Kryptokatholizismus: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Quelle: Freimaurer und Geheimbünde im 19. und 20. Jahrhundert in Mitteleuropa, Helmut Reinalter''' https://books.google.de/books?id=3OpoDwAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false  
 
'''Quelle: Freimaurer und Geheimbünde im 19. und 20. Jahrhundert in Mitteleuropa, Helmut Reinalter''' https://books.google.de/books?id=3OpoDwAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false  
  
:Andererseits haben neure Forschungen ergaben, dass es ebenso auch eine „linke“ Verschwörungsthese gab, wie die von der von Biester und [[Christoph Friedrich Nicolai|Nicolai]] in der Berlinischen Monatsschrift verfochtenen These vonm „Kryptokatholizismus und Jesuitismus“, der über das Starcksche Klerikat auch Eingang in die Freimaurerei gefunden hat.
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:Andererseits haben neure Forschungen ergaben, dass es ebenso auch eine „linke“ Verschwörungsthese gab, wie die von der von Biester und [[Christoph Friedrich Nicolai|Nicolai]] in der Berlinischen Monatsschrift verfochtenen These vom „Kryptokatholizismus und Jesuitismus“, der über das Starcksche Klerikat auch Eingang in die Freimaurerei gefunden hat.
  
 
:Hamann hatte ihn schon in den frühen Siebzigern beschuldigt, ein Kryptokatholik und Jesuit zu sein. Da die Berliniache Monatsschrift enge Verbindungen zur Freimaurerei unterhielt, wurde Starck hier bald attackiert, und seine Feinde wiederholten den Vorwurf des Kryptokatholizismus. Doch sie wußten anscheinend nicht, daß er während eines Aufenthalts in Paris tatsächlich zum Katholizismus übergetreten war. In Königsberg war das bekannt.
 
:Hamann hatte ihn schon in den frühen Siebzigern beschuldigt, ein Kryptokatholik und Jesuit zu sein. Da die Berliniache Monatsschrift enge Verbindungen zur Freimaurerei unterhielt, wurde Starck hier bald attackiert, und seine Feinde wiederholten den Vorwurf des Kryptokatholizismus. Doch sie wußten anscheinend nicht, daß er während eines Aufenthalts in Paris tatsächlich zum Katholizismus übergetreten war. In Königsberg war das bekannt.
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:Der Vorwurf, die Freimaurerei sei durch den Jesuitenorden eigentlich erst ins Leben gerufen worden, wurde laut Lennhoff erstmals im Jahr 1780 durch Johann Joachim Christoph Bode in seiner Schrift Pflichtmäßige Bedenken zu dem Zirkulare des M.S.O. a Victoria vom 19. September 1780 erhoben. Bode zufolge ist die Tempelrittermaurerei eine jesuitisch gelenkte Verbindung zur Rekatholisierung Großbritanniens unter der Herrschaft der Stuarts. Diese vor allem im Rahmen des Wilhelmsbadener Konvents aktualisierte Komplott-Theorie greift dabei auf ältere Elemente antijesuitischer Propaganda zurück. In Frankreich zirkulierten bereits in den 1770er Jahren Gerüchte über eine jesuitische Unterwanderung der Freimaurerei. Ein genauer Ursprung dieser These ist jedoch schwer auszumachen. In Deutschland wurde die sogenannte Kryptokatholizismus-These vor allem im Rahmen der Krise der Strikten Observanz vertreten. Viele Strukturelemente der Strikten Observanz gaben Anlaß, eine Verbindung zu den Jesuiten zu unterstellen: die unbekannten Obern, die strenge Subordination, ihre religiösen Rituale und nicht zuletzt ihre ideologische Legitimation, die Tempelritter-Legende, waren die Templer doch ein katholischer Orden. Eine Parallelisierung von Templerorden und Jesuiten findet sich bereits in der 1725 anonym erschienenen antijesuitischen Schrift Schreiben des letzten Heer-Meisters der ausgerotteten Tempel-Herren Jacob von Mulay aus dem Reich der Todten, an den itzigen Hochwuerdigen Pater General der heil. Gesellschaft Jesu, die Gleicheit des Ordens der Tempel-Herren mit dem Jesuiten-Orden und des letztern besorgliche Fata betreffend.
 
