu der Zeit schon vorhanden; „denn es ist kein Uranfang über den des Menschen; er war vor der Geburt der Geister, gleichwohl ist er nach ihnen entstanden. (Idem vom ersten Menschen.) Der Mensch war ohne Leib, in diesen uralten Zeiten, und dieser Zustand hatte große Vorzüge vor dem, worin er jetzt sich befindet. So beschränkt und von Unlust begleitet sein jetziger Zustand ist; so unbeschrankt und wonnereich war der vorige.“ (Ibid.)


Durch den Mißbrauch seiner Freiheit, entfernete er sich von dem Mittelpunkte, wo der gute Gott ihn hingestellet hatte; da erhielt er einen Leib, und dieses war der Zeitpunkt seines ersten Falls. Aber selbst in seinem Falle entfernte er sich nicht von seiner Würde. Er ist noch eines Wesens mit dem guten Gott.

„Um uns davon zu überzeugen, dürfen wir nur über die Beschaffenheit der Gedanken nachdenken, und wir werden bald sehen, daß, da sie einfach, einzig und unwandelbar ist, nur eine Art von Wesen ihrer empfänglich seyn könne, weil die Wesen verschiedener Naturen nichts mit einander gemein haben. Wir werden sehen, daß, wenn der Mensch in sich den Begrif oder die Vorstellung von einem höheren Wesen, und von einer wirkenden, verständigen Ursache hat, das seinen Willen zur Erfüllung bringet, er, mit diesem höheren Wesen, gleicher Art seyn müsse." (Idem Verwandtschaft denkender Wesen, S. 205.)

Nach dem System, und in der Schule des Martinisten, ist also das gute und das böse Principium und alles denkende Wesen, Gott, der Teufel und der Mensch, einer und derselbigen Natur, einer und derselben Art und Gattung.

Hieraus erhellet, daß wenn der Adepte nicht glaubt, Gott oder ein Teufel zu seyn, es wenigstens nicht die Schuld seiner Meister ist. Zwischen dem Menschen und dem bösen Principium lassen sie jedoch einen merklichen Unterschied statt finden. Denn der Teufel als ein von dem guten Gott abgesondertes Principium, kehret nie wieder darin zurück; dahingegen der Mensch dermahleinst ganz wieder werden wird, was er vor dem Ursprung der Dinge, und vor der Zeit war. „Er verirrete sich anfänglich, indem er von Vieren zu Neunen ging; er wird sich aber schon wieder zurechtfinden, wenn er von Neunen zu Vieren zurückkehret." (11)

(11) Mr. de St. Martin gab eines Tages eben diese Lection an den Marquis C***. Er zeichnete einen Zirkel auf den Tisch, dann zeigete er den Mittelpunkt und sagte: Sehn Sie, wie alles, was von diesem Mittelpunkte ausgehet, durch den Strahl davon fliehet, um zur Peripherie zu gelangen. Ich sehe es, antwortete der Marquis, aber ich sehe auch, daß der vom Mittelpuncte ausgegangene Körper, wenn er die Peripherie erreichet hat, durch den Tangenten, oder, durch die grade Linie eben sowohl davon fliehen kann; und denn weiß ich weiter nicht, wie Sie beweisen werden, daß er nothwendig zum Mittelpuncte wiederkehren müsse. Mehr bedurfte es nicht, um den Lehrer der Martinisten in Verlegenheit zu setzen. Nichtsdestoweniger blieb er bey der Ueberzeugung, daß die durch die Zahl 4 von Gott getrennet ausgegangene Seelen, durch die Zahl 9 wieder mit ihm sich vereinigen werden.


