Josef Schauberg - Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Band I: Unterschied zwischen den Versionen

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== Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei ==
 
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Erstveröffentlichung: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei
 
Erstveröffentlichung: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei

Version vom 8. Oktober 2011, 21:23 Uhr

Frei im Buchhandel erhältlich. Kostengünstiger Reprint über die Buchhandlung SCHOPF


Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei

Erstveröffentlichung: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums von Dr. Jos. Schauberg, Zürich 1861

Quelle: Internetloge


Teil 1

B a n d I. - Kapitel XVII.



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Das Symbol der drei Lichter der Sonne, des Mondes und des Meisters, und das Symbol der beiden Säulen.

Nicht ohne Bedeutung stehen in der Maurerloge die aufwärts steigende Sonne und der sich senkende Mond den beiden Säulen Jakin und Boaz gegenüber, indem sie dadurch den Sinn dieser beiden Säulen, als den ewigen Wechsel, Umschwung und Gegensatz von Tag und Nacht, Licht und Finsterniss, Werden und Vergehen, Leben und Tod und im Sittlichen vom Guten und Bösen, Reinen und Unreinen, Wahren und Falschen bezeichnend, bestimmen. Die beiden Säulen in dieser Bedeutung gehören dem höchsten Alterthume der Aegypter und der Semiten an und vermuthlich sind auch daraus bei den christlichen Germanen des Mittelalters die zwei Thürme der Dome und der Kirchen hervorgegangen, wie solche zwei Thürme auch den grossen Münster in Zürich schmücken.

Oefters wurden in Aegypten vor dem Eingang in den Tempel zwei hohe Obelisken aufgestellt und diese Obelisken heissen ägyptisch die Sonnenstrahlen. 1) Zu Karnak oder zu Theben in Aegypten stehen z. B. vor dem von König Thutmosis I. erbauten Tempeltheile zwei Obelisken von rothem Granit; 2) ebenso sind vor dem Tempel des Helios zu Heliopolis zwei prächtige Obelisken aufgestellt. 3) Die Obelisken bestehen gewöhnlich aus einem Stein und sind vierseitige Säulen, nach oben hin allmälig schmäler und in ein Pyramidion auslaufend, meistens mit einem etwas breitern Fussgestell, oft auf allen vier Seiten mit Hieroglyphen bedeckt. Die pyramidale Form erscheint deshalb bei den ägyptischen Bauwerken so vollendet, weil man in ihr die emporlodernde Flamme des Feuers nachbilden und dadurch das Aufsteigen des Menschengeistes aus dem ent-


1) Deutsche Taschen-Encyklopädie, Leipz. 1818, Art. "Obelisken."
2) Bunsen, Aegyptens Stelle in der Weltgeschichte, IV. S. 127.
3) Bunsen, a. a. O., V. S. 249.



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seelten Körper zu den göttlichen Wohnungen der Ruhe symbolisch andeuten wollte. Bei den semitischen Völkern, besonders bei den syrischen Stämmen und bei den Phöniciern, erscheinen in den Heiligthümern der Götter zwei Säulen von Holz, Erz oder Stein als göttliche Symbole. 1) So standen zu Tyrus in dem alten, von Gold als dem Symhole des Glanzes des Sonnenlichtes glänzenden Tempel des Melkarth, d. i. des Stadtkönigs, zwei berühmte SäuIen, die eine von lauterem Golde, welche König Hiram, der Zeitgenosse und Freund des Königs Salomo, errichtet hatte, die andere von Smaragdstein, welche des Nachts herrlich leuchtete. Auch in dem Tempel des Melkarth zu Gades standen zwei acht Ellen hohe eherne Säulen, auf welchen die Kosten des dortigen Tempelbaues verzeichnet waren. Die grössten Säulen aber sollte der Gott sich selbst errichtet haben an dem Ende der Erde, die Felsenberge Calpe und Abylyx an der Strasse von Gibraltar. 2) Nach aufgefundenen Münzen scheinen auch in Syrien beim Eingange mancher Tempel zwei Bäume, besonders zwei Cypressen, als die Symbole der Sonne und des Mondes gestanden zu haben.

