Aux Trois Canons

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Johannisloge:

Aux Trois Canons

Orient: Wien
Matr.-Nr.: keine
Gründungsdatum: 1742
Großloge: keine

Die erste Wiener Loge 1742 bis 1743:
‚Aux Trois Canons’

1742: Zum allerersten Mal entsteht in Wien eine Freimaurerloge. Sie gibt sich den Namen ‚Aux Trois Canons’, ist sehr aktiv und nimmt viele Brüder auf. Doch wegen der Ablehnung durch die Obrigkeit hat sie nur ein kurzes Leben: nicht einmal ein ganzes Jahr. Dann wird sie von der Herrscherin Maria Theresia verboten, und Österreich bleibt im Gegensatz zu vielen anderen Ländern nochmals fast eine Generation lang ohne Logen. Jedenfalls offiziell: Dann und wann sollen nämlich in den Jahren danach schon kurzlebige Logen gegründet worden sein, berichteten Lennhoff-Posner 1932 unter dem Stichwort Wien in ihrem 'Internationalen Freimaurer-Lexikon'. Von Rudi Rabe.

Das politische Umfeld

1740 starb in Wien Karl VI., Kaiser des Heiligen Römischen Reichs und Regent der habsburgischen Erblande: eine Ansammlung von Königreichen, Fürstentümern, Herzogtümern, Grafschaften und so weiter, die sich von Mitteleuropa bis Osteuropa erstreckten. Karl hatte keinen Sohn, und so wurde seine Tochter, die Erzherzogin Maria Theresia, im Alter von 23 seine Nachfolgerin als Regentin dieser Länder.

Eine Frau als Erbin dieses Konglomerats? In der Nachbarschaft anderer Herrscherhäuser, von denen viele mit den Habsburgern verwandt waren und daher auf die Idee kommen konnten, ihrerseits Erbansprüche für ihre männlichen Oberhäupter zu stellen? Noch zu Lebzeiten hatte Maria Theresias Vater mit der „Pragmatischen Sanktion“ versucht, dem einen juristischen Riegel vorzuschieben. Dennoch erhoben nach Karls Tod mehrere Herrscher Ansprüche. Die Folge war der österreichische Erbfolgekrieg: Viele wollten sich ein Stück aus der Erbmasse holen, aber keiner gönnte es dem Nachbarn, so dass 1748 der alte Zustand wieder hergestellt wurde.

Mit einer Ausnahme: Friedrich II. von Preußen, der seine Krone im selben Jahr wie Maria Theresia die ihre übernommen hatte, konnte das Herzogtum Schlesien behalten; es hatte bis dahin zu Habsburg gehört. Friedrich war gleich am Beginn der Kriegshandlungen in Schlesien und nach längerer Belagerung in dessen Hauptstadt Breslau einmarschiert. Er musste das Land am Ende nicht mehr herausgeben.

Freimaurerische Entwicklungshilfe aus Breslau für Wien

Der später so genannte Friedrich der Große war 1738 noch als Prinz zum Freimaurer geworden. Von ihm protegiert entstanden in Preußen die ersten Logen, vor allem in Berlin die ‚Aux Trois Globes’, die spätere Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“.

Brüder aus dieser Loge gründeten im Mai 1741, also noch mitten im Krieg, in Breslau die ‚Aux trois Squelettes’: im Mai, da war Breslau gerade noch bei Habsburg. Aber schon drei Monate später wurde die Stadt von Friedrichs Soldaten zuerst belagert und dann besetzt, und ein weiteres Jahr danach, also 1742, wurde durch verschiedene Verträge lange vor Ende des Erbfolgekrieges klar: Wie auch immer der Krieg ausgehen wird, Schlesien würde für Maria Theresia wohl verloren sein.

1742: Just in diesem Jahr gründeten Breslauer Brüder aus der ‚Aux trois Squelettes’ (Zu den drei Totengerippen) aber auch aus anderen Logen in Wien die ‚Aux Trois Canons’: die erste Freimaurerloge in der Hauptstadt der Habsburger. Gründungsdatum: 17. September 1742. Der Gründungsmeister Albrecht Joseph von Hoditz war ein Freund Friedrichs. Noch heute existiert ein umfangreicher Briefwechsel zwischen den beiden.

Die neue Wiener Loge war sofort sehr aktiv

Überliefert sind 22 rituelle Tempelarbeiten mit 49 Aufnahmen. Das rekonstruierte Mitgliederverzeichnis zählt 71 gesicherte Namen: vor allem Mitglieder des inländischen und ausländischen Hochadels, hohe Staatsbeamte, Offiziere, Mitglieder von Gesandtschaften, Weltgeistliche und einige wenige Bürgerliche.