Die räthselhafte Sprache wird klärer, so wie der Martiniste in den Mysterien weiter fortrücket. Man lehret ihn. daß die Zahl 4 die grade Linie ist; man sagt ihm ferner, daß die Zahl 9 die Peripherie, oder die krumme Linie ist. (Idem S. 106. 126, des 2. Theils.) Endlich wird er unterrichtet, daß die Sonne die gevierte Zahl ist; daß die Zahl 9 der Mond ist, und folglich die Erde, deren Trabant er ist. (Idem S. 114 und 215.) Woraus der Adepte dann schliesset, daß der Mensch, vor der Zeit, eine Sonne war, oder in dem Mittelpunkte des Lichts sich befand; daß er durch den Strahl daraus entwichen ist, und daß, so wie er, durch den Mond, bis zur Erde gekommen ist, er dermahleinst zu seinem Mittelpunkte zurückkommen wird, um mit dem guten Gott sich wieder zu vereinigen. Mittlerweile und bis dahin, daß er dieses Glücks theilhaft werden könne, „hat man groß Unrecht, durch ein fürchterliches Gemälde von den Strafen in einem künftigen Leben, zur Tugend ihn leiten zu wollen. Ein solches Gemälde ist nichts, wenn man keine Empfindung davon hat; und da diese blinden Leiter oder Meister nur in der Vorstellung die Quaalen, die sie ersinnen, uns kennbar machen können; so müssen sie nothwendig wenig auf uns wirken." (Idem 1. Abtheilung.)


Einsichtiger als diese sogenannte blinde Meister, verscheucht der Martinist die Schrecken der Hölle und aller künftigen Strafen; denn man kann es wahrnehmen, daß die Systeme der Sophisten bey den Hinterhalts-Maurern sowohl, als in unsern Academien, immer dahin zielen. Man sollte glauben, sie kenneten kein anderes Mittel, der Hölle zu entfliehen, als zu lehren, daß sie nicht existire; das heißt, als den Völkern und sich selbst, zu allen die Hölle am mehresten verdienenden Verbrechen Muth zu machen.

Anstatt der Hölle kennet der Martiniste „nur drey zeitliche Welten, nur drey Stufen der Büßung oder Versuchung, oder drey Grade in der wahren Freymaurerey."

Das scheinet deutlich genug zu sagen, daß der vollkommene Freymaurer weder Befleckungen weiter zu fürchten, noch Versöhnung zu wünschen hat.

Aber was allen Lesern, ohne Ausnahme, nicht weiter zweifelhaft seyn kann, ist die, durch alle solche Abgeschmacktheiten hervorstechende Irreligion, welche in den Martinistischen Logen herrscht, und den evangelischen Wahrheiten entgegengestellet wird. Mit der Wiedererneuerung des Hasses gegen Christum und mit der Verbreitung des alten Unsinns und der Gotteslästerungen einer unvernünftigen Philosophie hatte die Sekte nicht genug. Der Haß gegen die Gesetze, gegen die Regenten und Staatsverfassungen muste noch ihren Mysterien sich zugesellen; und hierin hat der Martiniste vor den Jakobinern nichts weiter voraus, als daß er die Arglist der Systeme mit dem Gelübde der Rebellion und mit dem Schwure, alle Thronen zu stürzen, besser zu verbinden gewust hat.

Der eifrige Adepte entrüste sich hier nicht, und spreche insbesondere nicht von seiner Ehrfurcht gegen die Staatsverfassungen. Ich habe seine Betheurungen und die seiner Meister kennen gelernet, aber auch seine Lehren habe ich kennen gelernet. Er mag sie immer ins Geheim geben, und in seine Räthsel sie hüllen. Wenn ich nicht nächstdem noch Illuminaten anderer Art ans Licht zu ziehen hätte, so würde ich behaupten, daß von allen gegen das Reich und gegen ein jegliches bürgerliches Regiment conspirirenden Sekten, die Logen der Martinisten die ärgsten wären.

Neben dem souverainen Volke musten die Necker, Lafayette und Mirabeau, ihren constitutionellen König haben; Brissot, Sieyes und Pethion [orig. Péthion] musten ihre Republik haben. Sie liessen inzwischen doch Vergleiche, Verträge und Eide zu. Aber der Martiniste erkennet weder die durch Gewalt, Macht oder Ererbung gestaltete Herrschaften für rechtmässig; noch diejenigen gesellschaftlichen Verbindungen, welche von den freywilligsten Vergleichen und Verträgen ihren Ursprung ableiten. Die ersten sind Werke der Tyranney, welche nichts gültig machen kann, so alt sie auch seyn mögen, indem die Verjährung nur von Menschen erfunden ist, um die Pflicht, den Gesetzen der Natur zu gehorchen, welche niemahls verjähren, zu erfüllen. „Das durch eine freywillige Verbindung aufgeführte Gebäude, bestehet eben so wohl in der Einbildung, als das durch eine gezwungene Verbindung aufgeführte." (ldem 5. Abtheilung.)