Vor der östlichen Seite des salomonischen Tempels standen die beiden Säulen Jakin und Boaz, deren Name auf die zwei Säulen der Maurerlogen übertragen worden ist. 3) Movers erklärt Jakin aus dem Phönizischen als den Feststehenden, den Aufrechten, Boaz als den sich Bewegenden oder Fortschreitenden. Mit dieser Deutung von Movers stimmt es auch zusammen, dass der grosse Zeus-Bel oder Baal nach Diodor zu Babylon als stehend und als fortschreitend dargestellt war. Durch die beiden Säulen sollte sonach symbolisch ausgedrückt werden, dass Gott der Feststehende, der Unwandelbare und Ewige sei, aber zugleich auch der Bewegende, der Fortschreitende, der Schöpfer und Urheber jedes Lebens und Wechsels, - dass in dem Vergänglichen das Unvergängliche allein erscheine und sich offenbare. Ein verwandtes Symbol ist es, dass bei den Tyriern Kronos mit vier


1) Dunker, Geschichte des Alterthums, I. S. 153.
2) Dunker, Geschichte des Alterthums, I. S. 159.
3) Alpina für 1859, S. 106 ff.



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Augen, je zwei vorn und zwei hinten, nämlich mit zwei offenen und zwei in Ruhe geschlossenen Augen, und mit vier Schwingen an den Schultern, zwei erhobenen und zwei herabhängenden, abgebildet wurde, um auszusprechen, dass Gott sehe, wenn er schlafe, und schlafe, wenn er wache, - oder fliegend ruhe und ruhend fliege, - dass Ruhe und Bewegung, Oeffnen und Schliessen im nimmer endenden Spiele des Weltalls wechseln. ln diesem Sinne gibt auch Kopp, der Tempel Salomos, Stuttgart 1839, den Cherubim, welche die Wände des salomonischen Tempels zieren, einen erhobenen und einen gesenkten Flügel.

Obschon dieser Deutung- des Symbols der zwei Säulen die volle Zustimmung ertheilt werden muss, kann dennoch dieselbe erst in einer spätern Zeit der Menschengeschichte aufgekommen sein, weil dieselbe eine philosophische, eine speculative ist und die Menschen im Uranfange ihres Seins nicht philosophirten oder speculirten. Ursprünglich bedeuten die beiden Säulen einfach die auf- und die untergehende Sonne, den Morgen oder Tag (Jakin) und den Abend oder die Nacht (Boaz), oder auch die Sonne als die Leuchte des Tages und den Mond als die Leuchte der Nacht, 1) wie denn in dem Tempel des Melkarth oder des Herakles zu Tyrus die eine Säule bei Tage und die andere bei Nacht leuchtete. Auch Moses spricht: "Und Gott machte zwei grosse Lichter; das grössere, das dem Tag vorstelle, und ein kleineres Licht, das der Nacht verstehe." - Eine Fortbildung und Erweiterung des Symbols war es, dass dasselbe vom Tageslauf auf den Jahreslauf, von der am Morgen jeden Tages aufgehenden und am Abend wieder untergehenden Sonne auf die Sonne während ihres Jahreslaufes durch das Sternenmeer, durch den Thierkreis angewandt wurde. Nunmehr bezeichneten die Säulen Jakin und Boaz das steigende und das sinkende Jahr, den Sommer und den Winter, das ewig wechselnde Leben und


1) Bei den griechischen Dichtern ist es ein sehr oft vorkommendes Bild von der Sonne als Auge des Tages und vom Monde als Auge der Nacht. Auch hielten die alten Germanen Sonne, Mond und Sterne für Augen des Himmels (Furtwängler, die Idee des Todes, S. 56, Anm. 6).



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Sterben. Es sind die beiden Säulen, welche der Sonnengott Herakles am Ende seiner Bahn, am Ende der Erde sich selbst setzt und niemals überschreitet; es sind die beiden Sonnenwenden und Sonnenschranken, die Sonne auf der höchsten Spitze ihrer Bahn und am Ende derselben. Von dem Sonnengotte heissen die Säulen auch Sets oder Seth's Säulen, da Set zufolge, Bunsen, a. a. O., V. S. 291, der älteste urkundliche Name des Sonnengottes ist. Nach dem Sonnengotte ist bei den Aegyptern auch der Sirius oder Hundsstern Sothis genannt worden, weil die Sonne ihre höchste Kraft erlangt, wenn sie im Hundssterne steht, bei ihm angekommen ist, oder vielmehr mit dem Frühaufgange, Heliakalaufgange des Sirius, weshalb bei den Aegyptern alsdann das Jahr endete und neu anfing. Set bedeutet übrigens im Hebräischen wie im Aegyptischen auch die Säule selbst, überhaupt das Aufrechte, Aufgerichtete, das Hohe.

