Sagen über Freimaurerei

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Mitgetheilt von Heinrich Pilgrim

Sagen über Freimaurerei

Es haben sich Sagen erhalten, die aus einer Zeit stammen, in der man glaubte, Freimaurer hätten etwas mit dem Teufel oder mit schwarzer Magie zu tun. Man schrieb ihnen übersinnliche und bösartige Dinge zu, die mit der Realität nicht das Geringste zu tun hatten. Auch für heutige Brüder ist es bestimmt interessant, diese alten Sagen zu lesen. Deshalb möchten wir einige davon, die Bruder Heinrich Pilgrim in der Freimauer-Zeitung vorstellte, übertragen.

Diese Sagensammlung haben wir aus weiteren Quellen ergänzt:


Vorwort

Quelle: Freimaurer-Zeitung: Manuscript für Brüder 1857 Juni Jg.11 Nr.25, S. 194 - 196

Es ist wiederholt mit vollem Recht behauptet worden, die Freimaurerei könne und dürfe sich ihrem innern geistigen und sittlichen Gehalte, den wesentlichen Grundsätzen des Ordens nach nicht ändern, falls sie nicht aufhören wolle das zu sein, was sie sein soll und vom Anfange an bis jetzt gewesen ist; falls sie nicht durch leichtfertige Unterwühlung des bisher festen Grundes das ganze kunstreiche Gebäude erschüttern und niederstürzen, durch unbesonnene übereilte Einmischung von Dingen, welche zwar das Interesse jedes Menschen in Anspruch nehmen, aber jenseits der von weisen Meistern gesteckten Grenzen des Reinmenschlichen liegen; für den Augenblick die Leidenschaft eines vielleicht rümlichen Kampfes gegen Unholde nähren und deshalb wandelbarer Natur sind, ihr Grab sich selbst eilig graben wolle. An der Wahrheit dieser Aussage wird ein Ordenskundiger schwerlich zweifeln.

Allein eben so gewiß und wahr ist es, daß die Schale, Umhüllung, welche nicht nur von Uneingeweihten, sondern leider! oft genug auch von Brüdern des Menschheitsbundes für den Kern der Sache ansehen wird, im Laufe der Zeit eine andere Gestaltung und Färbung angenommen hat, ähnlich der Kleidertracht europäischer Völker, die auch trotz alles Wechselns der Bekleidungsart dennoch das ihnen von der Natur einmal aufgedrückte Gepräge behalten, selbst dann, wenn sie es nicht bewahren mögen. Wir müssen bekannten Thatsachen gemäß einräumen, daß die Freimaurerei des achtzehnten Jahrhunderts der Umhüllung nach eine andere gewesen ist, als die des neunzehnten, die gegenwärtig arbeitende, ist; jene war dichterischer, schwärmerischer, phantastischer, gläubiger, edelmännischer, adliger; diese ist nüchterner, verständiger, weil mehr auf sichere Erkenntnis gerichtet, kritischer, praktischer, der bürgerlichen Anschauungsweise entsprechender, lauterer, hinsichtlich der Hauptbedingungen edler, obgleich des adligen Schimmers fast ganz entbehrend.

Dies gilt allerdings von den verschiedenen Abschätzungen, in denen die Freimaurerei nach Maßgabe des einen oder des anderen der sogenannten Systeme erscheint, in verschiedenem Maße; allein den Forderungen des Geistes der Zeit bequemt sich billigst jedes System. Wie der geistvollere und gründlicher gebildete Theil des deutschen Geburtsadels, dem sich von Alters her vermöge seiner Bevorrechtigungen der Gelehrtenstand anschließen und sogar gleichstellen durfte, während des siebzehnten Jahrhunderts mit dem väterlichen Schriftenthume sich mehr oder weniger ernsthaft beschäftigt, es gefördert, oder mit ihm wie mit einem Gegenstande der Liebhaberei in edelmännischer Weise nur gespielt hatte; ganz in demselben Sinne wandte er sich um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts einer von sehr lästig gewordenen Vorurtheilen freiern Anschauung des Lebens zu und förderte kräftigst und erfolgreich das, was man damals Humanität nannte, nämlich die Gesammtheit dessen, was dem Menschen als einem mit Vernunft begabten Wesen zu sinnen und zu thun geziemt. Er erwarb sich dadurch beim Volke nicht etwa blos edelmännisches Ansehen und wahrhafte Achtung, sondern vielmehr um die fortschreitende Bildung ein unermeßlich großes Verdienst, für welches ihm die späte Nachwelt zu unvergänglichem Danke verpflichtet bleibt.