Diese beide Behauptungen, die erste insbesondere, zu beweisen, nimmt der Held der Martinisten seine Sophismen zu Hülfe. Es kostet ihm wenig, den Ausspruch zu thun, daß ohnmöglich jemahls ein von allen einzelnen Gliedern freywillig errichteter gesellschaftlicher Staat vorhanden gewesen sey. Er frägt, ob der Mensch berechtigt seyn würde, eine solche Verbindung einzugehen, ob es vernünftig seyn dürfte, auf die sich zu verlassen, die sie einrichten würden? Nach angestelleten Fragen, schliesset er dann: „Eine freywillige Gesellschaftserrichtung ist in der That so wenig rechtmässig und vernünftig, als sie ausführbar ist, weil der Mensch dadurch einem andern Menschen ein Recht würde belegen müssen, welches ihm selbst nicht eigenthümlich zustehet, (das seiner Freyheit) das über sich selbst zu disponiren; und weil, wenn er einem andern ein Recht überträget, das er nicht hat, er einen durchaus nichtigen Vertrag macht, den weder er, noch die Häupter oder Vorgesetzten, noch die Unterthanen gelten machen können, indem derselbe weder für die einen noch für die andern hat verbindlich seyn können.[„] (ldem 3. Theils 5. Abtheilung, S. 9.)


Ich weiß zwar, daß auf diesen Unterricht, Versicherungen der Treue und Unterwürfigkeit und Anmahnungen folgen, die Ordnung der vorhandenen Gesetze und Staatsverfassungen nicht zu stören; aber ich weiß auch, daß nur die Einfalt durch solche vergebliche Kunstgriff, kann hintergangen werden.

Wenn der Martiniste uns gesagt hat, daß die freywillig eingegangene gesellschaftlichen Vereinigungen sowohl, als die durch Zwang veranstaltete, ungültig sind; welche sind denn die bürgerliche Gesetze, wo sind die Obrigkeiten, wo die Fürsten, welche von den Unterthanen diese Unterwürfigkeit fordern können?

Ich weiß ferner, daß der Held der Martinisten, die Gefahren des Aufstandes, der Empörung fürchtet; aber diese Gefahren beschränken sich für ihn nur auf solche, denen das Individuum durch Gewalttaten, durch Privat-Autoritätsanmaaßungen ausgesetzt ist. Wenn der große Haufe die Grundsätze des Martinisten wird eingesogen haben, wenn die Gefahr der Privat-Gewaltthätigkeiten nicht mehr zu befürchten seyn wird, wozu können denn die Restrictionen, alle die vorgeblichen Ermahnungen zur Aufrechthaltung der Ruhe und der Ordnung in den vorhandenen bürgerlichen Societäten nutzen? Und was thut der Martiniste nicht, den großen 'Haufen zu überreden, daß nie ein einziger rechtmässiger Fürst, nie ein einziges rechtmässiges bürgerliches Regiment existiret habe? Ohne Unterlaß berufet er sich auf den sogenannten ersten Uranfang, „wo man von Rechten eines Menschen über einen andern Menschen nichts wuste, weil das Daseyn solcher Rechte unter gleichartigen Wesen ganz ohnmöglich war." (Siehe vorzüglich S. 16 und 17 des 2. Theils.)


Ihm gegnüget zu sehen, daß die Regierungen abwechseln, daß sie sich einander folgen, daß einige untergegangen sind, daß andere untergehen, oder, vor dem Ende der Welt, untergehen werden, um daraus die thörigten Einfälle der Menschen, und die Frucht ihrer verdorbenen Einbildung zu erkennen. (Idem Unbeständigkeit der Regierungen oder Staaten, S. 34 und 35.)

