Friedrich II. der Große und die Freimaurerei: Unterschied zwischen den Versionen

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== Friedrich II. der Große und die Freimaurerei ==
 
== Friedrich II. der Große und die Freimaurerei ==
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Friedrich II. der Große und die Freimaurerei
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I. Allgemeines
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Über Friedrich II. existiert eine ins Unüberschaubare gewachsene Lite¬ra¬tur. Einschlägige Monographien so¬wie po¬pu¬lärwissenschaftliche Werke untersuchen Persönlichkeit, Politik, Krie¬ge und Reformen des preußi¬schen Monarchen. Indessen findet die Tatsache, daß Friedrich II. Freimau¬rer gewesen ist, in der überwiegenden Mehrheit der einschlägigen Literatur kaum Erwähnung.
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Im Folgenden soll in knapper Form versucht werden, die Verbin¬dungen zwischen Friedrich II. und der Freimaurerei zu skiz¬zieren - schließlich unter Be¬¬¬achtung des vorangestellten warnenden Vorspruchs von Fritz Mauthner. Dabei sollen besonders zwei Aspekte diskutiert werden: a) welche Bedeutung Friedrich für die Entwicklung der Freimaurerei in Preußen besitzt sowie b) in welchem Umfang, wenn überhaupt, beeinflusste Friedrichs freimaurerische Ge¬sin¬nung seine Entscheidungen, Reformen sowie sein Regie¬ren im allge¬meinen. Die Darstellung dieser Aspekte erfordert einige Vorüberlegungen und Begriffsklärungen, die einen großen Raum meiner Ausführungen in Anspruch nehmen.
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Jeder Versuch zur Darlegung der Beziehung Friedrichs II. zur Freimaurerei  setzt in gebotener Kürze eine Auseinandersetzung mit dem Leben wie auch dem politisch-geistigen Umfeld des preußischen Monarchen voraus.
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Friedrich II., genannt der Große, wurde 1712 in Berlin geboren und starb 1786 im Schloß Sanssouci im Alter von 74 Jahren. König von Preußen war er von 1740 bis zu seinem Tode. Um der strengen Er¬zieh¬ung seines Vaters zu entgehen, unternahm Friedrich II. 1730 einen Fluchtversuch, der kläglich scheiterte. Nach einer eher formalen Versöhnung mit dem Vater und dessen Tod übernahm Friedrich II. die Regent¬schaft und fiel 1740, trotz seiner Er¬zieh¬ung im Sinne der Aufklärung, seiner Freund¬¬¬¬schaft mit Voltaire und nicht zu¬letzt seiner freimaurerischen Ge¬sin¬¬nung, ohne ernsthafte Rechts¬(erb)an¬sprü¬che in Schle¬sien ein (Schle¬sische Kriege, 1740-1742 und 1744-1745). Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) ge¬lang es ihm unter enormen Anstrengungen den er¬ober¬ten Besitz¬stand zu behaupten sowie West¬preus¬¬sen, das Erm¬land und den Netze¬distrikt zu gewinnen (erste Polnische Tei¬lung 1772). Die von seinem Vater, Friedrich Wilhelm I. dem „Solda¬tenkönig“, ein¬geführte Wehrpflicht und die Vergrößerung der Armee bildeten das machtpolitische Rückgrat Preußens und ermöglich¬ten Fried¬rich II. erst die Durchführung langjähriger Kriege, die das Territori-um Preußens verviel¬fachten. Preußen ist nicht zuletzt durch seine aggressive Politik aus be¬schei¬denen Anfängen zur euro¬pä¬ischen Großmacht aufgestiegen. Darüber hinaus ver¬bes¬serte Friedrich II. die Ver¬wal¬tung, för¬der¬te die Wirt¬schaft und regte zahl¬reiche Reformen an. Er gilt zu Recht als ein bedeutender Ver¬treter des auf¬ge¬klär¬ten Abso¬lu¬tismus, indessen ist Friedrich II. in das breitere Ge¬schichtsbewußtsein der Deutschen hauptsächlich als der „Alte Fritz“ des „Kartoffelbefehls“ eingegangen, als der stren¬ge, aber gerechte Landesvater - Soviel dürf¬te es uns viel¬leicht noch aus dem Geschichtsun-terricht in der Schule bekannt sein...
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Friedrich II. wurde jedoch sowohl ge¬feiert als auch geschmäht. So widersprüch-lich er betrachtet wurde, so - dies sei vorweggenommen - widersprüchlich war auch seine Person. Eine persönliche Erfahrung des Schreibers dieser Zeilen zeigt ein Beispiel des widersprüchlichen Umgangs mit Friedrich II.: Als ich in den frühen siebziger Jahren mein Studium im Westteil der Stadt aufnahm, besuchte ich die berühmte Humboldt-Universität zu Berlin - damals im Ostteil der Stadt; schräg gegenüber dem Portal der Universität fiel mir eine unerklärliche Verbrei¬terung des Mittelstreifens Unter den Linden auf, welche auf eine Lücke hinwies: dort stand bis 1950 das Reiter-denkmal Friedrichs II., ein in Bronze gegos¬senes Werk des Bildhauers Christian Daniel Rauch (1777-1857). Seit dieser Zeit lag es nunmehr unter Strohmatten in den Gärten von Sanssouci „begraben; 1962 wurde es in das Potsdamer Hippodrom des Parks Charlottenhof „abge¬scho¬ben“, denn „reaktionäre“ preußische Traditionen sollten mit und in der DDR keinen Platz mehr finden. 1980 erhielt das Denkmal seinen ange-stammten Platz zurück, und seitdem reitet Fried¬rich II. wieder den Prachtboulevard Berlins entlang. Es ist hier nicht der Ort nach den Gründen dieses Sinnes¬wandels der Re¬gie¬renden der DDR zu fragen, der (Ost-) Ber¬liner Volks¬mund jedoch quittierte diese verspätete „Rehabilitierung“ Frie¬drichs mit folgenden Spott¬versen: „Lieber Friedrich steig hernieder / und regiere Preußen wieder! / Lass in diesen schwe¬ren Zeiten / lieber unsern Erich reiten!“.
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II. Freimaurerei und ihre Entstehung zur Zeit der Auf¬klärung
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Die Freimaurerei ist nicht auf ein singuläres Ereig¬nis zurückzuführen, wie es ge¬nauso wenig eine historisch eindeutig nachweisbare einheitliche Entwicklung gege¬ben hat. Im We¬sent¬lichen zurückzuführen ist sie auf die Dombauhütten der Steinmetzen des Mittelalters. Es ist überliefert, daß diese für Sakralbauten tätigen Handwerker sich bereits damals nach vollendeter Arbeit rituell zusammengefunden und über ihr Tun unter Verwendung von Symbolen nachgedacht haben.
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Die Freimaurerei versteht sich als ein fortschrittlicher, philo¬so¬phisch-ethischer und humanitärer Bund freier Männer, der durch Selbst¬er¬kenntnis und Übung die Ver¬besserung seiner Mitglieder anstrebt und fördert. Die fünf Grund¬ideale der Freimau¬rerei: Freiheit, Gleichheit, Brü¬derlichkeit, Toleranz und Humanität, sollen durch ständige praktische Einübung im Alltag gelebt werden. Aus ihren Ursprüngen zur Zeit der Aufklärung und der französischen Re¬vo¬lu¬tion abgeleitet, haben diese Leitbilder als anzu¬stre¬bende Tugenden auch heute nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt. Dabei zeich¬net neben der geistigen und sittlichen Veredlung, der freundschaftlich-brüderlichen Verbundenheit, der Aufforderung zur Selbsterkenntnis und Selbstkritik, das praktische, menschliche und so¬ziale Wirken den echten Maurer aus. Als weitere wichti¬ge Impli¬kationen aus den Prinzipien der Freimaurerei sind noch folgende Punkte zu betrachten: ständische und konfessionelle Bindungen sollen für die Freimaurer keine Rolle spielen. Auf der anderen Seite ist be¬kannt, daß ohne Weiteres weder soziale Schranken verschoben oder gar ge¬sprengt , noch das Bekenntnis zum Christentum aufgeweicht oder auf¬gege¬ben werden konnten. Darüber hinaus dürfen die Maurer innerhalb der Loge weder politische Zwecke verfolgen noch geschäft¬liche Beziehungen pflegen. Schließlich garantiert das Schweigegebot bzw. die Diskretion gegenüber den Ge¬heimnissen des Bundes die Abschließung der Logen nach außen hin.
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Das Ziel der Freimaurerei besteht nicht sosehr in der Veränderung der Welt, sondern eher in der sittlichen Ver¬edlung des Menschen auf individueller Basis, „das Behauen des rauhen Steins“, so daß er „sich besser in den Bau des Tempels der Huma¬nität ein¬fügt“ - inso¬fern wird auf diese Weise indirekt auch die Gesellschaft verändert.
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Diese Prinzipien werden zusammenfassend in den bereits 1723 von James Anderson verfassten „Alten Pflichten“  dargestellt: „Weder privates Ge¬zänk, noch Streitig¬keiten über Völker, Familien, Religionen oder Politik dürfen in die Loge ge¬tragen werden ...“ - allerdings mit einigen für die damalige Zeit sehr kühnen Formulie-rungen: „Der Maurer ist ein friedfertiger Bürger, nie in Anschläge gegen den Staat verwickelt ... Obgleich ein Bruder, wenn er sich gegen den Staat auflehnt, nicht unterstützt werden soll, bleibt sein Verhältnis zur Loge, sofern er keines anderen Verbrechens überführt wird, unangetastet“.
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Aus heutiger Sicht mögen die obigen Forderungen harmlos bzw. selbstverständ¬lich erscheinen. In den Zeiten des Absolutismus jedoch käme manche von ihnen, trotz Aufklärung, einer Tolerierung oder gar Anstiftung zu revolutionären Umtrieben gleich. Man stelle sich also vor, was Regenten der Aufklärung (18. Jh.) oder die Polizei auf Grund obiger Äußerung von der Freimaurerei halten mußten: ihr „Geheimnis“ verberge nämlich die Revolution. Trotzdem gelang es den Logen mehr oder weniger er¬folg¬reich, die Fürsten und die Politiker davon zu überzeugen, die Maurer haben zumindest in ihren Logen mit der Politik nichts zu tun. Im Gegenteil sie lebten und handelten nach Prinzipien, die, so sie befolgt würden, eine Revolution überflüssig machten, d.h. ihre „Tugenden“ bzw. ihr „Geheimnis“ bedrohten weder den Souverän noch den Staat.
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Es drängt sich nun folgende Frage auf: wenn die Freimaurerei und die Logen zunächst eine reine Schöpfung des aufsteigenden Bürgertums mit antiabsolutistischen Prinzipien war, wie ist dann zu erklären, daß so viele Adlige und sogar Könige Mitglieder von Logen und bekennende Maurer werden konnten? - prominentes Bei¬spiel der „könig¬liche Bru¬der“, Friedrich II. - Hat man da etwa den Bock zum Gärtner ge¬macht, hat man also Personen aufgenommen, die aufgrund ihrer Herkunft oder Interessenlage nicht dazu geeignet waren?
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Zur Beantwortung dieser Frage betrachten wir nun das politisch-geistige Um¬feld, das den jungen (Kronprinzen) Friedrich II. prägte: Einerseits wurde er in die Zeit des Absolutismus hineingeboren, in der der Fürst sich als von Gott eingesetzt verstand (Gottesgnadentum) und entsprechend regierte: «nicht durch die Gesetze gebun¬den» (princeps legibus solutus est, oder nach Art. 43 der preußischen Verfassung: «die Person des Königs ist unverletzlich»), relativ unabhängig von den Ständen, nur Gott und seinem Gewissen verantwortlich.
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Andererseits entsteht in dieser Zeit, durch aufklärerischen Einfluß, der soge¬nann¬te aufge¬klärte Absolutismus, als dessen wichtiger Vertreter Friedrich II. selbst gilt. Friedrich II. bezeichnete sich als „ersten Diener seines Staates“, um so sein Selbst¬verständnis als Monarchen zu unterstreichen: der König als Repräsentant einer rationalen Staatsordnung, die zumindest vorgeblich dem Allgemeinwohl dient. Die These  vom „ersten Diener seines Staates“, die übrigens Friedrich II. ernst meinte, war natürlich gekoppelt mit seiner Einschätzung von einem unmündigen wie kindlichen Volk, das nicht allein über sein Schicksal entscheiden konnte - solche Entscheidungen oblagen dem „Landesvater“.
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Die durchgeführten oder angeregten Reformen, insbesondere in Preußen durch Friedrich II., betrafen fast alle Bereiche des Lebens: Abschaffung der Folter und der Leibeigenschaft, Aufhebung der Zensur, welche jedoch allesamt wieder einge¬schränkt wurden; das sogenannte Allgemeine Land¬recht, ein konservatives Dokument, das widersprüchliche Re¬aktionen hervorrief; Umsetzung der religiösen Toleranzidee, die Abkehr also vom bis dahin geltenden Grundsatz „cuius regio eius religio“, der besagt, die Landesfürsten waren be¬rechtigt, die Konfession der Untertanen vor¬zugeben u.v.m.