:Der Vorwurf, die Freimaurerei sei durch den Jesuitenorden eigentlich erst ins Leben gerufen worden, wurde laut Lennhoff erstmals im Jahr 1780 durch Johann Joachim Christoph Bode in seiner Schrift Pflichtmäßige Bedenken zu dem Zirkulare des M.S.O. a Victoria vom 19. September 1780 erhoben. Bode zufolge ist die Tempelrittermaurerei eine jesuitisch gelenkte Verbindung zur Rekatholisierung Großbritanniens unter der Herrschaft der Stuarts. Diese vor allem im Rahmen des Wilhelmsbadener Konvents aktualisierte Komplott-Theorie greift dabei auf ältere Elemente antijesuitischer Propaganda zurück. In Frankreich zirkulierten bereits in den 1770er Jahren Gerüchte über eine jesuitische Unterwanderung der Freimaurerei. Ein genauer Ursprung dieser These ist jedoch schwer auszumachen. In Deutschland wurde die sogenannte Kryptokatholizismus-These vor allem im Rahmen der Krise der Strikten Observanz vertreten. Viele Strukturelemente der Strikten Observanz gaben Anlaß, eine Verbindung zu den Jesuiten zu unterstellen: die unbekannten Obern, die strenge Subordination, ihre religiösen Rituale und nicht zuletzt ihre ideologische Legitimation, die Tempelritter-Legende, waren die Templer doch ein katholischer Orden. Eine Parallelisierung von Templerorden und Jesuiten findet sich bereits in der 1725 anonym erschienenen antijesuitischen Schrift Schreiben des letzten Heer-Meisters der ausgerotteten Tempel-Herren Jacob von Mulay aus dem Reich der Todten, an den itzigen Hochwuerdigen Pater General der heil. Gesellschaft Jesu, die Gleicheit des Ordens der Tempel-Herren mit dem Jesuiten-Orden und des letztern besorgliche Fata betreffend.
  
:Verstärkt wurde diese Hypothese durch die von Gottlob Franz Freiherr von Gugomos auf dem Konvent in Wiesbaden 1776 verbreitete Legende, dass Ignatius von Loyola einer der früheren Obern der Strikten Observanz gewesen sei. Auf dem Wilhelmsbadener Konvent wurde die Templerlegende verabschiedet und gleichsam durch die Kryptokatholizismus-Theorie ersetzt. Johann Georg Zimmermann (1728-1795) prägte für die Vertreter der Kryptokatholizismus-These den Begriff "Jesuitenriecher". Einer der engagiertesten zeitgenössischen Verfechter dieser These war der Berliner Verleger Friedrich Nicolai (1733-1811). J.G. Fichte spottete über Nicolais Jesuitenphobie und verwies auf ihre Parallelität zur antirevolutionären Verschwörungstheorie: "Die Jacobinerriecherei ist das ächte Gegenstück zur Jesuitenriecherei, und Barruel ist in der ersten ganz dasselbe, was Nicolai in der zweiten war." Eines der prominentesten Opfer der Jesuitenriecher wurde der protestantische Prediger und Publizist Johann August Starck (1741-1816). Starcks Image als Kryptokatholik war wesentlich davon geprägt, daß er 1766 während einer Parisreise zum Katholizismus konvertiert war, obwohl er bald darauf wieder Lutheraner wurde. Auch das Bekanntwerden seiner Autorschaft des Saint-Nicaise, in dem er die "unbekannten Ritter" mit den Jesuiten verglich, galt als sicheres Zeichen seines Kryptokatholizismus. Starck beschrieb Nicolais Agitation 1788 wie folgt: "Nachdem aber Hr. Nicolai auf seiner Reise sich hatte in die Geheimnisse des Illuminatenordens einweihen lassen, ward das Jesuitergespenst von ihm erdichtet, und gegen diesen durch ihn selbst ausstaffierten Kobold Lärm gemacht."
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:Verstärkt wurde diese Hypothese durch die von [[Gottlieb Franz von Gugomos|Gottlob Franz Freiherr von Gugomos]] auf dem Konvent in Wiesbaden 1776 verbreitete Legende, dass Ignatius von Loyola einer der früheren Obern der Strikten Observanz gewesen sei. Auf dem Wilhelmsbadener Konvent wurde die Templerlegende verabschiedet und gleichsam durch die Kryptokatholizismus-Theorie ersetzt. Johann Georg Zimmermann (1728-1795) prägte für die Vertreter der Kryptokatholizismus-These den Begriff "Jesuitenriecher". Einer der engagiertesten zeitgenössischen Verfechter dieser These war der Berliner Verleger Friedrich Nicolai (1733-1811). J.G. Fichte spottete über Nicolais Jesuitenphobie und verwies auf ihre Parallelität zur antirevolutionären Verschwörungstheorie: "Die Jacobinerriecherei ist das ächte Gegenstück zur Jesuitenriecherei, und Barruel ist in der ersten ganz dasselbe, was Nicolai in der zweiten war." Eines der prominentesten Opfer der Jesuitenriecher wurde der protestantische Prediger und Publizist Johann August Starck (1741-1816). Starcks Image als Kryptokatholik war wesentlich davon geprägt, daß er 1766 während einer Parisreise zum Katholizismus konvertiert war, obwohl er bald darauf wieder Lutheraner wurde. Auch das Bekanntwerden seiner Autorschaft des Saint-Nicaise, in dem er die "unbekannten Ritter" mit den Jesuiten verglich, galt als sicheres Zeichen seines Kryptokatholizismus. Starck beschrieb Nicolais Agitation 1788 wie folgt: "Nachdem aber Hr. Nicolai auf seiner Reise sich hatte in die Geheimnisse des Illuminatenordens einweihen lassen, ward das Jesuitergespenst von ihm erdichtet, und gegen diesen durch ihn selbst ausstaffierten Kobold Lärm gemacht."
  