Ob nun gerade jeder mit hellem oder gar deutlichem Bewußtsein von dem Endziele gewirkt habe, ist eine Frage, die ich hier nicht beantworten mag: genug für uns, daß er segensreich wirkte. Die Eitelkeit der höheren gesellschaftlichen Stellung ward deshalb von den meisten sichtbarlich nicht abgelegt, bei vielen sogar gesteigert. Auch sehen die edelmännischen Freimaurer in ihren Bauhütten Kaufleute und Handwerker nicht immer gern, wie außer anderen Thatsachen das bezeugt, was Lessing in seinem Gespräche "Ernst und Falk" andeutet; ja ich finde eine solche Abwehr in Betracht der Zeit weit weniger tadelnswerth, als Lessing sie gefunden zu haben scheint. Die Folge der Abschließung der sogenannten freien Männer mit reinmenschlichen Bestrebungen auf einen engen Kreis war eine Menge der wunderlichsten Vorstellungen, welche sich der gemeine Mann theils unter Einwirkung der Geistlichkeit, theils ohne dieselbe von den Freimaurern bildete und zusammensetzte.

Scheu und Grauen vor diesen sprechen sich in dem aus, was man einander zuflüstere; das Gerede Klatsch zu nennen, würde man Unrecht thun, weil ihm fast durchgängig beim gemeinen Manne das wesentliche Merkmal des Klatsches, die heimtückische Absicht, den Nebenmenschen zu schaden und wehe zu thun, unverkennbar mangelte. Einer erzählte dem Andern das, was er gehört hatte und vielleicht selbst glaubte, ohne es verbürgen zu können. In Ermangelung eines passenderen Wortes nenne ich daher die Erzählungen, welche ich hier mitzutheilen mir erlaube, Sagen.

Verborgenes reizt die Wißbegier, es zu entdecken; Geheimes dagegen erregt das Gefühl des Unheimlichen, weil es wie außerhalb der Gesetze erscheint, die durch ihre Deutlichkeit der Einbildungskraft den Spielraum verengen und der Sonne gleich Nebel zerstreuen. Nun liebt der gebildete Mensch, welcher der Wohlthaten und der Vortheile der Gesetze sich bewußt ist, das Gesetzmäßige und macht es gern überall geltend. Das ihm unbequeme Geheime sucht er daher sich auch zu erklären d. h. auf Gesetze, die er nach seiner Eigenständigkeit erfindet, zurückzuführen. Das Volk verfährt hierbei im Allgemeinen kaum anders, als der Forscher auf den Gebieten der Natur, der Geschichte, der Sprachen u.s.w.; es macht Annahmen, Hypothesen, um das zu begreifen, wovon es wenig oder nichts weiß.

Unwissenschaftliche Gemenge der Vorstellung des gemeinen Mannes von Dingen, die er nicht kennt, aber gern kennen möchte, aus jenen bisweilen entsprungenen Mären und Sagen befriedigen dasselbe allgemeine menschliche Bedürfniß wie scharfsinnige Verknüpfungen von Gedanken, Annahmen, Voraussetzungen, Hypothesen des Mannes der Wissenschaft. An manchen Nachwehen des Mittelalters, während dessen geheime Kenntnisse zwar sehr übel berufen, dennoch selbst mit vorgeblicher Gefahr des ewigen Seelenheiles eifrigst gesuchte Gegenstände waren, kränkelte trotz aller Bemühungen um die jetzt von einer gewissen Partei gehaßte Aufklärung das vorige Jahrhundert sehr bedenklich, kränkeln viele noch in der Gegenwart.