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Der absolutistische Staat sah zwar seine Ordnung durch die Aktivitäten und die Forderungen alter wie neuer sozialer Schichten zunehmend bedroht, da sowohl Teile des Adels als auch immer mächtiger werdende Gruppen des aufsteigenden Bürgertums (Bankiers, Kaufleute etc.) gegen das Herrschaftsmonopol des Königs kämpften. Indes stellten sie keine wirkliche Gefahr dar, denn beide Parteiungen konnten - weder ge¬trennt noch gemeinsam - noch keine selbständige politische Rolle spielen. Zur gleichen Zeit verstanden die Freimaurer viele unzufriedene, politisch ebenfalls entrechtete Adlige als Mitglieder zu gewinnen und zumindest dort mit ihnen auf der Basis formaler sozialer Gleich¬be¬rechtigung zu verkehren: d.h. in den Logen dachte und handelte man als freier Mensch und nicht als Untertan. Darüber hinaus verfolgte die Ablehnung der Politik bzw. von politischen Auseinandersetzungen innerhalb der Logen ein zwei¬faches Ziel: nach innen sollte diese Abstinenz über die Stände hinweg sozialen Frieden und Einheit stiften. Nach außen galt es die Herrschenden davon zu über¬zeugen, die gesell¬schaftliche Formation der Logen sei ungefährlich und daher zumindest zu tolerieren. Somit lag folgende Konstellation vor: 1) einerseits gab es unzufriedene Adlige, die nach Reformen drängten, andererseits bestanden weiterhin enge Verflechtungen und gemeinsame Interessen des Adels mit dem Hof so¬wie das bestehende Gesellschaftssys-tem, 2) das aufsteigende Bürgertum ver¬fügte noch nicht über Macht und ausreichenden Einfluß, um innerhalb der ständischen Gesellschaft als selbständiger Akteur der Politik mitwirken zu können. Das heißt auch im Rahmen des aufgeklärten Absolutismus war keine politische Mitbestimmung der Untertanen möglich, so daß Teile des Adels oder das aufsteigende Bürgertum politisch Etwas gegen den Willen des Monarchen hätten durchsetzen können. Somit verliehen Mitglieder aus dem hohen Adel oder gar aus dem Königshaus ihren Logen nicht nur Prestige und Einfluß, sondern sie gewährten auch Schutz - diese Sachlage traf besonders für die preußi¬schen Logen zu. 
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Die obigen Ausführungen erklären Manches über die Entstehung und Ent¬wicklung der Freimaurerei in den politisch-sozialen Bedingungen des 18. Jahr¬hunderts, sie beantworten aber noch nicht die Frage nach den Motiven, die Friedrich II. bewogen, Freimaurer zu werden.
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III. Das Verhältnis Friedrichs II. zur Freimaurerei
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Friedrich II. hat sich zu verschiedenen Anlässen, besonders in seinen Briefen, über die Freimaurerei geäußert, es ist jedoch meines Wissens keine Aussage überliefert, welche die Gründe, die ihn veranlaßt hatten, Freimaurer zu werden, zum Inhalt hat. Leben und Werk des preußischen Königs, festgehalten in mehreren Biographien und einschlägigen Monographien , liefern indes viele Anhaltspunkte zu seinen Motiven sowie seiner Beziehung zur Freimaurerei.
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Seine Lebenszeit kann man in zwei Perioden  einteilen: 1) 1712-1740: Ju¬gend¬jahre, Friedrich als Kronprinz, Aufnahme in den Freimaurerbund 2) 1740-1786: die Regentschaft, die Zeit der Schlesischen Kriege sowie des Siebenjährigen Krieges, sowie die letzte Periode, Friedrich II. der Große ist nunmehr der „Alte Fritz“.
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1. Periode - 1712-1740
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Diese Zeit umfaßt Friedrichs Jugend- und Erziehungsjahre und reicht bis zu seiner Thronbesteigung im Jahre 1740. Sein Vater, Friedrich Wilhelm I. (1688-1740), war trotz seines Jähzorns und seiner Brutalität ein tief religiöser Mensch. Er regierte gemäß seinem Staats¬lenkerverständnis als absoluter Mon¬arch, demütigte häufig in aller Öffent¬lichkeit Frau und Tochter, vor allem aber quälte seinen Sohn Fried¬rich II. Neben den politischen Problemen schien der König nur eine Sorge zu haben: wie er aus dem „mi߬ratenen“ Sohn einen richtigen Thronfolger machen kann. Der König geriet in Raserei und jähzornige Ge¬walt, wenn Friedrich sich wi¬der¬¬¬setzte. Sein erster Erzieher, der Hugenotte Jacques Egide Duhan de Jandun, wird von vielen Zeitgenossen als ein geist¬voller, sehr gebildeter Mann be¬schrieben, dem Friedrich bis an sein Lebensende seine Anhänglichkeit bewahrte. Der Unterricht, gestaltet von seinem Erzieher und trotz der vom König festgelegten Richt¬linien, entsprach mehr den musischen und lite¬rarischen Neigungen des Kronprinzen, als den Interessen eines robusten Draufgängers, wie Friedrich Wilhelm seinen Sohn wünschte. Die Beherrschung der französischen Sprache erlaubte dem Kronprinzen das Kennenlernen zeitgenössischer Autoren wie auch der Klassiker - selbst Werke deutscher Philo¬sophen (z.B. des Christian Wolff  ) las Friedrich in französischer Übersetzung, da er die eigene Muttersprache für „halb-barbarisch“ hielt. Ent¬sprechend fiel auch seine Ge¬ringschätzung der zeitgenössischen deutschen Literatur aus, die zeitlebens außerhalb seines Gesichtsfeldes geblieben ist. Die Korrespondenz mit Geistes¬größen seiner Zeit wie z.B. Voltaire sowie der Aufent-halt des letzten in Berlin schulten und formten seinen Intellekt weiter. Zudem kam Friedrich als sensibler, hochgeistiger Mensch sehr früh mit dem Ideengut der beginnen-den Auf¬klärung in Berührung. Ihr Gebot, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, brachte den Kronprinzen in direkten Gegensatz zur unmenschlichen auf sturen Gehor-sam basierenden Erzieh¬ung des Vaters bis hin zum totalen Bruch der Vater-Sohn-Beziehung.
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Die Gegensätze zwischen Vater und Sohn, welche sehr früh auftraten und bis zum Erwachsenenalter Friedrichs virulent blieben, waren nicht etwa politischer Natur. Friedrich Wilhelm I. erwartete natürlich, daß Friedrich sein Werk exakt in seinem Sinne fortsetzte, doch die Charaktere der beiden konnten nicht unterschiedlicher sein. Was der Sohn liebte, Bücher, Musik, Literatur, verabscheute der Vater. Da Friedrich Wilhelm I.,  sich völlig grundlos wie es sich später zeigte, um den Bestand seiner Armee und überhaupt des Staates unter dem Regime seines Sohnes fürchtete, versuchte er mit despotischen Mitteln und Gewalt seinen Sohn in seinem Sinne zu beugen. Die unerträglich gewordenen Beziehungen zum Vater kulmi¬nierten in den gescheiterten Fluchtversuch Fried¬richs im Juli des Jahres 1730. Als die Pläne des Kronprinzen bekannt wurden, reagierte Friedrich Wilhelm erwartungsgemäß wie ein Despot. Da der Fluchtversuch den Tatbestand der Desertion erfüllte, wurde Friedrich aus der Armee ausgestoßen und auf die Festung Küstrin gebracht. Wie unerbittlich Friedrich Wilhelm I. dabei sein konnte, zeigt uns die Hinrichtung des engen Vertrauten Fried¬richs, Leutnant Hans Hermann von Katte: Er wurde ent¬hauptet, der Kronprinz mußte der Hinrichtung beiwohnen.
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Einige Monate später wurde Friedrich begnadigt, nachdem er seinem Vater und König durch einen Eid versicherte, im Wiederholungsfall „sollte er Kron und Kur bei der Sukzession verlustig sein“; Friedrich legte aus Gründen der „Staatsräson“ diesen Unterwerfungseid ab, da er sonst befürchten mußte, niemals König von Preußen zu werden. Die durch Drill und Prügel sowie durch die Hinrichtung Kattes erzwungene Unter¬ordnung Friedrichs führte letztlich zu einer größeren Heuchelei. In einem Brief von 1734 an seinen früheren Hauslehrer, Jacques Egide Duhan de Jandun, verglich sich Friedrich «mit einem Spiegel, der, dazu verpflichtet, seine Umgebung zu reflektieren, nicht wagt zu sein, wozu die Natur ihn gemacht hat».
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Nach der Begnadigung bzw. Eidesleistung blieb Friedrich noch einige Zeit in Küstrin als «Kriegs- und Domänenrat». Doch die strengen Auflagen des Vaters - welt¬liche Literatur, darun¬ter die französische in Gänze, Vergnügungen und Damenbesuche standen unter Verbot - führten Friedrich dazu, seine gesamte Küstriner Zeit (1730 - 1736) als «Galeere» zu apostrophieren. Im Jahre 1733 erfolgte auf Wunsch seines Vaters die Vermählung Friedrichs mit der Prinzessin Christine von Braun¬schweig-Bevern. Dem Kronprinzen, der äußerst unwillig diese Verbindung einging, wurde Ruppin als provisorischer Aufenthalt zuge¬wiesen, ehe das Kronprinzenpaar im August 1736 in das ausgebaute Rheinsberger Schloss ziehen durfte. In Rheinsberg (von 1736 bis zur Thronbesteigung 1740) verbrachte Friedrich nach eigenem Bekunden seine glücklichste Zeit, sie war zugleich eine sehr produktive Zeit hinsichtlich seiner intensiven philoso¬phischen Studien. Darüber hinaus markiert sie den Beginn seiner reichen schriftstellerischen Tätigkeit. Es ist kein Zufall, daß er sich während dieser Zeit in seinen Briefen als «Frédéric le Philosophe» bezeichnete. Aus einem Brief an Ulrich von Suhm, den Übersetzer der deutsch¬sprachigen philosophischen Werke von Wolff ins Französische, erfahren wir: «Wenn die Philosophie mich aufklärt, so thut sie durch Sie; Sie haben Schranken niedergerissen, die mich von der Wahrheit trennten».
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Zu seinen vielseitigen Interessen gehörte seine Leidenschaft für die Musik, sein bevorzugtes Instrument war die Querflöte. Friedrich II. war selbst ein begabter Komponist, von ihm sind über 100 Konzerte, Sonaten und Etüden für Flöte überliefert. Der Solo-Flötist der Berliner Philharmoniker, Emmanuel Pahud, charakterisierte den Musi¬ker Friedrich folgendermaßen : Frage: «Er war also nicht der König, der nebenbei Musik gemacht hat?», Antwort: «Nein, das wäre ein falsches Bild. Er war einer, der sich ziemlich gut ausgekannt hat – in vielen Bereichen» und weiter in diesem Inter-view: «Allerdings war seine ganze Kindheit ja durch ein äußerst schwieriges Verhält-nis zu seinem Vater geprägt. Er konnte sich als Mensch nicht frei entwickeln. Ich glaube, die Musik war der Ausweg, darin konnte er sich ausdrücken, gerade in den langsamen Sätzen – in seinen eigenen und in denen, die die Komponisten für ihn geschrieben haben».
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In Rheinsberg umgab sich Friedrich mit einem Kreis von Offizieren, Diploma-ten, Philosophen, Gelehrten und Künstlern, in dem man sich mit Fragen der Religion, der Politik und den Wissenschaften beschäftigte. Bereits 1736 kam die erste Korres-pondenz mit Voltaire zustande. 1739 verfaßte Friedrich seine Schrift «Antimachiavell», in  der er sich kritisch mit den Thesen des Florentiners Nicolò Macchiavelli (1469-1527)  auseinandersetzt. Der Kronprinz verwarf die durch Machiavelli erfolgte Verherrlichung des durch keine Moral gehemmten Fürsten, besonders den Einsatz verwerflicher Mittel im Interesse des Staates (Staatsräson). Es ist unverkennbar, daß diese Schrift dem Geist der Aufklärung verpflichte ist und kurze Zeit nach seiner Aufnahme in den Freimaurerbund verfaßt worden ist. Noch bevor er Freimaurer wurde, fühlte er sich hingezogen zu den Idealen der Aufklärung (Humanität, Toleranz, Brüderlichkeit) sowie zu Männergesellschaften auf der Basis des Freundschafts- und Bruderschafts¬erleb¬nisses. Es nimmt daher nicht wunder, daß Friedrich etwa 1736 den auf 12 Mitglieder begrenz¬ten geheimen Ritterbund „Bayard“ ins Leben rief. Die «Ritter» des Ordens ver¬pflichteten sich auf edle Taten und ihre Vervollkommnung. Vorbild und Namensgeber war der französische Ritter Bayard, der sogenannte Ritter ohne Furcht und Tadel.
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Im Sommer des Jahres 1738 begleitete Friedrich seinen Vater, König Friedrich Wilhelm I., an den Rhein und in die Niederlande. Während einer Hoftafel äußerte sich letzterer sehr abfällig über die Freimaurerei und alle geheimen Gesellschaften. Graf Albert Wolfgang von Schaumburg-Lippe widersprach und bekannte sich offen zur Freimaurerei - bereits 1725 wurde er in eine Londoner Loge aufgenommen. Der 26-jährige Friedrich einerseits bewunderte die „große Freimüthigkeit und beredte Zunge“ des Grafen, andererseits sah er sich durch dieses Gespräch in seinen Ansichten bestärkt. Nach Aufhebung der Tafel war der Kronprinz derart beeindruckt, daß er den Grafen bat, „ihm die Aufnahme in eine Gesellschaft zu bewirken, welche wahr¬heits¬liebende Männer zu Mitgliedern habe“. Dem Ersuchen des Kronprinzen entsprach Graf Schaumburg-Lippe umgehend, indem er die nötigen Vorbereitungen für die Aufnahme Fried¬richs traf, welche in der Nacht vom 14. auf den 15. August 1738 erfolgte. In dieser Nacht wurde der Kronprinz Lehr¬ling, Geselle und Meister, eine Ausnahme in der Frei¬maurerei, die nur durch die hohe Stellung des „erhabenen Suchenden“ zu erklären ist. Alles geschah in großer Heimlichkeit gegen den Willen Friedrich Wilhelms I. Nach der Rückkehr in Rheinsberg wurde regelmäßig unter der Leitung des Kronprinzen fraumau-rerisch gearbeitet, wurden neue Brüder aufgenommen und fanden Beförderungen statt.
