Rezension: Allan Oslo: Die Freimaurer

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Rezension von Br. Roland Müller


Allan Oslo: Freimaurer. Humanisten? Häretiker? Hochverräter?

Frankfurt am Main: Umschau Verlag 1988;

Nachdruck unter dem Titel: Die Freimaurer. Düsseldorf: Albatros 2002, 424 Seiten.

Rezension von Br. Roland Müller

Das ist ein dickes und enggedrucktes, völlig unproportioniertes Buch: Drei Viertel des Textes betreffen die Jahre von der Zeitenwende bis zur Formierung der modernen Freimaurerei im Jahre 1717 (15-270). Es folgt eine ausführliche Schilderung der Entwicklungen in England und Deutschland bis zur Konsolidierung in England 1813 (272-342). Recht unvermittelt sind noch 14 Seiten über Deutschland von 1914-1933 (344-357) angefügt. Im Anhang finden sich eine vollständige deutsche Übersetzung des 74seitigen Konstitutionenbuchs von 1723 durch Rudolf Ebel (1983) und eine sehr sorgfältig zusammengestellte 18seitige Liste berühmter Freimaurer. Die Liste enthält auch Mitglieder des Bundes aus neuerer Zeit, wie einige Astronauten oder Henry und Gerald Ford, Sir Alexander Fleming und Clark Gable.

Es fehlen die grossen Linien

Weniger (Text) wäre mehr gewesen! Es wäre schön gewesen, wenn Oslo die grossen Linien plastisch herausgearbeitet hätte. So versinkt alles in einem Wust von endlosen biographischen Angaben, Ereignissen und historischen Daten.


Vier Thesen

Oslo, selber Freimaurer, verficht unter anderem vier Thesen:

  • 1. Die Freimaurerei stamme „aus der Welt des Klosters, wo man die Mystik des Alten Testaments gepflegt hatte“ (164; ähnl. 13, 337). Daher schildert er die Geschichte des Mönchtums seit den ersten Eremiten in Ägypten.
  • 2. Die Symbolik der Freimaurer rührt mehr von der Bauhütte als vom Ritterorden her (51). Daher schildert er die Organisation des Bauwesens in England und Schottland, und zwar zum Teil anhand der „Genesis der Freimaurerei“ von Knoop/ Jones (1948/68), zum Teil anhand alter Legenden, z. B. von den Comacini (35), den Klosterbruderschaften oder der ersten Steinmetz- und Hüttenordnung von 1275 in Strassburg ((48).
  • 3. Die Freimaurerei sei „kein Kind der Aufklärung, vielmehr ein Produkt der Reformation“ (210, ähnl. 65) und:
  • 4. „Die Geschichte der Freimaurerei ist mit den Stuarts in England eng verknüpft“ (104). Daher schildert er nach ausführlichen Kapiteln über „Schottland und die Stewarts“ (57-64) und „Heinrich VIII. und die englische Reformation“ (81-89) in extenso die „Tudors in England“ sowie das Leben und Wirken von Maria Stuart (92-98, 104-122).


Ein Geschichtsbuch

Oslos Buch ist also eine Art Geschichtsbuch und nicht sonderlich spannend. Da hilft auch das Wechselspiel von politischer Geschichte und Kulturgeschichte nicht viel. So folgen auf Marias Stuarts Sohn als schottischer König Jakob VI. die Rosenkreuzer. Dann erklärte sich derselbe Regent als Jakob I. zum König von Grossbritannien. Ihm folgte sein Sohn Karl I., „das Haus Salomonis“ (147-157) und Karl II. (158-180).

Nach einer Schilderung der maurerischen Zeitrechnung, die bis auf die Israeliten zurückgeht, und der „Royal Society“, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht, geht’s weiter mit „York in Schottland“ und „Jakob VII. von Schottland“, kurz unterbrochen von „Die Freimaurerei in England“ (203-210), und zwar von etwa 1630-1690.

Nach einem Rückgriff auf die Hugenotten folgen die „Glorreiche Revolution“ (1688) und Jakobs Eingreifen in Irland. Nun kommt es endlich zur „Geburt der englischen Freimaurerei“ (247-257) im Zeitraum von etwa 1650-1700. Nach Jakob III. kam es endlich 1717 zur Gründung der Grossloge von London und Westminster.


