Die Yorker Urkunde: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 23. Januar 2022, 12:22 Uhr

Die umstrittene Yorker Urkunde von 1806

Beabeitet von Roland Müller

Aus:
Karl Christian Friederich Krause: Die drei ältesten Kunsturkunden der Freimaurerbrüderschaft. 1810, 546-596
ohne die ausschweifenden Anmerkungen von Krause

ähnlich umstrittene Dokumente siehe:
Kölner Urkunde (1535) von 1818
Das umstrittene Freimaurerverhör von 1753


Zur sogenannten „Yorker Urkunde“

gemäss August Wolfstieg: Bibliographie der freimaurerischen Literatur, Bd.1, 1911, 295, Nr. 5841-5844
wurde Krauses Text auch ins Englische übersetzt:
W. J. Hughan: The old Charges. 1872, 80-90: „Krause’s Ms.” (vollständig übersetzt von F. Berridge)
und:
The Constitution. Extracted from C (arl Christian Friedr.) Krause's Three oldest immemorial lodge records. (1. ed., 1810) Rendered into English 1903 (by J. Stohwasser). (London 1904) 75 S. 8°

Ferner ins Französische:
Emmanuel Rebold: Historie Générale de la Franc-Maçonnerie. 1851, 200-203: Charte d’York (hier die 16 „Lois fondamentales” von Edwin) (das Buch wurde 1884 auf Deutsch übersetzt: Allgemeine Geschichte der Freimaurerei.)

Neuerdings (2015) auf der Website der Genfer Loge „Fidélité et prudence“ Auszüge der Geschichte und die 16 Pflichten von Edwin: http://fidelite-prudence.ch/origine-de-la-fm/488-15-la-chartre-d-athelstan-926


Deutsch auch in:
Friedrich Heldmann: Die drey aeltesten geschichtliche Denkmale der teutschen Freimaurbrüderschaft. 1819, 126-150 (hier die Konstitution, 129-137, anschliessend die 16 Pflichten von Edwin)
Allgemeiner Anzeiger der Deutschen. Num. 23, Montags, den 24. Januar 1825, Sp. 270-274 (die 16 Pflichten von Edwin)
Eduard Bobrik: Geschichte, Grundidee und Verfassung der Freimaurerei. 1838, 20-22, 44-46, 56-60 (hier zwei Auszüge aus der Konstitution und die 16 Pflichten von Edwin)
Asträa. Taschenbuch für Freimaurer auf die Jahre 1838 und 1839, 135-147 (unter dem Titel: „Merkwürdiges Aktenstück“, eingebettet in lange Erläuterungen die Konstitution, 139-144, anschliessend die 16 Pflichten von Edwin)
Georg Franz Burkhard Kloss: Die Freimaurerei in ihrer wahren Bedeutung. 1846; identische 2. Aufl., 1855 (zahlreiche Auszüge aus der Geschichte: 21-24, 40-43, 49-50, 57-59, sowie „Zweifel über das hohe Alter der Krauses‘chen Urkunde“, 62-64; er datiert sie auf ca. 1772; ferner die 14 Satzungen, 79-81)
Friedrich Albert Fallou: Die Mysterien der Freimaurer. 1848, 391-398 (hier die 16 Pflichten von Edwin, die 14 Satzungen und die 8+12 Pflichten von Wilhelm III.)
Wilhelm Keller: Kurzgefasste Allgemeingeschichte der Freimaurerei. 1860, 64-75 (hier die 16 Pflichten von Edwin, die 8+12 Pflichten von Wilhelm III. und die 14 Satzungen)
Erhard Emil Eckert: Die Mysterien der Heidenkirche: erhalten und fortgebildet im Bunde der alten und der neuen Kinder der Wittwe. 1860, 102-114
Josef Gabriel Findel: Geschichte der Freimaurerei, 1861, 107-115; 1870, 87-97; 1878, 85-94 (hier nur die 16 Pflichten von Prinz Edwin)
Allgemeines Handbuch der Freimaurerei. Dritter Band 3, 1867, 497-519 (hier, eingebettet in eine unendlich lange Auseinandersetzung mit Krause die vollständige Konstitution, 504-509, anschliessend die 16 Pflichten, die 8+12 Pflichten und die 14 Satzungen, mit zahlreichen langen Kommentaren)


Die bislang letzte Zusammenfassung der Forschung:
http://www.internetloge.de/krause/krause_yorker_urkunde.pdf
(aus dem Allgemeinen Handbuch der Freimaurerei, 1901, 564-570; mit Auszügen aus der Geschichte sowie den 16 Pflichten von Edwin; dazu viele Textpassagen aus dem Handbuch von 1867)


Die Konstitution,

durch den frommen Prinz (Princeps) Edwin zu Stande gebracht, fängt, an:

Die Allmacht des ewigen Gottes, Vaters und Schöpfers der Himmel und der Erde, die Weisheit seines göttlichen Wortes, und die Einwirkung (vis) seines gesendeten Geistes, sei mit unserm Anfange und schenke uns Gnade, uns in diesem Leben so zu regieren, daß wir hier seinen Beifall (favor) und nach unserm Sterben das ewige Leben erlangen mögen.

Die guten Brüder wollen zuerst wissen, wie und auf welche Art die verehrungswürdige (venerabilis) Kunst der Architektur anfieng; hernach aber, wie sie erhalten wurde, und durch Könige und Fürsten in Flor kam. Sodann wollen sie auch wissen, welche von dem heiligen Alban, nach Art der Römer, eingeführte Gesetze noch gut und nützlich sind.
Weil nun schon die Griechen und Römer die Architektur für werth hielten, daß sie, als eine große Kunst und merkwürdige Wissenschaft, treulich beobachtet werde; so soll es, nach dem Willen des frommen Königs, bei uns auch so seyn.

Dieß ist aber der Anfang und Fortgang dieser Kunst.


(I) Geschichte des Ursprunges und Fortganges der Maurerei

a) ausserhalb Britanniens.)


Als der erste Mensch mit allen geistigen und körperlichen Vorzügen aus der Hand Gottes hervorgegangen war, sündigte er bald gegen seinen Schöpfer, und die Folge war, daß er zur Strafe den Einftuß der Witterung bald fühlte, gegen welche sich zu schützen er nun bedacht seyn mußte.
Denn bei dem hohen Verstände, den er von Gott erhalten hatte, und da ihm Gott selbst das Schreiben lehrte, kann es nicht anders seyn, als daß er auf Wohnung bedacht war, und Grundregeln in allen andern dazu noch erforderlich gefundenen Wissenschaften festsetzte, damit sich auch seine Nachkommen darnach richten könnten.