Die hohe Säule weiset auf den Höchsten, auf den im hohen Himmel thronenden Gott; sie trägt gleich der Opferflamme den Menschen und sein Gebet von der Erde zu dem himmlischen Vater empor. Der Mensch, Enosch im Hebräischen, ist der Sohn, das Kind des Set, des Sonnengottes; der Mensch ist auch Licht von dem ewigen Lichte. Die Säulen tragen daher nicht blos den Namen Set's oder dem Gotte errichtete Säulen, sondern auch Enoschs oder Enochs, d. h. von den Menschen geweihte Säulen. 1) Die Säulen sind das einigende Band zwischen dem Vater im Himmel, Set, und dem Menschen auf Erden, Enosch; sie sind der gemeinsame Weg, auf dem Gott zu seinen Kindern auf die Erde herabsteigt, und die Kinder wieder von der Erde zu ihm sich erheben. - Die Säulen trugen gewöhnlich eine weihende Inschrift und heissen daher in der Geschichte des phönicischen Sanchuniathons Ammunea, Säulen mit alter heiliger Schrift. 2)

Vielleicht dürfen auch die zwei Cherubim auf dem Deckel der jüdischen Bundeslade, welche Polak, Encyklopädie für Freimaurer I. S. 349, als das Symbol des Osiris


1) Vergl. auch Krause, Kunsturkunden, II. 1. S. 63 u. S. 138, Anm 1.
2) Bunsen, a. a. O., V. S. 293.



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und der Isis oder der männlichen und weiblichen, der zeugenden und gebärenden Naturkraft betrachtet, hierher bezogen werden. Bunsen, a. a. O., V. S. 286 ff., erklärt Cherubim als Feuersgluth und Seraphim als Brand oder Flamme. Jedenfalls war dem Alterthume und vorzüglich den semitischen Völkern die Säule zugleich ein phallisches, ein geschlechtliches Zeichen, sie bezeichnete auch die schöpferische und zeugende Naturkraft, den Schöpfer des Himmels und der Erde und der Menschen. 1)

Auch in dem berühmten Tempel des pelasgischen Zeus zu Dodona in Epirus, standen zwei eherne Säulen, welche Lasaulx, Studien des klassischen Alterthums, S. 301 ff., mit den zwei Säulen des salomonischen Tempels in Verbindung bringt und auf eine ganz eigenthümliche Weise für Glockensäulen erklärt. Schon Krünitz, ökonomische Encyklopädie, Bd. XIX. S. 86 ff., hatte die Ansicht aufgestellt, dass die beiden hohlen, ehernen Säulen vor dem salomonischen Tempel gleichsam zwei grosse Glocken gewesen seien, wozu das von den Kapitälen frei herabhangende Kettenwerk mit den Granatäpfeln die Schlägel gebildet haben, so dass auf solche Art bei dem Anhauch des Windes ein angenehmes Glockenspiel entstanden sei. Lasaulx S. 304 hält es nun nicht für unwahrscheinlich, dass auch die Säulen zu Dodona eine Nachbildung der salomonischen Säulen gewesen.

Indessen dürften die Säulen zu Dodona wohl weit älter als die des Salomo sein 2) und wie alle dortigen Tempeleinrichtungen ägyptisch, oder wenigstens phönicisch - ägyptisch gewesen sein. 3) Aegyptischer Einfluss auf Griechenland ist begreiflich und wahrscheinlich, jüdischer Einfluss und dazu in Sachen der Religion und der Kunst wäre aber rein unbegreiflich, auch wenn man mit Lasaulx noch phönicische Vermittlung zulassen wollte. Nach Lasaulx hatte sich übrigens ein ähnlicbes Klingwerk an dem berühmten Grabmal des etruskischen Königs Porsena in Clusium befunden, wie in


1) Dunker, a. a. O., 1. S. 153, Anm. 1.
2) Vergl. Preller, griech. Mythol, I. S. 79 ff.
3) Alpina für 1860, S. 135.