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Wir fassen nun die Gründe Friedrichs II., Freimaurer zu werden, thesenartig zusammen:
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a) Das desolate Verhältnis Friedrichs zu seinem Vater und König, das sich häu-fig durch Akte der Unterwerfung und der Op¬po¬sition gegenüber dem Vater aus¬zeich¬nete, stellt eine starkes Motiv für Friedrich dar, in den Freimaurerbund aus eigenem Antrieb und gegen den Willen des Vaters einzutreten. Man würde indes den komplexen Charakter Friedrichs II. verkennen, reduzierte man alle seine Gründe, Freimaurer zu werden, auf einen Akt der Reaktion bzw. Opposition ge¬gen¬über dem Vater .
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b) In seiner Jugend wies Friedrichs Charakter starke romantisch-idealistische Züge auf, welche bis zur Thronbesteigung durch die von Sachzwängen freie Lebensfüh-rung im idyllischen Rheinsberg verstärkt wurden. Ein Indiz für diesen Cha¬rakterzug stellt die Gründung des oben genannten geheimen Ritterordens «Bayard» dar.
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c) Die Wertschätzung Friedrichs für die Person des Grafen Albert Wolfgang von Schaumburg-Lippe war ein entscheidender Faktor für seinen Eintritt in den Frei¬maurerbund. Der Briefwechsel zwischen den beiden ist ein beredtes Zeugnis dieser Bewunderung.
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d) Der innige Wunsch Friedrichs echte Freundschaft zwischen Männern zu er-leben. Dies ist absolut konform mit dem Ziel der Freimaurerei, die sich als ein Bund freier Männer versteht, der durch Selbst¬er¬kenntnis und Übung die Ver¬besserung seiner Mitglieder sowie die Pflege von freundschaftlichen Beziehungen zwischen ihnen an¬strebt.
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e) Die kritische Haltung Friedrichs zur Religion, deren Ursprung einerseits in seiner eigenen strengen religiösen Erziehung, andererseits in den Geboten der Auf¬klärung zu suchen ist. Gerade Freimaurerlogen waren Orte, an denen der Toleranz¬gedanke - und als Folge davon eine sehr liberale Auffassung hinsichtlich der religiösen Bekenntnisses  - praktiziert wurde.
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f) Der entscheidende Grund, Freimaurer zu werden, dürfte wohl in Friedrichs Zuwendung zum Gedankengut der Aufklärung seine Wurzeln haben. Die Gebote der Aufklärung, die Wahrheit mit Hilfe der Vernunft und den Wissenschaften zu suchen, Toleranz auszuüben, Dogmatismus zu meiden, gehören ebenfalls zum freimaurerischen Ge¬dankengut.
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2. Periode - 1740-1786
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Als Friedrich II. am 31. Mai 1740 nach dem Tod seines Vaters, Friedrich Wil-helm I., den Thron bestieg, übernahm er einen Staat mit einer effizienten Verwaltung, eine relativ große, schlagfertige Armee  sowie eine gefüllte Staatskasse. Nach dem strengen Regiment seines Vaters empfanden viele Untertanen einen gewisse Erleicht¬erung und hofften auf eine Verbesserung ihrer Lage durch den jungen König. Die Öffentlichkeit kannte bereits seine Vorstellungen von einer gerechten Regentschaft, die er in mehreren Publikationen, wenn auch unter Pseudonym, vorgestellt hatte - so heißt es z.B. in seinen 1738 erschienenen „Betrachtungen über den gegenwärtigen politi-schen Zustand Europas“: „Der Irrtum der meisten Fürsten besteht in dem Glauben, Gott habe die Menge von Menschen, deren Wohlfahrt ihnen anvertraut ist, bloß aus ganz besonderer Sorge für ihre Größe, ihr Glück und ihren Stolz geschaffen und ihre Untertanen seien nur zu Werkzeugen und Dienern ihrer zügellosen Leidenschaften bestimmt ... (der) Mann (=der Fürst), der am fähigsten wäre, den ganzen Staat zu repräsentieren und bei dem die höchste Gewalt zu einer Stütze der Gesetze und der Gerechtigkeit und nicht zu einem Mittel, ungestraft Verbrechen zu begehen und die Tyrannei zu begründen, dienen solle“. Friedrich II. handelte jedoch eigensinnig und überraschte erst seine nächste Umgebung, bald darauf ganz Europa. Jakob Friedrich Bielfeld, mehrmaliger Meister vom Stuhl der „Loge aux trois globes“, schreibt in einem Brief nur einen Monat nach Friedrichs Thronbesteigung (am 20. Juni 1740): „Ausschweifend ist die Freude aller Untertan ... Es zeigt sich aber, daß man sich ziemlich allgemein in dem neuen König irrte“. Das mußten auch Gefährten und Vertraute Friedrichs aus der Rheinsberger-Zeit erfahren, welche sich auf Grund ihrer Nähe zum neuen König wich¬tige Positionen erhofft hatten. Derselbe Bielfeld nannte den Tag der Thron¬be¬steigung „la journée des dupes“, den Tag der Betrogenen.
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Was der Thronbesteigung am 31. Mai 1740 folgte, ist eine wahre Flut von Ge-setzen, Befehlen und Reformen, welche sowohl die freimaurerisch-aufklärerischen Einflüsse Friedrichs als auch seinen widersprüchlichen und ambivalenten Charakter zeigen.
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Am 2. Juni 1740 ließ Friedrich II. die staatlichen Kornmagazine öffnen und hob vorübergehend die Einfuhrsperre für Getreide auf, um der wegen Mißernten verursach-ten Teuerung zu begegnen. Am 3. Juni 1740 wurde durch eine Kabinettsorder die Folter allerdings mit Ausnahmen aufgehoben: „ ... bei Inquisitionen die Tortur abzu-schaffen“. Einige Tage später, am 5. Juni 1740, verfügte Friedrich II. die in Teilen Aufhebung der Zeitungszensur . Diese Maßnahme begeisterte die Aufklärer Europas, allen voran Voltaire, der Berlin als das deutsche Athen bezeichnete. Am 6. Juni 1740 ordnete der König die Rückkehr des von seinem Vater verbannten Universalgelehrten Christian Wolff an. Dies ist aus zweierlei Gründen bemerkens¬wert: erstens hatte Wolff maßgeb¬lichen Einfluß auf die preußische Gesetzgebung, zweitens finden sich noch heute in Ritualen und Katechismen der Großloge „Zu den drei Weltkugeln“ Formulie-rungen und Sätze, die die Handschrift Christian Wolffs tragen.
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In einem Antwortbrief vom 27. Juni 1740 an Voltaire erläuterte der junge Kö-nig kurz und bündig seine Reformvorhaben: Förderung des Handels, der Manufaktur, der Landwirtschaft, der Wissenschaften und die Vermehrung des Heeres sollten die tragenden Säulen des Staates sein. Voltaire und mit ihm wohl weitere Aufklärer waren viel¬leicht deswegen bereit über die militärische Hochrüstung Friedrichs II. zu schwei-gen, weil sie die angekündigten oder die bereits in Angriff genommenen Reformen auf kulturellem Gebiet begrüßten. In aller Deutlichkeit schreibt Friedrich II.: „Fürs Erste habe ich die Macht des Staates mit 15 Batallionen, 5 Escadronen Husaren und 1 Escadron Garde du Corps vermehrt  und den Grund zu unserer neuen Akademie gelegt; Wolf(f), Maupertuis, Vaucoson und Algarotti hab ich schon, von S´Gravensand und Euler erwarte ich Antwort. Ich habe ein neues Hand¬lungs- und Manufaktur-Department etablirt und engagiere jetzt Maler, Bildhauer und dergl. ... und reise nach Preußen, um mir dort huldigen zu lassen“ .
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Ebenfalls am 27. Juni 1740 lancierte Fried¬rich II. eine Instruktion zur Grün-dung des sogenannten V. Departements, eine Art Ministerium für Handel und Manu-faktur, wie es auch im obigen Brief an Voltaire beschrieben wird. Der König schuf damit ein neues Fachmini¬ste¬rium, das zwar den Staatsapparat vergrößerte, aber auch effizienter gestaltete.
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Zwischen dem 11. und dem 20. Juni 1740 bekannte sich Friedrichs II. öffent-lich als Freimaurer. In einem Brief J. F. Bielfelds vom 20. Juni 1740 heißt es: „Der König hat sich öffentlich für einen Freimaurer erklärt und vor einigen Tagen eine überaus herr¬liche Loge gehalten, ... Se. Majestät aber haben den Meisterstuhl selbst eingenommen“.
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Die im Vorstehenden dargestellten Regie¬rungsmaßnahmen nur für den ersten Monat der Regentschaft Friedrichs II. zeigen, mit welcher Reformwut der junge König eine große Fülle von Reformen anregte, die von frei¬maurerisch-aufklärerischem Den¬ken beeinflusst waren bzw. zu großen Teilen frei¬mau¬re¬rische Aspekte oder Haltungen aufweisen. Auch wenn man den Projekten oder Reformen Fried¬richs II. andere Motive unterstellte, so bleibt z.B. die Gewinnung großer Ländereien, wie durch die Trockenle-gung des Oderbruchs, eine große Leistung fride¬rizianischer Politik mit der Absicht, seine Regentschaft zu humanisieren.
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Ähnliches gilt für weitere Reformen Friedrichs II. wie z.B. die Kolonisation („Peubplierung“ des Landes) oder seine Religionspolitik. Preußen befand sich unter Friedrich II. unter erhöhter Kriegs¬vorbereitung, das heißt, der König brauchte immer mehr Soldaten. Da das Land dünn besiedelt war, versuchte er unter Gewährung von Privilegien, Kolonisten aus anderen Ländern für Preußen zu gewinnen. Um mit Fried¬rich II. zu sprechen: „Man muß also auf eine möglichst hohe Bevölkerungszahl sehen“. Diese Politik kam auch Landwirtschaft, Handel und Manufaktur zugute. Auch wenn diese für Preußen in wirtschaftlicher wie militärischer Hinsicht wichtige Maßnahmen nicht uneigennützig waren, so blieben sie - z.B. die religiöse Toleranz gegenüber den Kolonisten (Hugenotten, Katholiken) - ein fester Bestandteil der Politik Friedrichs II. In einem Brief vom 22. Juni 1740 schreibt er: “Alle Religionen seindt gleich und guht, wan nuhr die Leute, so sie profesieren, erliche Leute seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wolten das Land pöbplieren, so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen„ - bekannter ist wohl eine zum geflügelten Wort gewordene Zeile aus einem Brief (1740) Friedrichs II.: “Jeder soll nach seiner Façon selig werden„, woraus sich  Friedrichs II. freimaurerische Haltung und aufklärerische Ideale ergeben. Man könnte Friedrich II. weiterhin unterstellen, alle seine Handlungen würden nur von Eigennutz oder Staatsräson diktiert. Es gibt indes Fälle, die uns vom Gegenteil überzeugen: Wie bereits erwähnt, verfügte er Anfang Juni 1740 die Aufhebung der Folter, wenn auch mit Einschränkungen. Die Anwendung der Folter gerade in einer so wichtigen Institution wie die preußische Armee müßte für Friedrich II. ein wichtiges und bequemes Mittel zur Erhaltung der Disziplin oder Entdeckung der Wahrheit sein. Friedrich jedoch blieb nicht bei der theoretischen Anprangerung der Folter, sondern er untersagte sie, obwohl sein Justizminister, Samuel von Cocceji, und das Kriminalkollegium eine umfangreiche Erweiterung obiger Einschränkungen  empfahlen.
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Wenn man die Regierungsmaßnahmen oder die Reformen Friedrichs II. be¬trach¬tet, kommt man nicht umhin zuzugeben, dass alle seine Handlungen als oberstes Ziel hatten, das Staatsinteresse zu wahren. Einige dieser Maßnahmen sind durchaus konform mit seinem freimaurerischen Anspruch und freimaurerischer Haltung, viele dagegen stehen in diametralem Gegensatz dazu.
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Am deutlichsten kann man jedoch den widersprüchlichen und ambivalenten Charakter Friedrichs II. an Hand seiner Kriegspolitik demonstrieren. In weniger als sieben Monaten nach seinem Regierungsbeginn fiel Friedrich II. in Schlesien ein, der erste Schlesische Krieg brach aus und initiierte damit eine 11-jährige Kriegsperiode, die gravierende Folgen für Preußen und Friedrich II. haben sollte. Die Schlesischen Kriege sind die Bezeichnung für die drei Kriege, die Friedrich II. gegen Österreich um den Besitz Schlesiens und die territoriale «Arrondierung» des geographisch nicht zusammenhängenden preußischen Staatsgebietes führte. Der Erste Schlesische Krieg dauerte 1740 bis 1742 und schloß mit dem Berliner Frieden ab, damit fiel ganz Schlesien an Preußen; der Zweite Schlesische Krieg dauerte ebenfalls zwei Jahre (1744-45) und hatte zunächst nichts mit Schlesien zu tun. Das bedrängte Österreich war durch eine Allianz mit England und die Eroberung Bayerns soweit erstarkt, dass Friedrich II. den Verlust Schlesiens fürchtend auf der Seite Frankreichs erneut in den Krieg eingriff. Er marschierte in Sachsen ein, mit dem Ziel Böhmen zu annektieren, was ihm aber mißlang. Der Zweite Schlesische Krieg endete 1745 mit dem Dresdner Frieden, der Friedrich II. den Erhalt Schlesiens bestätigte.