Die erste Großloge war oppositionell

Nun endlich wird klar, warum Oslo auf hunderten von Seiten die Geschichte der britischen Königshäuser und Regierungen abgehandelt hat: Die erste freimaurerische Grossloge war „eine politische Gruppierung der kleinen und oppositionellen Whigs“ (274), und sie war zudem „unscheinbar, uninteressant, armselig und profillos“ (276). Darum hatte der Adel anfänglich kein Interesse, ihr beizutreten. Erst als drei Jahre später „das absolute Supremat“ der Whigs wiederhergestellt war, „tauchten Herzöge als Grossmeister der Grossloge auf“ (siehe 279).

Gemäss Oslo beauftragte der 3. Grossmeister, der gelehrte Hugenotte Dr. John Theophilus Desaguliers, den presbyterianischen Prediger James Anderson 1721 aus jahrhundertealtem Material eine neue „Konstitution“ für die Freimaurerei zusammenzustellen – sie läuft heute unter der Bezeichnung „Die alten Pflichten“. Desaguliers selbst sorgte dafür, dass die erste Pflicht im deistischen Sinn umgeändert wurde (281); es ist eine vorsichtige Formel, der alle Konfessionen zustimmen können (283). Doch die anglikanisch-torystisch-christlichen Logen in London protestierten mit Entgegnungen und „Enthüllungen“.


Die Weiterentwicklung

Und nun geht es mit vielen Namen, Beschlüssen und Intrigen fast ein ganzes Jahrhundert weiter, bis endlich 1813, zumindest auf den britischen Inseln Ruhe einkehrte. Abgesehen von der langen Parade adeliger Freimaurer in England und Deutschland ist vor allem die Rede des Ritters Ramsay (297-303), welche zu einer phantastischen Ausweitung der Rituale in hundertfältige Formen mit Dutzenden von Erkenntnis- und anderen Stufen führte. Als Gegengewicht dienten die Reaktionen des Heiligen Stuhls, beispielsweise durch eine Bulle von Papst Clemens XII. (309-311). Ausführlich beschreibt Oslo nun die Entwicklung in Deutschland, welche durch den Kronprinzen Friedrich von Preussen, legendär geworden als Friederich der Grosse von Deutschland, grossen Auftrieb gewann. Auch hier entstanden Hochgradsysteme, und zwar unter Karl Friedrich Eckleff, Karl Gotthelf Freiherr von Hund und Altengrottkau und Johann Wilhelm Kellner von Zinnendorf (331-337).


Völkerbund und Nazizeit

Der Wechsel zur deutschen Dolchstosslegende ist abrupt. Er erfolgt über das Thema Juden in der Freimaurerei (342-344). Oslo behauptet, der Völkerbund habe mit der an einer Grosslogentagung 1917 in Paris geforderten „Liga der Nationen“ „die Ideologie und teilweise auch den Wortlaut gemeinsam“ (347). Dagegen behaupten Lennhoff/ Posner in ihrem „Internationalen Freimauer-Lexikon“ (1932, Sp. 1657): „Mit dem später von Wilson … entworfenen Gedanken eines Völkerbundes haben diese freimaurerischen Ideologien nichts zu tun gehabt“. Ähnlich irritierend ist die Behauptung, dass der 1913 in Norddeutschland gegründete Germanenorden „nach dem Vorbild einer Freimaurerloge aufgebaut war“ (344). Wie erinnerlich war ein Ableger davon der unselige Thule-Orden (1918).

Um 1922 erhielt die jahrhundertealte freimaurer-feindliche Haltung der katholischen Kirche Unterstützung durch die Kommunisten (z. B. Trotzki) und Nationalsozialisten (z. B. Alfred Rosenberg und das Ehepaar Ludendorff). Die deutschen Freimaurer versuchten sich zu wehren, doch nach Hitlers Machtübernahme am 30. Januar 1933 hatte ihr letztes Stündlein geschlagen.

Was fehlt

Das Buch ist sehr einseitig auf die britischen Inseln ausgerichtet. Es fehlt beispielsweise die Darstellung der Bautätigkeit und Bauorganisation im Mittelalter auf dem Kontinent. Ebenfalls fast völlig fehlt die Entwicklung der Freimaurerei ausserhalb von Grossbritannien und Deutschland, z. B. in den englischen Kolonien, in den USA, in Lateinamerika, Afrika und Fernost. Dass im Kapitel „Die Zeit der Reformation (1517-1660)“ die Paulikianer, Bogomilen, Katharer, Waldenser, Lollarden und Hussiten abgehandelt werden, ist irritierend, ebenso dass von den Reformatoren nur Martin Luther, aber nicht Zwingli und Calvin erwähnt werden.



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