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späterer Zeit Augustus den Gipfel des capitolinischen Jupitertempels mit Glocken habe umhängen lassen. - Auch hatte der alte pelasgische Zeus in Arkadien auf dem höchsten Gipfel, dem lykäischen Berge, einen Altar mit zwei Adler tragenden Säulen, den ihm Lykaon, der Sohn des ältesten Landeskönigs Pelasgos, errichtet und mit einem Kindesopfer eingeweiht haben sollte. - Mit den phönicischen Saulen als phallischen Zeichen, als Zeichen des zeugenden und schaffenden Gottes berühren sich auch die griechischen sog. Hermen als Symbole des zeugenden und befruchtenden Hermes. 1)

In einem den beiden Säulen Jakin und Boaz verwandten Sinne hatte auch der alte römische oder italische Sonnen- und Lichtgott Janus zwei Gesichter (daher Janus bifrons, geminus) und standen zwei Altäre, nach Morgen und nach Abend, vor seinem Tempel, um dadurch anzudeuten, dass er der Anfang und das Ende, der Auf- und Niedergang sei, - dass er am Morgen das Thor des Lichtes öffne und am Abend schliesse, - dass er das Licht morgens bringe und des Abends wieder hinwegnehme.

Der in Felsen gehauene Tempel zu Carli in Ostindien .hatte an dem Eingange des Vorhofes zu jeder Seite eine 24' hohe Säule, von denen die eine noch aufrecht steht. Eben zwei solcher Säulen befanden sich auch zu Persepolis.

Die beiden Säulen Jahin und Boaz in dem Dome zu Würzburg sind schon anderwärts berührt worden und dem dort Gesagten mag nur noch folgende Bemerkung aus Nr. 10 der Freimaurerzeitung vom Jahr 1856 beigefügt werden:

"Im Dome zu Würzburg stehen zu den Seiten einer mit Spitzbogen bedeckten Thüre, isolirt und ohne etwas zu tragen, zwei Säulen. Sie sind bräunlich und stechen gegen die hintere weisse Mauer ab. Ihre eigenthümliche Gestalt und die Aufschriften Jakin und Boaz deuten einen geheimnissvollen Sinn derselben an. Wahrscheinlich stammen sie aus dem 11. Jahrhundert, wo Bischof Heinrich I., Graf von Rottenburg, den jetzigen Dom neu erbauen liess. Dieser Bischof war in die Geheimnisse der Kunst eingeweiht und die Kirche wurde Johannes dem Täufer, dem


1) Preller, a. a. O., I. S. 250 ff.



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Schutzpatron der Bauleute, gewidmet. Von den erwähnten Aufschriften steht Jakin auf der vordern Seite der einen und Boaz auf der innern Seite der andern Säule. Ersteres bedeutet das Aufrichtende, Vertikale, letzteres das Starke, Gewährende, Horizontale, und aus der Zusammenstellung beider entsteht der rechte Winkel, - das älteste Bild der Formationsgesetze. Das Verhältniss der Stärke der Säulen zu deren Höhe ist wie 1 zu 9, also die bedeutungsvolle Zahl 3 Mal 3."

Diese Erklärung der Worte Jakin und Boaz ist gewiss zu künstlich und passt kaum zu dem ziemlich allgemeinen Gebrauche der beiden Säulen bei den Phöniciern. Jedenfalls darf man übrigens von der Beschaffenheit der beiden Säulen in dem Dome zu Würzburg, welche freistehende und nichtstragende Säulen sind, entgegen der von Einigen aufgestellten abweichenden Ansicht mit Bestimmtheit schliessen, dass auch die beiden Säulen des salomonischen Tempels freistehende Säulen gewesen seien und vor dem Tempel, nicht in der Vorhalle und dieselbe stützend gestanden haben, wie auch die beiden Säulen des Würzburger Domes ursprünglich an oder vor der Pforte des Doms standen und erst von Bischof Heinrich I. an ihre jetzige Stelle in dem von ihm erbauten Neumünster versetzt wurden. 1)

In dem maurerischen Archive, herausgegeben von J. H. Bürmann, S. 177 ff., ist die ganz unhaltbare Vermuthung ausgesprochen worden, dass die salomonischen Säulen zu Kanzeln, oder zu Minarets, wie sie noch alle morgenländischen Tempel haben, gedient haben; der Redner habe auf ihnen von den drei Seiten der Vorhöfe gesehen und gehört werden können.