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Aufgrund von neu entstandenen Allianzen ließ Friedrich II., der um seine Pro¬vinz Schlesien fürchtete, Ende August 1756 seine Truppen in Sachsen präventiv einmarschieren und löste dadurch den Siebenjährigen Krieg aus. Damit kam er einem koordinierten Angriff einer Allianz praktisch aller direkten Nachbarn Preußens einschließlich der Gro߬mächte Österreich, Frankreich und Russland um wenige Monate zuvor. Das durch Allianzen wieder erstarkte Österreich versuchte seine an Preußen verlorene Provinz Schlesien zurückzuerobern. Nach anfänglich sieg¬reich verlaufenen Offensivfeldzügen wendete sich das Blatt: die erste empfindliche Niederlage mußte Friedrich II. 1757 in Kolin hinnehmen. Die Situation verschlechterte sich für die preußischen Armeen zusehends und erreichte 1759 ihren negativen Höhenpunkt mit dem katastrophalen Ausgang der Schlacht bei Kunersdorf. Danach war Friedrich II. für kurze Zeit nicht in der Lage seine Armee zu führen, die totale Niederlage für Preußen stand kurz bevor. Doch die Österreicher und die Russen zögerten lange und anstatt auf Berlin zu marschieren, rückten sie in Richtung Osten ab. In diesem Zusammenhang sprach Friedrich II. vom „Mirakel des Hauses Brandenburg“.
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Preußen wurde weiter in die Defensive gedrängt und im Oktober 1760 fiel so-gar Berlin in die Hände der Österreicher und Russen. Der Friede von Hubertusburg am 15. 2. 1763 beendete die blutigen Kämpfe des Sieben¬jährigen Krieges ohne Gewinn für die Gegner. Preußen behielt Schlesien und reihte sich in die europäischen Großmächte ein. Friedrich II. wurde quasi als Sieger angesehen, auch wenn er den Nimbus des Unbesiegbaren verloren hatte.
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Der Anlaß für den ersten Krieg war der plötzliche Tod Kaiser Karls VI. im Jah-re 1740. Friedrich II. meinte mit Maria-Theresia ein leichtes Spiel zu haben, marschier-te in Schlesien ein und löste so den ersten Schlesischen Krieg aus. Zwei weitere Schlesische Kriege folgten als zwangsläufige Reaktion. Indes war Friedrich II. derjenige, der das europäische Gleichgewicht empfindlich gestört hatte. Zu den Motiven Friedrichs II. gehörten einerseits die durch die Eroberung des reichen Schle-sien erreich¬te Arrondierung des nicht zusammenhängenden preußischen Staatsgebietes, andererseits sein Wunsch, dem damals unbedeutenden Preußen eine starke Position im Verband der europäischen Großmächte zu verschaffen.
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Zweifellos haben die drei Schlesischen Kriege die Persönlichkeit Friedrichs II. entscheidend beeinflußt. Zu den vielfältigen Gründen, die seine Kriegsbereitschaft begünstigten, gesellen sich auch persönliche Motive, die in scharfem Gegensatz zu Fried¬richs II. freimaurerischen Idealen stehen, namentlich „das Verlangen mir (= Friedrich II.) einen Namen zu machen“. An seinen Freund Charles Etienne Jordan (Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften und Mitbegründer der Loge „Aux trois Globes“) schreibt er: „Ich liebe den Krieg um des Ruhmes willen“ und einige Jahre später an seinen Vorleser Heinrich de Catt: „ ... Wer hätte das gedacht, daß die Vorseh¬ung einen Dichter dazu ausersehen hätte, das politische System Europas umzu¬stür¬zen ...“.  Die Ambivalenz und Widersprüchlichkeit seines Charakters sowie der Konflikt zwischen dem Menschen und Frei¬maurer Friedrich einerseits und dem Monarchen Friedrich II. andererseits waren ihm sehr wohl bewußt. Seinem Kammerherrn Graf Algarotti schrieb er 1740: „Es ist eine fatale Epoche für mein Buch (gemeint ist der “Antimachiavell“) und vielleicht glorreich für meine Person“. Bereits zu Beginn seiner Herrschaft werden diese Ambivalenzen und Widersprüche seines Charakters offenbar: seine Bemühungen, humanitäre Grundsätze durch Reformen in die Tat umzusetzen, geraten in Konflikt mit der „Staatsraison“ oder mit unausweichlichen Sach¬zwängen, in die er sich hineinmanövriert hatte. 
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Diese Charakterzüge entwickelten sich nicht etwa nach seiner Thronbesteigung, sie werden viel früher habhaft, so z.B. während seiner Küstriner „Galeeren“-Zeit. Friedrichs II. Biographin Ingrid Mittenzwei bemerkt sehr treffend dazu : „Auch auf dem Gebiet der Außenpolitik entwickelte Friedrich in seiner Küstriner Zeit Ideen und Pläne , die er bis an sein Lebensende weiter verfolgte. Mit einer Leichtfertigkeit ohnegleichen hoffte er in dieser Zeit auf kriegerische Verwicklungen. ... Wer den Krieg so zur Bewältigung persönlicher Schwierigkeiten herbeisehnte, der verwarf ihn auch nicht als Mittel der Politik“.
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Ausgehend von kritischen Äußerungen in privaten Briefen Friedrichs II. ge-genüber der Freimaurerei ist häufig behauptet worden, die Freimaurer würden zu Unrecht Friedrich II. als Freimaurer beanspruchen. Darüber hinaus erschwert die Quellenlage einen Versuch, sein Verhältnis zur Freimaurerei in gebotener Klarheit darzu¬stellen.
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In diesen Zusammenhang sind trotzdem folgende Fakten festzuhalten: a) Fried-rich II. ist niemals aus dem Freimaurerbund ausgetreten, b) er hat die Freimaurerei in Preußen immer gefördert, c) die Tatsache, daß er nur einige Jahre aktiver Freimaurer war, stellt keinen Beweis für eine negative Haltung zur Freimaurerei dar. Auf der anderen Seite kann (zur Zeit?) nicht beantwortet werden, ob Friedrich II. nur aufgrund der Last der Regierungsarbeit seiner Loge ab 1744 fernbleiben mußte oder aufgrund einer allgemeinen Trübung seines Verhältnisses zur Freimaurerei.
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Besonders in den letzten Lebensjahren Friedrich II. erregten verschiedene Vor-gänge seinen Unmut (zu Recht), wie dies aus einem Brief aus dem Jahre 1779 hervor-geht : «... hiernächst werde Ich gewahr, dass die Freymäurer hier, ihren logen untereinander, allerhand tituls, beylegen, welches Ich aber gantz desapprobire, und solches keines¬wegs gestatten will; denn es soll denen Frey-Mäurern zwar wohl erlaubt seyn, wenn sie zusammen kommen, und sich untereinander zu Vergnügen, aber sie müssen durchaus keine ernsthafte Sache daraus machen, und die logen müssen keine Tituls haben, und die Frey-Mäurer sollen selbigen schlechterdings keine tituls geben ...».
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Auf den ersten Blick geht es in obigem Briefabschnitt um die um sich greifende Titelsucht in der Freimaurerei. In Wahrheit aber ging es Friedrich II. gegen die sogenannte «strikte Observanz» , in deren System bombastische Titel verliehen wurden. Darüber hinaus nannte sich die von Friedrich II. gestiftete königliche «Loge aux trois Globes», nach Annahme des Systems der strikten Observanz, fortan «Große National-Mutterloge der Preußischen Staaten». Die Umbenennung hat mit Sicherheit das Mißfallen des Königs erregt. Friedrich II. scheint viel früher als seine «Brüder», den Irrweg der strikten Observanz erkannt zu haben. In der Tat sagte 1783 «seine» Loge vom System der strikten Observanz los.
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Nach den Kriegen widmete sich Friedrich II. dem sogenannten „Rétablisse¬ment“. Damit beabsichtigte Friedrich II. Preußen wieder aufzubauen und seine Herr¬schaft zu festigen. Das gelang ihm nur teilweise, obwohl im „Rétablisse¬ment“ humani¬täre wie aufklärerische Ansätze festzustellen sind. Preußen hatte sich zwar unter Fried¬rich II. im Krieg gegen den Widerstand von europäischen Großmächten behauptet, allerdings war er durch die Strapazen der Feldzüge früh gealtert. Die intellektuelle Offenheit des jungen Königs aus seinen ersten Regierungsjahren wichen der Verbitte-rung und dem Zynismus. Es war einsam um den König, ein großer Teil enger Freunde und Gefährten - darunter viele Freimaurer - waren verstorben; auch viele französische Aufklärer hatten sich allmählich von ihm abgewandt. Seine Willenskraft war immer noch ungebrochen, sein körperlicher Verfall jedoch unaufhaltsam. Er starb am 17. August 1786.
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Zusammenfassung
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- Friedrich II. wurde 1738 in den Freimaurerbund aufgenommen und wenig später gründete er in Rheinsberg eine Loge, die sogenannte „Hofloge“. Am 13. September 1740 erfolgte die Gründung einer neuen Loge, der „Stadtloge“, welche den Namen  „Aux trois Globes“ erhielt. Unmittelbar nach seinem Regierungsantritt erklärte er sich öffentlich als Freimaurer. Mit Genehmigung Friedrichs II. fand 1744 eine Namens¬änderung statt; der neue Name lautete: „große Königliche Mutter-Loge zu den drei Weltkugeln“. Die Namensänderung sowie Dokumente über interne Vorgänge dieser Loge zeigen, daß Friedrich II. mit „seiner“ Loge sehr verbunden war und trotz seiner Abwesenheit Einfluß auf die Loge genommen hat.
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- Friedrich II. ist niemals aus dem Freimaurerbund ausgeschieden. Er blieb  vielmehr der Freimaurerei ein Leben lang verbunden und hat Preußen der Freimaurerei geöffnet, wodurch sie sich rasch in Deutschland ausbreitete. Den zu seinen Lebzeiten gegründeten sogenannten „altpreußischen“ Großlogen gab er wiederholt Beweise seines Wohlwollens.
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- Politische Sachzwänge verhinderten es, daß Friedrich II. weiterhin aktiv frei¬maurerisch tätig sein konnte. Er hat freimaurerische Grundsätze und Ideale nie auf¬gegeben, auch wenn er am Zwiespalt des Freimaurers Friedrich und des Monarchen Friedrich II. scheitern mußte.
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- Friedrich II. ist für die Große National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln ihr Begründer und Protektor in einer Zeit, als die Freimaurerei begann, sich in Deutschland auszubreiten und als solcher wird von der Großen National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln verehrt. Um Persönlichkeit und Werk Friedrichs II. beurteilen zu können, muss unabhängig vom politischen Standort berücksichtigt werden, dass Preußen und Friedrich II. Teil unserer Vergangenheit ist. Man kann sich weder aus der Geschichte herausstehlen noch selektiv die “positiven Gedanken und Gestalten der deutschen Geschichte“ für sich beanspruchen.
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- Folgende Äußerung Friedrichs II., die er seiner „Histoire de mon temps“ vor-anschickte, beschreibt vielleicht am besten seine Lebenssituation: „Ich hoffe, daß die Nachwelt, für die ich schreibe, den Philosophen in mir vom Fürsten und den anständi-gen Menschen vom Politiker unterscheiden wird“.
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Bibliographie
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1) Rüdiger Hachtmann, Friedrich II. von Preußen und die Freimaurerei, Historische Zeitschrift, Bd. 264 (1997), S. 21-54.
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2) Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, Frankfurt 1973.
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3) Ingrid Mittenzwei, Friedrich II. von Preußen - Eine Biographie, Berlin 1980.
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4) Theodor Schieder, Friedrich der Große - Ein Königtum der Wider¬sprüche, Berlin 1986.
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5) Werner Schwartz, Friedrich der Große und sein Verhältnis zur Frei¬mau¬rerei - Versuch einer Deutung, Herausgeber: Große National-Mutterloge „Zu den drei Welt¬kugeln“, Berlin 1988.