Daher baute dann Kain die erste Stadt, (und mit ihr fieng die Kunst, ordentliche Häuser zu bauen, im Morgenlande an zu blühen.) Kain's Sohn, Enoch, war besonders ein großer Baumeister und Sternkundiger. Er sahe in den Gestirnen voraus, daß die Welt einmal durch Wasser und ein andermal durch Feuer untergehen würde, und setzte daher zwei große Säulen, eine von Stein, die andere von Thon, auf welche er die Grundlehren der Künste schrieb, damit die Wissenschaften Adam's und seiner Nachkommen nicht verloren gehen möchten.

Tubalkain hatte auch schon die Kunst, in Eisen zu arbeiten, Jubal die Musik, seine Schwester, Naahmah, die Kunst des Webens, und sein Bruder, Jabal, die Viehzucht, den Feldbau und die Feldhütten, die man hernach auch in den Krieg einführte, zur Vollkommenheit gebracht.

Alle Nachkommen Adams bewahrten diese Künste, bis endlich Noah auch den Weinbau erfand, und von Gott in den ersten Gesetzen der Menschen, seit Erschaffung der Welt, zugleich auch darinnen unterrichtet wurde, ein schwimmendes großes Gebäude von Holz zu bauen, wodurch der Schiffbau begründet wurde, den hernach zuerst die Völker aus Soria (Phönicier) trieben.


Nach zwei Generationen, von Noah an; bauten dessen Nachkommen, stolz auf ihre Kenntnisse, in einer Ebene des Landes Sinear eine große Stadt und einen hohen Thurm von Kalk, und Steinen, und Holz, um unter den Gesetzen, die ihnen ihr Stammvater Noah bekannt gemacht hatte, bei einander zu wohnen, und den Nahmen der Abkömmlinge Noah's unsterblich zu machen. Dieser Übermuth aber gefiel dem Herrn im Himmel, dem Liebhaber der Demuth, nicht; daher verwirrte er, noch ehe der Thurm fertig war, ihre Sprache, und zerstreuete sie dadurch in viele unbewohnte Länder, wohin sie ihre Gesetze und Künste mitbrachten, und dann Königreiche und Fürstenthümer anrichteten; wie Dieses die heiligen Bücher vielfältig besagen.
Besonders baute Nimrod ansehnliche Städte; Noah's Sohn, Sem, aber blieb zu Ur, im Lande der Chaldäer, und pflanzte da alle Wissenschaften und Künste fort, unterwies auch Peleg, Serug, Nahar, Thara, und Abraham, welcher Letztere alle Wissenschaften genau begriffen hatte, und sie den Söhnen von Freigebornen weiter lehrte; woher hernach die vielen gelehrten Priester und Mathematiker gekommen sind, welche unter dem Namen der weisen Chaldäer bekannt sind.
Alle jene Wissenschaften und Künste pflanzte Abraham auch dann, als er nach Egypten gekommen war, weiter fort, und fand da vorzüglich an Hermes einen so geschickten Schüler, daß Dieser endlich der Trismegistus der Wissenschaften genannt wurde; denn er war auch zugleich Priester und Naturforscher in Egypten; und durch ihn und einen Schüler von ihm erhielten die Egypter die ersten guten Gesetze und alle Wissenschaften, worinnen ihn Abraham unterrichtet hatte. In der Folge, faßte Euklid die Hauptwissenschaften zusammen, und nannte sie Geometrie. Alle zusammen aber nannten die Griechen und Römer Architektur.


Wegen jener Verwirrung der Sprachen ließen sich aber Gesetze, und Künste, und Wissenschaften Anfangs nicht eher fortpflanzen, als bis man gelernt hatte, Das, was man durch Worte nicht verstand, durch Zeichen verständlich zu machen; daher auch Mizraim, Cham's Sohn, die Gewohnheit, sich durch Zeichen zu erklären, mit nach Egypten brachte, als er ein Thal am Nil bevölkerte. Von da kam hernach diese Kunst in alle entfernte Länder; aber nur die Zeichen, welche die Hände geben, sind in der Baukunst geblieben; denn die Zeichen der Figuren kennen nur Wenige noch.


In Egypten gaben die Überschwemmungen des Nils den durch Mizraim Eingeführten Gelegenheit, sich im Messen zu üben, und Brücken und Schutzwehren gegen das Wasser anzulegen. Sie brauchten gebrannte Steine, und Holz, und Erde dazu; daher, als Dieses die heidnischen Könige erfahren hatten, sie gezwungen wurden, Steine, Kalk-und Ziegel zuzubereiten, und Gebäude damit aufzuführen; wodurch sie aber durch Gottes Willen nur desto erfahrnere Künstler und so berühmt wurden, daß sich ihre Kunst bis nach Persien verbreitete.
Moses führte darauf dieses auserwählte Volk aus Egypten nach Canaan, und baute durch die Künstler desselben die hochberühmte Stiftshütte, von Holz und Eisen, und Gold und Gewirktem. Er brachte überhaupt die Baukunst zu mehrerer Vollkommenheit, weil Weisheit in ihm war.
Die altern Einwohner Canaans bauten zwar auch schon von Steinen, und hatten allerdings schon Häuser, und Städte, und Paläste: dennoch aber gieng die heilige Baukunst, welche bei der Stiftshütte angewendet worden war, über Alles. Als Josua die Stiftshütte nach Siloh gebracht hatte, dienten die Priester Gott an ihr, und bauten Land, wie es in Egypten gebaut wurde, und noch geschieht, zum Nutzen der Menschen.


Von nun an verbreitete sich die Kunst, mit Kalk, Steinen und Holz zu bauen, immer weiter, und besonders thaten sich die Völker aus Phönicien darinnen hervor, indem sie die Städte Tyrus und Sidon erbaueten, welche hernach ihre Könige durch ihre Künstler verschönerten. Unter ihnen zeichnete sich besonders der König Hiram aus, und wurde daher so berühmt, daß der israelitische König Salomo, als er den von seinem Vater vorgenommenen Bau eines Gott geheiligten Tempels ausführte, ihn bat, ihm geschickte Künstler und Arbeiter zukommen zu lassen. Denn auch in der heiligen Baukunst zeichneten sich die Phönicier aus, und hatten trefliche Baumeister, von denen Einer, Sanconiathon, den Tempel Dagon's, ein künstliches, herrliches und großes heiliges Gebäude, aufführte, welches immer, wenn man dem falschen Gotte opferte, 3000 Menschen faßte.
Und so war es auch in andern Ländern.