Ich weiß endlich, daß doch in den Augen der Martinisten, ein wahres Regiment, eine wahre Autorität des Menschen über Menschen existiret, und daß dieses Regiment selbst das ist, was ihnen beliebet Monarchie zu nennen. Aber aller Wendungen und Umschweife der mysterieusen Sprache ohngeachtet, leget sich hier doch die allgemeinste Conspiration gegen die Monarchien, gegen die Republiken, und gegen ein jedes politisches Regiment zu Tage. Diese geheimniß- und arglistvolle Sprache nimmt unbedingt eine Ueberlegenheit an, die der Mensch über den Menschen erwerben kann; eine Ueberlegenheit an Kenntnissen, an Mitteln, an Erfahrungen, welche, indem sie ihn seinem Urstande näher bringen, über andere ihn erheben in der That ,,ja nothwendiger Weise, weil die andern weniger geübten Menschen, und die nicht dieselben Früchte gesammlet haben, seiner wirklich bedürfen, bey dem Mangel und der Verborgenheit ihrer Talente." (ldem S. 18.)

Dieser Sprache nach zu urtheilen, bringet das System des Martinisten mit sich, daß einzig und allein der eine rechtmässige Gewalt über seines Gleichen ausüben könne, der durch seine Tugenden, durch seine Erfahrung, und durch die mehresten Mittel Nutzen zu schaffen, das Recht sich dazu erwirbet.

Dies ist denn der erste Kunstgrif eines Systems, welches schon alle Erbfolge vom Throne entfernet, und alle Rechte des Souveräns den Einfällen und Urtheilen der Meutmacher und des Pöbels [aux caprices, aux jugemens factieux & de la populace], über die Tugenden, Kenntnisse und Thaten dessen, der regieret, Preis giebt.

Aber wir wollen ihren Lehren folgen, und ihre in Dunkel gehüllte Sprache verständlich zu machen suchen: „Wenn alle Menschen, sagen sie, zu einer und derselbigen Stufe ihrer Macht sich aufschwüngen; so würde ein jeder Mensch König seyn."


Aus diesen Worten erhellet, daß in den Augen des Martinisten, der allein noch nicht sein König ist, der die höchste Stufe seiner Kraft, oder seiner Stärke im natürlichen Zustande noch nicht erreichet hat.

Weiterhin werden wir vernehmen, daß in diesem Unterschiede allein die rechtmässigen Ansprüche auf eine wahre politische Gewalt, ihren Grund haben können; daß dieses der Grundsatz der Einheit ist, der einzige von der Natur angewiesene zur Ausübung einer legitimen Macht oder Gewalt über die Menschen; der einzige zu ihrer Vereinigung in einen Körper diensame Leitstern. (Idem S. 19.)

Sie würden glauben, es sey vergeblich, in der Geschichte der Menschheit eine solche Societät aufzusuchen, wo der allein befiehlet oder befohlen hat, dessen Kräfte oder Vermögen, im Stande der Natur am mehresten sich entwickelt haben: Der Martiniste wird Sie zu diesem glücklichen Zeitalter zurückführen, „wovon man gesagt hat, daß es nur in der Einbildung der Poeten sein Daseyn gehabt habe, weil wir, wegen unserer Entfernung von dieser Zeit, und weil wir ihre Süssigkeiten nicht mehr schmecken, die Schwachheit haben, zu glauben, daß, da sie für uns aufgehöret hatte, sie auch aufgehöret haben müsse zu seyn." (Ibid.)

Wenn Sie nun noch nicht sehen, daß die einzige rechtmässige Autorität die ist, welche vor Alters, in dem sogenannten goldenen Zeitalter statt fand, wo kein anderer König war, als der Hausvater; wo selbst das Kind König zu seyn sich fühlte, sobald die Leibeskräfte und das Alter seine Stärke entwickelt hatten; wenn, anstatt auf die Schlußfolgen zu merken, Sie noch einwenden, daß keine Staatsverwaltung vom Anfange der Welt immerwährend sich erhalten habe, und daß also das Ihnen gegebene Richtmaaß, die allein rechtmässige Staatsverwaltung darnach abzumessen, Sie keine einzige auffinden mache, und Sie noch in Zweifel lasse; so wird der Martiniste fortfahren Ihnen zu sagen: „Dennoch ists eine der Wahrheiten, die ich am besten behaupten kann, und ich gehe nicht zu weit, wenn ich versichere, daß es Staats- oder Regierungs-Verwaltungen [des gouvernemens] gebe, die von der Zeit an, daß der Mensch auf der Erde ist, sich erhalten haben, und bis ans Ende sich erhalten werden; und zwar aus eben den Gründen, die mich sagen gemacht haben, daß hienieden immer rechtmässige Regierungsverwaltungen gewesen wären, und immer seyn würden." (Idem S. 35 und 36.)