Das besondere an den Freimaurerlogen des 18. Jahrhunderts und damit auch der 'Aux Trois Canons' war von Anfang an, dass sich hier Mitglieder ganz verschiedener Stände treffen und miteinander diskutieren konnten, was in der damaligen genau abgestuften Feudalgesellschaft etwas unerhört Neues war: Anfänge dessen, was später Aufklärung genannt wurde.

Es ist nicht ganz einfach, sich diese Loge im Detail vorzustellen. Vorträge etwa würde man nicht finden, da es so etwas zu dieser Zeit in Freimaurerlogen noch nicht gab. Sie wurden erst vier Jahrzehnte später von der Wiener Loge ‚Zur wahren Eintracht’ eingeführt: Bis heute sind sie in Österreich ganz selbstverständlich; sie werden Baustücke oder Zeichnungen genannt.

Gearbeitet wurde immer bei einem einladenden Bruder, fixen Tempel gab es keinen. Manche Orte sind bekannt, andere nicht. Manchmal wurden auch Räume angemietet. So trafen die Brüder einander mehrmals im ehemaligen kaiserlichen Jagdschlösschen im heutigen Wiener Augarten. Andererseits wird auch „notre bibliothèque“ erwähnt. Wo sich diese Logenbibliothek befand, ist nicht bekannt. Es gab kein schriftlich festgehaltenes Ritual, die Brüder wussten alles auswendig. Die Texte zu lernen war eben auch Teil der Arbeiten. Sie waren natürlich französisch, damals die Sprache der Gebildeten.

Schon nach ein paar Monaten kam es in der Loge aber auch zu Querelen. Offenbar wurden zu schnell zu viele neue Brüder aufgenommen, manche sogar ohne geordnetes Rezeptionsverfahren. Verschiedene Brüder kamen mit dem Mitgliedsbeitrag in Verzug; er machte pro Monat einen Gulden aus.

Aber nach zehn Monaten schickte Maria Theresia die Soldaten

Am 7. März 1743 als die Loge in gemieteten Räumlichkeiten „auf den hohen Brucken“ arbeitete und sechs Neue aufnehmen wollte, wurde sie im Auftrag Maria Theresias von hundert Grenadieren des Regiments Anspach-Bayreuth gestürmt. 28 Brüder wurden im Namen der Herrscherin verhaftet; Regalien wurden beschlagnahmt. Der Vorfall erregte europaweit Aufsehen.

Es ist nicht klar, warum Maria Theresia die Auflösung der Loge befahl. Und das obwohl sie wusste, dass ihr Ehemann Franz Stephan von Lothringen, der spätere Kaiser Franz I. des Heiligen Römischen Reichs, seit seiner Prinzenzeit selbst Freimaurer war: seit 1731. In Wien scheint er als Freimaurer allerdings nicht aktiv gewesen zu sein.

Ein wesentlicher Grund für Maria Theresias Befehl könnte gewesen sein, dass ihr Widersacher Friedrich ein aktiver Freimaurer war. Und dass die Logengründung von Breslau aus ging, das jetzt im Besitz Friedrichs war. Sowohl der erste Stuhlmeister Graf Hoditz als auch dessen Nachfolger Karl Franz de Grossa kamen aus Breslau. Die Verbindung Hoditz' zu Friedrich darf als ihr bekannt angenommen werden. Vielleicht nahm sie an, dass die Wiener Logengründung letztlich Friedrichs Werk war, gar eine Art personeller Brückenkopf des Gegners in der eigenen Residenzstadt; der Erbfolgekrieg mit wechselnden Koalitionen dauerte ja an. Die historische Forschung geht dahin, hier einen Grund zu vermuten, vielleicht den entscheidenden.

Möglicherweise spielte bei der Entscheidung Maria Theresias aber auch ihre katholische Frömmigkeit eine Rolle: Vier Jahre vor der Logengründung hatte ja Papst Clemens XII. einen Bannfluch gegen die Freimaurerei erlassen.

Und vielleicht war sie auch einfach irritiert, weil private Treffen von Männern so unterschiedlicher Herkunft in der damaligen Welt der voneinander klar getrennten Stände ja wirklich unerhört war. Ganz abgesehen davon, dass sie als Frau dazu ja keinen Zutritt hatte.

Doch die Folgen für die Brüder waren glimpflich

Weil die meisten von ihnen von – wie es damals hieß – hohem Stand waren, gewährte man ihnen den Hausarrest. Die nicht dem hohen Adel angehörenden Brüder kamen in ein Gefängnis. Sie wurden aber schon am 19. März freigelassen, also knapp zwei Wochen danach. Eine Intervention Franz Stephans von Lothringen kann angenommen werden.