Version vom 13. März 2019, 19:30 Uhr

Friedrich II. der Große und die Freimaurerei

Friedrich II. der Große und die Freimaurerei



I. Allgemeines

Über Friedrich II. existiert eine ins Unüberschaubare gewachsene Lite¬ra¬tur. Einschlägige Monographien so¬wie po¬pu¬lärwissenschaftliche Werke untersuchen Persönlichkeit, Politik, Krie¬ge und Reformen des preußi¬schen Monarchen. Indessen findet die Tatsache, daß Friedrich II. Freimau¬rer gewesen ist, in der überwiegenden Mehrheit der einschlägigen Literatur kaum Erwähnung. Im Folgenden soll in knapper Form versucht werden, die Verbin¬dungen zwischen Friedrich II. und der Freimaurerei zu skiz¬zieren - schließlich unter Be¬¬¬achtung des vorangestellten warnenden Vorspruchs von Fritz Mauthner. Dabei sollen besonders zwei Aspekte diskutiert werden: a) welche Bedeutung Friedrich für die Entwicklung der Freimaurerei in Preußen besitzt sowie b) in welchem Umfang, wenn überhaupt, beeinflusste Friedrichs freimaurerische Ge¬sin¬nung seine Entscheidungen, Reformen sowie sein Regie¬ren im allge¬meinen. Die Darstellung dieser Aspekte erfordert einige Vorüberlegungen und Begriffsklärungen, die einen großen Raum meiner Ausführungen in Anspruch nehmen. Jeder Versuch zur Darlegung der Beziehung Friedrichs II. zur Freimaurerei setzt in gebotener Kürze eine Auseinandersetzung mit dem Leben wie auch dem politisch-geistigen Umfeld des preußischen Monarchen voraus. Friedrich II., genannt der Große, wurde 1712 in Berlin geboren und starb 1786 im Schloß Sanssouci im Alter von 74 Jahren. König von Preußen war er von 1740 bis zu seinem Tode. Um der strengen Er¬zieh¬ung seines Vaters zu entgehen, unternahm Friedrich II. 1730 einen Fluchtversuch, der kläglich scheiterte. Nach einer eher formalen Versöhnung mit dem Vater und dessen Tod übernahm Friedrich II. die Regent¬schaft und fiel 1740, trotz seiner Er¬zieh¬ung im Sinne der Aufklärung, seiner Freund¬¬¬¬schaft mit Voltaire und nicht zu¬letzt seiner freimaurerischen Ge¬sin¬¬nung, ohne ernsthafte Rechts¬(erb)an¬sprü¬che in Schle¬sien ein (Schle¬sische Kriege, 1740-1742 und 1744-1745). Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) ge¬lang es ihm unter enormen Anstrengungen den er¬ober¬ten Besitz¬stand zu behaupten sowie West¬preus¬¬sen, das Erm¬land und den Netze¬distrikt zu gewinnen (erste Polnische Tei¬lung 1772). Die von seinem Vater, Friedrich Wilhelm I. dem „Solda¬tenkönig“, ein¬geführte Wehrpflicht und die Vergrößerung der Armee bildeten das machtpolitische Rückgrat Preußens und ermöglich¬ten Fried¬rich II. erst die Durchführung langjähriger Kriege, die das Territori-um Preußens verviel¬fachten. Preußen ist nicht zuletzt durch seine aggressive Politik aus be¬schei¬denen Anfängen zur euro¬pä¬ischen Großmacht aufgestiegen. Darüber hinaus ver¬bes¬serte Friedrich II. die Ver¬wal¬tung, för¬der¬te die Wirt¬schaft und regte zahl¬reiche Reformen an. Er gilt zu Recht als ein bedeutender Ver¬treter des auf¬ge¬klär¬ten Abso¬lu¬tismus, indessen ist Friedrich II. in das breitere Ge¬schichtsbewußtsein der Deutschen hauptsächlich als der „Alte Fritz“ des „Kartoffelbefehls“ eingegangen, als der stren¬ge, aber gerechte Landesvater - Soviel dürf¬te es uns viel¬leicht noch aus dem Geschichtsun-terricht in der Schule bekannt sein...

Friedrich II. wurde jedoch sowohl ge¬feiert als auch geschmäht. So widersprüch-lich er betrachtet wurde, so - dies sei vorweggenommen - widersprüchlich war auch seine Person. Eine persönliche Erfahrung des Schreibers dieser Zeilen zeigt ein Beispiel des widersprüchlichen Umgangs mit Friedrich II.: Als ich in den frühen siebziger Jahren mein Studium im Westteil der Stadt aufnahm, besuchte ich die berühmte Humboldt-Universität zu Berlin - damals im Ostteil der Stadt; schräg gegenüber dem Portal der Universität fiel mir eine unerklärliche Verbrei¬terung des Mittelstreifens Unter den Linden auf, welche auf eine Lücke hinwies: dort stand bis 1950 das Reiter-denkmal Friedrichs II., ein in Bronze gegos¬senes Werk des Bildhauers Christian Daniel Rauch (1777-1857). Seit dieser Zeit lag es nunmehr unter Strohmatten in den Gärten von Sanssouci „begraben; 1962 wurde es in das Potsdamer Hippodrom des Parks Charlottenhof „abge¬scho¬ben“, denn „reaktionäre“ preußische Traditionen sollten mit und in der DDR keinen Platz mehr finden. 1980 erhielt das Denkmal seinen ange-stammten Platz zurück, und seitdem reitet Fried¬rich II. wieder den Prachtboulevard Berlins entlang. Es ist hier nicht der Ort nach den Gründen dieses Sinnes¬wandels der Re¬gie¬renden der DDR zu fragen, der (Ost-) Ber¬liner Volks¬mund jedoch quittierte diese verspätete „Rehabilitierung“ Frie¬drichs mit folgenden Spott¬versen: „Lieber Friedrich steig hernieder / und regiere Preußen wieder! / Lass in diesen schwe¬ren Zeiten / lieber unsern Erich reiten!“.


II. Freimaurerei und ihre Entstehung zur Zeit der Auf¬klärung

Die Freimaurerei ist nicht auf ein singuläres Ereig¬nis zurückzuführen, wie es ge¬nauso wenig eine historisch eindeutig nachweisbare einheitliche Entwicklung gege¬ben hat. Im We¬sent¬lichen zurückzuführen ist sie auf die Dombauhütten der Steinmetzen des Mittelalters. Es ist überliefert, daß diese für Sakralbauten tätigen Handwerker sich bereits damals nach vollendeter Arbeit rituell zusammengefunden und über ihr Tun unter Verwendung von Symbolen nachgedacht haben. Die Freimaurerei versteht sich als ein fortschrittlicher, philo¬so¬phisch-ethischer und humanitärer Bund freier Männer, der durch Selbst¬er¬kenntnis und Übung die Ver¬besserung seiner Mitglieder anstrebt und fördert. Die fünf Grund¬ideale der Freimau¬rerei: Freiheit, Gleichheit, Brü¬derlichkeit, Toleranz und Humanität, sollen durch ständige praktische Einübung im Alltag gelebt werden. Aus ihren Ursprüngen zur Zeit der Aufklärung und der französischen Re¬vo¬lu¬tion abgeleitet, haben diese Leitbilder als anzu¬stre¬bende Tugenden auch heute nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt. Dabei zeich¬net neben der geistigen und sittlichen Veredlung, der freundschaftlich-brüderlichen Verbundenheit, der Aufforderung zur Selbsterkenntnis und Selbstkritik, das praktische, menschliche und so¬ziale Wirken den echten Maurer aus. Als weitere wichti¬ge Impli¬kationen aus den Prinzipien der Freimaurerei sind noch folgende Punkte zu betrachten: ständische und konfessionelle Bindungen sollen für die Freimaurer keine Rolle spielen. Auf der anderen Seite ist be¬kannt, daß ohne Weiteres weder soziale Schranken verschoben oder gar ge¬sprengt , noch das Bekenntnis zum Christentum aufgeweicht oder auf¬gege¬ben werden konnten. Darüber hinaus dürfen die Maurer innerhalb der Loge weder politische Zwecke verfolgen noch geschäft¬liche Beziehungen pflegen. Schließlich garantiert das Schweigegebot bzw. die Diskretion gegenüber den Ge¬heimnissen des Bundes die Abschließung der Logen nach außen hin. Das Ziel der Freimaurerei besteht nicht sosehr in der Veränderung der Welt, sondern eher in der sittlichen Ver¬edlung des Menschen auf individueller Basis, „das Behauen des rauhen Steins“, so daß er „sich besser in den Bau des Tempels der Huma¬nität ein¬fügt“ - inso¬fern wird auf diese Weise indirekt auch die Gesellschaft verändert. Diese Prinzipien werden zusammenfassend in den bereits 1723 von James Anderson verfassten „Alten Pflichten“ dargestellt: „Weder privates Ge¬zänk, noch Streitig¬keiten über Völker, Familien, Religionen oder Politik dürfen in die Loge ge¬tragen werden ...“ - allerdings mit einigen für die damalige Zeit sehr kühnen Formulie-rungen: „Der Maurer ist ein friedfertiger Bürger, nie in Anschläge gegen den Staat verwickelt ... Obgleich ein Bruder, wenn er sich gegen den Staat auflehnt, nicht unterstützt werden soll, bleibt sein Verhältnis zur Loge, sofern er keines anderen Verbrechens überführt wird, unangetastet“. Aus heutiger Sicht mögen die obigen Forderungen harmlos bzw. selbstverständ¬lich erscheinen. In den Zeiten des Absolutismus jedoch käme manche von ihnen, trotz Aufklärung, einer Tolerierung oder gar Anstiftung zu revolutionären Umtrieben gleich. Man stelle sich also vor, was Regenten der Aufklärung (18. Jh.) oder die Polizei auf Grund obiger Äußerung von der Freimaurerei halten mußten: ihr „Geheimnis“ verberge nämlich die Revolution. Trotzdem gelang es den Logen mehr oder weniger er¬folg¬reich, die Fürsten und die Politiker davon zu überzeugen, die Maurer haben zumindest in ihren Logen mit der Politik nichts zu tun. Im Gegenteil sie lebten und handelten nach Prinzipien, die, so sie befolgt würden, eine Revolution überflüssig machten, d.h. ihre „Tugenden“ bzw. ihr „Geheimnis“ bedrohten weder den Souverän noch den Staat. Es drängt sich nun folgende Frage auf: wenn die Freimaurerei und die Logen zunächst eine reine Schöpfung des aufsteigenden Bürgertums mit antiabsolutistischen Prinzipien war, wie ist dann zu erklären, daß so viele Adlige und sogar Könige Mitglieder von Logen und bekennende Maurer werden konnten? - prominentes Bei¬spiel der „könig¬liche Bru¬der“, Friedrich II. - Hat man da etwa den Bock zum Gärtner ge¬macht, hat man also Personen aufgenommen, die aufgrund ihrer Herkunft oder Interessenlage nicht dazu geeignet waren? Zur Beantwortung dieser Frage betrachten wir nun das politisch-geistige Um¬feld, das den jungen (Kronprinzen) Friedrich II. prägte: Einerseits wurde er in die Zeit des Absolutismus hineingeboren, in der der Fürst sich als von Gott eingesetzt verstand (Gottesgnadentum) und entsprechend regierte: «nicht durch die Gesetze gebun¬den» (princeps legibus solutus est, oder nach Art. 43 der preußischen Verfassung: «die Person des Königs ist unverletzlich»), relativ unabhängig von den Ständen, nur Gott und seinem Gewissen verantwortlich. Andererseits entsteht in dieser Zeit, durch aufklärerischen Einfluß, der soge¬nann¬te aufge¬klärte Absolutismus, als dessen wichtiger Vertreter Friedrich II. selbst gilt. Friedrich II. bezeichnete sich als „ersten Diener seines Staates“, um so sein Selbst¬verständnis als Monarchen zu unterstreichen: der König als Repräsentant einer rationalen Staatsordnung, die zumindest vorgeblich dem Allgemeinwohl dient. Die These vom „ersten Diener seines Staates“, die übrigens Friedrich II. ernst meinte, war natürlich gekoppelt mit seiner Einschätzung von einem unmündigen wie kindlichen Volk, das nicht allein über sein Schicksal entscheiden konnte - solche Entscheidungen oblagen dem „Landesvater“. Die durchgeführten oder angeregten Reformen, insbesondere in Preußen durch Friedrich II., betrafen fast alle Bereiche des Lebens: Abschaffung der Folter und der Leibeigenschaft, Aufhebung der Zensur, welche jedoch allesamt wieder einge¬schränkt wurden; das sogenannte Allgemeine Land¬recht, ein konservatives Dokument, das widersprüchliche Re¬aktionen hervorrief; Umsetzung der religiösen Toleranzidee, die Abkehr also vom bis dahin geltenden Grundsatz „cuius regio eius religio“, der besagt, die Landesfürsten waren be¬rechtigt, die Konfession der Untertanen vor¬zugeben u.v.m. Der absolutistische Staat sah zwar seine Ordnung durch die Aktivitäten und die Forderungen alter wie neuer sozialer Schichten zunehmend bedroht, da sowohl Teile des Adels als auch immer mächtiger werdende Gruppen des aufsteigenden Bürgertums (Bankiers, Kaufleute etc.) gegen das Herrschaftsmonopol des Königs kämpften. Indes stellten sie keine wirkliche Gefahr dar, denn beide Parteiungen konnten - weder ge¬trennt noch gemeinsam - noch keine selbständige politische Rolle spielen. Zur gleichen Zeit verstanden die Freimaurer viele unzufriedene, politisch ebenfalls entrechtete Adlige als Mitglieder zu gewinnen und zumindest dort mit ihnen auf der Basis formaler sozialer Gleich¬be¬rechtigung zu verkehren: d.h. in den Logen dachte und handelte man als freier Mensch und nicht als Untertan. Darüber hinaus verfolgte die Ablehnung der Politik bzw. von politischen Auseinandersetzungen innerhalb der Logen ein zwei¬faches Ziel: nach innen sollte diese Abstinenz über die Stände hinweg sozialen Frieden und Einheit stiften. Nach außen galt es die Herrschenden davon zu über¬zeugen, die gesell¬schaftliche Formation der Logen sei ungefährlich und daher zumindest zu tolerieren. Somit lag folgende Konstellation vor: 1) einerseits gab es unzufriedene Adlige, die nach Reformen drängten, andererseits bestanden weiterhin enge Verflechtungen und gemeinsame Interessen des Adels mit dem Hof so¬wie das bestehende Gesellschaftssys-tem, 2) das aufsteigende Bürgertum ver¬fügte noch nicht über Macht und ausreichenden Einfluß, um innerhalb der ständischen Gesellschaft als selbständiger Akteur der Politik mitwirken zu können. Das heißt auch im Rahmen des aufgeklärten Absolutismus war keine politische Mitbestimmung der Untertanen möglich, so daß Teile des Adels oder das aufsteigende Bürgertum politisch Etwas gegen den Willen des Monarchen hätten durchsetzen können. Somit verliehen Mitglieder aus dem hohen Adel oder gar aus dem Königshaus ihren Logen nicht nur Prestige und Einfluß, sondern sie gewährten auch Schutz - diese Sachlage traf besonders für die preußi¬schen Logen zu. Die obigen Ausführungen erklären Manches über die Entstehung und Ent¬wicklung der Freimaurerei in den politisch-sozialen Bedingungen des 18. Jahr¬hunderts, sie beantworten aber noch nicht die Frage nach den Motiven, die Friedrich II. bewogen, Freimaurer zu werden.


