DER SPIEGEL und die Freimaurer: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Zum ersten Mal am 23. Juni 1949'''  
 
'''Zum ersten Mal am 23. Juni 1949'''  

Version vom 7. März 2011, 13:05 Uhr

"SPIEGLEIN, SPIEGLEIN, Maurerland ..."

Den SPIEGEL gibt es seit 1947. Er ist das wichtigste Magazin Deutschlands. In den mehr als 300 Ausgaben seit seiner Gründung kamen die Freimaurer über zweihundertmal vor. Meistens nur in einem Nebensatz, gelegentlich aber auch prominent. Oft freundlich, manchmal schnoddrig und von oben herab: DER SPIEGEL eben.

Lesezeichen von Rudi Rabe, Loge ZUKUNFT in Wien.

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Zum ersten Mal am 23. Juni 1949

DER SPIEGEL: „In Frack und Smoking traten Westdeutschlands Freimaurer-Delegierte in der Frankfurter Paulskirche zu geschlossenem Ritual zusammen: 6700 westdeutsche Freimaurer gaben sich wieder eine Verfassung.“ Nicht dabei sein können die Brüder aus Westberlin. Und aus der DDR (damals noch Ostzone), wo die Freimaurer bis zur Wiedervereinigung in Fortsetzung der Nazi-Gesetze verboten bleiben. Zum Großmeister wird Theodor Vogel gewählt. Er entwickelt sich dann zum großen Einiger der bis dahin zersplitterten deutschen Freimaurerei. [1]

Juni 1950: „Die Hand zum Bunde“

Großmeister Vogel: „Die Stagnation nach fünfzehnjährigem Interregnum ist überwunden, die Gefahr der biologischen und geistigen Überalterung besteht nicht mehr, die deutsche Freimaurerei lebt.“ In den zwölf Nazi-Jahren hatten die Deutschen über die Freimaurer nur Hetzerisches gehört. DER SPIEGEL zeichnet über mehrere Seiten ein neues Bild. [2]

1952 bis 1955: No Franc(o)mason!

Im kleriko-faschistischen Franco-Spanien steht auf Freimaurerei – so DER SPIEGEL - „bis zu zwölf Jahre Zuchthaus“. Das stört die Verhandlungen mit den USA über einen militärischen Stationierungspakt. Die Spanier verlangen das Recht, amerikanisches Personal, wenn es Kommunisten oder Freimaurer sind, abzulehnen, was „den Freimaurer und Präsidenten Truman sehr erbost“ habe. [3] [4] [5]

Sonst in den Fünfzigern

Gelegentlich erwähnt DER SPIEGEL antifreimaurerische Schmähungen aus rechtskatholischen Kreisen. Und: Der katholische Bundeskanzler Konrad Adenauer ist kein Freimaurer-Freund.

Februar 1960: Erich und Mathilde Ludendorff

In einer Titelgeschichte über Antisemitismus bringt DER SPIEGEL einen großen Bericht über den 1937 verstorbenen Weltkrieg-1-General Erich Ludendorff und seine damals noch lebende Witwe Mathilde Ludendorff: diese auf dem Titelbild. Die antisemitischen Tiraden des Paares waren beispiellos. Die Juden wollten alle Völker zugrunde richten, und „Christentum, Freimaurerei und Marxismus seien nichts anderes als schändliche Werkzeuge zur Förderung dieses verruchten Unternehmens.“ [6]

Januar 1962: Roger Peyrefitte „Die Söhne des Lichts“

Das neue Buch des „Skandal-Autors“ mit einer komplizierte Geschichte über und durch die französische Freimaurerei. DER SPIEGEL widmet ihr einen längeren Artikel: Roger Peyrefitte hatte „sich bisher in Chroniken und Schlüsselromanen mit dem Diplomatenmilieu, dem römischen Klerus, … dem Malteser-Orden und sokratischen Freundschaftsbünden beschäftigt.“ Den Büchern des Vielschreibers gehen stets ausgiebige Recherchen voraus. [7]

Jänner 1962: Zeuge Adolf Eichmann

Eher kein masonisches Ruhmesblatt: Der in Israel zum Tode verurteilte NS-Scherge sagt in seinem Prozess in Israel nichts Böses gegen die Freimaurer. Das war der Zeitschrift der Vereinigten Großlogen von Deutschland eine Meldung wert. Unter „Personalien“ meldet DER SPIEGEL dies kommentarlos aber mit einem verständlichen Unterton weiter. [8]

April 1963: Die Freimaurer auf dem SPIEGEL-Titel

Zum ersten Mal und bisher (März 2011) letzten Mal behandelt DER SPIEGEL die Freimaurer in einer Titelgeschichte. Auf dem Cover prangt Altgrossmeister Theodor Vogel. Flankiert von Werbung für harte Männer berichtet der SPIEGEL unter „Brüder im Schurz“ über 26 Seiten von der masonischen Welt. Tenor: Die deutschen Freimaurer durchleben einen inneren Machtkampf und eine Existenzkrise „ausgerechnet in der Zeit ihrer größten Erfolge … Im Prosperitätsklima der Bundesrepublik hatte sich die ehedem verketzerte Bruderschaft zur ebenso wohlgelittenen wie sterilen Sekte gewandelt: Das Durchschnittsalter der Brüder liegt heute bei 55 Jahren, über die Hälfte der rund 400 deutschen Logen konnte im abgelaufenen Freimaurerjahr … keinen neuen Lehrling aufnehmen.“ Zum Machtkampf: Er tobe um den „Patriarchen“ Theodor Vogel. Es gebe große Widerstände gegen dessen Umtriebigkeit, die auch nach seinen Großmeisterjahren anhalte. [9]

Die Geschichte wird durch ein mehrseitiges Interview mit dem amtierenden Großmeister Friedrich August Pinkerneil abgerundet. Unter „Gegruselt wird nicht mehr“ kündigt er mehr Öffentlichkeitsarbeit an. [10] Und ein Portrait über den Großmeister. [11] Sechs Wochen später eine Notiz über die anerkennende Reaktion der Schweizer Großloge ‚Alpina‘: [12]

Jänner 1964: „Adolf Hitler – Anatomie eines Diktators“

Die Artikel über die Nazis und deren Haltung gegenüber den Freimaurern sind im Gegensatz zu den ersten Nachkriegsjahren jetzt endgültig historisch geworden. In dem Hitler-Essay heißt es, die Nazis hätten sich nach ihren Beschlagnahmungen darüber gewundert, wie wenig Freimaurer es in Deutschland gebe und wie politisch einflußlos sie in waren: „Hier hatte Hitler also gegen ein Phantom angekämpft, das von der Polemik des 19. Jahrhunderts aufgebaut und von ihm kritiklos übernommen worden war.“ [13]

März 1964: Wolfgang Stammberger über ein „Enthüllungsbuch“

Immer wieder einmal kommen in jenen Jahren die zwei prominenten und bekennenden Freimaurer Thomas Dehler und Wolfgang Stammberger vor. Beide waren FDP-Politiker (Stammberger wechselte später zur SPD), und beide waren Bundesjustizminister in der Regierung Adenauer. 1964 schreibt Stammberger für den SPIEGEL eine sehr lesenswerte Rezension über das Buch „Die Freimaurer – Geheimnis und Enthüllung“ von Heinz-Günter Deiter. Er wundert sich über das Aufdeckungsblabla des Autors: „Die freimaurerische Bibliographie in Europa umfaßt bis heute 60.000 Titel. Da sollte noch von einem ‚Tabu‘ die Rede sein, von der ‚Zone des Schweigens‘, in das dieses Buch hineinstößt?“ Spürbares Kopfschütteln des Autors. [14]

Sonst in den Sechzigern

Der Kontext, in dem das Wort ‚Freimaurer‘ vorkommt, ist meistens neutral. Kurios am Rande: Der FPD-Kandidat des tiefschwarzen Eifel-Wahlreises jammert, es sei "nicht so einfach hier. Das Wort 'Freie' stößt viele Menschen ab. Sie glauben, wir seien Freimaurer … oder gar Leute, die der Freikörperkultur huldigen."

Wenig in den Siebzigern

Trotz Attacken aus der Orthodoxen Kirche lassen Griechenlands Obristen, die sich an die Macht geputscht haben, die Freimaurer in Ruhe. [15]

Portrait: Der Philosoph Karl Raimund Popper wird 75; sein Vater war Freimaurer. [16]

Portrait: Bruno Kreisky gewinnt in Österreich Wahlen in Serie; auch sein Vater war ein Bruder. [17]

Natürlich kommt über die Jahre hinweg im masonischen Kontext immer wieder einmal Mozart mit seiner Zauberflöte vor. Ebenso freimaurerische Analogien, wenn DER SPIEGEL andere diskrete Vereinigungen beschreiben will.