Trotz der Androhung empfindlicher Strafen – die Folter war noch längst nicht abgeschafft – haben sich manche von ihnen nicht davon abhalten lassen, im Geheimen weiter zu arbeiten. Dies scheint bis 1749 immer wieder einmal vorgekommen zu sein. Die Aufnahme eines Bruders ist aus dieser Zeit überliefert.

Jahre danach machte Maria Theresia ihren Frieden mit der neuen Modernisierungsbewegung, denn das waren die Freimaurer in jener Zeit der beginnenden Aufklärung ganz besonders. In Gesprächen bedauerte sie ihr Vorgehen gegen die Loge ‚Aux Trois Canons’. Einige der 1743 Verhafteten erreichten hohe Staatsämter. Und manche ihrer späteren Berater waren Freimaurer. Ebenso einer ihrer Schwiegersöhne: Albert Kasimir Herzog von Sachsen Teschen; er gründete gemeinsam mit Maria Theresias Lieblingstochter Marie Christine die Wiener Albertina.

Warum der seltsame Name ‚Aux Trois Canons’?

Am Anfang scheint die Loge namenlos gewesen zu sein. Erst im November 1742 ist im Protokoll der Name ‚Aux Trois Canons’ zu lesen, also zwei Monate nach der Gründung. Als Ursache für die namenlose Zeit liegt es nahe, dass man am Beginn hoffte, Franz Stephan von Lothringen werde als Protektor an die Spitze der Loge treten und man werde dann den Logennamen im Einvernehmen mit ihm festlegen. Er tat es nicht.

Ab 1980: Das Logenzeichen der aktuellen 'Aux Trois Canons' mit den drei Kanonenkugeln und den Anfangsbuchstaben für die Losung "Liberté-Egalité-Fraternité" (Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit).
Und das Dreieck? Bruder Rudolf: "Ich sehe persönlich für das Dreieck und diese dreischlaufigen Lemniskate keinen tieferen historischen Sinn."

Und was bedeutet ‚Aux Trois Canons’? Dies erscheint unklar. Jede Deutung muss kontextual sein, das heißt in diesem Fall, sich aus dem damaligen freimaurerischen Umfeld erschließen. Bis jetzt ist das nicht zweifelsfrei gelungen. In direkter Übersetzung kann das französische Wort „canon“ alles mögliche heißen. Vor allem: Kanone; oder: Regel, Muster, (Glaubens-)Vorschrift; oder: musikalischer Kanon.

1980: Nach mehr als zwei Jahrhunderten entsteht wieder eine 'Aux Trois Canons'

Seit dem Jahr 1980 gibt es in Wien zum zweiten Mal eine Loge mit dem Namen ‚Aux Trois Canons’. Sie arbeitet wie die alte ‚Aux Trois Canons’ in französischer Sprache und so lag es nahe, deren Namen sozusagen honoris causa zu übernehmen. Natürlich haben die Brüder immer wieder über den möglichen Sinn ihres Logennamens nachgedacht. Auf einen wirklich grünen Zweig sind sie nicht gekommen, wie mir Bruder Rudolf von der ‚Aux Trois Canons’ bestätigte:

„Unser Logenname ist nicht ganz sicher zu klären. In unserem Bijou und Logenzeichen sind drei Kanonenkugeln zu sehen, aber das ist eine Schöpfung des 20. Jahrhunderts, und zeigt nur auch hier schon die Ratlosigkeit mit dem Ursprung des Namens. Die Theorien sind vielfältig: Canons von „Kanon“, also Regel, oder eben die Kanonen; letzteres macht aber aus meiner Sicht keinen Sinn, umso mehr, als die alte ‚Aux Trois Canons’ nie eine Militärloge war. Das mit den drei Regeln ist schon wahrscheinlicher. Ich sehe die Wahrheit aber eher in einer viel „profaneren“ Deutung, nämlich die Canons – auf deutsch Kanonen – genannten Logentrinkgläser mit der Verdickung unten, die auch wie ein Logenhammer verwendet wurden. Abgeleitet sind dann damit die drei Hammerschläge gemeint. Aber auch das ist nur eine Annahme, und keine der Varianten ist meines Wissens nach irgendwo in den Dokumenten abgesichert.“


Quellen: Günter K. Kodek – Die österreichische Freimaurerei von den Anfängen bis 1985 sowie historische Recherchen von Bruder Thomas und Informationen von Bruder Rudolf, beide aus der ‚Aux Trois Canons’.


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Ergänzung: Berühmte Mitglieder

  • Sachar Grigorjewitsch Tschernyschow (Zakhar Chernyshev), als russischer Botschafter in Wien in den 1740er Jahren in Aux Trois Canons aufgenommen.
  • Samuel von Brukenthal

Siehe auch

Links

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