III. Das Verhältnis Friedrichs II. zur Freimaurerei

Friedrich II. hat sich zu verschiedenen Anlässen, besonders in seinen Briefen, über die Freimaurerei geäußert, es ist jedoch meines Wissens keine Aussage überliefert, welche die Gründe, die ihn veranlaßt hatten, Freimaurer zu werden, zum Inhalt hat. Leben und Werk des preußischen Königs, festgehalten in mehreren Biographien und einschlägigen Monographien , liefern indes viele Anhaltspunkte zu seinen Motiven sowie seiner Beziehung zur Freimaurerei. Seine Lebenszeit kann man in zwei Perioden einteilen: 1) 1712-1740: Ju¬gend¬jahre, Friedrich als Kronprinz, Aufnahme in den Freimaurerbund 2) 1740-1786: die Regentschaft, die Zeit der Schlesischen Kriege sowie des Siebenjährigen Krieges, sowie die letzte Periode, Friedrich II. der Große ist nunmehr der „Alte Fritz“.

1. Periode - 1712-1740 Diese Zeit umfaßt Friedrichs Jugend- und Erziehungsjahre und reicht bis zu seiner Thronbesteigung im Jahre 1740. Sein Vater, Friedrich Wilhelm I. (1688-1740), war trotz seines Jähzorns und seiner Brutalität ein tief religiöser Mensch. Er regierte gemäß seinem Staats¬lenkerverständnis als absoluter Mon¬arch, demütigte häufig in aller Öffent¬lichkeit Frau und Tochter, vor allem aber quälte seinen Sohn Fried¬rich II. Neben den politischen Problemen schien der König nur eine Sorge zu haben: wie er aus dem „mi߬ratenen“ Sohn einen richtigen Thronfolger machen kann. Der König geriet in Raserei und jähzornige Ge¬walt, wenn Friedrich sich wi¬der¬¬¬setzte. Sein erster Erzieher, der Hugenotte Jacques Egide Duhan de Jandun, wird von vielen Zeitgenossen als ein geist¬voller, sehr gebildeter Mann be¬schrieben, dem Friedrich bis an sein Lebensende seine Anhänglichkeit bewahrte. Der Unterricht, gestaltet von seinem Erzieher und trotz der vom König festgelegten Richt¬linien, entsprach mehr den musischen und lite¬rarischen Neigungen des Kronprinzen, als den Interessen eines robusten Draufgängers, wie Friedrich Wilhelm seinen Sohn wünschte. Die Beherrschung der französischen Sprache erlaubte dem Kronprinzen das Kennenlernen zeitgenössischer Autoren wie auch der Klassiker - selbst Werke deutscher Philo¬sophen (z.B. des Christian Wolff ) las Friedrich in französischer Übersetzung, da er die eigene Muttersprache für „halb-barbarisch“ hielt. Ent¬sprechend fiel auch seine Ge¬ringschätzung der zeitgenössischen deutschen Literatur aus, die zeitlebens außerhalb seines Gesichtsfeldes geblieben ist. Die Korrespondenz mit Geistes¬größen seiner Zeit wie z.B. Voltaire sowie der Aufent-halt des letzten in Berlin schulten und formten seinen Intellekt weiter. Zudem kam Friedrich als sensibler, hochgeistiger Mensch sehr früh mit dem Ideengut der beginnen-den Auf¬klärung in Berührung. Ihr Gebot, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, brachte den Kronprinzen in direkten Gegensatz zur unmenschlichen auf sturen Gehor-sam basierenden Erzieh¬ung des Vaters bis hin zum totalen Bruch der Vater-Sohn-Beziehung. Die Gegensätze zwischen Vater und Sohn, welche sehr früh auftraten und bis zum Erwachsenenalter Friedrichs virulent blieben, waren nicht etwa politischer Natur. Friedrich Wilhelm I. erwartete natürlich, daß Friedrich sein Werk exakt in seinem Sinne fortsetzte, doch die Charaktere der beiden konnten nicht unterschiedlicher sein. Was der Sohn liebte, Bücher, Musik, Literatur, verabscheute der Vater. Da Friedrich Wilhelm I., sich völlig grundlos wie es sich später zeigte, um den Bestand seiner Armee und überhaupt des Staates unter dem Regime seines Sohnes fürchtete, versuchte er mit despotischen Mitteln und Gewalt seinen Sohn in seinem Sinne zu beugen. Die unerträglich gewordenen Beziehungen zum Vater kulmi¬nierten in den gescheiterten Fluchtversuch Fried¬richs im Juli des Jahres 1730. Als die Pläne des Kronprinzen bekannt wurden, reagierte Friedrich Wilhelm erwartungsgemäß wie ein Despot. Da der Fluchtversuch den Tatbestand der Desertion erfüllte, wurde Friedrich aus der Armee ausgestoßen und auf die Festung Küstrin gebracht. Wie unerbittlich Friedrich Wilhelm I. dabei sein konnte, zeigt uns die Hinrichtung des engen Vertrauten Fried¬richs, Leutnant Hans Hermann von Katte: Er wurde ent¬hauptet, der Kronprinz mußte der Hinrichtung beiwohnen. Einige Monate später wurde Friedrich begnadigt, nachdem er seinem Vater und König durch einen Eid versicherte, im Wiederholungsfall „sollte er Kron und Kur bei der Sukzession verlustig sein“; Friedrich legte aus Gründen der „Staatsräson“ diesen Unterwerfungseid ab, da er sonst befürchten mußte, niemals König von Preußen zu werden. Die durch Drill und Prügel sowie durch die Hinrichtung Kattes erzwungene Unter¬ordnung Friedrichs führte letztlich zu einer größeren Heuchelei. In einem Brief von 1734 an seinen früheren Hauslehrer, Jacques Egide Duhan de Jandun, verglich sich Friedrich «mit einem Spiegel, der, dazu verpflichtet, seine Umgebung zu reflektieren, nicht wagt zu sein, wozu die Natur ihn gemacht hat». Nach der Begnadigung bzw. Eidesleistung blieb Friedrich noch einige Zeit in Küstrin als «Kriegs- und Domänenrat». Doch die strengen Auflagen des Vaters - welt¬liche Literatur, darun¬ter die französische in Gänze, Vergnügungen und Damenbesuche standen unter Verbot - führten Friedrich dazu, seine gesamte Küstriner Zeit (1730 - 1736) als «Galeere» zu apostrophieren. Im Jahre 1733 erfolgte auf Wunsch seines Vaters die Vermählung Friedrichs mit der Prinzessin Christine von Braun¬schweig-Bevern. Dem Kronprinzen, der äußerst unwillig diese Verbindung einging, wurde Ruppin als provisorischer Aufenthalt zuge¬wiesen, ehe das Kronprinzenpaar im August 1736 in das ausgebaute Rheinsberger Schloss ziehen durfte. In Rheinsberg (von 1736 bis zur Thronbesteigung 1740) verbrachte Friedrich nach eigenem Bekunden seine glücklichste Zeit, sie war zugleich eine sehr produktive Zeit hinsichtlich seiner intensiven philoso¬phischen Studien. Darüber hinaus markiert sie den Beginn seiner reichen schriftstellerischen Tätigkeit. Es ist kein Zufall, daß er sich während dieser Zeit in seinen Briefen als «Frédéric le Philosophe» bezeichnete. Aus einem Brief an Ulrich von Suhm, den Übersetzer der deutsch¬sprachigen philosophischen Werke von Wolff ins Französische, erfahren wir: «Wenn die Philosophie mich aufklärt, so thut sie durch Sie; Sie haben Schranken niedergerissen, die mich von der Wahrheit trennten». Zu seinen vielseitigen Interessen gehörte seine Leidenschaft für die Musik, sein bevorzugtes Instrument war die Querflöte. Friedrich II. war selbst ein begabter Komponist, von ihm sind über 100 Konzerte, Sonaten und Etüden für Flöte überliefert. Der Solo-Flötist der Berliner Philharmoniker, Emmanuel Pahud, charakterisierte den Musi¬ker Friedrich folgendermaßen : Frage: «Er war also nicht der König, der nebenbei Musik gemacht hat?», Antwort: «Nein, das wäre ein falsches Bild. Er war einer, der sich ziemlich gut ausgekannt hat – in vielen Bereichen» und weiter in diesem Inter-view: «Allerdings war seine ganze Kindheit ja durch ein äußerst schwieriges Verhält-nis zu seinem Vater geprägt. Er konnte sich als Mensch nicht frei entwickeln. Ich glaube, die Musik war der Ausweg, darin konnte er sich ausdrücken, gerade in den langsamen Sätzen – in seinen eigenen und in denen, die die Komponisten für ihn geschrieben haben». In Rheinsberg umgab sich Friedrich mit einem Kreis von Offizieren, Diploma-ten, Philosophen, Gelehrten und Künstlern, in dem man sich mit Fragen der Religion, der Politik und den Wissenschaften beschäftigte. Bereits 1736 kam die erste Korres-pondenz mit Voltaire zustande. 1739 verfaßte Friedrich seine Schrift «Antimachiavell», in der er sich kritisch mit den Thesen des Florentiners Nicolò Macchiavelli (1469-1527) auseinandersetzt. Der Kronprinz verwarf die durch Machiavelli erfolgte Verherrlichung des durch keine Moral gehemmten Fürsten, besonders den Einsatz verwerflicher Mittel im Interesse des Staates (Staatsräson). Es ist unverkennbar, daß diese Schrift dem Geist der Aufklärung verpflichte ist und kurze Zeit nach seiner Aufnahme in den Freimaurerbund verfaßt worden ist. Noch bevor er Freimaurer wurde, fühlte er sich hingezogen zu den Idealen der Aufklärung (Humanität, Toleranz, Brüderlichkeit) sowie zu Männergesellschaften auf der Basis des Freundschafts- und Bruderschafts¬erleb¬nisses. Es nimmt daher nicht wunder, daß Friedrich etwa 1736 den auf 12 Mitglieder begrenz¬ten geheimen Ritterbund „Bayard“ ins Leben rief. Die «Ritter» des Ordens ver¬pflichteten sich auf edle Taten und ihre Vervollkommnung. Vorbild und Namensgeber war der französische Ritter Bayard, der sogenannte Ritter ohne Furcht und Tadel. Im Sommer des Jahres 1738 begleitete Friedrich seinen Vater, König Friedrich Wilhelm I., an den Rhein und in die Niederlande. Während einer Hoftafel äußerte sich letzterer sehr abfällig über die Freimaurerei und alle geheimen Gesellschaften. Graf Albert Wolfgang von Schaumburg-Lippe widersprach und bekannte sich offen zur Freimaurerei - bereits 1725 wurde er in eine Londoner Loge aufgenommen. Der 26-jährige Friedrich einerseits bewunderte die „große Freimüthigkeit und beredte Zunge“ des Grafen, andererseits sah er sich durch dieses Gespräch in seinen Ansichten bestärkt. Nach Aufhebung der Tafel war der Kronprinz derart beeindruckt, daß er den Grafen bat, „ihm die Aufnahme in eine Gesellschaft zu bewirken, welche wahr¬heits¬liebende Männer zu Mitgliedern habe“. Dem Ersuchen des Kronprinzen entsprach Graf Schaumburg-Lippe umgehend, indem er die nötigen Vorbereitungen für die Aufnahme Fried¬richs traf, welche in der Nacht vom 14. auf den 15. August 1738 erfolgte. In dieser Nacht wurde der Kronprinz Lehr¬ling, Geselle und Meister, eine Ausnahme in der Frei¬maurerei, die nur durch die hohe Stellung des „erhabenen Suchenden“ zu erklären ist. Alles geschah in großer Heimlichkeit gegen den Willen Friedrich Wilhelms I. Nach der Rückkehr in Rheinsberg wurde regelmäßig unter der Leitung des Kronprinzen fraumau-rerisch gearbeitet, wurden neue Brüder aufgenommen und fanden Beförderungen statt. Wir fassen nun die Gründe Friedrichs II., Freimaurer zu werden, thesenartig zusammen: a) Das desolate Verhältnis Friedrichs zu seinem Vater und König, das sich häu-fig durch Akte der Unterwerfung und der Op¬po¬sition gegenüber dem Vater aus¬zeich¬nete, stellt eine starkes Motiv für Friedrich dar, in den Freimaurerbund aus eigenem Antrieb und gegen den Willen des Vaters einzutreten. Man würde indes den komplexen Charakter Friedrichs II. verkennen, reduzierte man alle seine Gründe, Freimaurer zu werden, auf einen Akt der Reaktion bzw. Opposition ge¬gen¬über dem Vater . b) In seiner Jugend wies Friedrichs Charakter starke romantisch-idealistische Züge auf, welche bis zur Thronbesteigung durch die von Sachzwängen freie Lebensfüh-rung im idyllischen Rheinsberg verstärkt wurden. Ein Indiz für diesen Cha¬rakterzug stellt die Gründung des oben genannten geheimen Ritterordens «Bayard» dar. c) Die Wertschätzung Friedrichs für die Person des Grafen Albert Wolfgang von Schaumburg-Lippe war ein entscheidender Faktor für seinen Eintritt in den Frei¬maurerbund. Der Briefwechsel zwischen den beiden ist ein beredtes Zeugnis dieser Bewunderung. d) Der innige Wunsch Friedrichs echte Freundschaft zwischen Männern zu er-leben. Dies ist absolut konform mit dem Ziel der Freimaurerei, die sich als ein Bund freier Männer versteht, der durch Selbst¬er¬kenntnis und Übung die Ver¬besserung seiner Mitglieder sowie die Pflege von freundschaftlichen Beziehungen zwischen ihnen an¬strebt. e) Die kritische Haltung Friedrichs zur Religion, deren Ursprung einerseits in seiner eigenen strengen religiösen Erziehung, andererseits in den Geboten der Auf¬klärung zu suchen ist. Gerade Freimaurerlogen waren Orte, an denen der Toleranz¬gedanke - und als Folge davon eine sehr liberale Auffassung hinsichtlich der religiösen Bekenntnisses - praktiziert wurde. f) Der entscheidende Grund, Freimaurer zu werden, dürfte wohl in Friedrichs Zuwendung zum Gedankengut der Aufklärung seine Wurzeln haben. Die Gebote der Aufklärung, die Wahrheit mit Hilfe der Vernunft und den Wissenschaften zu suchen, Toleranz auszuüben, Dogmatismus zu meiden, gehören ebenfalls zum freimaurerischen Ge¬dankengut.