 
:Auch im Illuminatenorden wurde die These vertreten, daß "schon in England, besonders aber in Schottland die Freymaurerey von den Jesuiten zur Gründung einer Parthey gemißbraucht worden." Dabei bündeln die Illuminaten noch einmal die verschiedenen Elemente der These von der jesuitischen Konspiration: die Pläne zur Reinstallierung der Stuart Herrschaft, die Templerordenlegende und die Unterwanderung der Strikten Observanz.  
 
:Auch im Illuminatenorden wurde die These vertreten, daß "schon in England, besonders aber in Schottland die Freymaurerey von den Jesuiten zur Gründung einer Parthey gemißbraucht worden." Dabei bündeln die Illuminaten noch einmal die verschiedenen Elemente der These von der jesuitischen Konspiration: die Pläne zur Reinstallierung der Stuart Herrschaft, die Templerordenlegende und die Unterwanderung der Strikten Observanz.  
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*[[Johann August von Starck]], hier steht: Vielfach wird behauptet — jedoch ohne schlüssige Beweise — das eigentliche Ziel des "Klerikats" sei die Eroberung der Freimaurerei durch die Jesuiten, zwecks Unterhöhlung des Protestantismus gewesen. Die Angriffe aus dieser Richtung sprachen den Verdacht des KryptoKatholizismus so laut aus, das S. sich öffentlich dagegen zur Wehr setzen mußte.
 
*[[Johann August von Starck]], hier steht: Vielfach wird behauptet — jedoch ohne schlüssige Beweise — das eigentliche Ziel des "Klerikats" sei die Eroberung der Freimaurerei durch die Jesuiten, zwecks Unterhöhlung des Protestantismus gewesen. Die Angriffe aus dieser Richtung sprachen den Verdacht des KryptoKatholizismus so laut aus, das S. sich öffentlich dagegen zur Wehr setzen mußte.
 
*[[Johann Joachim Christoph Bode]]
 
*[[Johann Joachim Christoph Bode]]
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*[[Gottlieb Franz von Gugomos]]
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*[[Jesuiten]]
  
 
==Links==
 
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Aktuelle Version vom 4. Januar 2019, 16:50 Uhr

Kryptokatholizismus

Quelle: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Kryptokatholizismus

Kryptokatholizismus (Geheimkatholizismus) bezeichnet einen nur insgeheim praktizierten römisch-katholischen Glauben. Dies geschah häufig, um religiöser Verfolgung zu entgehen, wie z. B. in England unter Elisabeth I. Ebenfalls – meist abfällig – als Kryptokatholizismus bezeichnet werden verschiedene Strömungen innerhalb der protestantischen Kirchen, unter anderem die Synkretisten des 17. Jahrhunderts und die verschiedenen hochkirchlichen Bewegungen wie der Anglo-Katholizismus und die liturgische Bewegung.