Doch, wurden auch schon durch die Baukunst überall große und vortrefliche Gebäude hergestellt gefunden; so blieben sie doch alle weit zurück gegen den heiligen Tempel, welchen der weise König Salomo dem wahren Gotte zu Ehren in Jerusalem aufführen ließ, und wobei, wie wir in den heiligen Büchern finden, eine ungemein große Anzahl Arbeiter gebraucht wurden; und dazu gab der König Hiram von Tyrus auch noch eine Anzahl. Unter diesen zugesendeten Gehülfen war des Königs Hiram geschicktester Baumeister, einer Wittwe Sohn, welcher den Namen Hiram Abif führte, und der hernach, so vortrefliche Einrichtungen machte, und die kostbarsten Arbeiten lieferte, welche alle in den heiligen Büchern aufgezeichnet sind.
Alle diese Arbeiter waren in gewisse Ordnungen eingetheilt, welche K. Salomo genehmigt hatte; und so wurde bei diesem großen Bau zuerst eine würdige (venerabilis) Gesellschaft der Baukünstler (Societas architectonica) begründet. Ähnliche Einrichtungen trafen hernach die Griechen und Römer, und von den Römern sind sie hernach über das Meer, aus Italien und Gallien, zu uns herüber gekommen. Es bestanden aber diese Einrichtungen (der Griechen und Römer) darinnen, daß die Kunstarbeiter je nach Dem, was sie arbeiteten, in Collegia oder Logen (Collegia sive Lodges) vertheilt wurden, wovon Jede einen Werkmeister (Magister fabricae) und etliche Vorsteher hatte; woher es kam, daß die Anordnungen der Baumeister pünktlich befolgt werden konnten; zugleich mußten sie für die Werkzeuge und Materialien sorgen, und jede Woche die Bezahlung, eben so auch Unterhalt und Kleidungsstücke, richtig abliefern. Es mußten aber auch immer Lehrlinge angezogen werden, damit es nie an Arbeitern fehlen möchte. So entstand eine vollkommene Vereinigung unter Allen; und da die Werkmeister und Vorsteher die Anordnungen von den Baumeistern erhielten, auch eine Vereinigung aller dieser Logen unter einander; und Liebe und Freundschaft verband Alle zusammen so stark, daß Jeder seinen Überfluß mit seinem bedürftigern Bruder theilte, und Alle nicht nur die bei der Arbeit, sondern auch die an sich selbst bemerkten Fehler verbesserten.

Vermuthlich bei eben so schönen Anordnungen, und bei den angestellten vielen Arbeitern, wurde das bewundernswürdige Werk des Salomo, welches 30000 Personen fassen konnte, zum Erstaunen aller benachbarten Völker, von denen Kenner nach Jerusalem kamen und es betrachteten, in 7 Jahren, 6 Monaten durch Salomo, den Weisesten unter den Menschen, in seiner Größe und klugen innern Einrichtung zu Stande gebracht.
Nachdem Dieses geschehen war, feierte man ein allgemeines Fest, und die Freude über die glückliche Vollendung konnte nur dadurch getrübt werden, daß bald hernach der vortrefliche Meister Hiram Abif starb. Man begrub ihn vor den Tempel, und von Allen wurde er betrauert.


So verbreitete sich aber die an diesem, heiligen Gebäude zu Jerusalem angewendete ausnehmende Baukunst. Sie hatte bei allen Völkern großes Ansehen gewonnen; daher Dieses viele Baumeister und erfahrne Arbeiter benutzten, welche den Bau mit hatten vollenden helfen, und nun weit umherzogen, um Diejenigen zu belehren, welche weniger Geschicklichkeit hatten; wobei sie ähnliche Einrichtungen trafen, als sie in Jerusalem gelernt hatten. Einer von ihnen, Namens Ninus, wurde, nebst seiner Gesellschaft, auf einem Schiffe der Phönicier an die westlichen Küsten gebracht; woher es kam, daß er der Erste wurde, welcher die morgenländische Architektur dahin brachte, von wo sie hernach in die westlichen Länder verbreitet wurde. Die Übrigen hingegen blieben noch in Jerusalem, weil sie K. Salomo noch zu Aufführung seiner Paläste und anderer treflichen Gebäude brauchte.

Nachdem Salomo's Tempel 430 Jahre gestanden hatte, wurde er durch Nebucadnezar verwüstet. Dieser führte auch viele gefangene Baukünstler nach Babilon, und errichtete hier sehr vortrefliche Gebäude durch sie. Diese Gebäude kamen zwar der heiligen Baukunst, welche unter Salomo angewendet worden war, bei weitem nicht bei; aber die merkwürdige Wissenschaft der Baukunst überhaupt wurde doch auf diese Art unterhalten und fortgepflanzt, bis der mächtige Cyrus hernach die Juden wieder nach Jerusalem gehen ließ, und dem Zorobabel Befehl ertheilte, den heiligen Tempel auf der vorigen Stelle wieder aufzubauen. Während des Baues starb zwar Cyrus; der Bau wurde aber doch unter Darius, nachdem man 20 Jahre daran gebauet hatte, zu Stande gebracht, und das Baufest begangen. Auch dieser Tempel war so ein trefliches Gebäude, daß es die Feinde der Juden selbst bewunderten, ob es gleich dem ersten Tempel nicht gleich kam.

Zorobabel's Tempel stand bis zu Antonius und Octavius Zeiten, wo ihn ihr Statthalter, Herodes, niederreißen, und dafür auf demselben Platze den dritten, in griechischer Bauart und durch griechische Baumeister, ebenfalls ungemein prächtig wieder aufbauen ließ. Man baute, ehe man das Baufest feiern konnte, 9 Jahre 6 Monate, durch sehr viele Arbeiter, daran.


