Rezension: Gabor Kiszely - Freimaurer-Hochgrade - Der Alte und Angenommene Schottische Ritus

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Der Alte und Angenommene Schottische Ritus

von Roland Müller


Gabor Kiszely: Freimaurer-Hochgrade. Der Alte und Angenommene Schottische Ritus. Innsbruck: Studienverlag/ Edition zum rauhen Stein 2008.

Für geistige Parvenüs

Der ungarische Schriftsteller und Historiker Gabor Kiszely (1949-2011) gefällt sich als Streiter gegen die Unwissenheit der (meisten) Freimaurer und Kämpfer gegen „wenn auch wohlgemeintes, doch tendenziöses Phantasieren“ (13). Daher erstaunt es, dass er keck behauptet, der Franzose André-Michel Ramsay, „ein sagenhafter Dilettant im Bereich Theologie und Geschichte“ habe begonnen, den „Ritus der ‚aus Schottland kommenden Kreuzfahrer‘ zu organisieren“ (13).

„Dem Lehrgebäude lagen die zweckdienlich manipulierte Geschichte des Tempels Salomonis sowie die der Templer zugrunde; sicherheitshalber wurden dem Komplex auch noch unzählige weitere, für Attraktivität sorgende Elemente, darunter angebliche Mysterien, Verschwiegenheit und Rache, hinzugefügt.
Das System ward den drei Johannisgraden angeschlossen und mit den Graden Schotte, Novize und Ritter ergänzt. Im ersten Grad lernt der Neophyt die Lehren der Kabbala und Alchemie kennen, im zweiten vertrieft er seine Kenntnisse und im dritten wird er sich dessen bewusst, dazu auserwählt worden zu sein, die dem Orden de Molays widerfahrene Ungerechtigkeit und Schande zu rächen.
Ramsays Neutemplertum fand rasche Verbreitung unter den geistigen Parvenüs und snobistischen Wunschdenkern des Kontinents“ (13-14).

Vielfältige Ursprünge des AASR

Neben diesem „System“ bilden die Ursprungsriten des „Alten und Angenommenen Schottischen Ritus“ (AASR) der Ritus von Clermont (1754), der 1758 in Paris gegründete „Rat der Kaiser vom Osten und Westen“, der in 25 Graden arbeitete, und der 1756 in Bordeaux entstandene Perfektionsritus von Hérédom (14), ferner der sogenannte Philosophische Ritus, dessen Grosstribunal 1776 in Paris in Leben gerufen wurde. In letzterem finden sich Spuren der Strikten Observanz und des Primitiven (ursprünglichen) Ritus. Schliesslich sind in einigen Grade des AASR „auch heute noch eindeutige Merkmale des Illuminatenordens zu entdecken“ (15; 142).

Sofort heisst – bei Kiszely – der AASR der „Alte und Anerkannte Schottische Ritus“ (15). Schliesslich wurde 1802 in Charleston die Bildung des Obersten Rates des 33. Grades für die USA erfolgt sein. Fünf Jahre später rief in New York der Franzose Joseph Cerneau ein Grosskonsistorium für sein eigenes System – „Cernau“ oder „New Yorker Ritus“ genannt – ins Leben. Schliesslich entstand 1813 „in New York auf die Initiative des Obersten Rates von Charleston ein Oberster Rat für die nördliche Jurisdiktion der Vereinigten Staaten. Die beiden Körperschaften, mit teilweise unterschiedlicher Entwicklung, sind auch gegenwärtig tätig“ (16).

Infantile Ritterspiele – metaphysische Bedürfnisse

Das vom, angeblich, zehnjährigen Albert Pike (143) in seinem Buch „Morals and Dogma“ aufgestellte System ist nach wie vor in den USA verbreitet (16, 134).

„Sein System, ein Gemisch von infantiler Ritterspielerei und okkultes Wissen verheissender Gaukele esoterischer und gnostischer Natur, übt jedenfalls nach wie vor grosse Anziehungskraft auf Individuen aus, die sich im Bannkreis der Globalisierung nach Wunderglauben sehnen und danach trachten, ihr seelisch-geistiges Defizit in pseudomystischen Erlebnissen zu befriedigen“ (17).

Ähnlich kommt im englischen Ritual, das auf das Beiwort „schottisch“ verzichtet, „religiös-gnostischen Grundzügen eine dominierende Rolle zu“ (17).

Erstaunlicherweise druckt Kiszely im Anhang nicht die englischen 33 Grade, sondern diejenigen von Pike ab (141).

Wie dem auch sei. Kiszely meint,

„dass die Hochgrade zusätzliche Erlebnisformen der in der fundamentalen Maurerei vorgezeichneten geistigen und moralischen Werte anbieten. Es geht darum, den tieferen Gehalt der Masonerie auszuschöpfen. Der Bedarf dafür war und ist vorhanden. Das Hochgradsystem kommt den metaphysischen Bedürfnissen des Individuums entgegen, indem es mit zusätzlichen Anregungen aufwartet. Deshalb stehen esoterische Grundzüge im Vordergrund und werden Lehren dieser Art betont ausgearbeitet“ (21).

100 Seiten für 30 Grade

Auf genau 100 Seiten beschreibt Kiszely nun die Grade 4-33 des AASR.