In einzelnen Logen Deutschlands und der Schweiz und, wie es scheint, in allen englischen Logen 2) haben die beiden ersten Vorsteher zum Attribut eine kleine Säule, welche die beiden Säulen des salomonischen Tempels vorstellen sollen und von denen die des älteren Jakin und


1) Stieglitz, Beiträge zur Geschichte der Baukunst, Leipzig 1834, II. S. 112, vergl. mit Stieglitz, von altdeutscher Baukunst, Leipzig 1820, S. 186 ff.
2) Krause, Kunsturkunden, I. 1 S. 242, Nr. 20.



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die des jüngern Boaz heisst. 1) Beim Schlusse der Logenarbeiten stellt der jüngere Aufseher seine Säule aufrecht und der ältere legt die seinige nieder, welches bedeuten soll, dass, während die Brüder sich erholen, dem jüngern Aufseher die Sorge für die Loge anvertraut sei. 2) Auf dem Titelkupfer des bekannten englischen Werkes Jakin und Boaz, welches Titelkupfer aus den Ausgaben vom Jahr 1776 und 1800 Krause in den Kunsturkunden I. 1. S. 238 mitgetheilt hat, stehen die zwei Säulen der beiden Aufseher zuerst zwischen Sonne und Mond, sodann zwischen den eigentlichen Säulen des Tempels in der Mitte des Titelkupfers.

Die aufgehende Sonne und der untergehende Mond, Sol und Luna, der indische Surya und die Aswini, Apollo und Artemis, Helios und Selene, Zeus und Hera, Zeus und Europa, Zeus und Jo, - Janus, Dianus und Diana, - Osiris und Isis, Baal und Baaltis, Adad und Adargatis, die Dioskuren oder der Morgen- und Abendstern Polydeukos und Castor, Romulus und Remus, - bei den Indern die Aswini oder Rossegötter, der finstere Kumaras und der glänzende oder lichte Aswa 3), welche in der Maurerloge den beiden Säulen und den beiden Vorstehern gegenüberstehen, sind bei den Römern gewöhnliche Bilder der Ewigkeit, beide mit dem Epitheton aeternus und aeterna, in welcher Weise sie oft neben einander abgebildet, verehrt und pro salute imperii oder pro salute eines Kaisers angerufen werden. 4) Eben so waren bei den Griechen der auffahrende Helios und die herabsteigende oder herabfahrende Selene sehr üblich und z. B. am östlichen Gibelfelde des Parthenon zu Athen und am Throne des Zeus zu Olympia dargestellt. 5) Dasselbe Symbol muss auch in den Mithrasmysterien gebräuchich gewesen sein und erscheint mehrfach auf Mithrasdenkmalen. Auf aufgefun-


1) Vergl. in Lenning's Encyklopädie den Artikel: "Säulen." Bei Krause I. 1. S. 292 werden die Namen der Säulen der Aufseher umgekehrt angegeben.
2) Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 276 u. S. 292.
3) Furtwängler, die Idee des Todes, S. 5.
4) Preller, römische Myth., S. 290.
5) Furtwängler, a. a. O., S. 133.



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denen Mithrasdenkmalen erscheinen zwei Genien, der eine mit erhobener, der andere mit gesenkter Fackel, und über der Mithrashöhle, der maurerischen dunkelen Loge, fährt der Sonnengott einerseits mit seinem Gespanne empor, während andererseits die Göttin des Mondes das ihrige hinablenkt. 1) Die Genien mit der erhobenen und gesenkten Fackel sind hier ganz gleichbedeutend mit der aufgehenden Sonne und dem untergehenden Monde. Auf einem vor mehreren Jahren in Siebenbürgen aufgefundenen Mithrasdenkmale, wovon Lajard, a. a. O., Taf. XV, eine Abbildung gegeben hat, stehen die beiden Genien mit der erhobenen und gesenkten Fackel vor zwei Cypressen, welche beide Cypressen wieder die Symbole der Sonne und des Mondes sind und wohl aus Syrien stammen. Auch die griechische Kore oder Persephone 2) trägt auf Bildwerken solche zwei Fackeln, was auf ihr doppeltes Leben in der Ober- und Unterwelt, auf die zwei Seiten und Theile des Jahres hinweiset.

