Senatsempfang 300 Jahre Freimaurer

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Bürgermeister Olaf Scholz
Der Gastredner Prof. Dr. Norbert Lammert leitete seinen Vortrag mit einem Satz von Kurt Tucholsky ein, „einem bekennenden Freimaurer“, so Lammert: „Nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter, als sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein.“
„300 Jahre Freimaurerei – das ist ein stolzer Geburtstag. Er verweist auf 300 Jahre des Ringens um Vernunft, Freiheit, Toleranz und Humanität in Europa und erinnert daran, dass die Errungenschaften unserer liberalen, demokratischen und offenen Gesellschaft immer wieder verteidigt werden müssen.“ Bürgermeister Olaf Scholz (zweiter von links) hat beim Senatsempfang die Gründung der weltweit ersten Großloge der Freimaurer im Jahr 1717 gewürdigt. Den Festvortrag hielt Bundestagspräsident Norbert Lammert (dritter von links).
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"Künftig werden wir weiter daran arbeiten, uns von den Märchen und Mythen, die uns leider noch immer nachhängen, aktiv zu lösen. Das wird uns helfen, unsere Bedeutung offensichtlicher zu machen. Wir werden über unsere in der Aufklärung und dem Humanismus verankerten Traditionen und Ziele verstärkt informieren."
Prof. Dr. Stephan Roth-Kleyer (rechts)

Senatsempfang 300 Jahre Freimaurer

Quelle: Reden des ersten Bürgermeisters auf Hamburg.de


8. Mai 2017 – Senatsempfang 300 Jahre Freimaurer
Grußwort des Ersten Bürgermeisters, Olaf Scholz

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
sehr geehrter Herr Professor Roth-Kleyer,
sehr geehrter Herr Stuwe,
sehr geehrter Erster Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrte Frau Doyenne,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

1717 war ein in vielerlei Hinsicht aufregendes Jahr: Im Großen Nordischen Krieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum zeichneten sich die Niederlage Schwedens und der Aufstieg Russlands ab. In England wurde die Pockenimpfung eingeführt und in Preußen die Allgemeine Schulpflicht. An der deutschen Nordseeküste forderte die Weihnachtsflut etwa 11.000 Menschenleben. Am 16. Mai 1717 wurde der 23-jährige Voltaire in der Bastille inhaftiert, weil er ein Spottgedicht auf den französischen Regenten Philippe von Orléans verfasst hatte. 11 Monate wegen Majestätsbeleidigung für den späteren Wortführer der Aufklärung und das Mitglied der Pariser Freimaurerloge Les Neuf Sœurs.

Das Jahr 1717 bewegte sich hin und her zwischen Altem und Neuem: Kant und der spätere Hamburger Freimaurer Lessing waren noch nicht geboren, aber in den europäischen Geisteszentren, allen voran Paris und London, kündigte sich das Zeitalter der Aufklärung längst an. Im Vereinten Königreich war der Kampf gegen den Absolutismus bereits ausgefochten und eine Parlamentarische Monarchie installiert, in Frankreich geriet das Ancien Régime zunehmend in Erklärungsnot. Die Zeit war reif für Veränderungen.

In diese Phase des Übergangs fiel die Gründung der Londoner Großloge am 24. Juni 1717. Sie war ein Signal des Aufbruchs und der bürgerlichen Emanzipation. Hamburg, das schon damals auf eine lange Tradition der Weltoffenheit und Toleranz zurückblicken konnte, war besonders empfänglich für die Ideale der Aufklärung und wie prädestiniert für die Freimaurerei, die diese Ideale aufgriff. Und so überrascht es nicht, dass die erste deutsche Loge 1737 in Hamburg entstand. Sie trug zunächst den französischen Namen „Loge d´Hambourg“ und wurde später in „Absalom zu den drei Nesseln“ umbenannt.

Meine Damen und Herren,

300 Jahre Freimaurerei – das ist ein stolzer Geburtstag. Er verweist auf 300 Jahre des Ringens um Vernunft, Freiheit, Toleranz und Humanität in Europa und erinnert daran, dass die Errungenschaften unserer liberalen, demokratischen und offenen Gesellschaft immer wieder verteidigt werden müssen.