Man forsche nun nach, was das für Regierungsverwaltungen seyn können, die der Martiniste als rechtmässig anzuerkennen vorzieht. Man betrachte die, welche existiret haben seitdem der Mensch auf dem Erdboden ist, und bis ans Ende fortdauren werden; finden sich wohl andere, als die der Patriarchen, oder ersten Familien, welche allein durch die Autorität der Väter regieret wurden! In den minder alten Zeiten trift man da andere an, als die der isolirten Familien oder Nomaden der Tartaren, oder der umherstreifenden Wilden, die keinen andern König hatten, als den Anführer, den Vater der. Kinder? Hier war es in der That so, daß die, deren Kräfte und Stärke mit den Jahren in gleichem Maaße sich entwickelten, alle einander gleich, alle und jede Könige waren; ist zu sagen, daß ein jeder keine andere Gesetze anerkannte, als die er sich selbst gab, und daß ein jeder, von gleichem Alter, alle die Gewalt an sich riß, die ein Vater über seine Kinder hatte.

Wenn wir wollen, so können wir noch das Bild eines solchen Regiments in jeder einzelnen Familie unserer bürgerlichen Societäten antreffen. Da erhält es sich vom Anfange der Welt her, und wird bis ans Ende der Zeiten sich erhalten.

Nimmt man nun alles zusammen, was von allen übrigen entweder durch Gewalt oder durch freywillige Vergleiche, gestifteten Regierungsarten uns gesagt worden, daß sie vorübergehend sind, sich einander folgen, alle zu Grunde gehen, und dadurch allein schon beweisen, wie wenig rechtmässig sie waren; so siehet man deutlich genug, daß der Eifer des Martinisten für die wahre Monarchie, für die einzig rechtmässige, einzig mit den Gesetzen der Natur übereinstimmende, und allein, bis ans Ende der Welt ausdaurende Regierungsform, nichts anders sey, als der Wunsch, alle Societäten, alle rechtmassige Autorität in die eines über seine Kinder gebietenden Vaters zu verwandeln; alle Thronen, alle Monarchien umzustoßen, und keine andere Gesetze gültig seyn zu lassen, als die Patriarchalischen.

Ja, darauf läuft das ganze politische System des Martinisten hinaus. Es wäre nicht ohnmöglich, viele Particularitären, viele andere Gottlosigkeiten, viele andere religiöse und politische Lästerungen davon aufzudecken. Unter andern würde auch nicht ohnmöglich seyn zu beweisen, daß nach den Lehrsätzen der Martinisten, der große Ehe- oder Bundbruch des Menschen [le grand adultère de l’homme], die wahre Ursache seines Unglücks in dieser Weit, die wahre Erbsünde des menschlichen Geschlechts, in seiner Abweichung von den Gesetzen der Natur bestehe, indem es sich Gesetzen unterworfen, die sie misbillige, den Gesetzen der Kayser, Könige, und selbst der Republiken, aller Autorität überhaupt, die nicht der des Vaters über seine Kinder gleiche. (S. die 5. Abtheilung des 2. Theils, Artikel, vom Ehebruch.)

Aber es würbe dazu wieder die Auflösung eines räthselhaften Vortrags erforderlich seyn. Diese Arbeit wird mir eckelhaft, sie dürfte es auch meinen Lesern werden. Ich hoffe, sie werden es einigermaaßen mir Dank wissen, daß ich ihnen wenigstens einen Theil der Mühe erspare, die man anzuwenden nöthig hat, um die Lichtstrahlen zu sammlen, die die Sekte, ab und an, durch ihre mvsterieusen Dunkelheiten brechen lasset, und wovon das wohl aufgefaßte Ganze, den großen Zweck ihrer Apocalypse nicht weiter bezweifeln lässet.