Die Dioskuren, des Lichtgottes Zeus Söhne, bedeuten mit ihren weissen Rossen den ewigen Wechsel und Umschwung zwischen dem Lichte des Tages und der Nacht, den Morgen- und den Abendstern, die Sonne und den Mond, oder auch die auf- und die untergehende Sonne. 3) Zuweilen werden den beiden Dioskuren auf Vasengemälden, um die in ihnen ausgedrückte Idee des ewigen Wechsels von Leben und Tod, Aufgang, und Untergang, Licht und Finsterniss noch mehr zu versinnlichen, ein weisses und ein schwarzes Pferd gegeben, wie auch von den vier Pferden des Sonnengottes zwei weiss und zwei schwarz dargestellt werden. Noch schöner aber ist dieses in dem unsterblichen Leben des Polydeukes und dem sterblichen des Castor ausgesprochen; das Irdische muss im Tode zerfallen und vergehen, der göttliche Geist aber,


1) Furtwängler, die ldee desTodes in den Mythen und Kunstdenkmälern der Griechen, Freiburg 1860, S. 17.
2) Ueber die Ableitung dieses Doppelnamens, vergl. Furtwängler, die Idee des Todes, S. 87, Anm. 12; Preller, griech. Mythologie, I. S. 496.
3) Furtwängler, a. a. O., S. 97 ff; Preller, griech. Mythologie, II. S. 66 ff.



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das Licht währt unsterblich. Dieselben Ideen bezeichnen ferner die doppelt, nämlich weiss und dunkelroth gefärbten Mysterieneier, welche Bachofen in seiner Gräbersymbolik S. 292 ff. so geistvoll besprochen hat. - Endlich erscheinen Castor und Polydeukes auch in Verbindung mit der niederfahrenden Selene und dem auffahrenden Helios und mit Hesperos und Phosphoros, dem Abend- und dem Morgenstern, welche eine gesenkte und erhobene Fackel als die Genien des Todes und des ewigen Lebens tragen. 1) Es ist also hier eine wahre Häufung gleichbedeutender Symbole vorhanden, gerade wie bei den Maurern der aufgehenden Sonne und dem untergehenden Monde die beiden Säulen gegenüberstehen oder die drei Pfeiler der Loge in den drei Lichtern um den Teppich und auch in den drei ersten Vorstehern der Loge erscheinen.

In den Mysterien bedeuten der untergehende Mond und die aufgehende Sonne nicht blos den irdischen Umschwung und Wechsel von Nacht und Tag, Tod und Leben, sondern zugleich im höhern Sinne das Hervorgehen des ewigen Lichtes und Lebens aus dem irdischen Tode und Grabe. Aehnlich muss das Symbol der Sonne und des Mondes in den eleusinischen Geheimnissen enthalten gewesen sein, da zwei der ersten Priester ihre Attribute trugen; noch mehr gilt dieses von den ägyptischen Mysterien, worin die Sonne und der Mond die Symbole des Osiris und der Isis gewesen sind. Das Symbol des untergehenden Mondes und der aufgehenden Sonne, zumal in Verbindung mit den beiden Säulen darf somit als ein sehr alterthümliches bei den Maurern erklärt werden und ist ihnen vermuthlich und gewiss von den römischen Bauleuten wohl zunächst aus Syrien und Phönicien oder auch aus den Mithrasmysterien überliefert worden. Für das Letztere spricht besonders die den Mithrashöhlen entsprechende Maurerloge als Symbol der Welt und die Auffassung des Maurers als eines Lichtstreiters, wie zugleich der in den beiden Säulen und in der aufgehenden Sonne und dem herabsteigenden Monde sich verkündende Dualismus der physischen und der sittlichen Welt durchaus parsisch, mithrisch


1) Furtwängler, a. a. O., S. 133.



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oder zarathustrisch ist. Der tiefere und höchste sympolische Sinn des Symbols der aufgehenden Sonne und des untergehenden Mondes möchte die Idee der Unsterblichkeit sein; der Untergang des Mondes oder des Irdischen ist der Aufgang des Himmlischen, des ewigen Lichtes und Tages. Der Untergang des lrdischen, die Nacht und das Grab sind die Bedingung, die Wiege des himmlischen Lichtes und Lebens, der Unsterblichkeit des göttlichen Geistes in dem Menschen. Nur deponens aliena (die irdische Fessel und Hülle abstreifend), ascendit unus. Zwischen Sonne und Mond im Osten steht der Altar des Ewigen und im Westen weilen die Brüder, die Menschheit, sehnend und hoffend den Blick nach Osten, nach dem ewigen Lichte gewandt.

