Against Oblivion

Aus Freimaurer-Wiki

Against Oblivion

Eine virtuelle Ausstellung gegen das Vergessen. Von Tolga Ünker.

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*Newsletter der AF&AM zur virtuellen Ausstellung

Virtuelle Ausstellung

Als der norddeutsche Bruder Jens Rusch an seiner Rekonstruktion einer von den Nazis in blindem Hass zerstörten Marmor-Statue des bedeutenden Freimaurers Friedrich Ludwig Schröder im Hamburger Logenhaus arbeitete, musste er mit äußerst kümmerlichem Foto-Material auskommen. Es existierte ein einziges postkartengroßes, völlig vergilbtes und undeutliches Foto dieses bedeutenden „Reformators“ der deutschen Freimaurerei. Br. Jens verband mit der Rekonstruktion dieser zerstörten Statue eine ganz bestimmte Zielsetzung: Er wollte ein vergessenes Relikt aus dem Schatten der Vergessenheit ins aktuelle Bewusstsein zurückholen. Verdrängung und Vergessen sind in Deutschland äußerst bestimmende Tendenzen. Auch unter den Freimaurern.

Er wandte sich an den Künstlerkollegen Yusuf Tolga Ünker, von dem er wusste, dass dieser mit ungewöhnlicher Akribie in der Lage war, uralte und kaum erkennbare Fotos zu verbessern und sogar mit Farbe zu neuem Leben zu erwecken. Ünker ist zwar kein Freimaurer, aber der Dialog der beiden Künstler funktionierte von Beginn an auf Augenhöhe.

Und so half Tolga Ünker nicht nur bei den Vorbereitungen der Auferstehung der lebensgroßen Bronzestatue Schröders, sondern fertigte auf Wunsch von Jens Rusch auch hervorragende kolorierte Portraits, beispielsweise von Albert Pike für Ruschs „drittes Lebenswerk“, wie er es nennt: das weltweit größte Online-Lexikon über Freimaurerei, das Freimaurer-Wiki mit inzwischen mehr als 60 Millionen Seitenzugriffen. Eine äußerst transparente und glaubwürdige Darstellung freimaurerischer Themen im Internet.

Schließlich lernte Jens Rusch die ausgezeichneten und mehrfach ausgestellten Arbeiten Tolga Ünkers zur Shoa kennen, zum barbarischen Mordwerk deutscher Nazis, dem Holocaust. Die Zielsetzung Ünkers war genau die Gleiche: Eine Arbeit gegen das Vergessen. Erinnerungsarbeit, wenn man so will. Sein Versuch, eine analoge Ausstellung der Arbeiten Ünkers in seiner Heimatstadt in Norddeutschland zu initiieren, scheiterte. Keineswegs an mangelnden Ausstellungsmöglichkeiten, sondern an mangelnder Courage und an einer schwer zu definierenden neuen Zurückhaltung, die man Angst nennen könnte. In Deutschland wird ein neuer Antisemitismus immer spürbarer. Es gab bereits Anschläge und Morddrohungen, Politiker werden wieder eingeschüchtert, Anschläge auf jüdische Restaurants und Synagogen beherrschen die Nachrichten. Genau das sollte jedoch die erwähnte Erinnerungsarbeit verhindern, ein waches Bewusstsein sollte einen Wiederholungsfall unmöglich machen. Rusch zitiert gerne einen der bedeutendsten deutschen Nachkriegsschriftsteller, sein literarisches Leitbild Arno Schmidt: „Deutschland wird in der Geschichte einmal die Rolle des Steines einnehmen, über den die Menschheit mehrfach gestolpert ist.“

Die Idee zu einer begehbaren 3D-Ausstellung mit den Arbeiten Tolga Ünkers zur Sammlung Norbert Podlesny aus Polen kam ihm, als er aus Sorge um die Auswirkungen durch die Corona-Pandemie um eine Retrospektive zu seinem siebzigsten Geburtstag fürchten musste. Er hatte sich mühsam eine virtuelle Ausstellung aufgebaut, mit der er jedoch eine erfreuliche internationale Resonanz erfuhr. Weit informativer und in der ganzen Welt erreichbar, kann der Besucher sich durch die Ausstellung klicken und alle Bilder in Ruhe betrachten, solange er möchte.

Rusch bat dann befreundete Freimaurer, u.a Br. Bülent Kuzkaya und Br. Thomas Zimmermann, die Idee ins Türkische zu übersetzen, damit sich keine Missverständnisse einschleichen könnten. Es mussten schließlich auch Urheberrechte berücksichtigt werden. Auch Br. Michael Thomas Holstein überprüfte die Übersetzungen, um Fehler auszuschließen. Ein weiterer Bruder, Dafydd Bullock, steuerte eine großartige Komposition zur Ausstellung Tolga Ünkers bei: „Elegy for those who never met“.

So entstand unter Mitarbeit vieler Beteiligter eine virtuelle Würdigung zu einer barbarischen Katastrophe, die niemals hätte geschehen dürfen — und die sich niemals wiederholen darf. Das kann aber nur dann gewährleistet werden, wenn wir alle diese Dokumente mit hellwachem Bewusstsein betrachten und daraus den Mut schöpfen, gegen jede Form eines neuen Aufkeimens vorzugehen.

Die virtuelle Ausstellung war zunächst bis Jahresende 2020 konzipiert, ist jedoch im Moment noch zu sehen. Wie lange die Fortsetzung dauert, hängt von weiterer – auch finanzieller – Unterstützung ab, denn Künstler sind vom Lockdown durch die Corona-Krise auch in Deutschland besonders hart betroffen.