Die den Uneingeweiheten verhüllte Freimaurerei, welche ihren Jüngern zur Ausbeute im gemeinsten Sinne werthvolle geheime Kenntnisse zu versprechen schien, hat mehr al einen zur Theilnahme mittelst ihres Schleiers angereizt und von ihrem Anfange an das mittelalterliche Schicksal gehabt, nach Annahmen, die auf Hörensagen beruheten, gerichtet und verdammt zu werden. Professor Hengstenberg hat in dieser Gattung der Geschäftigkeit vermöge des ihm eigenen Abscheuens von Erforschungen und Untersuchungen, die ohne Vorurtheile und Absichten mit verständiger Prüfung angestellt werden, Erstaunliches geleistet, die ohne Vorurtheile und Absichten mit verständiger Prüfung angestellt werden, Erstaunliches geleistet, aber nicht einmal so viel Glauben gefunden, als Karl Vogt, L. Buchner, Jak. Moleschott, und andere mit ihren äußerst kühnen und gleich tapferen Behauptungen von der Beschaffenheit seelischer Thätigkeiten. Denn diese dürfen wenigstens darauf pochen, daß sie als Gelehrte vom Fache eine Seite des Gegenstandes, die leibliche, kennen, während Prof. Hengstenberg als Sachunkundiger sich nur das Vergnügen machen konnte, über freimaurerische Fragen Thörichtes zu sprechen und in seiner Thorheit sich und seinen Mahngenossen zu gefallen.

Jahrzehnte vorher, ehe ich mich in den Orden aufnehmen ließ, beschaute ich mir dessen Außenseite, insofern man von einer solchen reden kann, ungefähr wie man die Außenseite eines altehrwürdigen Gebäudes, einer Burg, eines hehren Domes, ringsherum zu beschauen pflegt, ehe man dessen Inneres betritt. Schon als Knabe hörte ich gern von Freimaurern erzählen; denn wie die meisten Kinder, die Mären von Räubern, Gespenstern und anderen unheimlichen Dingen eben des Unheimlichen und Grausigen wegen mit Vorliebe lauschen, zog auch mich das tiefe Geheimnis, da Dämmerlicht, in welches der Orden vor den Augen der Ueingeweiheten auf und nieder schwebt, lebhaft an. Doch hatte mir Bürger treffliche Ballade "die Kuh" eine sehr vortheilhafte Meinung von Freimaurern beigebracht.

Nun lebte im Hause meiner Eltern ein alter Mann. Er war um 1720 in Merseburg geboren, hatte sicherlich eine für die damalige Zeit ungewöhnlich gute Schulbildung erhalten, da er das Deutsche richtig sprach und schrieb, des Französischen mächtig, des Lateinischen nicht unkundig war, auch etwas vom Italienischen verstand, umfassende und, was Nummern und Zahlen betraf, sehr sichere Kenntnisse in der Erdbeschreibung besaß, so daß er aus freier Hand die Umrisse der Länder und die Lage der vornehmsten Orte in ihnen zeichnen und nach dem Wappen die adeligen Familien nennen konnte. Dazu war er wie ein Pfarrer bibelfest, aber hinsichtlich seines kirchlichen Glaubens, wie mir schien, nicht immer in vollkommener Uebereinstimmung mit dem lutherischen Katechismus. Naturerscheinungen faßte er von der wunderbaren Seite auf, weil sie wohl einem ihm ganz fremden Gebiete des Wissens angehörten. Aus früherem Wohlstande war er in drückende Dürftigkeit versunken, weil er, wie ich aus Andeutungen der Eltern entnahm, gegohrene Getränke mehr, als zuträglich ist, liebte.