Der zwischen Sonne und Mond thronende Ewige gibt von selbst die drei kleinen oder ursprünglich ohne Zweifel die drei grossen und einzigen Lichter der Sonne und des Mondes und des Meisters vom Stuhl, des letzteren als des Symbols des Meisters der Meister, des Schöpfers der Sonne und des Mondes und des Heeres der Sterne, der himmlischen Heerschaaren. Die drei kleinen oder grossen Lichter sind also, näher und tiefer betrachtet, nur ein alterthümliches Bild und Symbol des allmächtigen Baumeisters der Welt, des Schöpfers von Himmel und Erde, des in seiner Schöpfung erscheinenden und sich offenbarenden Gottes. In diesem Sinne allein ist die Antwort des ältesten englischen Lehrlingsfragestückes auf die 41. Frage zu verstehen:

"Die Sonne regiert den Tag, der Mond regiert die Nacht und der Meistermaurer die Loge (d. i. die Welt)."

Um das Symbol der drei kleinen Lichter der Sonne, des Mondes und des Meistermaurers, welches Symbol sodann selbst wieder durch die drei um den Teppich in einem Dreieck aufgestellten Lichter und durch den Meister vom Stuhl mit den beiden ersten Vorstehern symbolisiert wird, in seiner ursprünglichen Bedeutung zu erfassen, muss man davon ausgehen, dass die alten Mysterien wesentlich zum Zwecke hatten, die Schöpfung der Welt, des Lichtes aus der Finsterniss, - den Schöpfer des Lichtes und die von ihm erschaffenen Lichter selbst bildlich oder symbolisch darzustellen. Unter Mysterien sind hier die



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uralten geheimen religiösen Verbindungen, Feierlichkeiten und Weihen zu verstehen; im eigentlichen und engsten Sinne aber sind die Mysterien die Aufnahme in den geheimen religiösen Bund, die Weihe zum Mitgliede desselben und die dabei üblichen Gebräuche und vorgetragenen Lehren. Auch die römischen Baucorporationen, aus welchen die Bauzünfte des germanischen Mittelalters, besonders die englischen und aus diesen wieder die heutigen maurerischen Logen hervorgegangen sind, waren zugleich geschlossene religiöse Vereine, im vollen und wahren Sinne Mysterien, womit auch der nothwendige geschichtliche Zusammenhang der heutigen Freimaurerei mit den Mysterien des Alterthums gegeben und genau bestimmt ist.

Im geschichtlichen Sinne ist die Freimaurerei das Mysterium, die geheime Religion, der Gottglauben und der Gottesdienst der römisch-germanischen Baukünstler. Die Geschichte der Freimaurerei wird nur dann gehörig und vollständig begriffen werden können, wenn mehr, als solches bisher geschehen ist, berücksichtigt wird, dass die römischen Baucorporationen und die germanischen Bauzünfte und Innungen zugleich religiöse Brüderschaften (woher einzig und allein die Benennung ihrer Mitglieder als Brüder), fraternitates, confratriae, confraterniae, wie sie in deutschen und schweizerischen Urkunden ausdrücklich genannt werden, gewesen sind. 1) Die deutschen Handwerksverbindungen werden ursprünglich in den lateinischen Urkunden entweder schlechthin Genossenschaften (societates) oder Brüderschaften, fraternitates, so im Stiftungsbriefe der Bettziehweber von Cöln, oder auch confraternitates im Edict Kaisers Friedrich II. des Staufers vom J. 1232, auch confratriae, confraterniae genannt. In dem bischöflichen Stiftungsbriefe der Zunft der Kürsner in Basel vom J. 1226 wird confraternitas, confraternia, societas und Zunft ganz gleich-


1) Vergl. bei Hoffmann v. Fallersleben und Schade, Weimarisches Jahrbuch für deutsche Sprache, Literatur und Kunst, Bd. IV (1856). S. 241-344, die schöne Abhandlung von Schade: "Vom deutschen Handwerksleben in Brauch, Spruch und Lied." An diese Abhandlung von Schade schliesst sich dessen höchst schätzenswerthe weitere Abhandlung: "Ueber Jünglingsweihen," a. a. O. Bd. VI (1857). S. 241 ff.