Quelle: Goethes Briefe und Briefe an Goethe Bd. 2: Briefe der Jahre 1786-1805, C.H.Beck, 2017 https://books.google.de/books?id=dlOPDgAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false

Der Übersetzer J. J. C. Bode, ein eifriger Freimautrer, hatte den Darmstädter Oberhofprediger Stark in einer anonymen „Epistel“ des „Kryptokatholizismus“ beschuldigt.

Quelle: Freimaurer und Geheimbünde im 19. und 20. Jahrhundert in Mitteleuropa, Helmut Reinalter https://books.google.de/books?id=3OpoDwAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false

Andererseits haben neure Forschungen ergaben, dass es ebenso auch eine „linke“ Verschwörungsthese gab, wie die von der von Biester und Nicolai in der Berlinischen Monatsschrift verfochtenen These vom „Kryptokatholizismus und Jesuitismus“, der über das Starcksche Klerikat auch Eingang in die Freimaurerei gefunden hat.
Hamann hatte ihn schon in den frühen Siebzigern beschuldigt, ein Kryptokatholik und Jesuit zu sein. Da die Berliniache Monatsschrift enge Verbindungen zur Freimaurerei unterhielt, wurde Starck hier bald attackiert, und seine Feinde wiederholten den Vorwurf des Kryptokatholizismus. Doch sie wußten anscheinend nicht, daß er während eines Aufenthalts in Paris tatsächlich zum Katholizismus übergetreten war. In Königsberg war das bekannt.

Quelle: Zur Geschichte, Struktur und Legende des Illuminatenordens, von Marian Füssel https://www.uni-muenster.de/PeaCon/conspiracy/Weishaupt.htm

