Rezension: Jens Oberheide - Schröders Geist und Mozarts Noten

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Rezension: Jens Oberheide – Schröders Geist und Mozarts Noten


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Zwei Superstars und ihre Wiener Jahre

Wolfgang Amadeus Mozart und Friedrich Ludwig Schröder, der begnadete Komponist und der ebenso begnadete Theatermacher und Schauspieler; zwei Genies, die einander schätzten und im kaiserlichen Wien der 1780iger Jahre eng zusammenarbeiteten. Die ungewöhnliche Idee, diese zwei Superstars jener Zeit, diese zwei bis heute bedeutenden Freimaurer zusammenzuspannen, das macht diese anschaulich geschriebenen zweihundert Seiten zu einem bemerkenswerten und absolut lesenswerten Buch.
Von Rudi Rabe.

Mozart ist bis heute ein Superstar, eine globale Musikikone. Aber Schröder? Wie heißt es im 'Wallenstein': "Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze"! So ist es. Umso verdienstvoller, dass Jens Oberheide diesen Großen gerade auch für Freimaurerleser aus der bloßen Abstraktion des Ritualreformers herauslöst und ihn in seiner ganzen Breite darstellt: als nachhaltigen Erneuerer des Schauspiels und der Oper, kongenial und gemeinsam mit seinem Freimaurerbruder Wolfgang Amadé. Dem wohl außerhalb der Hamburger Bildungselite kaum mehr erinnerten Friedrich Ludwig Schröder wird dadurch neues Leben eingehaucht. Vielleicht auch für viele Logenmitglieder, die ihren Schröder nur in Kombination mit masonischen Ausdrücken wie 'Lehrart' oder 'Ritual' wahrnehmen.

Auch wenn Schröder ein Jahrzehnt älter war als Mozart, teilten die beiden bereits im Kindesalter ein ähnliches Schicksal. Als Sprosse von Künstlereltern kutschten sie kreuz und quer durch Europa. So landete der eine schon als Dreijähriger auf dem Schoß der russischen Zarin, der andere als Siebenjähriger auf dem der Wiener Kaiserin. Und langsam wuchsen sie hinein in ihre Bestimmung.

1781 begegneten sie einander: in der kaiserlichen Kulturmetropole Wien, wo jeder jeden kannte und jeder mit jedem diskutierte, die ideale Voraussetzung für kreatives Schaffen. Schröder war im selben Jahr von Hamburg zugezogen; der Kaiser hatte ihn abgeworben. Und Mozart war ebenfalls 1781 der Enge des Salzburger Erzbistums entflohen.

Oberheide schildert nun, wie die beiden im Zentrum der Wiener Opernreform standen. Sie probten und entwickelten den Übergang von der bis dahin üblichen italienischen Oper, bei der das Schauspielerische keine große Rolle spielte, zur "teutschen opera"; übrigens auf Wunsch von Kaiser Joseph II. Und natürlich weil es in der Zeit lag. Sprechtheater und Musiktheater befruchteten einander jetzt. Sie begannen mit der 'Entführung aus dem Serail'. Den Stoff lieferte Schröder, wie üblich nach alten Vorlagen, und die Noten Mozart. Dieser an seinen Vater: "Wenn Schröder es leidet, dass man es herrichten darf, ... so kann ein gutes Buch daraus werden."

Wenn er es leidet!? Schon bei dieser ersten Koproduktion blitzte ein charakterlicher Unterschied zwischen den beiden auf, den Jens Oberheide immer wieder anspricht: Schröder der Tugendhafte und Mozart der Frivole, der schon einmal am Ende einer bewunderten Vorstellung in einem Salon "gleich einer Katze miauend über Tisch und Stühle" springen konnte. Schröder hingegen kämmte immer wieder ihm anrüchig erscheinende Wörter oder ganze Sätze aus Mozarts Vorlagen, etwa aus 'Così fan tute'; auf gut Deutsch: 'so machen sie's alle', nämlich die Damen, die ihm da etwas zu wenig hehr dargestellt wurden. Oder später auch aus der Zauberflöte, deren Text Feministinnen auch heute aufregen könnte. Aber vielleicht ist das bei Schröder derselbe Wesenszug, der ihm dann auch die Kraft gab, die verbreiteten freimaurerischen Absonderlichkeiten jener Zeit zurückzudrängen und das Ritual zu reformieren.