Wenn man diesen seltsamen Codex lieset und studiret, ist man geneigt mit Voltaire darüber zu denken und abzusprechen; daß nie etwas abgeschmackteres, dunklers, närrischeres und dummeres gedruckt worden. Mit ihm mögte man sich fast wundern, daß ein solcher Codex habe Schwärmer bilden, und, ich weiß nicht welchen Decan der Philosophie entzücken können. (S. den Brief von Voltaire an d'Alembert, vom 22. October 1776.)

Aber dieser Decan hatte, ohne Zweifel, dem Voltaire das. rechte Wort oder den rechten Schlüssel nicht geschickt, und ihm nicht gesagt, daß eben die Dunkelheit eines der diensamsten Mittel für die Sekte sey, den Altar und den Thron zu Grunde zu richten. Volrairens Werke selbst wurden weniger erhoben, als die Apocalypse (Offenbarung) der Martinisten. Je dunkler sie war, je mehr wusten sie die Neugierde rege zu machen, in. die Mysterien zu dringen. Die Adepten der ersten Ordnung übernahmen die Unterweisung der jungen Lehrlinge. Die Neugierde weiblicher Novizen oder Lehrlinge, wuste man insbesondere zu reizen. Aus ihren Kabinettern wurden geheime Schulen, wo der dolmetschende Adepte, das Räthsel einer Seite auslegte. Die entzückte Novize prieß sich glücklich, die dem großen Haufen verborgene Geheimnisse zu verstehen. Nach und nach ward die Novize selbst Dolmetscherin, und stiftete eine Art von Schule.

Nicht auf blindes Ungefähr führe ich dieses an. In Paris und in den Provinzen, insbesondere zu Avignon, dem Hauptsitze der Martinisten, befanden sich geheime Schulen dieser Gattung, die zur Auslegung des geheimnißvollen Lehr- und Gesetzbuchs bestimmet waren. Namentlich habe ich diesen Schulen eingeführte Männer gekannt, und kenne deren. Sie bereiteten zur Einweihung vor; überdem lernte man darin die Kunst, die Einfältigen durch erkünstelte Erscheinungen zu betrügen, die am Ende die Sekte lächerlich gemacht haben, nemlich: die Kunst Todte aufzurufen, die Kunst abwesende reden zu machen; und zu sehen, was sie, in der Entfernung von tausend Meilen machten. Mit einem Worte, was die Marktschreier aller Zelt ersannen, das Volk zu täuschen und sein Geld an sich zu bringen, das ersannen die Martinisten, um Gottesvergessene zu bilden, und die Thronen umzustoßen.

Die Sekte hat in Frankreich und in Deutschland viele Leute hinters Licht geführet, selbst in England habe ich deren angetroffen, uns allerwärts habe ich gefunden, daß ihr größestes Geheimniß darauf hinauslief, in der französischen Revolution, das, die ganze Welt läuternde Feuer anschaulich zu machen.

So zahlreich aber die Klasse der Martinistischen Maurer seyn mag, so reichet sie doch nicht an die Menge der eclectischen Maurer; und in der That musten auch diese, in einem Zeitalter die Oberhand gewinnen, wo der Philosophismus der Atheisten und Deisten, die alten Ketzereyen wieder hervorzog, um sie alle zusammenzuschmelzen. Die Benennung eines eclectischen Maurers wird heutiges Tages in eben dem Sinne genommen, als vorhin eines eclectischen Philosophen. Ist zu sagen, daß man darunter diejenigen Maurer verstehen müsse. welche, nachdem sie alle Grade der Maurerey durchgegangen sind, an keines der religiösen oder auch politischen Systeme sich binden, deren Sinn und Deutung sie kennen gelernet haben; sondern aus diesen zusammengenommen, ein eigenes, der Richtung ihrer Gottlosigkeit, oder auch ihren politischen Absichten angemessenes System sich bilden. (S, das Archiv der Freymaurer und Rosenkreuzer, Berlin 1785. Kapitel 3.)