Innerhalb der Entwicklung des verschwörungstheoretischen Diskurses des ausgehenden 18. Jahrhunderts lassen sich vier Phasen unterscheiden: die erste Phase ist durch die konfessionelle Verschwörungsthese bestimmt (Jesuiten gegen Protestanten), in der zweiten Phase wird sie zu einer suprakonfessionellen Verschwörungsthese oder "Kryptokatholizismus-These" erweitert (Jesuiten unterwandern Freimaurer gegen Aufklärung), die dritte Phase markiert den Beginn der Illuminatenverschwörungsthese und ist vor allem durch die Auseinandersetzung innerhalb der Zeitschriften bestimmt (Jesuiten und Illuminaten), die vierte Phase ist geprägt von der konservativen Verschwörungsthese, die von einer globalen Verschwörung der Illuminaten gegen den Staat ausgeht (Barruel etc.). Dem Antijesuitismus kommt dabei eine Art Scharnierfunktion im Säkularisierungsprozeß der Verschwörungstheorie zu. Die Agitation gegen die Societas Jesu reicht von der Reformation bis zur Aufklärung und illustriert so den Wandel von metaphysischen zu innerweltlichen Deutungsmustern.
Der Vorwurf, die Freimaurerei sei durch den Jesuitenorden eigentlich erst ins Leben gerufen worden, wurde laut Lennhoff erstmals im Jahr 1780 durch Johann Joachim Christoph Bode in seiner Schrift Pflichtmäßige Bedenken zu dem Zirkulare des M.S.O. a Victoria vom 19. September 1780 erhoben. Bode zufolge ist die Tempelrittermaurerei eine jesuitisch gelenkte Verbindung zur Rekatholisierung Großbritanniens unter der Herrschaft der Stuarts. Diese vor allem im Rahmen des Wilhelmsbadener Konvents aktualisierte Komplott-Theorie greift dabei auf ältere Elemente antijesuitischer Propaganda zurück. In Frankreich zirkulierten bereits in den 1770er Jahren Gerüchte über eine jesuitische Unterwanderung der Freimaurerei. Ein genauer Ursprung dieser These ist jedoch schwer auszumachen. In Deutschland wurde die sogenannte Kryptokatholizismus-These vor allem im Rahmen der Krise der Strikten Observanz vertreten. Viele Strukturelemente der Strikten Observanz gaben Anlaß, eine Verbindung zu den Jesuiten zu unterstellen: die unbekannten Obern, die strenge Subordination, ihre religiösen Rituale und nicht zuletzt ihre ideologische Legitimation, die Tempelritter-Legende, waren die Templer doch ein katholischer Orden. Eine Parallelisierung von Templerorden und Jesuiten findet sich bereits in der 1725 anonym erschienenen antijesuitischen Schrift Schreiben des letzten Heer-Meisters der ausgerotteten Tempel-Herren Jacob von Mulay aus dem Reich der Todten, an den itzigen Hochwuerdigen Pater General der heil. Gesellschaft Jesu, die Gleicheit des Ordens der Tempel-Herren mit dem Jesuiten-Orden und des letztern besorgliche Fata betreffend.
Verstärkt wurde diese Hypothese durch die von Gottlob Franz Freiherr von Gugomos auf dem Konvent in Wiesbaden 1776 verbreitete Legende, dass Ignatius von Loyola einer der früheren Obern der Strikten Observanz gewesen sei. Auf dem Wilhelmsbadener Konvent wurde die Templerlegende verabschiedet und gleichsam durch die Kryptokatholizismus-Theorie ersetzt. Johann Georg Zimmermann (1728-1795) prägte für die Vertreter der Kryptokatholizismus-These den Begriff "Jesuitenriecher". Einer der engagiertesten zeitgenössischen Verfechter dieser These war der Berliner Verleger Friedrich Nicolai (1733-1811). J.G. Fichte spottete über Nicolais Jesuitenphobie und verwies auf ihre Parallelität zur antirevolutionären Verschwörungstheorie: "Die Jacobinerriecherei ist das ächte Gegenstück zur Jesuitenriecherei, und Barruel ist in der ersten ganz dasselbe, was Nicolai in der zweiten war." Eines der prominentesten Opfer der Jesuitenriecher wurde der protestantische Prediger und Publizist Johann August Starck (1741-1816). Starcks Image als Kryptokatholik war wesentlich davon geprägt, daß er 1766 während einer Parisreise zum Katholizismus konvertiert war, obwohl er bald darauf wieder Lutheraner wurde. Auch das Bekanntwerden seiner Autorschaft des Saint-Nicaise, in dem er die "unbekannten Ritter" mit den Jesuiten verglich, galt als sicheres Zeichen seines Kryptokatholizismus. Starck beschrieb Nicolais Agitation 1788 wie folgt: "Nachdem aber Hr. Nicolai auf seiner Reise sich hatte in die Geheimnisse des Illuminatenordens einweihen lassen, ward das Jesuitergespenst von ihm erdichtet, und gegen diesen durch ihn selbst ausstaffierten Kobold Lärm gemacht."
Auch im Illuminatenorden wurde die These vertreten, daß "schon in England, besonders aber in Schottland die Freymaurerey von den Jesuiten zur Gründung einer Parthey gemißbraucht worden." Dabei bündeln die Illuminaten noch einmal die verschiedenen Elemente der These von der jesuitischen Konspiration: die Pläne zur Reinstallierung der Stuart Herrschaft, die Templerordenlegende und die Unterwanderung der Strikten Observanz.