Da die Merseburgischen Eindrücke aus frühester Jugend in ihm unverlöscht fortlebten, so beklagte er wie ein Unglück, daß die dortige Nebenlinie des sächsischen Kurhauses ausgestorben war. Dankbarlichst pries er seinen Wohlthäter, den guten Herzog Moritz Wilhelm, und die Erinnerung an denselben war vielleicht Ursache, daß er vom Dresdnischen Hofe weniger günstig dachte. In Folge der Leiden und der schweren Verluste, die Sachsen während des siebenjährigen Krieges zu erdulden gehabt hatte, haßte er von ganzer Seele Preußen, besonders Berlin, und übergoß mit der ätzenden Lauge seines Witzes alles, was Berlinischen Ursprung verrieht. Von Frankreich, dessen Staatsumwälzung ihm mit allem, was ihr folgte, höchst widerwärtig war, sprach er mit Verachtung und Spott; England dagegen verehrte er fast eben so hoch wie das Kaiserthum der Deutschen, das er leidenschaftlich über alle Herrlichkeiten der Welt erhob. Er hatte ein viel bewegtes Leben durchgemacht und war als Kaufmann weit herumgekommen, daher an eigenen Anschauungen und Erfahrungen aller Art ungewöhnlich reich; doch überschätzte er, lobpreisend die Vergangenheit, den Werth der gesellschaftlichen Zustände des achtzehnten Jahrhunderts. In Leipzig hatte er sich seiner Geschäfte wegen oft und gern aufgehalten und viele der Helden der aufblühenden deutschen Literatur, von denen er gar schnurrige und nicht immer löbliche Dinge berichtete, persönlich gekannt.

Dies genüge, das Gepräge des Mannes zu erkennen, der, weil er lebendig und anziehend zu erzählen verstand, an mir jeder Zeit den willigsten, aufmerksamsten und den dankbarsten Zuhörer hatte. Aus seinem Munde stammen viele der nachstehenden Sagen, denen die ursprüngliche Färbung wieder zu geben, mir nur sehr unvollkommen gelingen wird; denn mehr als fünfzig Jahre liegen zwischen damals und jetzt, eine weite Kluft, die zwei ganz verschiedene Weisen, Dinge aufzufassen und über sie zu denken, von einander trennt. Nach damaliger Erziehungsweise mußte ich von meinem achten Lebensjahre an ein Tagebuch führen, da ich aber, weil ich von mir und meinen Thaten nichts zu berichten hatte oder ungern auf sie einging, Sonntags mit Dispositionen gehörter Predigten und mit erbaulichen Sprüchen, Werkeltages mit Märchen und Erzählungen, die ich gehört oder gelesen hatte, anfüllte. Es ist längst verloren gegangen, doch nur weniges aus ihm meinem Gedächtnisse entschwunden; nur der Namen der Personen entsinne ich mich nicht mehr genau, nenne sie daher lieber nicht. Für die Sache sind sie ohne Bedeutung. Der Leser wird, wenn ich es auch nicht ausdrücklich bemerke, wahrnehmen, daß jener Mann, der ein Lebensalter von mehr als neunzig Jahren erreichte, den Orden der Freimaurer nicht angehörte und über ihn trotz seiner sonstigen Freiheit von gemeinen Vorurtheilen befangen und unfreundlich dachte. Es schien ihm fast unzweifelhaft zu sein, daß sämmtliche Freimaurer zu höheren Geistern, bösen mehr als guten, in einem geheimen unenträthselbaren Verhältnisse ständen, über das er sich folgerichtig nicht näher erklärte, also meine Neugier in dieser wesentlichen Hinsicht nicht befriedigte. Seinen Argwohn bestärkte er durch die Aussage, daß er nur reiche und wohlhabende Freimaurer gekannt habe und Männer, die aus zerrütteten Vermögensumständen in wohlgeordnete durch Aufnahme in den Orden gekommen seien.

Doch zur Sache. Erläuterungen werde ich nicht beifügen, Erklärungen nicht versuchen, Vergleichungen nicht anstellen.*)


*) Allerdings weiß ich, daß der bildungsgeschichteliche Werth der Sagen und Mären durch Vergleichungen erhöht wird; doch die Freimaurerzeitung muß ihrer nächsten Bestimmung den Raum sparen. Wer die richtige und überaus reiche Literatur der Sagen und Mären Deutschlands kennt, wird Aehnliches leicht entdecken und die Erklärungen vom immer geschäftigen und gefälligen Volksgeiste ohne langes Bitten erhalten.




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