Sie sind weder hermetische noch kabalistische Maurer, noch Martinisten; sie sind alles, was sie seyn wollen, Deisten oder Atheisten, Sceptiker oder ein Mischmasch aller Irrthümer der heutigen Philosophie. Wie die gewöhnlichen Sophisten des jetzigen Zeitalters, haben sie einen doppelten Vereinigungspunkt. In Betref der Religion, bekennen sie sich insgesammt zu der Freyheit und Gleichheit, die keine andere Autorität duldet, als die ihrer eigenen Vernunft, und von keiner geoffenbarten Religion wissen will. In Betref des politischen Regiments, wenn sie Könige zulassen, so sind es wenigstens nur solche, über welche das Volk, vermöge seines Souveränitätsrechts, nach Gefallen disponiret. Ich will mich hier über diese Klasse nicht weiter ausdehnen; sie ist die der Brissot, der Condorcet, der Lalande; mit einem Worte, die der Sophisten unserer Tage, von denen wir bald sehen werden, daß sie nur der Maurerey sich angeschlossen haben, um ihre beabsichtigte Revolution zu erleichtern.

Ihre Systeme von neuen darlegen, würde eine Wiederholung dessen seyn, was ich, unter dem Titel, der gegen das Christenthum und gegen alle Regenten verschwornen Sophisten davon gesagt habe. Die Menge Gottloser dieser Gattung, welche heutiges Tages der Maurerey sich zugesellet haben, würde allein beweisen, wie geneigt sie dieselbe ihren Complots gefunden haben.

Eine andere Art eclcetischer Maurer ist mir bekannt, die seit nicht gar langer Zeit in Deutschland sich hervorgethan hat. Diese erklären, nicht nur keinem einzigen besondern System der Maurerey anzuhängen, und nehmen nicht nur, ohne Unterschied, die Brüder aller Logen auf und an; sondern sie behaupten, für sich selbst von keiner einzigen Loge abhängig zu seyn. In ihren Augen sind sie alle frey, und haben alle das Recht sich selbst Gesetze zu geben. Deswegen haben sie unter sich selbst die Benennung vöo großer Loge und vön schottischer Loge abgeschaft. In diesem Verstande, kann man sagen, daß sie der maurerischen Gleichheit und Freyhelt noch etwas hinzugesetzt haben. (Stehe die Gesetze ihrer Verbindung oder Verbrüderung, Frankfurt den 18. [im Original steht noch: Mai] 1783. datiret, und von den Secretärs Rustner und Rottberg unterschrieben.)

In letztgedachtem Punkte würden die eclectischen Maurer in Frankreich nicht zahlreich gewesen seyn, indem der größeste Theil der Logen, unter der Aufsicht der großen Pariser-Loge, der große Orient genannt, stand. Aber in allen diesen Logen hatte der Geist der neueren Sophisten eine wahre Eclectik der Gottlosigkeit eingeführet. Weit mehr war Gesinnung, als Meinung des Vereinigungsband.

Um übereinstimmend zu seyn, muß diese Gesinnung wenigstens in der Verabscheuung des Christen und seiner Religion sich vereinigen; wie auch in der Verabscheuung eines jeden andern Souveräns, und eines jeden andern Gesetzgebers, als des gleichen und freyen Volks. Die Meinung des eclectischen Maurers kann in allem übrigen verschieden seyn; in der Art das Christenthum durch den Atheismus oder Deismus zu ersetzen; die wahre Monarchie durch die Democratie, oder auch durch eine democratische Monarchie. Aber man würde aufhören Bruder in den Hinterhalts-Logen zu seyn, wenn man nur einen Schritt weniger für die Freyheit und Gleichheit thäte.

Alle Klassen also, alle maurerische Lehr- und Gesetzbücher, Hermetisten, kabalistische Rosenkreutzer, oder Brüder Martinisten, und eclectische Maurer; alle riefen auf ihre Weise eine Revolution hervor, und gleichgültig war es der Sekte, welches System die Oberhand gewinnen würde, wenn es nur eine Umkehrung der Dinge vorbereitete. (Siehe Lametherie [orig. Lamétherie] Journal der Physik, von 1790.)

Ich habe versprochen den angeführten Bewelßthümern, die hinzuzufügen, die noch specieller aus den Meinungen der Brüder über den Ursprung ihrer Freymaurerey selber, sich ergeben. Auch hier wollen wir keinen andern Führern folgen, als Gelehrten und eifrigen Maurern. Man wird sehen, ob die, welche sie für ihre Väter ausgeben, oder anerkennen, uns nicht schon berechtigen würden, die geheimen Verständnisse der Kinder zu verurtheilen.


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