Es lassen sich demnach drei Zentren der Entstehung der Kryptokatholizismus-These benennen: Bodes Warnung vor einer Unterwanderung der Strikten Observanz, Weishaupts und Knigges Agitation gegen die antiaufklärerischen Aktivitäten der Ex-Jesuiten in den katholischen Territorien und schließlich der Kreis der Berliner "Jesuitenriecher" um Friedrich Nicolai.
Die im periodischen Schrifttum der 1780er und 90er geführte Diskussion um die Geheimgesellschaften teilt sich im wesentlichen in zwei Phasen. Die erste Phase ist von der Diskussion innerhalb der Berlinischen Monatsschrift bestimmt, in der sich die Furcht vor einer katholischen Verschwörung gegen die Aufklärung zu einem allgemeinen Mißtrauen gegenüber geheimen Gesellschaften ausweitete, da diese potentiell in den Verdacht gerieten, von den Jesuiten unterwandert und gelenkt zu werden. In der zweiten, durch die Furcht vor dem Übergreifen der französischen Revolution auf das alte Reich bestimmten Phase, erschien die protestantische Verschwörungsthese vom Wirken "eines aggressiven Kryptokatholizismus", als von den Illuminaten lancierter Versuch, "den Katholizismus als religiöses Fundament der Gesellschaft" zu diskreditieren.
Ernst August Anton v. Göchhausen nutzte die Situation, um in seiner satirischen Abhandlung Enthüllungen des Systems der Weltbürgerrepublik die Kryptokatolizismus-Theorie mit der Illuminatenfurcht zu verbinden, um so die offensichtlich übertriebenen Unterstellungen der aufgeklärten Jesuitenverfolger und mit ihnen die Aufklärung selbst zu diskreditieren.
"Lassen sie die Jesuiten, als geistlichen oder Priester-Orden gantz hinter sich liegen. Sie haben diese Livree abgelegt; ...Der Weltbürger-Rock ist das Gewand, das sie itzt tragen, und nie würkten sie sicherer, als eben da, wo man sich noch excucullirte Trabanten und Sklaven eines fanatischen Oberpriesters hält, dem es nur darum zu thun wär, die gantze Christliche und nicht-Christliche Welt unter dem Staab der heiligen catholischen Kirche allein zu führen. Machen sie nicht eine Albernheit! Legen Sie den theologischen Confessionsbegriff von Kirche ab. Dencken Sie sich bey der Kirche allzeit Rom; bey Rom den Sitz der Cäsarn, und der Universalmonarchie, bey Catholizism, Cosmopolitism; bey Jesuiten Cosmopoliten, und bey Freymaurerey Jesuiterey. Das ist der rechte Schlüssel."
Göchhausen zieht aus der Existenz dieses "status in statu" jedoch nicht die Konsequenz des Verbots der Freimaurerei, sondern will sie vielmehr zu einer "Staatsbürgerrealschule" machen. "Ich würde sie [die Freimaurerei] als ein großes Philantropin für Staatsbürger behandeln, und gerade so, wie Rom sie zu Weltbürgern bilden wollte, - weil sie zu einem so viel Perceptibilität haben, als zum anderen – sie umgekehrt nach jener besseren Absicht modeln."
Die Opfer der Kryptokatholizismus-These drehten den Spieß jetzt um und vertraten die These, dass die Illuminaten die Kryptokatholizismus-Chimäre in die Welt gesetzt hätten, um ihren verborgenen Absichten zum Sieg zu verhelfen und drängten so die Berliner Aufklärer in die Defensive. Gleichzeitig führt dies zu einer Art Solidarisierung der späteren Theoretiker der Illuminatenverschwörung: Starck, Grolman, Koester, Hoffmann, Zimmermann und Göchhausen. Nach Luckert ist die These einer Illuminatenverschwörung vor allem als eine Art Racheakt der Opfer der Kryptkatholizismus-These, wie z. B. Starck, zu verstehen, um die illuminatischen Hauptvertreter dieser These, Bode und Nicolai, zu bekämpfen: "In many ways the illuminati complot thesis was a refashioned version of the Crypto-Catholic conspiracy theory." Die These von der illuminatischen Verschwörung war also bereits vor ihrer gegenrevolutionären Ausformung in nuce vorhanden.

Siehe auch

  • Johann August von Starck, hier steht: Vielfach wird behauptet — jedoch ohne schlüssige Beweise — das eigentliche Ziel des "Klerikats" sei die Eroberung der Freimaurerei durch die Jesuiten, zwecks Unterhöhlung des Protestantismus gewesen. Die Angriffe aus dieser Richtung sprachen den Verdacht des KryptoKatholizismus so laut aus, das S. sich öffentlich dagegen zur Wehr setzen mußte.
  • Johann Joachim Christoph Bode
  • Gottlieb Franz von Gugomos
  • Jesuiten

Links

  • Ralf Klausnitzer: Unsichtbare Kirche, unsichtbare Hand. Zur Imaginations-geschichte geheimer Gesellschaften in der Vorromantik und bei Ludwig Tieck (Erstpublikation: Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin (Hrsg.): „lasst uns, da es uns vergönnt ist, vernünftig seyn!“: Ludwig Tieck (1773-1853) (Publikationen zur Zeitschrift für Germanistik; 9) Bern u.a.: Peter Lang 2004, S. 71-112. Neupublikation im Goethezeitportal) http://www.goethezeitportal.de/db/wiss/epoche/klausnitzer_kirche.pdf