Die enge Zusammenarbeit der beiden in Wien dauerte vier Jahre. Dann zog Schröder wieder nach Hamburg, aber der Kontakt riss nicht ab. Sechs Jahre später starb Mozart mit 35. Schröder spielte in Hamburg Mozarts Opern weiter. Über mehrere Jahre engagierte er sogar Mozarts Schwägerin und erste Liebe, die gefeierte Sängerin Aloisia Lange. Und einmal bekam er für ein Gastspiel auch deren Schwester und Mozarts Witwe Constanze nach Hamburg und beide auf die Bühne: "Was für eine Marketing-Idee?"

"Was bleibt?" So titelt Jens Oberheide das letzte von vierzig kurzen Kapiteln mit vielen Bildern (sehr angenehm!). Antwort: "Mozarts unvergängliche Musik natürlich. Von Schröder bleibt vor allem der große Schauspieler und Theaterchef (für Freimaurer auch der bedeutende Ritual-Reformer) in Erinnerung. ... Historisch hätte auch die Entwicklung der Oper im Sinne vom 'Gesamtkunstwerk' verdient, als 'bleibend' festgehalten zu werden."

Ich habe diese 200 Seiten mit Vergnügen und Gewinn gelesen.

Post Scriptum:
Es ist logisch, dass die Freimaurerei in diesem Buch nur am Rande vorkommt: vor allem dann, wenn andere Brüder jener Zeit erwähnt werden. Einmal aber auch ein paar Zeilen mehr, nämlich bei der Erwähnung des Lustspiels "Die Freymaurer", das Schröder schrieb und am 10. Jänner 1784 im Wiener Burgtheater uraufführen ließ. In diesem erfährt man "so ganz nebenbei, ... was einen 'Suchenden' (also einen Aufnahmebewerber) in der Loge erwartet." Und dann wörtlich aus Schröders Dialog: Es erwartet Sie "eine Gesellschaft von Männern, ... nach denen Sie sich bilden und ihre Fehler bessern können. Erwarten Sie aber Verbesserung ihrer Glücksumstände oder außerordentliche und übernatürliche Kenntnisse, so haben Sie sich betrogen." - Etwas altmodisch ausgedrückt, aber treffend.

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(13. 9. 2016) - Zeitlich passend zum 200. Todestages des Freimaurers und bedeutenden Theatermannes Friedrich Ludwig Schröder erscheint ein Buch von Jens Oberheide über die Freunde Schröder und Mozart, deren Werke sich stark gegenseitig beeinflussten.

Der Theaterpionier Friedrich Ludwig Schröder (1744 – 1816) war von 1781 bis 1785 am Wiener Burgtheater engagiert. Zeitgleich wirkte Wolfgang Amadeaus Mozart (1756 – 1791) als freischaffender Musiker in Wien. Beide waren über künstlerische und menschliche Zusammenhänge miteinander verbunden.

Das hatte auch zu tun mit vielfältigen Netzwerken, gemeinsamen Freunden und Förderern sowie mit freimaurerischen Geistesverwandtschaften, die einen bisher kaum beachteten Aspekt der Entstehungsgeschichte von Mozart-Opern und deren Rezeption berühren.

Zeitgeschichtlich fällt diese Konstellation in eine kulturelle Aufbruchstimmung. Aus höfischer Tradition und Abhängigkeit kommend, begann im deutschsprachigen Raum die Emanzipation von Literatur, Musik und Theater. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts etablierten sich die öffentlichen Schauspiel- und Opernhäuser stilistisch, thematisch und musikalisch mit einem neuen Selbstverständnis.

Mozart und Schröder haben als Wegbereiter maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung. Ihr Wirken steht gegen Ende des „Aufklärungszeitalters“ am Beginn einer Epo-che, die sich kulturhistorisch auch als „Weimarer Klassik“ in der Literatur und als „Wiener Klassik“ in der Musik artikuliert.


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