2. Periode - 1740-1786 Als Friedrich II. am 31. Mai 1740 nach dem Tod seines Vaters, Friedrich Wil-helm I., den Thron bestieg, übernahm er einen Staat mit einer effizienten Verwaltung, eine relativ große, schlagfertige Armee sowie eine gefüllte Staatskasse. Nach dem strengen Regiment seines Vaters empfanden viele Untertanen einen gewisse Erleicht¬erung und hofften auf eine Verbesserung ihrer Lage durch den jungen König. Die Öffentlichkeit kannte bereits seine Vorstellungen von einer gerechten Regentschaft, die er in mehreren Publikationen, wenn auch unter Pseudonym, vorgestellt hatte - so heißt es z.B. in seinen 1738 erschienenen „Betrachtungen über den gegenwärtigen politi-schen Zustand Europas“: „Der Irrtum der meisten Fürsten besteht in dem Glauben, Gott habe die Menge von Menschen, deren Wohlfahrt ihnen anvertraut ist, bloß aus ganz besonderer Sorge für ihre Größe, ihr Glück und ihren Stolz geschaffen und ihre Untertanen seien nur zu Werkzeugen und Dienern ihrer zügellosen Leidenschaften bestimmt ... (der) Mann (=der Fürst), der am fähigsten wäre, den ganzen Staat zu repräsentieren und bei dem die höchste Gewalt zu einer Stütze der Gesetze und der Gerechtigkeit und nicht zu einem Mittel, ungestraft Verbrechen zu begehen und die Tyrannei zu begründen, dienen solle“. Friedrich II. handelte jedoch eigensinnig und überraschte erst seine nächste Umgebung, bald darauf ganz Europa. Jakob Friedrich Bielfeld, mehrmaliger Meister vom Stuhl der „Loge aux trois globes“, schreibt in einem Brief nur einen Monat nach Friedrichs Thronbesteigung (am 20. Juni 1740): „Ausschweifend ist die Freude aller Untertan ... Es zeigt sich aber, daß man sich ziemlich allgemein in dem neuen König irrte“. Das mußten auch Gefährten und Vertraute Friedrichs aus der Rheinsberger-Zeit erfahren, welche sich auf Grund ihrer Nähe zum neuen König wich¬tige Positionen erhofft hatten. Derselbe Bielfeld nannte den Tag der Thron¬be¬steigung „la journée des dupes“, den Tag der Betrogenen. Was der Thronbesteigung am 31. Mai 1740 folgte, ist eine wahre Flut von Ge-setzen, Befehlen und Reformen, welche sowohl die freimaurerisch-aufklärerischen Einflüsse Friedrichs als auch seinen widersprüchlichen und ambivalenten Charakter zeigen. Am 2. Juni 1740 ließ Friedrich II. die staatlichen Kornmagazine öffnen und hob vorübergehend die Einfuhrsperre für Getreide auf, um der wegen Mißernten verursach-ten Teuerung zu begegnen. Am 3. Juni 1740 wurde durch eine Kabinettsorder die Folter allerdings mit Ausnahmen aufgehoben: „ ... bei Inquisitionen die Tortur abzu-schaffen“. Einige Tage später, am 5. Juni 1740, verfügte Friedrich II. die in Teilen Aufhebung der Zeitungszensur . Diese Maßnahme begeisterte die Aufklärer Europas, allen voran Voltaire, der Berlin als das deutsche Athen bezeichnete. Am 6. Juni 1740 ordnete der König die Rückkehr des von seinem Vater verbannten Universalgelehrten Christian Wolff an. Dies ist aus zweierlei Gründen bemerkens¬wert: erstens hatte Wolff maßgeb¬lichen Einfluß auf die preußische Gesetzgebung, zweitens finden sich noch heute in Ritualen und Katechismen der Großloge „Zu den drei Weltkugeln“ Formulie-rungen und Sätze, die die Handschrift Christian Wolffs tragen. In einem Antwortbrief vom 27. Juni 1740 an Voltaire erläuterte der junge Kö-nig kurz und bündig seine Reformvorhaben: Förderung des Handels, der Manufaktur, der Landwirtschaft, der Wissenschaften und die Vermehrung des Heeres sollten die tragenden Säulen des Staates sein. Voltaire und mit ihm wohl weitere Aufklärer waren viel¬leicht deswegen bereit über die militärische Hochrüstung Friedrichs II. zu schwei-gen, weil sie die angekündigten oder die bereits in Angriff genommenen Reformen auf kulturellem Gebiet begrüßten. In aller Deutlichkeit schreibt Friedrich II.: „Fürs Erste habe ich die Macht des Staates mit 15 Batallionen, 5 Escadronen Husaren und 1 Escadron Garde du Corps vermehrt und den Grund zu unserer neuen Akademie gelegt; Wolf(f), Maupertuis, Vaucoson und Algarotti hab ich schon, von S´Gravensand und Euler erwarte ich Antwort. Ich habe ein neues Hand¬lungs- und Manufaktur-Department etablirt und engagiere jetzt Maler, Bildhauer und dergl. ... und reise nach Preußen, um mir dort huldigen zu lassen“ . Ebenfalls am 27. Juni 1740 lancierte Fried¬rich II. eine Instruktion zur Grün-dung des sogenannten V. Departements, eine Art Ministerium für Handel und Manu-faktur, wie es auch im obigen Brief an Voltaire beschrieben wird. Der König schuf damit ein neues Fachmini¬ste¬rium, das zwar den Staatsapparat vergrößerte, aber auch effizienter gestaltete. Zwischen dem 11. und dem 20. Juni 1740 bekannte sich Friedrichs II. öffent-lich als Freimaurer. In einem Brief J. F. Bielfelds vom 20. Juni 1740 heißt es: „Der König hat sich öffentlich für einen Freimaurer erklärt und vor einigen Tagen eine überaus herr¬liche Loge gehalten, ... Se. Majestät aber haben den Meisterstuhl selbst eingenommen“. Die im Vorstehenden dargestellten Regie¬rungsmaßnahmen nur für den ersten Monat der Regentschaft Friedrichs II. zeigen, mit welcher Reformwut der junge König eine große Fülle von Reformen anregte, die von frei¬maurerisch-aufklärerischem Den¬ken beeinflusst waren bzw. zu großen Teilen frei¬mau¬re¬rische Aspekte oder Haltungen aufweisen. Auch wenn man den Projekten oder Reformen Fried¬richs II. andere Motive unterstellte, so bleibt z.B. die Gewinnung großer Ländereien, wie durch die Trockenle-gung des Oderbruchs, eine große Leistung fride¬rizianischer Politik mit der Absicht, seine Regentschaft zu humanisieren. Ähnliches gilt für weitere Reformen Friedrichs II. wie z.B. die Kolonisation („Peubplierung“ des Landes) oder seine Religionspolitik. Preußen befand sich unter Friedrich II. unter erhöhter Kriegs¬vorbereitung, das heißt, der König brauchte immer mehr Soldaten. Da das Land dünn besiedelt war, versuchte er unter Gewährung von Privilegien, Kolonisten aus anderen Ländern für Preußen zu gewinnen. Um mit Fried¬rich II. zu sprechen: „Man muß also auf eine möglichst hohe Bevölkerungszahl sehen“. Diese Politik kam auch Landwirtschaft, Handel und Manufaktur zugute. Auch wenn diese für Preußen in wirtschaftlicher wie militärischer Hinsicht wichtige Maßnahmen nicht uneigennützig waren, so blieben sie - z.B. die religiöse Toleranz gegenüber den Kolonisten (Hugenotten, Katholiken) - ein fester Bestandteil der Politik Friedrichs II. In einem Brief vom 22. Juni 1740 schreibt er: “Alle Religionen seindt gleich und guht, wan nuhr die Leute, so sie profesieren, erliche Leute seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wolten das Land pöbplieren, so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen„ - bekannter ist wohl eine zum geflügelten Wort gewordene Zeile aus einem Brief (1740) Friedrichs II.: “Jeder soll nach seiner Façon selig werden„, woraus sich Friedrichs II. freimaurerische Haltung und aufklärerische Ideale ergeben. Man könnte Friedrich II. weiterhin unterstellen, alle seine Handlungen würden nur von Eigennutz oder Staatsräson diktiert. Es gibt indes Fälle, die uns vom Gegenteil überzeugen: Wie bereits erwähnt, verfügte er Anfang Juni 1740 die Aufhebung der Folter, wenn auch mit Einschränkungen. Die Anwendung der Folter gerade in einer so wichtigen Institution wie die preußische Armee müßte für Friedrich II. ein wichtiges und bequemes Mittel zur Erhaltung der Disziplin oder Entdeckung der Wahrheit sein. Friedrich jedoch blieb nicht bei der theoretischen Anprangerung der Folter, sondern er untersagte sie, obwohl sein Justizminister, Samuel von Cocceji, und das Kriminalkollegium eine umfangreiche Erweiterung obiger Einschränkungen empfahlen. Wenn man die Regierungsmaßnahmen oder die Reformen Friedrichs II. be¬trach¬tet, kommt man nicht umhin zuzugeben, dass alle seine Handlungen als oberstes Ziel hatten, das Staatsinteresse zu wahren. Einige dieser Maßnahmen sind durchaus konform mit seinem freimaurerischen Anspruch und freimaurerischer Haltung, viele dagegen stehen in diametralem Gegensatz dazu. Am deutlichsten kann man jedoch den widersprüchlichen und ambivalenten Charakter Friedrichs II. an Hand seiner Kriegspolitik demonstrieren. In weniger als sieben Monaten nach seinem Regierungsbeginn fiel Friedrich II. in Schlesien ein, der erste Schlesische Krieg brach aus und initiierte damit eine 11-jährige Kriegsperiode, die gravierende Folgen für Preußen und Friedrich II. haben sollte. Die Schlesischen Kriege sind die Bezeichnung für die drei Kriege, die Friedrich II. gegen Österreich um den Besitz Schlesiens und die territoriale «Arrondierung» des geographisch nicht zusammenhängenden preußischen Staatsgebietes führte. Der Erste Schlesische Krieg dauerte 1740 bis 1742 und schloß mit dem Berliner Frieden ab, damit fiel ganz Schlesien an Preußen; der Zweite Schlesische Krieg dauerte ebenfalls zwei Jahre (1744-45) und hatte zunächst nichts mit Schlesien zu tun. Das bedrängte Österreich war durch eine Allianz mit England und die Eroberung Bayerns soweit erstarkt, dass Friedrich II. den Verlust Schlesiens fürchtend auf der Seite Frankreichs erneut in den Krieg eingriff. Er marschierte in Sachsen ein, mit dem Ziel Böhmen zu annektieren, was ihm aber mißlang. Der Zweite Schlesische Krieg endete 1745 mit dem Dresdner Frieden, der Friedrich II. den Erhalt Schlesiens bestätigte. Aufgrund von neu entstandenen Allianzen ließ Friedrich II., der um seine Pro¬vinz Schlesien fürchtete, Ende August 1756 seine Truppen in Sachsen präventiv einmarschieren und löste dadurch den Siebenjährigen Krieg aus. Damit kam er einem koordinierten Angriff einer Allianz praktisch aller direkten Nachbarn Preußens einschließlich der Gro߬mächte Österreich, Frankreich und Russland um wenige Monate zuvor. Das durch Allianzen wieder erstarkte Österreich versuchte seine an Preußen verlorene Provinz Schlesien zurückzuerobern. Nach anfänglich sieg¬reich verlaufenen Offensivfeldzügen wendete sich das Blatt: die erste empfindliche Niederlage mußte Friedrich II. 1757 in Kolin hinnehmen. Die Situation verschlechterte sich für die preußischen Armeen zusehends und erreichte 1759 ihren negativen Höhenpunkt mit dem katastrophalen Ausgang der Schlacht bei Kunersdorf. Danach war Friedrich II. für kurze Zeit nicht in der Lage seine Armee zu führen, die totale Niederlage für Preußen stand kurz bevor. Doch die Österreicher und die Russen zögerten lange und anstatt auf Berlin zu marschieren, rückten sie in Richtung Osten ab. In diesem Zusammenhang sprach Friedrich II. vom „Mirakel des Hauses Brandenburg“. Preußen wurde weiter in die Defensive gedrängt und im Oktober 1760 fiel so-gar Berlin in die Hände der Österreicher und Russen. Der Friede von Hubertusburg am 15. 2. 1763 beendete die blutigen Kämpfe des Sieben¬jährigen Krieges ohne Gewinn für die Gegner. Preußen behielt Schlesien und reihte sich in die europäischen Großmächte ein. Friedrich II. wurde quasi als Sieger angesehen, auch wenn er den Nimbus des Unbesiegbaren verloren hatte. Der Anlaß für den ersten Krieg war der plötzliche Tod Kaiser Karls VI. im Jah-re 1740. Friedrich II. meinte mit Maria-Theresia ein leichtes Spiel zu haben, marschier-te in Schlesien ein und löste so den ersten Schlesischen Krieg aus. Zwei weitere Schlesische Kriege folgten als zwangsläufige Reaktion. Indes war Friedrich II. derjenige, der das europäische Gleichgewicht empfindlich gestört hatte. Zu den Motiven Friedrichs II. gehörten einerseits die durch die Eroberung des reichen Schle-sien erreich¬te Arrondierung des nicht zusammenhängenden preußischen Staatsgebietes, andererseits sein Wunsch, dem damals unbedeutenden Preußen eine starke Position im Verband der europäischen Großmächte zu verschaffen. Zweifellos haben die drei Schlesischen Kriege die Persönlichkeit Friedrichs II. entscheidend beeinflußt. Zu den vielfältigen Gründen, die seine Kriegsbereitschaft begünstigten, gesellen sich auch persönliche Motive, die in scharfem Gegensatz zu Fried¬richs II. freimaurerischen Idealen stehen, namentlich „das Verlangen mir (= Friedrich II.) einen Namen zu machen“. An seinen Freund Charles Etienne Jordan (Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften und Mitbegründer der Loge „Aux trois Globes“) schreibt er: „Ich liebe den Krieg um des Ruhmes willen“ und einige Jahre später an seinen Vorleser Heinrich de Catt: „ ... Wer hätte das gedacht, daß die Vorseh¬ung einen Dichter dazu ausersehen hätte, das politische System Europas umzu¬stür¬zen ...“. Die Ambivalenz und Widersprüchlichkeit seines Charakters sowie der Konflikt zwischen dem Menschen und Frei¬maurer Friedrich einerseits und dem Monarchen Friedrich II. andererseits waren ihm sehr wohl bewußt. Seinem Kammerherrn Graf Algarotti schrieb er 1740: „Es ist eine fatale Epoche für mein Buch (gemeint ist der “Antimachiavell“) und vielleicht glorreich für meine Person“. Bereits zu Beginn seiner Herrschaft werden diese Ambivalenzen und Widersprüche seines Charakters offenbar: seine Bemühungen, humanitäre Grundsätze durch Reformen in die Tat umzusetzen, geraten in Konflikt mit der „Staatsraison“ oder mit unausweichlichen Sach¬zwängen, in die er sich hineinmanövriert hatte. Diese Charakterzüge entwickelten sich nicht etwa nach seiner Thronbesteigung, sie werden viel früher habhaft, so z.B. während seiner Küstriner „Galeeren“-Zeit. Friedrichs II. Biographin Ingrid Mittenzwei bemerkt sehr treffend dazu : „Auch auf dem Gebiet der Außenpolitik entwickelte Friedrich in seiner Küstriner Zeit Ideen und Pläne , die er bis an sein Lebensende weiter verfolgte. Mit einer Leichtfertigkeit ohnegleichen hoffte er in dieser Zeit auf kriegerische Verwicklungen. ... Wer den Krieg so zur Bewältigung persönlicher Schwierigkeiten herbeisehnte, der verwarf ihn auch nicht als Mittel der Politik“.

