Lettland

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Lettland

Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)

baltische Republik. Auf dem Boden des heutigen Lettland gab es im 18. Jahrhundert in Riga, Libau und Mitau ein zeitweise recht reges maurerisches Leben. In diesem Zeitraum arbeiteten namentlich in Riga eine ganze Anzahl Logen. Deren wichtigste waren: "Zum Schwert", "Apollo", "Castor", "Konstantin zum gekrönten Adler", "Zur kleinen Welt" und "Astraea". Friedrichs (Geschichte der einstigen Maurerei in Rußland) nennt überdies einige Bauhütten der Strikten Observanz, die sich aber sehr im Hintergrund hielten. Die älteste Loge "Zum Schwert", in die 1766 Herder (s. d.) aufgenommen wurde, entstand 1750. Sie hieß ursprünglich "Zum Polarstern" (nach Dr. Alfred Bihlman, der neuerdings die im Archiv der Stadtbibliothek Riga erliegenden 20 Freimaurerakten durchgesehen hat; nach Friedrichs: "Zum Nordstern"). Gründer waren die Brr. v. Heyde und Zuckerbecker, Mitglieder einer Petersburger Loge.

1765 wurde die Loge von dem Rostocker Arzt Hofrat Dr. Gustav v. Handtwig (auf dessen Tod dann Herder eine Ode schrieb) zur Strikten Observanz übergeführt. In der Loge spielten liberale Köpfe die ausschlaggebende Rolle, u. a. die beiden Brüder Berens, von denen der Ratsherr Johann Christoph Berens in seinem "Bonhommien" gegen die Fron auftrat, der Bürgermeister Schwarz, der Buchhändler Johann Friedrich Hartknoch, der Herder nach Riga gebracht hatte und als erster in den baltischen Provinzen Kant verlegte. Diesem aufgeklärten Logenkreis war die Schaffung einer Freischule für verarmte und verwaiste Kinder, die Entstehung des ersten Theaters und die Begründung einer Zeitung zu danken. Daß Rigaer Archiv besitzt neben andern auf diese Loge bezüglichen Stücken eine von Herder stammende Beschreibung einer Aufnahme. Die Logen "Apollo" und "Castor" traten 1773, bezw. 1777 ins Leben. Erst Töchter der Berliner Großen Landesloge, verließen sie dieses System wegen der Intransigenz des Großmeisters Castillon, der ihnen u. a. in schroffer Form den Verkehr mit der seiner Anschauung nach "nicht gesetzmäßigen" Schwerterloge untersagte. Sie schlossen sich erst der englischen Prov.-Gr.-L. führ Rußland, dann dem Schwedischen System an.

Zur russischen Landesloge in Moskau gehörte "Konstantin zum gekrönten Adler", zum Schwedischen System die Loge "Zur kleinen Welt". Diese besaß ein eigenes Haus und arbeitete auch weiter, als 1794 der Generalgouverneur Fürst Repnin auf Wunsch der Kaiserin Katharina II. die mündliche Weisung erteilte, alle Logen zu schliesen. In diesem Jahr veröffentlichte sie eine "Sammlung einiger Freimaurerlieder zum Gebrauch der Loge" (Riga, Georg R. Keil, 1791). Nach dem dann 1809 ein scharferes Verbot erging, wandelte sich die Loge in den Gesangverein "Euphonie" um, der bis 1914 bestand. Die Loge "Astraea" endlich war eine Gründung der englischen Provinzial-Großloge in Petersburg. Bemerkenswert ist, daß in allen diesen Logen das Bürgertum, vorwiegend Kaufleute; dominierte, Namen von Adeligen kommen nur vereinzelt vor.

Bihlman stellt (in einer Handschrift, im Besitze der Herausgeber) fest, daß, wenn in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Livland eine gewisse Renaissance sich bemerkbar machte, dies zum größten Teil der Freimaurerei zu verdanken war, in deren Reihen fast alle führenden Männer standen; auch an der Bauernbefreiung (1804) hatte sie entscheidenden Anteil. Die Loge in Libau wurde von Elagin (s. d.) für die englische Provinzialloge errichtet - in Mitau wurde sogenannte "freimaurerische" Tätigkeit von Cagliostro entfaltet, der namentlich den Reichsgrafen Friedrich von Medem und dessen Tochter, die Dichterin Grafin Elisa von der Recke, eine Zeitlang in seinen Bann zu ziehen wußte. Während seines Aufenthaltes in Mitau gab es dort zwei Logen, und zwar "Trois Cours couronnes" und "Troix Epees couronnes". Im Archiv des Provinzialmuseums in Mitau ist ein Meisterpatent aufbewahrt, daß von Cagliostro unterzeichnet ist. Die letztere Loge überlebte unter dem deutschen Namen "Zu den drei gekrönten Schwertern" alle anderen Bauhütten in Livland und Kurland. Sie wurde verschiedentlich rekonstituiert, 1818 schloß sie sich der "Großen Freimaurerloge Astraea" an; 1819 stellte sie aber dann ihre Arbeiten ein.

Fast hundert Jahre später, am 28. Oktober 1916, wurde in Libau die Feldloge "Anker und Schwert" gegründet, die im Jänner 1919 durch die Große Loge von Preußen, genannt "Zur Freundschaft", in eine Johannis-Friedensloge umgewandelt wurde. Die Loge mußte am 6. April 1921 infolge der politischen Neuordnung aufgelöst werden, wurde aber an dem selben Tage unter dem Namen "Anker" als selbständige lettländische Johannisloge neugegründet.

Trotzdem sie auf diese Weise den veränderten Verhältnissen sich gefügt und die Statuten ihrer Loge vorschriftsmäßig aufgestellt und den lettländischen Behörden eingereicht hatte, wurde in der Presse im Februar 1925 die Verdächtigung ausgesprochen, daß die Loge staatsfeindliche Tendenzen verfolge. Die politische Polizei leitete eine Untersuchung ein, die den Beweis für die vollständige Grundlosigkeit dieser Verdächtigungen erbrachte. Die Staatsanwaltschaft aber stellte beim Bezirksgericht den Antrag auf Schließung der Loge wegen Nichtbefolgung der eingetragenen Statuten und auf sofortige Sistierung der Logentätigkeit (aus der Benutzung des Rituals der früheren Mutter-Großloge wurde "Abhängigkeit vom Ausland" gefolgert). Dem zweiten Teile des Antrages gab das Bezirksgericht keine Folge - die Verhandlung über den ersten Teil wurde wiederholt vertagt. Am 21. Mai 1927 fiel die Entscheidung: die Schließung der Loge wurde abgelehnt. Alle Anschuldigungen gegen die Loge fielen in sich zusammen. Nächst der Objektivität des Gerichtes, welches kein Bedenken trug, den Antrag des Staatsanwalts abzulehnen, ist der Erfolg der Verteidigung durch den Rechtsanwalt Krastkaln, Mitglied der ebenfalls selbständigen Loge "Johannisfeuer" in Riga, zu verdanken.

Erwähnt sei noch, daß der Staatsanwalt seine Anschuldigung, die Loge sei keine selbständige lettländische Loge, sondern stehe in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer ausländischen Großloge, hauptsächlich damit begründete, daß die Loge nach dem Ritual der Großen Loge von Preußen, genannt "Zur Freundschaft" arbeite und sich, soweit die örtlichen Verhältnisse es gestatten, nach deren Grundgesetz richte. Die Ablehnung dieser Begründung durch das Gericht ist von prinzipieller Bedeutung. Adresse: Postfach 46, Libau.

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