Hermann Settegast

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Settegast, Hermann

Quelle: Lennhoff, Posner, Binder

Professor, Dr. h. c., hervorragender deutscher Gelehrter, * 1819 in Königsberg, † 1908, war 1847—1881 Landwirt dann Lehrer der Landwirtschaft in Proskau Direktor der landwirtschaftlichen Akademien Waldau und Proskau, Verfasser bahnbrechender Werke über Landwirtschaft, angewandte Zoologie und Tierzucht, 1881—1889 Professor und zweimal Rektor der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin.

Nachdem Settegast 70jährig von seinem Lehramt zurückgetreten war, widmete er sich ganz der Freimaurerei. 1854 wurde er in Oppeln in den Bund aufgenommen (Loge "Psyche", 3 Weltkugeln), 1858 in Königsberg in der Johannisloge "Totenkopf und Phönix" (Große Landesloge) affilliert; in Berlin schloß er sich der Loge "Friedrich Wilhelm zur gekrönten Gerechtigkeit" der Großloge "Royal York" an. Dank dieser Zugehörigkeit zu allen drei altpreußischen Systemen erwarb er sich gründlichste Kenntnisse. 1884 wurde er zum Zugeordneten, 1889 zum Großmeister von "Royal York" gewahlt. Der gläubige Christ Settegast faßte sein hohes Amt im schönsten Sinne der "alten Pflichten" auf: die innere Arbeit an der Veredelung und der sittlichen Vervollkommnung des einzelnen Menschen und der Menschheit überhaupt war ihm von jeher als Zweck des Lebens und zugleich als Zweck der Freimaurerei erschienen.
Diese Arbeit sollte ausgebaut werden auf alle redlich Strebenden ohne Unterschied der Abstammung und des religiösen Bekenntnisses. Settegast wagte den Versuch einer durchgreifenden Reform, als unmittelbar nach seinem Amtsantritt eine Revision des Gründgesetzes seiner Großloge stattfand. Er wollte die Hochgrade (Innerer und Innerster Orient) beseitigt wissen und das Ballotagewesen in einer Weise ändern, die das in der damaligen Zeit antisemitischer Strömungen vielfach systematische Schwarzkugeln jüdischer Kandidaten unmöglich machen sollte. Er verlangte Rechtfertigung aller abgegebenen schwarzen Kugeln wobei ein Hinweis auf das Religionsbekenntnis als Ablehnungsgrund unstichhaltig sein sollte. Als Settegast mit beiden Anträgen in der Minderheit blieb, legte er fünf Monate nach seiner Wahl sein Großmeistersamt nieder. Im folgenden Jahre trat er aus der Großloge aus und schloß sich der Loge "Ferdinande Caroline" der Hamburger Großloge an.

Sein Versuch, deren humanitärer Lehrart durch Gründung einer Berliner Loge Hamburger Systems auch in Preußen Eingang zu verschaffen, stieß auf unüberwindlich erscheinende Hindernisse. Die drei altpreußischen Großlogen besaßen laut Königlichem Edikt von 1798 (s. d.) das Sprengelrecht, d. h. das ausschließliche Recht, in Preußen Logen (naturgemäß ihrer Systeme) zu Gründen. Da es Settegast darauf ankam, dem wahren Humanitätsgedanken trotzdem auch in Preußen zum Sieg zu verhelfen, suchte er 1891 zunächst um die landesherrliche Genehmigung für die beabsichtigte Logengründung nach, wurde aber nach anderthalb Jahren vom Innenminister Herrfurth abgewiesen. Da die Hamburger Großloge es nicht auf einen aussichtslos erscheinenden Streit ankommen lassen wollte und von der Logongründung abging, nahmen der 73jährige und seine Berliner Freunde voller Begeisterung den Kampf allein auf. Am 1. August 1892 beschlossen sie die Gründung einer "Großen Freimaurerloge von Preußen, genannt Kaiser Friedrich zur Bundestreue", die am 27. November d. J. feierlich eingeweiht wurde, zugleich mit einer Tochterloge "Victoria". Das Polizeipräsidium verbot nach Einreichung der Statuten die Führung der Bezeichnung "Große Freimaurerloge". Nun beschritt Settegast durch Rechtsanwalt Dr. Alexander-Katz den Rechtsweg. Er legte beim königlichen Bezirksausschuß Berlin Revision ein und erfocht einen ersten Sieg, indem dieser die polizeilichen Verbote aufhob. Es erfolgte Berufung des Polizeipräsidiums an das Königliche Oberverwaltungsgericht als letzte Instanz: es bestätigte das Erkenntnis trotz aller Gegenmaßnahmen von altpreußischer Seite am 22. April 1893.

Damit war das Edikt von 1798 für rechtsungültig erklärt, das Sprengelrecht der altpreußischen Großlogen beseitigt. Die settegastsche Großloge entfaltete eine rege Tätigkeit. Die Großlogen von Hamburg und Frankfürt gründeten Tochterlogen in Berlin. Die altpreußischen Großlogen wollten aber die Settegast-Logen trotzdem nicht anerkennen. Auch der deutsche Großlogenbund stellte sich, obwohl Settegast doch auch für dessen humanitäre Mitglieder den Sieg errungen hatte, auf den ablehnenden Standpunkt. Wieder entwickelte sich ein heftiger Kampf, in den Settegast mit einer Reihe glänzender Schriften eingriff, deren Angabe im einzelnen sich erübrigt, da zehn von ihnen unter dem Titel "Der Deutschen Freimaurerei Gegenwart und Zukünft" gesammelt erschienen. Die Großloge wuchs hatte bald zwölf Logen und eine eigene Zeitschrift "Bausteine".
Daß Settegast in seinem Ringen um die wahre Kunst auch mit der ganz unzeitgemäßen Geheimniskrämerei mancher Kreise brach, wurde ihm besonders verübelt. Obwohl die Großloge von der Symbolischen Großloge von Ungarn und dem Großosten der Niederlande anerkannt wurde, blieb ihre Isolierung in Deutschland bestehen. Infolgedessen entschloß sie sich unter Settegasts Nachfolger als Großmeister, dessen Schwiegersohn Professor Heinrich Möller (s. d.), nach achtjährigem Bestehen zum Anschluß an die Große Loge von Hamburg, die in Carl Wiebe mittlerweile ebenfalls einen neuen, zum Entgegenkommen bereiten Großmeister erhalten hatte. Die Settegast-Großloge löste sich auf, ebenso ihre Tochterlogen, worauf die Mitglieder in das Hamburger System neu aufgenommen wurden, um am 28. Oktober 1900 die Provinzial-Großloge von Hamburg in Berlin (Provinzial-Großmeister Möller) zu errichten. Bei der feierlichen Installierung wurde Settegast zum Ehrenmitglied der Hamburger Großloge proklamiert. Die altpreußischen Großlogen, noch immer nicht zufriedengestellt, nahmen Anstoß an der Art der Überführung der Settegast-Logen in die Hamburger Großloge und brachen den brüderlichen Verkehr zwischen den beiderseitigen Tochterlogen ab.

Erst 1903 erfolgte der Friedensschluß.

Settegast starb, fast 90 Jahre alt, am 11. August 1908. An seiner Bahre erschienen auch die Führer der altpreußischen Maurerei. Von Settegasts Werken ist noch besonders zu erwähnen: "Die Deutsche Freimaurerei, ihre Gründlagen und ihre Ziele" (vergl. Dr. Alfred Oehlke "Hermann Settegast", Berlin 1908).