Es war damals schon die Baukunst durch die Schiffarth der Phönicier, die über das Meer überall hin Handlung trieben, bis nach Westen verbreitet worden; auch hatte sie in Griechenland schon eine hohe Vollkommenheit erlangt; und wir finden viele prächtige große Gebäude in Athen und ganz Griechenland, zu welchen allen der Salomonische Tempel zuerst Veranlassung gegeben hatte, nachdem er von allen benachbarten Völkern bewundert worden war. Die Schiffarth in Westen aber trieben jetzt die Römer, und kamen dadurch nach Griechenland und in den Osten.
Besonders hatte sich Pythagoras, der Grieche, um die Baukunst verdient gemacht. Er reisete nach Egypten und Syrien, und überall hin, wo sie blühete. Er wurde in die Logen aufgenommen, und unterrichtete nach seiner Zurückkunft in derselben, gieng dann zu Schilfe nach Großgriechenland, wohnete da, und wurde als Weiser sehr berühmt, stiftete auch zu Crotona die große Schule der Weltweisheit und der Baukunst, und war der Erfinder vieler Grundlehren, welche späterhin in die Geometrie aufgenommen wurden. Er hatte viele Schüler, die hernach auch als Weise auftraten, und gleichfalls berühmt, auch Erfinder mancher solcher Grundlehren wurden, bis der berühmte Euclides von Tyrus diese Lehren alle zusammen brachte, und ein Buch verfaßte, welches alle Baumeister verstehen müssen.

Von Euclid an wurden alle Wissenschaften ordentlich vorgetragen, und in die Grammatik, Rhetorik, Logik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie getheilt. Diese sieben Künste muß ein Architekt alle kennen, dabei aber auch noch andere Wissenschaften der Römer; daher es gar schwer ist, Architekt zu seyn. Doch wird immer die Geometrie die Grundlage der Baukunst bleiben, und es ist genug, daß Diejenigen, welche nicht Baumeister sind, sich nur mit dieser völlig bekannt machen. Weil es aber immer schwer war, Architekt zu seyn, so ward die Architektur bei den Griechen auch in Ehren gehalten; indem sie nur von Freigebornen, nicht von Knechten, erlernt werden durfte. So blühete sie, wie zu Athen, also auch zu Carthago; wie in Hetrurien, also auch auf der Insel, auf welcher in Syracus der weise Archimed durch die Geometrie und seinen in dieser Arbeit gefundenen Tod berühmt worden ist.

Aus Hetrurien, Griechenland, Egypten und Asien holten die Römer ihre Wissenschaften und Künste, und erlangten die nähere Bekanntschaft damit durch ihre Kriege. Sie führten immer berühmte und kluge Personen von daher in ihre Stadt, und gelehrte Leute von ihnen reiseten dann auch dahin und kamen wieder zurück. So wurde Rom nach und nach der Hauptsite aller Gelehrsamkeit, die endlich unter dem Kaiser August, weil er sie so sehr begünstigte, ihr höchstes Ziel erreichte; und weil unter seiner Regierung der Messias geboren wurde, so ward sie hernach auch die, erste Hauptstadt in Westen, in welcher das Evangelium aus Osten Wurzel schlug.
Unter diesem Kaiser August war sonderlich der vortrefliche Baumeister Vitruv in Rom berühmt, den Jener besoldete, und durch den so viele vortrefliche Gebäude aufgeführt wurden. Daher wir auch die von Vitruv wieder eingeführte gute Baukunst die Augustische nennen. Er hat sie in ein Buch verfaßt, und dieses und Euclid's Buch muß jeder Baumeister verstehen.


(b) Geschichte des Ursprungs und Fortganges der Maurerei in Britannien.)

Diese Baukunst kam aber durch italiänische und gallische Baumeister auf diese Art nach Britannien. Im 43sten Jahre nach der Geburt unsers Herrn schickte der Kaiser Claudius Baumeister aus Rom nach England, welche Schlösser und Thürme darum bauen mußten, damit die Römer sicher in Britannien seyn möchten. Sie lehrten die Vitruvische Baukunst Andern; und so wurden dann auch bei Lebzeiten der Kaiser Vespasian und Hadrian die Mauern gegen die nordischen Völker, von dem Könige Lud [Lucius] aber, welcher der erste christliche König in Britannien war, Gotteshäuser durch sie gebaut.
Und weil schon die Griechen und Römer Logen eingeführt hatten, so hatten die römischen Baumeister diese Einrichtung auch in Britannien getroffen; und so blieb es in einigen Gegenden Britanniens , bis im Jahre Christi, unsers Herrn, 300 der Kaiser Carausius ein Schloß in der Stadt Verulamium bauen, und um diese Stadt eine Mauer führen ließ; weswegen er noch mehr Künstler aus Rom kommen ließ. Er hatte einen römischen Baumeister, welcher Amfiabalus hieß, und dieser wurde der Lehrer (Doctor) des heiligen Albanus, durch den der Kaiser die Baue besorgen ließ, weil er seiner Haushaltung vorgesetzt war. St. Alban, ein würdiger römischer Ritter, nahm sich der Kunst an, weil er sie liebgewonnen hatte, und liebte die Arbeiter und unterstützte sie sehr. Er traf Einrichtungen und setzte Chargen bei den Maurern fest, und lehrte sie Gebräuche, Alles, wie ihm Amfiabalus gelehrt hatte. Er verschafte ihnen auch einen guten Lohn; denn er gab den Arbeitern zwei Schillinge auf die Woche und drei Pfennige zu ihrer Kost, da sie vorher nur einen Pfennig, nebst Essen, bekommen hatten. Er wirkte auch einen Begnadigungsbrief vom Kaiser Carausius aus, nach welchem die Arbeiter nun auch in Britannien eine ganze Gesellschaft hießen und unter den Baumeistern stehen sollten; welches vorher noch nicht war, weil jeder Einzelne Arbeiten annahm, wo er zu arbeiten fand. Er hielt sich selbst zu dieser Gesellschaft, half neue Arbeiter aufnehmen, sorgte, daß sie immer viel Arbeit hatten, und war der Erste in Britannien, der dieses that.
Sein Tod mußte für die Gesellschaft betrübt seyn; denn da der Kaiser erfahren hatte, daß er heimlich ein Christ geworden war, wurde er, wie Johannes, als Bekenner der Wahrheit hingerichtet, und wurde so der erste Märtyrer in Britannien; wie Jener der Erste unter den Christen.