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bedeutend gebraucht. Es heisst nämlich in diesem Stiftungsbriefe: "Quod si aliquis ipsorum in aliquo contra condietum ipsorum excesserit, nobis sive successoribus nostris quinque solidos, civitati quinque et quinque ad usus confraternie corum, quod in vulgari dicitur Zhunft, quam in honore beate Marie virginis constituerunt, sine contradictione et remissione qualibet persolvat. Et quicunque ex ipsorum opere in ipsorum societate et confraternitate voluerit interesse, in introitu suo decem solidos persolvant, et eorum successores si in eadem confraternitate consortes esse voluerint, tantum tres solidos in introitu eorum persolvant. Qui vero ex ipsorum opere in eorum societate prout superius dictum est noluerint interesse, ab officio operandi pro suo arbitrio et a foro emendi et vendendi et a tota communione eorum penitus exeludatur." 1)

Zu Basel wurde die Zunft der Maurer im J. 1248 gegründet und vereinigte neben diesen noch die Gypser, Zimmerleute, Kühler und Wagner. 2) Alle Zünfte waren eine geistliche Brüderschaft oder vielmehr aus diesen ältern Brüderschaften hervorgegangen, welche im Leben schon treu zusammenhielten, auf ihren Stuben ihre gemeinsamen Trinkgelage hatten, arme Genossen unterstützten oder beim Absterben auf ihre Kosten begruben u. s. w. Die Zunft war zunächst ein geschlossener Verein der Mitglieder desselben Handwerks und sollte schützen vor Eingriffen nichtzünftiger Handwerker; er war aber auch zugleich ein das gesammte übrige Leben, namentlich das politische, umfassender Verein. Je tiefer man in die Geschichte eindringt, um so mehr wird man zu der Ueberzeugung gelangen, dass die wahre Maurerei und Brüderlichkeit, das Zusammenhalten im Leben und Tod im J. 1717 untergegangen und begraben worden und die blose Schönrednerei, die Phrasenmacherei seit dem zur Herrschaft gelangt sei. Die Idee der Maurerei


1) Archiv für schweiz. Geschichte, Bd. Xl. S. 35, Zürich 1856, woselbst der erwähnte Stiftungsbrief vollständig abgedruckt ist, und sich zugleich eine lesenswerthe Abhandlung von Fechter über die politische Emancipation der Handwerker Basels und den Eintritt ihrer Zünfte in den Rath befindet. 2) A. a. O., S 18



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hat sich wohl erhalten, aber die Maurer sind keine praktischen Idealisten mehr, sondern nicht selten ideenlose Praktiker; es herrscht das Wort und fehlt die That. - Die Benennung Zunft ist schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts üblich und zunft, gazunft, bizunft, gizunft bedeutet Vertrag, Uebereinkunft, Bündniss, Einverständniss. In England wird die Zunft, die Handwerksinnung noch heute allgemein mystery genannt, was höchst beachtenswerth ist. 1) Die deutsche Innung ist verderbt aus Einung. DieZünfte und Innungen, die Handwerke waren ursprünglich ganz an die Priesterschaft, bei den Christen an die Kirche und die Klöster angelehnt und trugen deshalb das kirchliche Gewand einer Bruderschaft (confraternitas, confraternia, confratria); erst nach und nach löseten sie sich von der Kirche los und gewannen ein selbstständiges Leben, wurden aus kirchlichen oder religiösen Vereinen bürgerliche oder auch politische, die eigentlichen Handwerkszünfte, in denen das Handwerk mit seinen Interessen vorherrschte und das Religiöse mehr in den Hintergrund trat.

Das ganze Mittelalter darf als der Zersetzungs- und Auflösungsprocess des frühern allumfassenden priesterlichen Wissens, Wirkens und Lebens in viele einzelne selbstständige Wissens- und Wirkenskreise, besonders in die der Zünfte und Handwerke und der Universitäten, betrachtet werden, wobei den Priestern zuletzt nur noch der Gottesdienst und kaum die Theologie verblieben. Die Entstehungs- und Entwickelungsgeschichte der Zünfte und der Universitäten ist wesentlich dieselbe, beide bilden nur ein grosses Ganze, obwohl das selbstständige Handwerks- (und Kunst-) Leben vielleicht etwas früher erwacht sein mag als das eigentliche wissenschaftliche oder Universitätsleben. Viele Wissenschaft und Kunst war unmittelbar mit dem Auftreten der Zünfte verbunden, so die ganze Baukunst mit allen ihren Hülfskünsten, z. B. der Malerei und Giesserei, mit der Zunft der Steinmetzen und Maurer.

Siehe auch: