Kabbalistische Lehrtafel in Bad Teinach: Unterschied zwischen den Versionen

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*Obwohl von der Vermählung von Prinzessin Antonia als Seele mit Jesus Christus als Bräutigam in den dort stehenden Texten die Rede ist, so handelt es sich um eine Krönung. Denn Jesus trägt seine Dornenkrone nicht, sondern sie liegt ihm zu Füßen. Zudem representiert Antonia nicht nur Sulamith, die eigentlich eine dunkle Hautfarbe haben müsste, sondern zugleich die Seele und die höchste christliche Tugend die ''Liebe''. Alle Frauen zumindest der obersten Reihen können mit Personen aus dem Umfeld der Prinzessin identifiert werden. Ihre Mutter sowie ihre beiden Schwestern um nur ein paar Beispiele zu nennen. Jesus hat das Abbild des Vaters von Antonia, was einer Vermählungsszene ebenfalls widerspräche.
 
*Obwohl von der Vermählung von Prinzessin Antonia als Seele mit Jesus Christus als Bräutigam in den dort stehenden Texten die Rede ist, so handelt es sich um eine Krönung. Denn Jesus trägt seine Dornenkrone nicht, sondern sie liegt ihm zu Füßen. Zudem representiert Antonia nicht nur Sulamith, die eigentlich eine dunkle Hautfarbe haben müsste, sondern zugleich die Seele und die höchste christliche Tugend die ''Liebe''. Alle Frauen zumindest der obersten Reihen können mit Personen aus dem Umfeld der Prinzessin identifiert werden. Ihre Mutter sowie ihre beiden Schwestern um nur ein paar Beispiele zu nennen. Jesus hat das Abbild des Vaters von Antonia, was einer Vermählungsszene ebenfalls widerspräche.
 
*Die Reihenfolge der neun Figuren in der obersten Reihe entspricht dem Rhythmus kurz-kurz--lang:  
 
*Die Reihenfolge der neun Figuren in der obersten Reihe entspricht dem Rhythmus kurz-kurz--lang:  

Version vom 28. Juli 2018, 23:33 Uhr

Kabbalistische Lehrtafel in Bad Teinach

von Giovanni Grippo

Kabbalistischer Bilderschrein in Bad Teinach

In der evangelischen Dreifaltigkeitskirche in der Stadt Bad Teinach-Zavelstein befindet sich die kabbalistische Lehrtafel der Prinzessin Antonia von Württemberg (1613–1679). Sie ist als Triptychon mit Motiven der Heilsgeschichte der Menschheit ausgestaltet, beginnend bei der altestamentlichen Paradies-Erzählung bis zum Jüngsten Gerichts der Offenbarung des Neuen Testaments. Das alles miteinander Verbindende und der Lehrtafel den Namen gebende ist die jüdische Mystik, die Lehre oder das System der Kabbalah.

Die Lehrtafel wurde nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) von der herzoglichen Prinzessin Antonia veranlasst. Sie wurde unter Mithilfe eines gelehrten Beraterkreises ab 1652 entworfen und von 1659 bis 1663 von Johann Friedrich Gruber (um 1620–1681), dem Maler am Stuttgarter Fürstenhof, nach detaillierten Vorgaben der Prinzessin umgesetzt. 1673 erfolgte die Schenkung und in Folge dessen die Aufstellung des Gemäldeschreins in der Dreifaltigkeitskirche im Ferienort der Fürstenfamilie. Das Gesamtaußenmaß des gewaltigen Bilderschreins beträgt 5,10m in der Breite und 6,50m in der Höhe.

Auf ihm ist ein symbolträchtiges biblisches Geschehen in jüdisch-christlicher sowie kabbalistischer Ausdeutung zu sehen. Dabei stammen Personen sowie Ereignisse aus dem Alten und Neuen Testament und sie stehen gleichwertig nebeneinander. Einzige Ausnahme ist die Reihe der 12 Apostel, deren Ausgestaltung zumeist aus Legenden entnommen ist, weil zu ihnen nicht viel im Neuen Testament zu finden ist.

Der Gestalterin war das alles miteinander verbindende System der Kabbala zu einem Weltganzen wichtig und dabei wurden besondere sowie mystische Bibelstellen, die ausgiebig in kabbalitstischen Schulen studiert wurden, genauso berücksichtigt wie die Atbash-, Gematria-, Temurah-, Tzeruph- und Notarikon-Methode. Verblüffenderweise finden sich viele Symbole wieder, die mit der Freimaurerei korrelieren und besonders in ihren Hochgraden eine Rolle spielen.

Monument der Weiblichkeit Gottes

Deckblatt: "Tore des Lichts": Hebr. Scha'are Orah; Lat. Portae Lucis; veröffentlicht in Riva di Trento 1559

Der Bilderschrein in Bad Teinach ist ein einzigartiges Monument zur Ehre der Weiblichkeit Gottes. Dem geschuldet, gibt es einmalige Besonderheiten, wie zum Beispiel,

  • 1. die Dreieinigkeit wird mit den ersten drei Sephiroth identifiziert,
  • 2. die Geschlechtlichkeit der Sephiroth wurde verkehrt,
  • 3. die Personifizierung der Sephiroth und ihre Darstellung,
  • 4. die Reihenfolge der Sephiroth ist von unten nach oben konzipiert.

Die dort ausgestaltete Kabbala geht auf das Buch Scha’are Orah von Josef ben Abraham Gikatilla (1248-1325) zurück. Für den kabbalistischen Hintergrund wurde vor allem der Hebraist Johann Jacob Strölin (1620-1663) herangezogen auf den wahrscheinlich die Erweiterungen mit christlichen Inhalten zurückzuführen sind. Die Sephiroth-Lehre der Kabbala sowie die Kabbala nach der Schule von Josef ben Abraham Gikatilla werden mit Aspekten pietistischer Frömmigkeit verbunden.

Gikatillas Hauptwerk Scha'are Orah erörtert in zehn Kapiteln die zehn Sephiroth, aber entgegen der sonst üblichen Reihenfolge: von Malkuth (10. Sephirah) nach Kether (1. Sephirah). Zu den darin zitierten Quellen gehört neben dem Sohar auch das Sepher Jesirah. Der Sohar ist das heilige Buch der Kabbala und stammt ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert. Das Sepher Jesirah ist das älteste Buch der Kabbala.

Heute weiß man, dass das Buch Scha'are Orah eines der besten Einleitungen in die Symbolik und Emblematik des Sohars ist. Der Sohar wird darin nach den Regeln der Wort- und Namensrekombination systematisiert. Von anderen Kommentar-Werken unterscheidet es sich durch die veränderte Reihenfolge der Sephiroth und der Betonung der Bedeutung der Gottesnamen. Gikatilla favorisiert im Gegensatz zu anderen Kabbala-Meistern eine aufsteigende Reihenfolge der Sephiroth. Nach der kabbalistischen Schule Abulafias (einem anderen Kabbala-Meister) versucht der Theosoph die absteigenden Emanationen der Schöpfung nachzuvollziehen, während hingegen der Ekstatiker gerade die Rückkehr zum Beginn der Schöpfung erarbeitet. Das hat eine enorme Auswirkung auf die Lehrtafel, die genau das gleiche Ziel verfolgt. Eins mit allem zu werden indem man zum mystischen Existenzhorizont zurückkehrt und zur extatischen Gottesschau gelangt. Es handelt sich um ein Hinabsteigen obwohl es nach oben führt (vgl. Gershom Scholem, Ursprünge der Kabbala, 2. Auflage, 2001, S. 115). Gikatilla hatte eine große Wirkung auf die christliche Kabbala der Renaissance. Seine Werke gelten als wichtigste Nachschlagewerke. Johannes Reuchlin wird ebenfalls aus seinem Vermächtnis zitieren.

Dreieinigkeit und Darstellungsverbot

Links unten 3., rechts unten 2. und Mitte oben 1. Sephiroth

Sephiroth ist die hebräische Bezeichnung für die zehn göttlichen Emanationen, Abglänze, Wirkungen im kabbalistischen Baum des Lebens. Diese Emanationen verkörpern je nach kabbalistischer Schule wie z.B. der von Isaak Luria (einem weiteren Kabbala-Meister) in ihrer Gesamtheit Adam Qadmon, den himmlischen Menschen.

Eine besondere Rolle nimmt das System der Kardinaltugenden und der christlichen Tugenden (nach Korinther 13,13) auf die Lehrtafel in Bad Teinach ein. Die ersten drei Sephiroth werden in Folge dessen mit

  • Glauben (3. Sephirah = Heiliger Geist = gelb-grünes Gewand & blaue Krone),
  • Hoffnung (2. Sephirah = Jesus Christus = rot-blaues Gewand & grüne Krone) und
  • Liebe (1. Sephirah = Gott = weißes Gewand & goldene Krone) gleichgestellt.

Die 10. Sephira (Malkuth aber auch zugleich Schechina genannt) wird Jesus Christus zugeordnet. Das führt dazu, dass Jesus Christus vom Betrachter her zur Rechten Gottes sitzt, während das traditionelle Bild des Messias im Alten wie im Neuen Testament eigentlich von Gott aus betrachtet (heraldische Sichtweise) zur Rechten Gottes und aus Sicht des Betrachters zu seiner Linken sitzt:

Psalter 110,1: Von David. Ein Psalm. Spruch des HERRN für meinen Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde gemacht habe zum Schemel deiner Füße!

Zudem wird Gott-Vater, der Heilige Geist und Gott-Sohn als weibliche Personen abgebildet; nur die unterste Sephiroth wird männlich dargestellt nämlich als der vom Kreuz herabgestiegene Jesus mit Dornenkrone. In der jüdischen Mystik wurden die Sephiroth nie als Personen dargestellt. Zudem schwebte das Darstellungsverbot von Gott aus dem 2. Gebot immer über alle kabbalistischen Gedanken:

Exodus 20,4: Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.

Dieses Gebot wurde von Prinzessin Antonia nicht nur auf dem Hauptbild missachet, sondern bereits auf der geschlossenen Triptychon-Tür. Dort wird der Brautzug der Sulamtih dargestellt und auch dort sind die Sephiroth bereits verschlüsselt wiederzufinden, wobei sie sich selbst durch Jesus Christus krönen lässt. Sulamith ist jene Frau die im Hohelied von König Salomon verehrt, begehrt und bezierzt wird. Sulamith ist apropos die weibliche Variante von Salomon (Hebr. der/die "Friedfertige").

Rätsel und Auffälligkeiten

Links: Jesus Christus und rechts: Gott-Vater; Abbildung aus dem 15. Jahrhundert
  • Obwohl von der Vermählung von Prinzessin Antonia als Seele mit Jesus Christus als Bräutigam in den dort stehenden Texten die Rede ist, so handelt es sich um eine Krönung. Denn Jesus trägt seine Dornenkrone nicht, sondern sie liegt ihm zu Füßen. Zudem representiert Antonia nicht nur Sulamith, die eigentlich eine dunkle Hautfarbe haben müsste, sondern zugleich die Seele und die höchste christliche Tugend die Liebe. Alle Frauen zumindest der obersten Reihen können mit Personen aus dem Umfeld der Prinzessin identifiert werden. Ihre Mutter sowie ihre beiden Schwestern um nur ein paar Beispiele zu nennen. Jesus hat das Abbild des Vaters von Antonia, was einer Vermählungsszene ebenfalls widerspräche.
  • Die Reihenfolge der neun Figuren in der obersten Reihe entspricht dem Rhythmus kurz-kurz--lang:
    • Sarah, Rebekka und Maria = AT, AT und NT
    • Eva, Asenat und Glaube = AT, AT und NT
    • Hoffnung, Sulamith/Liebe und Jesus Christus = AT, AT und NT
      • Begriffserklärung: AT = Altes Testament und NT = Neues Testament
      • Der Glaube wird dem Neuen Testament zugeordnet, weil im Vergleich zu dem im Umfang kleineren Neuen Testament relativ selten von Glaube (Hebr. emuna) die Rede ist. Während das Neue Testament 243 Belege für das Verbum pistéuein für "glauben" aufweist und fast genau ebenso viele Belege für das Nomen "pistis" "Glaube", begegnen im Alten Testament lediglich 51 Vorkommen der Verbalform für "glauben" und des Nomen für "Glaube".
      • Die Hoffnung wird dem Alten Testament zugeordnet, weil die Hoffnung auf das Kommen des Messias ein prinzipales Begehren des Alten Testaments darstellt und im Neuen Testament die Hoffung keine Rolle mehr spielt, weil der Messias in Form von Jesus Christus gekommen ist.
  • In der obersten Reihe wird Sarah, die Frau des Stammvaters der Israeliten Abraham, hinter einer Tür stehend dargestellt. In der Bibel (AT) handelt es sich aber um einen Zeltvohang, der als Zelttür dient. In allen Details der Bad Teinacher Lehrtafel wurde sehr behutsam darauf geachtet, nicht vom Bibeltext abzuweichen. Es scheint hier eine Anspielung auf das Werk "Tore des Lichts" zu sein.
  • Traditionell wird Jesus mit dem Glauben (3. Sephirah = Binah), der Heilige Geist mit Hoffnung (2. Sephirah = Chokma) und Gott mit der Liebe (1. Sephirah = Kether) assoziert. Das würde zum traditionellen Bild des Messias im Alten wie im Neuen Testament passen, wo er eigentlich von Gott aus betrachtet (heraldische Sichtweise) zur Rechten Gottes und aus Sicht des Betrachters zu seiner Linken sitzt. Zudem kann man aus dem hebräischen Namen der Sephirah Binah (bestehend aus den Buchstaben B-I-N-H) durch Umstellung B-N I-H, d.h. Ben Jah - Sohn Gottes - bilden.



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