Die Verfolgung nahm überhand, und die Kunst lag nun darnieder, bis der Kaiser Constantius ihr wieder empor half, und unter seinem Sohne, dem Kaiser Constantin, die christliche Religion aufblühete; wo dann einige Gotteshäuser und große Gebäude nach der römischen Baukunst aufgebauet wurden. Es fielen aber wieder Kriege mit den nördlichen Völkern (Schotten und Picten) vor; und da diese übermächtig wurden, verließen die Römer die Herrschaft über Britannien wieder; daher die Britannier genöthigt wurden, die Angeln und Sachsen zu Hülfe zu rufen; und da lag dann die Kunst wieder darnieder, weil diese Völker Heiden waren, und die Kriege fortdauerten. Endlich aber kehrte der Friede zurück, und der Bischof in Rom ließ die Angeln und Sachsen zum christlichen Glauben bekehren; woraus immer mehr geschickte Bauleute in Britannien entstanden, welche von dem wachsamen (vigilans) Überreste der alten britischen Baumeister unterrichtet wurden.
Nun wurden die Kirchen in Canterbury und Rochester zuerst wieder erbauet und die ältern Gotteshäuser reparirt.
Hernach schickte auch der König Carl Martell viele Maurer über das Meer nach Britannien, weil es die sächsischen Könige verlangt hatten; und so lebte die Baukunst unter Leitung der alten britischen Baumeister immer mehr auf. Zu bedauern ist freilich, daß die Einfälle der Dänen manches schöne Augustische Gebäude verwüstet und viele Nachrichten von der Gesellschaft (societas) mit den Klöstern verbrannt hatten, worin die Logen schon damals gehalten wurden; diesem Mangel aber hat der fromme König Athelstan, der die Kunst so sehr schätzt, daß er, wie uns bekannt ist, als er Friede mit den Dänen gemacht hatte, viele prächtige Gebäude hergestellt hat, abzuhelfen beschlossen. Er hat daher befohlen, daß die von dem heiligen Alban eingeführte Einrichtung der Römer wieder hergestellt und bestätigt werde; daher er auch seinem jüngsten (vielleicht adoptirten) Sohne Edwin einen Befreiungsbrief für die Maurer, um sich selbst untereinander regieren und Einrichtungen zum Gedeihen der Kunst treffen zu können, ausgehändiget hat, weil Dieser die Chargen selbst angenommen und die Gebräuche erlernt hat.
Er hat auch gallische Maurer kommen lassen und sie nun mit zu Vorstehern bestellt, und die Einrichtungen der Griechen, Römer und Gallier, welche sie in Schriften mitgebracht haben, nebst des heiligen Albanus Einrichtungen, durchsehen lassen; und hiernach sollen nun alle Maurergesellschaften eingerichtet werden.


Sehet also nun in dem frommen Prinz Edwin euren Beschützer, der den königlichen Befehl ausrichten, euch unter einander aufmuntern und ermahnen wird, begangene Fehler nicht wieder vorkommen zu lassen. Daher sollen alle Jahre die Baumeister und Vorsteher von allen Logen einmal zusammen kommen und ihm Bericht über die Bauten, und was bei der Arbeit zu verbessern seyn möchte, abstatten.
Er hat euch hierher nach York zusammen berufen lassen, und die Vorsteher sollen euch nun die Gesetze vorsagen, welche sich in den alten glaubwürdigen Nachrichten, die durchgegangen worden sind, gefunden haben, und welche zu beobachten nützlich und gut sind.

Folgendes sind aber die Gesetze, die ihr annehmen und, wenn ihr sie angenommen habt, mittelst Auflegung der Hand auf das heilige Buch, (Evangelium) das die Vorsteher darhalten werden, zu beobachten versprechen werdet. Auch soll jeder Meister (Magister fabricae) sie in seiner Loge vorlesen lassen und es eben so halten. Auch soll jeder Meister sie vorlesen lassen, wenn ein neuer Bruder angenommen wird; indem ein solcher sich ebenfalls auf dem Evangelium dazu verbindlich machen soll.

(II) Die den Brüdern Maurern vom Prinz Edwin vorgelegten Gesetze oder Pflichten.)

1) Die erste Pflicht ist, daß ihr aufrichtig Gott verehren und die Gesetze der Noachiden befolgen sollt, weil es göttliche Gesetze sind, die alle Welt befolgen soll. Daher sollt ihr auch alle Irrlehren meiden und euch dadurch nicht an Gott versündigen.

2) Eurem Könige sollt ihr getreu seyn ohne Verrätherei, und der Obrigkeit, wo ihr euch auch befinden werdet, gehorchen ohne Falschheit. Hochverrath sei fern von euch; und erfahrt ihr deß Etwas, so sollt ihr den König warnen.

3) Gegen alle Menschen sollt ihr dienstfertig seyn, und, soviel ihr könnt, treue Freundschaft mit ihnen stiften, euch auch nicht daran kehren, wenn sie einer andern Religion oder Meinung zugethan sind.

4) Besonders sollt ihr auch immer treu gegeneinander seyn, einander redlich lehren und in der Kunst beistehen, einander nicht verläumden, sondern euch unter einander thun, wie ihr wollet, daß euch Andere thun sollen. Sollte sich daher auch ein Bruder gegen irgend Jemanden, oder einen Mitbruder, vergehen, oder sonst fehlen, so müssen ihm Alle beistehen, sein Vergehen wieder gutmachen zu können, auf daß er gebessert werde.

5) Treulich habt ihr euch auch zu den Berathschlagungen und Arbeiten der Mitglieder in jeder Loge zu halten, und gegen Jedermann, der kein Bruder ist, die Merkmale geheim zu halten.

6) Jeder soll sich der Untreue enthalten, weil die Brüderschaft nicht ohne Treue und Ehrlichkeit bestehen kann, und ein guter Name ein großes Gut ist. Auch sollt ihr immer auf des Herrn oder Meisters, dem ihr dienet, Nutzen sehen und ihn befördern helfen, und immer seine Arbeit redlich zu Ende bringen.

7) Ehrlich sollt ihr auch immer bezahlen, wo ihr schuldig seid, und überhaupt nichts zu Schulden bringen, wodurch der gute Ruf der Brüderschaft Gefahr laufen könnte.

8) Sodann soll aber auch kein Meister ein Werk übernehmen, wenn er sich nicht für geschickt genug dazu hält; denn er würde dem Baumeister und der Brüderschaft nur Schande machen. Ferner, jeder Meister soll billigen Lohn fordern, doch so, daß er leben und seine Gesellen bezahlen kann.

9) Ferner, Niemand soll einen Andern verdrängen, sondern ihm die gefundene Arbeit lassen, es sei denn, daß er untüchtig dazu wäre.

10) Ferner, kein Meister soll einen Lehrling anders, als auf die Zeit von sieben Jahren, annehmen; und da soll er ihn erst, nach Rath und Beistimmung seiner Mitbrüder, zum Maurer machen.

11) Ferner soll kein Meister oder Gesell Gebühren nehmen, um Jemand zum Maurer zu machen, wenn er nicht frei geboren ist, in gutem Rufe stehet, gute Fähigkeiten und gesunde Glieder hat.

12) Ferner, kein Gesell soll den andern tadeln, wenn er es nicht besser zu machen weiß, als der, den er tadelt.

13) Ferner, jeder Meister soll anhören, wenn er von dem Baumeister, und jeder Gesell, wenn er von dem Meister angehalten wird, seine Arbeiten zu verbessern, und sich darnach achten.

14) Ferner, alle Maurer sollen den Vorgesetzten Gehorsam erweisen, und willig thun, was sie Ihnen heißen.

15) Ferner, jeder Maurer soll Gesellen aufnehmen, die über Land kommen, und die ihm die Merkmale geben. Er soll dann für sie sorgen, wie ihm gelehret ist. Auch soll er nothleidenden Brüdern zu Hülfe kommen, wenn er Wissenschaft von ihrer Bedrängniß erhält, wie er gelehret ist, und sollte es auch bis auf eine halbe Meile Weges seyn.

16) Ferner, kein Meister oder Gesell soll einen andern, der nicht zum Maurer gemacht, worden ist, in die Loge zulassen, um die Kunst des Formens (ars formandi) zu sehen, oder ihn Steine formen lassen auch ihm kein Winkelmaaß oder Richtscheit machen, oder die Anwendung davon lehren.

Dieß sind die Pflichten, die zu halten gut und nützlich sind. Was künftig noch gut und nützlich befunden werden wird, soll immer aufgeschrieben und von den Vorstehern bekannt gemacht werden, damit alle Brüder ebenfalls darauf verpflichtet werden können.

Hier endet sich die Konstitution.

Copia.
Codex ille membraneus, lingua patria antiqua conscriptus, qui apud Rev. summam societatem architectonicam nostra in Civitate asservatur, eadem, quae haec translatio in latinum habet.
Testor hacc Eboraci MDCCCVI Pridie Non. Januar.
(L. S.* = Siegel) Stonehouse.

(Diese lateinische Beglaubigung lautet, wie folgt:
„Jenes in der alten Landessprache verfaßte, auf Pergament geschriebne Manuscript, welches bei der Ehrwürdigen obersten Gesellschaft der Architekten (Großen Loge) in unserer Stadt aufbewahrt wird, ist mit Dem, was vorstehende lateinische Übersetzung enthält, gleichlautend.
Dieß bescheinige ich. York, im J. 1806 am 4ten Januar.
„Stonehouse.")

Daß diese abschriftliche lateinische Beglaubigung mit ihrem Originale, das sich unter derjenigen lateinischen Übersetzung, welche vorstehend weiter in's Deutsche übersetzt worden ist, befindet, völlig gleichlautend, jene lateinische Übersetzung aber in der vorstehenden deutschen, nach dreyer Sprachkenner und des Unterschriebenen Urtheile, getreu wieder gegeben worden sey; solches wird nach angestellter Vergleichung hiermit pflichtmäßig versichert.
Altenburg, den 9ten Januar 1809.
(L.S.* = Das Siegel der Herzogl. Sächs. Landesregierung zu Altenburg)
Herzogl. Sächs. Regierungs-Canzley.
Carl Erdmann Weller,
Regierungs-Gerichts-Sekretär.

Die alten Pflichten und Satzungen, auf Befehl des Königs* gesammlet im J. 1694.

(also auf Befehl K. Wilhelm's III.)


[Anmerkung von Krause:
*) Mit dem veränderten Geiste der Zeiten, und der Umwandlung der äußeren und inneren Lage der Baukorporationen in England, mußten sowohl die Konstitutionen, als auch das Ritual der letzteren, an verschiedenen Orten der brittischen Inseln verschiedene, wesentliche und außerwesentliche, Veränderungen erleiden. Deßhalb mußten im J. 1694. auf Befehl König Wilhelm's des III. die Pflichten und Satzungen der Maurer zusammengetragen und zeitgemäß umgebildet werden.

Dabei sind ohne Zweifel mehrere, bei verschiedenen Baulogen befindliche Recensionen derselben benutzt worden. Denn z. B. Preston erwähnt in seinen Illustr. (London 1792. S. 96. ff.) ein altes, noch jetzt bei der Lodge of Antiquity vorhandnes Manuscript, welches unter der Regierung König Jacob's des II. geschrieben ist, und theilt daraus die alten Pflichten (old charges) beinahe wörtlich so mit, wie sie hier unser Yorker Manuscript auch an die Y. K. beigeschrieben enthält. —
Man hat, aus blos allgemeinen Gründen, mit Unrecht gezweifelt, daß sich König Wilhelm um die Maurerkorporationen bekümmert haben sollte; ich würde aber aus seinem eignen und aus dem im siebzehnten Jahrhunderte bestandnen Verhältnisse der Brüder zum Staate, und zum regierenden Hause, vielmehr vermuthen, daß sich dieser König gar sehr um die Brüderschaft bekümmert und sich derselben zu versichern gesucht hat.
… Wie viel haben die alten Pflichten vom J. 926. in dieser ihnen im Jahr 1694 gegebnen Gestalt verlohren! — Man hat die Ersteren zwar benutzt, aber sie fast unkenntlich gemacht; der edle, tiefe, sittliche und allgemein-menschliche Sinn ist verschwunden, die feineren Züge wahren Ehrgefühles sind verwischt.]


Pflichten. (Charges.)

1) Die erste Pflicht ist, daß ihr treu gegen Gott seyn und alle, dem widersprechende, Irrlehren vermeiden sollt.

2) Ferner sollt ihr auch treue Unterthanen eures Königs seyn, und der von ihm bestellten Obrigkeit gehorchen. Ihr sollt nicht an Hochverrath oder Verrätherei Theil nehmen, sondern dem Könige oder seinem Rathe allemal Anzeige davon machen.

3) Ferner sollt ihr gegen alle Menschen und besonders gegen einander treu seyn, einander lehren und gegenseitigen Beistand leisten, und überhaupt allen Andern thun, wie ihr euch selbst thun würdet.

4) Ferner sollt ihr die Logen fleißig besuchen, um immer mehr Unterricht zu erhalten, alte Gebräuche bewahren, und Alles treulich geheim halten, was ihr von der Maurerei erfahren haben möget, damit Fremde sich nicht unrechtmäßig einschleichen können.

5) Ihr sollt auch weder stehlen, noch gestohlenes Gut verhehlen, sondern treu seyn dem Herrn, der euch bezahlet, und dem Meister, dem ihr arbeitet, auch auf des Herrn Vortheil sehen und zu seinem Nutzen arbeiten.

6) Ferner sollt ihr alle Maurer Mitgenossen, oder Brüder, nennen und sie lieben, und keine andere Benennung brauchen.

7) Ferner sollt ihr eures Bruders Weib nicht zum Ehebruche verführen, noch seine Tochter oder Magd schänden, ihn auf keine Art in Schande bringen, noch ihn außer Arbeit setzen.

8) Ferner sollt ihr ehrlich euer Essen und Trinken bezahlen, wo ihr einkehret. Ihr sollt auch nirgends ein Verbrechen, oder etwas Schlechtes, begehen, wodurch die Maurergesellschaft in üblen Ruf kommen könnte.

Dieses sind die allgemeinen Pflichten, welche jeden Maurer, Meister und Mitbruder verbinden.


Die besondern Pflichten sind diese. —

Erstens soll kein Maurer bei einem Bauherrn, oder sonst Jemand, Arbeit annehmen, wenn er sich nicht bewußt ist, daß er fähig und geschickt genug sei, die Arbeit auch vollenden zu können, weil er außerdem die Kunst beschimpfen würde.

Zweitens soll kein Meister irgend eine Arbeit übernehmen, für die er nicht so bezahlt wird, daß der Bauherr treulich bedient werden, der Meister anständig leben, und Dieser seine Gesellen ordentlich bezahlen könne, jedoch soll er nicht über Gebühr fordern. Dabei soll aber kein Meister, oder Mitbruder, einen andern verdrängen, außer, wenn derselbe etwa nicht Kenntnisse genug zu der vorgenommenen Arbeit hätte.

Drittens soll kein Meister und Mitbruder einen Lehrling auf kürzere Zeit, als auf sieben Jahre, in die Lehre nehmen. Eben so soll kein Meister Jemanden zum Maurer machen, ohne die Einwilligung seiner Mitbrüder, wenigstens von sechs oder sieben, zu haben. Wer aber zum Maurer gemacht wird, soll frei geboren, von gutem Herkommen, ehrlich, und von geraden und gesunden Gliedern seyn, wie ein Mensch haben muß.

Viertens soll ein Meister keinen Lehrling annehmen, wenn er nicht so viel Arbeit hat, daß er zwei bis drei Mitbrüder beschäftigen könne.

Fünftens soll kein Meister oder Gesell eines Bauherrn Arbeit stehen lassen, oder sie einem andern als Tagewerk übergeben, sondern sie treulich und ehrlich zu Ende bringen, sie mag überhaupt oder nach Tagen bedungen seyn.

Sechstens soll jeder Meister seinen Mitbrüdern und Gehülfen den verdienten Lohn gehörig geben, damit er nicht durch schlechte Arbeit in Schande komme. Auch soll Keiner den Andern verläumden, um ihn um seinen guten Namen zu bringen.

Siebentens soll kein Mitbruder dem andern ohne Ursache heftig und unanständig antworten.

Achtens soll jeder Maurer seinen Vorgesetzten und ältern Mitbrüdern Achtung bezeigen. Es soll auch kein Maurer sich den Karten- Würfel- und Hazardspielen, oder irgend einem andern gesetzwidrigen Spiele, ergeben, weil er sich und die Kunst dadurch entehren und herabwürdigen würde.

Neuntens soll kein Bruder bei der Nacht herumstreifen, außer in Gesellschaft eines andern Mitbruders, damit er von unanständigen Örtern und Handlungen zurückgehalten werden könne.

Zehntens. Jeder Meister und Bruder soll zur Versammlung kommen, wenn sie fünf Meilen im Umkreise von seinem Aufenthalte ist, sobald er dazu gerufen wird; und soll er hier auch den Ausspruch der Meister und Brüder erwarten, wenn er gegen die Kunst gefehlet hat; soll sich auch der Strafe unterwerfen, welche ihm die übrigen Meister und Brüder auflegen werden. Wenn sie ihm aber seine Schuld nicht erlassen können, so soll er von der Arbeit ausgeschlossen werden.

Eilftens. Kein Meister oder Bruder soll irgend Einem, der die rechten Zeichen nicht geben kann, einen Formstein, oder Winkelmaaß, oder ein Richtscheit, machen, oder diese Dinge zu gebrauchen lehren; er soll ihn auch nicht in seiner Loge zulassen, oder ihn zum Steinformen gebrauchen.

Zwölftens. Jeder Maurer soll fremde Brüder, die die rechten Zeichen geben, mit Liebe aufnehmen, und ihnen, wenn sie Arbeit bedürfen, oder verlangen, diese bis zur nächsten Loge, wie gewöhnlich, dergestalt geben, daß er ihnen, wenn er Steine zu formen hat, die andere Hälfte zu formen überläßt, und sie so in Arbeit setzt. Hat er aber keine Steine zu formen, so soll er sie bis zur nächsten Loge mit Gelde unterstützen.

Dieß sind die alten Pflichten. Sie sollen, dem Gebrauche nach, Jedem, der zum Freimaurer gemacht wird, vorgelesen werden.

Satzungen (Regulations)

aus den von K. Edred's bis auf K. Heinrich's VIII. Zeiten aufgezeichneten Nachrichten ausgezogen und in Ordnung gebracht.


1) Alle rechtmäßige Brüderschaften sollen unter Patronen stehen, die sich zu der Kunst bekennen, und dem Könige rathen können. Einen Patron aber können sich entweder mehrere Brüderschaften, wenn sie sich vereinigen, oder auch nur eine einzige, erwählen.

2) Die Patrone sollen von dem Könige zuerst zu Rathe gezogen werden, um den Architekt bei Kriegen und großen Bauten (opus) nach der ihnen beiwohnenden Wissenschaft und Kenntniß vorschlagen zu können. Außerdem sollen sie mit für Arbeit und mit dem Architekt dafür besorgt seyn, daß große Gebäude zur Ehre der Kunst aufgeführet werden. Deswegen sollen auch Die, welche als Werkmeister gebraucht werden, vorher examiniret seyn.
Auch sollen alle Patrone mit dem Architekten und den Meistern und Vorstehern (magistris et curatoribus) ihrer Brüderschaften jährlich einmal an einem beliebigen Tage zusammenkommen, solche Examina gemeinschaftlich vornehmen und sich gemeinschaftlich berathschlagen, auch darauf sehen, daß begangene Fehler verbessert, und die das Jahr über in dieser oder jener Loge gefaßten Beschlüsse, welche nicht als eigene Gesetze (Crafties) einer Loge angesehen werden können, allgemein angenommen werden.
Und damit die rechtmäßigen Brüderschaften immer auch Arbeit finden, und die Bauherren (locator operis) redlich bedient werden, sollen sie sich ihrer immer auch gegen die Pfuscher und Störer (immiscentes et turbatores), welche die Kunst nicht regelmäßig kennen, annehmen.

3) Der Patron oder Der, welchen er dazu erwählet, soll zuweilen die versammelten Brüderschaften in den Logen visitiren und darauf sehen, daß bei der Arbeit und den Gebräuchen dieselbe Gleichheit erhalten werde, wie sie in allen und jeden Logen seyn soll.

4) Es ist gut, wenn die Zahl der Mitglieder einer Brüderschaft nicht allzu stark ist, weil sonst die Vorsteher gehindert werden, gute Ordnung in den Logen zu halten. Die Zahl soll 50 bis 60 seyn, die angenommenen (accepted) Maurer nicht gerechnet.
(Als Anmerkung ist hier hinzugefügt: „Schon lange ist die ganze Zahl Aller in England und Schottland 100 gewesen.")

5) Wenn die Zahl der Mitglieder einer Brüderschaft so weit über die gehörige Zahl angewachsen ist, daß die Überzahl selbst eine Loge formiren kann; so soll eine neue Loge eingerichtet werden. Es stehet auch Mitgliedern von ältern überzähligen Logen frei, hierzu zu treten, wenn es ihnen bequemer ist.

[6.] Eine neue Loge wird durch einen Meister einer Loge eben sowohl eingerichtet, als er Freimaurer machen und ihnen die Thüren aller Logen eröfnen kann.

7) Die Meister, welche die neuen Logen einrichten, sollen die Mitglieder derselben ermahnen, sich alsobald auch einen Patron zu erwählen, und wenn Dieses geschehen ist, sollen sie ihre Errichtung allen regelmässigen Logen durch Charten bekannt machen.

8) Alle Jahre wird in jeder Loge ein andrer Meister, der den Vorsitz führt, gewählt. Er wählt sich seinen Abgeordneten, welcher bei seiner Verhinderung seine Stelle versieht, und es werden ihm dann, auch die Gehülfen zugegeben.

9) Jährlich auf Johannis des Täufers Tag soll sich jede Loge mit dem Architekten, der sich ihrer bei Bauten bedient, oder einem Abgeordneten desselben, versammlen. Man soll sich freundlich bereden, über den zu erwählenden neuen Meister der Loge Raths pflegen, und in wechselseitiger Liebe eine Mahlzeit einnehmen. Wer die Mahlzeit übernehmen soll, das wird vorher verglichen, und die Einlage dazu bestimmt.

10) Jeder Vorsitzende Meister einer Loge soll vermögend seyn, alle Mitglieder, so oft er es nöthig findet, zusammen zu berufen, und alle Brüder sollen gehorchen. Eben dieses kann sein Abgeordneter, oder der älteste Vorsteher, im Fall der Meister behindert seyn sollte. In allen Logen entscheiden in allen Sachen die meisten Stimmen der Versammleten.

11) Jeder Meister einer Loge, oder Der, welcher dazu bevollmächtigt ist, soll ein Buch halten, worinnen nicht allein die bei jeder Aufnahme vorzulesenden Gesetze geschrieben stehen, sondern worin auch alles Merkwürdige aufgezeichnet wird.

12) Wer zum Meister gemacht seyn will, muß darum einige Monate vorher nachsuchen; und es sollen darüber alle Brüder der Loge, wo er nachgesucht hat, abstimmen, auch in einer Logenversammlung mehr nicht, als 5 neue Brüder, auf einmal angenommen werden, damit sie alle den ersten Unterricht fassen mögen.

13) Wer sich ungehorsam gegen seinen Patron, oder gegen seine Vorgesetzten, bezeigt, oder sonst solche Fehler zu Schulden kommen läßt, daß seine Mitbrüder nicht mit ihm zufrieden seyn können, der soll von den Meistern und Vorstehern, oder wer dazu Auftrag erhalten hat, ermahnet werden, sich zu bessern. Wenn dieses zweimal geschehen, und er sich nicht bessert, so soll er dann nicht wieder bei der Arbeit angestellt werden.

14) Bei allen Beschlüssen, welche in den Logen gefaßt werden, soll man die alten Regeln (Charges) und Grenzen der Verschwiegenheit (the Marks of the Secrecy) vor Augen haben. Denn sie müssen unangetastet bleiben, weil sie unveränderlich sind, und, als zuträglich, immer genau beobachtet werden sollen.


Copia.
Haec translatio in latinam linguam respondet illis, quae ad Codicem membraneum supra dictura post tempestates accesserunt, et in fine ejusdem reperiuntur.
Testor Eboraci MDCCCVI eodem die.
(L. S.)
Stonehouse.

(Diese lateinische Beglaubigung lautet, wie folgt:
“Diese Übersetzung in die lateinische Sprache entspricht Dem, was zu oberwähntem pergamentnen Manuscripte von Zeit zu Zeit hinzugekommen ist und zu Ende desselben sich findet.
Dieß bezeuge ich.
York an demselben Tage.
Stonehouse.")

Die gegenwärtige abschriftliche lateinische Beglaubigung ist gleichlautend mit der Urschrift derselben, die sich unter derjenigen lateinischen Übersetzung der Charges und Regulations, welche vorstehend weiter ins Deutsche übersetzt worden ist, befindet. Dieselbe lateinische Übersetzung ist aber in der vorstehenden deutschen, nach dreyer Sachkenner und des Unterschriebenen Urtheile, getreu, wieder gegeben. Nach angestellter Vergleichung wird dieses pflichtmäßig hiermit versichert.
Altenburg, den 9ten Januar 1809.
Herzogl. Sächs. Regierungs-Canzley das.
(L. S.)
Carl Erdmann Weller,
Regierung-Gerichts-Sekretär.


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