1981 und 1983: Kirche und Freimaurer

Im März 1981 schreibt DER SPIEGEL: „Mit einem Bannfluch beendete der Vatikan fünfzehn Jahre der Versöhnung.“ Hintergrund: Hoffnungsvolle Gespräche mit den deutschen Bischöfen endeten mit einem katholischen Affront. Ein abschließendes Kirchenpapier: "Die gleichzeitige Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche und zur Freimaurerei ist unvereinbar." DER SPIEGEL interpretiert das als „Rückmarsch der Kirchenführer ins Getto“ im Auftrag des neuen Papstes Johannes Paul II. [18]

Milder geht DER SPIEGEL im Januar 1983 mit dem neuen Kirchrecht (Codex Iuris Canonici) um, weil dieses Freimaurer nicht mehr automatisch exkommuniziert. Die dazu veröffentlichte einschränkende Erklärung von Kardinal Ratzinger entgeht ihm. [19]

Mai 1981: Spott für Johannes Mario Simmel und die Freimaurer

Der damals sehr erfolgreiche Trivialautor Simmel bekommt neuerdings Preise, so den Kulturpreis der Deutschen Freimaurer. DER SPIEGEL wundert sich: „Womit hat Simmel das verdient? … Die Antwort kennt nur der Wind.“ [20]

1981 bis 1984: Propaganda Due

Mehrmals geht es in den frühen Achtzigern um die „Loge“ P2 in Italien: „Zum erstenmal stürzte eine Regierung über einen Freimaurer-Skandal. Die Loge ‚Propaganda 2‘ … war angeblich ein Zentrum von Spionage und Korruption. … Ein Geheimbund mit bizarren Riten, dem Minister, Abgeordnete, Generäle und Industrielle angehören, ein Spinnennetz aus Intrigen, Spionage, Korruption.“ Der Fall ist kompliziert: Die alte italienische Loge Propaganda Due entfernte sich ab 1970 von der freimaurerischen Moral und wurde zu einem masonisch getarnten kriminellen Netzwerk. Ihre Untaten reichten bis zu Putschplänen. Es gab sogar Tote. Zum Glück entwickelten Justiz und Politik Abwehrkräfte, so dass die P2 schließlich verboten wurde. [21] [22] [23]

Im August 1981 gibt es zu diesem Thema dann auch ein SPIEGEL-Interview mit dem neuen italienischen Ministerpräsident Giovanni Spadolini: „Diese Loge stand völlig außerhalb der Freimaurertradition. Sie war nichts weiter als ein Machtzentrum, in dem bedauerlicherweise Männer aus allen Parteien versuchten, sich staatliche Gelder unter den Nagel zu reißen.“ Spadolini wünschte sich dann von den Freimaurern mehr Öffentlichkeitsarbeit und „weniger Geheimnisse, weniger Riten, dafür mehr Kontakt zur bürgerlichen Gesellschaft.“ Er selbst sei kein Freimaurer. [24]

Und schließlich im August 1984 ein SPIEGEL-Interview mit Tina Anselmi, Präsidentin des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der sich mit der P2 beschäftigte: „Das politische Ziel der P2 hieß nicht Umsturz. Der P2 schwebte keine militärische Lösung vor. Sie wollte die Kontrolle über den Staatsapparat von innen ausüben, das demokratische System aber formal beibehalten.“ [25]

Mai 1987: Gestapo-Mann Klaus Barbie als Freimaurermörder

Der als „Schlächter von Lyon“ in die Geschichte eingegangene und dann als Kriegsverbrecher verurteilte Klaus Barbie, damals wegen seines Prozesses in allen Medien, war in den frühen Vierzigern ein berüchtigter Freimaurerjäger in den Niederlanden. DER SPIEGEL: „Kaum ein anderer SD-Mann zeigte dabei einen so rüden Eifer wie Barbie, ... Überfälle auf Logenquartiere leitete er selber, … nicht selten mit einer Pistole in der Faust.“ [26]

März 1988: Die englische Polizei in Maurerhänden?