Die Grade 4-13, 16, 19, 22, 28, 30 und 32 stammen aus dem Ritus von Hérédom.

Einflüsse des „von blutrünstigen und pathologischen Zügen keineswegs ledigen Illuminatentums des Bayern Adam Weishaupt“ (55) argwöhnt Kiszely bei den Graden 9, 10 (60, 62) und 21 (96).

Ohne Herkunftsangabe sind die Grade 7, 14, 20, 23 und 24. 26 und 27 sowie 29 und 33.

Der 6., 8. und 9. Grad könnten auch aus der Perfektionsloge von Bordeaux stammen (44, 51, 55), der Inhalt des 13. Grad stammt jedenfalls aus dem Royal Arch (69), der 15. -17. Grad aus dem Rektifizierten Ritus (77, 79, 82), der 18. Grad aus dem Kapitel von Clermont (85), der 21. Grad aus dem Deutschritterorden (96). Der 25. und 31. Grad gelten als eine Kreation des Schottischen Ritus (100, 115).

Konfus ist Keszelys Einteilung der Gradstufen. Die Grade 15-18 behandelt er als „Kapitelgrade“ und behauptet, es seien fünf und sie würden „auf dem europäischen Kontinent in der Regel nicht mehr bearbeitet“ (77): Dabei stellt er den 18. Grad als den „schönsten und erhabensten Grundpfeiler der schottischen Hochgradmaurerei“ dar (84).


Verworren und haarsträubend – Unfug und Scheusslichkeiten

Kiszely spart nicht mit deftigen Charakterisierungen. Der 6. Grad enthält unter anderem ein „Gewirr moralisch falschen Verhaltens“ (46). Bei der Grundlegende des 8. Grades „handelt es sich wieder einmal um eine unklare, stellenweise verworrene Geschichte“ (52). Der 10. Grad ist ein „Gruselgrad“; er würde zweifelsohne auch einem pathologischen Grossinquisitor aus pseudohistorischen Schundromanen alle Ehre machen“ (59). Im 14. Grad hat Albert Pike „die haarsträubende Praxis“ eingeführt, „anstatt des Heiligen Dreiecks ein Pentagramm mit der Spitze nach unten“ zu verwenden, das ist die „Praxis des Teufelspakts“ (75-76). Der 16. Grad „stellt, selbst in seiner unbearbeiteten Form, maurerisches Toleranzvermögen auf die Probe“ (79).

Auch beim 17. Grad hat Pike „sündhaften Unfug“ getrieben:

„Pike und ähnliche Hochgradweise gehen mit ihren Phantastereien oft so weit, dass ihre Erfindungssucht der überheblichen Ignoranz sowie der abstossenden Unkenntnis des masonischen Ideengutes und der profanen Wissenschaften gleichkommt.
… Auf beschämende Hirngespinste Theorien aufzubauen, die dann auch noch mit massloser Arroganz als Grundlage von irregeleiteten Aussagen dienen sollen, bedeutet einfach eine Verfälschung der Lehre, die wortlos hinzunehmen eine Schande für das gesamte Hochgradwesen ist“ (81-82).

Die „sogenannten philosophischen Grade“ sind „Zeugnisse spiritueller Armseligkeit“ (93). Der 19. Grad bietet – wiederum in der Fassung von Pike – Züge von Teufelsverehrung, und der 20. Grad zaubert „Produkte abwegiger Phantasie“ herbei (94). „Die verworrene Legende“ des 21. Grads ist „stellenweise katastrophal“ (95); das Ritual bietet „klägliche Infantilitäten“ (96). Der 22. Grad ist „verworren gestaltet“ (98). Die „schlicht haarsträubende Legende“ des 23. Grades „dürfte jede ernsthafte Beschäftigung mit dem jämmerlichen Unfug überflüssig machen“ (99). Beim „Unfug“ des 24. Grades scheinen „die Konstrukteure den Faden gleich von Anfang an verloren zu haben“ (99).

Der 26. Grad bietet erneut „von überheblicher Arroganz durchtränkten, unwürdigen Unfug“ (101), der 27. Grad bedarf gar keiner Schilderung, und der 28. Grad hat „mehrere verirrende Züge aus Ritualen eines Sonnenkultes“ (102) und wird von „kabbalistischen Überwucherungen“ erdrückt (103).

Im 29. Grad schliesslich verliert sich der Sinn

„in einem alarmierenden Gemisch von verwirrend zusammengeschaufelten Gedankenbrüchen alchemistischen und kabbalistischen Ideengutes, bei dessen krampfhaften Interpretationsversuchen wieder einmal die Ahnungslosigkeit und Inkompetenz richtungweisend gewesen zu sein scheinen.
… Das Vorkommen dieser Scheusslichkeit [Baphomet] … hat die Maurerfeinde immer wieder zur Behauptung veranlasst, die Masonerie huldige in ihren Liturgien dem Teufel“ (104).

Das Ritual des 30 Grades krankt an einem „widersprüchlichen Grundmangel“ (106) und ist ein Unfug, der auch „Psychodrama“ genannt wird (109); er enthält „kuriose Belehrungen“, „“Absurditäten“ und erneut - „Unsinn“ (113).


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