Ausgehend von kritischen Äußerungen in privaten Briefen Friedrichs II. ge-genüber der Freimaurerei ist häufig behauptet worden, die Freimaurer würden zu Unrecht Friedrich II. als Freimaurer beanspruchen. Darüber hinaus erschwert die Quellenlage einen Versuch, sein Verhältnis zur Freimaurerei in gebotener Klarheit darzu¬stellen. In diesen Zusammenhang sind trotzdem folgende Fakten festzuhalten: a) Fried-rich II. ist niemals aus dem Freimaurerbund ausgetreten, b) er hat die Freimaurerei in Preußen immer gefördert, c) die Tatsache, daß er nur einige Jahre aktiver Freimaurer war, stellt keinen Beweis für eine negative Haltung zur Freimaurerei dar. Auf der anderen Seite kann (zur Zeit?) nicht beantwortet werden, ob Friedrich II. nur aufgrund der Last der Regierungsarbeit seiner Loge ab 1744 fernbleiben mußte oder aufgrund einer allgemeinen Trübung seines Verhältnisses zur Freimaurerei. Besonders in den letzten Lebensjahren Friedrich II. erregten verschiedene Vor-gänge seinen Unmut (zu Recht), wie dies aus einem Brief aus dem Jahre 1779 hervor-geht : «... hiernächst werde Ich gewahr, dass die Freymäurer hier, ihren logen untereinander, allerhand tituls, beylegen, welches Ich aber gantz desapprobire, und solches keines¬wegs gestatten will; denn es soll denen Frey-Mäurern zwar wohl erlaubt seyn, wenn sie zusammen kommen, und sich untereinander zu Vergnügen, aber sie müssen durchaus keine ernsthafte Sache daraus machen, und die logen müssen keine Tituls haben, und die Frey-Mäurer sollen selbigen schlechterdings keine tituls geben ...». Auf den ersten Blick geht es in obigem Briefabschnitt um die um sich greifende Titelsucht in der Freimaurerei. In Wahrheit aber ging es Friedrich II. gegen die sogenannte «strikte Observanz» , in deren System bombastische Titel verliehen wurden. Darüber hinaus nannte sich die von Friedrich II. gestiftete königliche «Loge aux trois Globes», nach Annahme des Systems der strikten Observanz, fortan «Große National-Mutterloge der Preußischen Staaten». Die Umbenennung hat mit Sicherheit das Mißfallen des Königs erregt. Friedrich II. scheint viel früher als seine «Brüder», den Irrweg der strikten Observanz erkannt zu haben. In der Tat sagte 1783 «seine» Loge vom System der strikten Observanz los.

Nach den Kriegen widmete sich Friedrich II. dem sogenannten „Rétablisse¬ment“. Damit beabsichtigte Friedrich II. Preußen wieder aufzubauen und seine Herr¬schaft zu festigen. Das gelang ihm nur teilweise, obwohl im „Rétablisse¬ment“ humani¬täre wie aufklärerische Ansätze festzustellen sind. Preußen hatte sich zwar unter Fried¬rich II. im Krieg gegen den Widerstand von europäischen Großmächten behauptet, allerdings war er durch die Strapazen der Feldzüge früh gealtert. Die intellektuelle Offenheit des jungen Königs aus seinen ersten Regierungsjahren wichen der Verbitte-rung und dem Zynismus. Es war einsam um den König, ein großer Teil enger Freunde und Gefährten - darunter viele Freimaurer - waren verstorben; auch viele französische Aufklärer hatten sich allmählich von ihm abgewandt. Seine Willenskraft war immer noch ungebrochen, sein körperlicher Verfall jedoch unaufhaltsam. Er starb am 17. August 1786.


Zusammenfassung - Friedrich II. wurde 1738 in den Freimaurerbund aufgenommen und wenig später gründete er in Rheinsberg eine Loge, die sogenannte „Hofloge“. Am 13. September 1740 erfolgte die Gründung einer neuen Loge, der „Stadtloge“, welche den Namen „Aux trois Globes“ erhielt. Unmittelbar nach seinem Regierungsantritt erklärte er sich öffentlich als Freimaurer. Mit Genehmigung Friedrichs II. fand 1744 eine Namens¬änderung statt; der neue Name lautete: „große Königliche Mutter-Loge zu den drei Weltkugeln“. Die Namensänderung sowie Dokumente über interne Vorgänge dieser Loge zeigen, daß Friedrich II. mit „seiner“ Loge sehr verbunden war und trotz seiner Abwesenheit Einfluß auf die Loge genommen hat. - Friedrich II. ist niemals aus dem Freimaurerbund ausgeschieden. Er blieb vielmehr der Freimaurerei ein Leben lang verbunden und hat Preußen der Freimaurerei geöffnet, wodurch sie sich rasch in Deutschland ausbreitete. Den zu seinen Lebzeiten gegründeten sogenannten „altpreußischen“ Großlogen gab er wiederholt Beweise seines Wohlwollens. - Politische Sachzwänge verhinderten es, daß Friedrich II. weiterhin aktiv frei¬maurerisch tätig sein konnte. Er hat freimaurerische Grundsätze und Ideale nie auf¬gegeben, auch wenn er am Zwiespalt des Freimaurers Friedrich und des Monarchen Friedrich II. scheitern mußte. - Friedrich II. ist für die Große National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln ihr Begründer und Protektor in einer Zeit, als die Freimaurerei begann, sich in Deutschland auszubreiten und als solcher wird von der Großen National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln verehrt. Um Persönlichkeit und Werk Friedrichs II. beurteilen zu können, muss unabhängig vom politischen Standort berücksichtigt werden, dass Preußen und Friedrich II. Teil unserer Vergangenheit ist. Man kann sich weder aus der Geschichte herausstehlen noch selektiv die “positiven Gedanken und Gestalten der deutschen Geschichte“ für sich beanspruchen. - Folgende Äußerung Friedrichs II., die er seiner „Histoire de mon temps“ vor-anschickte, beschreibt vielleicht am besten seine Lebenssituation: „Ich hoffe, daß die Nachwelt, für die ich schreibe, den Philosophen in mir vom Fürsten und den anständi-gen Menschen vom Politiker unterscheiden wird“.


Bibliographie

1) Rüdiger Hachtmann, Friedrich II. von Preußen und die Freimaurerei, Historische Zeitschrift, Bd. 264 (1997), S. 21-54. 2) Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, Frankfurt 1973. 3) Ingrid Mittenzwei, Friedrich II. von Preußen - Eine Biographie, Berlin 1980. 4) Theodor Schieder, Friedrich der Große - Ein Königtum der Wider¬sprüche, Berlin 1986. 5) Werner Schwartz, Friedrich der Große und sein Verhältnis zur Frei¬mau¬rerei - Versuch einer Deutung, Herausgeber: Große National-Mutterloge „Zu den drei Welt¬kugeln“, Berlin 1988.