Oberflächlich gesehen ist das eine ähnliche Geschichte wie die P2, bei genauerem Hinsehen aber schon viel weniger handfest. Es geht um den angeblichen masonischen Filz in der englischen Polizei. [27]

Neu ab den Achtzigern: Freimaurerfeindlichkeit im Osten

Der Dissident Walerij Soifer schreibt im August 1987 im SPIEGEL: "Gegen Juden und Freimaurer tritt in der UdSSR eine Bewegung auf, die latenten Antisemitismus im Lande ausnützt.“ [28]

Und der polnische Publizist Adam Michnik berichtet im Juli 1990 von einem PEN-Club-Treffen: Ein „russische Nationalist will ein reines Rußland - ohne Litauer, Juden, Armenier und Usbeken, aber auch ohne Kosmopoliten und ohne Freimaurer. Er weiß zwar nicht genau, was Freimaurer sind, aber er glaubt zu wissen, daß sie etwas mit Europa und den Juden zu tun haben. Hier sieht er den Hauptfeind.“ [29]

Ähnliches registriert DER SPIEGEL ab den Neunzigeren in Polen und Serbien, in Reden des italienischen Lega-Politikers Umberto Bossi und bei deutschen Neonazis. Verschwunden sind hingegen antifreimaurerische Auslassungen aus dem bürgerlich-konservativen Milieu.

Neu ab den Neunzigern: Kritik am Männerbund

Annette Meyhöfer im März 1990: „Selbst jene Bünde, die sich wie die Freimaurer als Stoßtrupp der Aufklärung verstanden … wandelten sich rasch in wertkonservative Vereinigungen“, die Frauen bis heute nicht aufnehmen. [30]

Und im Juli 1997 Carsten Holm unter „Wo Kerle unter sich sind“: Überall dringen die Frauen vor, „in Politik und Wirtschaft, in Vereine und Orchester. Nicht einmal die Bundeswehr gehört noch den Männern allein. Doch einige wenige Reservate gibt es noch.“ Na wer schon?! [31]

April 1991: Petitessen aus Österreich

Der Sohn des Schriftstellers und bekennenden Freimaurers Jörg Mauthe klagt Lotte Ingrisch, weil diese sich von dem 1986 Verstorbenen ein Buch aus dem Jenseits diktieren ließ. DER SPIEGEL: „Lotte Ingrisch, Gattin des Komponisten Gottfried von Einem, ist seit pränatalen Zeiten in übersinnlichen Zirkeln heimisch und bekannt daselbst als Lotte Irrwisch.“ [32]

Juni 1996: Fußball und Freimaurer

DER SPIEGEL listet 5000 Jahre Sport auf. Zweifellos der ;-) Höhepunkt: „Am 26. Oktober 1863 wird im Londoner Freimaurer-Treff ‚Freemason's Tavern‘ die Football Association (FA) gegründet.“ [33]

Juni 2005: DER SPIEGEL läßt graben

Eine seltsame Geschichte: Im früheren Königsberg (Kaliningrad) graben Archäologen im Auftrag des Magazins in einem Schloß und finden einen Silberschatz. Olav Röhrer-Ertl, Geheimschriftexperte und Anthropologe aus München, untersucht die silbernen Ringe, Gemmen und Medaillons, und sieht schließlich einen – so DER SPIEGEL – „Zusammenhang mit der Geheimgesellschaft der Freimaurer“. [34]

Oktober 2005: Illuminaten und Freimaurer

Es geht um den 1776 gegründeten Geheimbund und über dessen Verbindungen zu den Freimaurern. Selbst der Freimaurer Goethe war kurze Zeit dabei. Aber es gab die Illuminaten nicht lange. DER SPIEGEL: „Schon 1784/85 wurden die Illuminaten denunziert und von Bayerns Obrigkeit verboten, polizeilich gejagt und als Anarchisten, Gottesleugner und Giftmischer verteufelt. … Nur noch dunkle Sagen lebten fort - bis heute.“ Siehe Dan Brown mit seinen Bestsellern. Überhaupt werden im SPIEGEL in den Nullerjahren Verschwörungstheorien en vogue: mit und ohne numerologischem Beiwerk und gelegentlich mit Bezugnahme auf die Freimaurer. [35]

Dezember 2010: Angelo Soliman

Karl-Markus Gauß publiziert ein Buch über den berühmten Afrikaner im kaiserlichen Wien des 18. Jahrhunderts. DER SPIEGEL: Angelo Soliman „war ein Aufklärer par excellence, mehrsprachig, weltläufig und weitgereist, zum Ende seines Lebens Freimaurer. Nach seinem Tode aber holte ihn das Schicksal seiner exotischen Herkunft ein.“ Er wird gehäutet, ausgestopft und in der kaiserlichen Naturaliensammlung neben exotischen Tierpräparaten zehn Jahre lang als ‚Wilder‘ zur Schau gestellt. Jahrzehnte später, in den Revolutionskämpfen 1848, verbrennt das Depot, in dem er inzwischen gelagert wurde, und Angelo Soliman kann endlich zu Asche werden. [36]