Es passt gut, dass das Jubiläum der Freimaurer in die „Europa-Woche“ des Hamburger Senats fällt. Europa ist der Kontinent der Aufklärung. In dem europäischen Friedens- und Demokratieprojekt haben die Werte der Aufklärung ihre politische Entsprechung gefunden. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz – diese Werte halten Europa auch heute in seinem Innersten zusammen.

Toleranz und Brüderlichkeit vorzuleben und in die Öffentlichkeit zu tragen, das ist eine ganz wichtige Aufgabe der Freimaurer. Deren Relevanz für die Zukunft wird entscheidend davon abhängen, ob es ihnen gelingt, im öffentlichen Diskurs hörbar und überzeugend für die freimaurerischen Grundideale einzutreten. Weltanschaulich unabhängig, aber parteilich für Toleranz und Menschlichkeit, das ist kein Widerspruch, sondern gehört zusammen.

Wir haben in den vergangenen Monaten erfahren müssen, dass Freiheit und Toleranz auch bei uns keinesfalls für alle Zeiten garantiert sind. Mit Großbritannien wird ein Mutterland der Demokratie die Europäische Union verlassen. Autokraten und Populisten versuchen, das vereinte Europa und die westliche Nachkriegsordnung infrage zu stellen. Das fordert die demokratischen und liberalen Kräfte heraus. Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass die Populisten in Frankreich nun – nach Österreich und den Niederlanden – zum dritten Mal in Europa mit dem Versuch gescheitert sind, ein hohes Staatsamt zu erringen. Die Hoffnung, dass es der Europäischen Union jetzt gelingen wird, ihre Aufgaben zu überdenken und neu zu justieren, ist berechtigt. Die Wahlen in Frankreich sind ein gutes Signal für alle, die sich ein starkes und liberales Europa wünschen.

Meine Damen und Herren,

die Geschichte Hamburgs ist eng mit den Freimaurern verknüpft. Die Liste berühmter Hamburger Logenbrüder ist entsprechend lang: Neben Lessing stehen darauf zum Beispiel der Dichter Friedrich Klopstock und der Philosoph Johann Gottlieb Fichte, der Buchhändler Johann Bode und der Theatermann Friedrich Ludwig Schröder, Carl Hagenbeck und Axel Springer und die Bürgermeister Amandus Augustus Abendroth, Heinrich Kellinghusen und Georg Heinrich Sieveking. Wenn Sie nachher das Rathaus verlassen, das ebenfalls von einem Freimaurer erbaut wurde, können Sie unter den 56 Hamburger Persönlichkeiten, die an den Säulen porträtiert sind, 13 Freimaurer entdecken, unter ihnen Gabriel Riesser, der erste jüdische Richter in Deutschland.

Auch an Carl von Ossietzky, den in Hamburg geborenen Friedensnobelpreisträger und Herausgeber der „Weltbühne“, der im KZ zu Tode geschunden wurde, denken wir an diesem 8. Mai. Der 72. Jahrestag der Befreiung Deutschlands von der nationalsozialistischen Herrschaft erinnert uns daran, wie schwer es auch vielen Freimaurern zunächst fiel, sich eindeutig von den Nationalsozialisten zu distanzieren.

„Freimaurerei ist nichts Willkürliches, nichts Entbehrliches, sondern etwas Notwendiges, das im Wesen der Menschen und in der bürgerlichen Gesellschaft gegründet ist“, ließ Lessing seinen Falk in den „Gesprächen für Freimaurer“ sagen. Und dieser Satz gilt immer noch. Wir brauchen die Freimaurer als gesellschaftliche Stimme für Toleranz und Menschlichkeit und für ein Europa, in dem diese Werte gelebt werden. Wir brauchen sie als gesellschaftliches Angebot, wo das „laute Denken unter Freunden“, wie Lessing es nannte, eingeübt und praktiziert werden kann – unter Frauen nicht weniger als unter Männern, unter denen, die hier geboren wurden, genauso wie unter denen, die aus aller Welt hinzugezogen sind.

Ich wünsche allen Freimaurern und Freimaurerinnen, dass sie einen guten Weg zwischen Diskretion und Öffentlichkeit finden und dass sie den Mut haben, sich weiterzuentwickeln.

Meinen Glückwunsch zum 300. Geburtstag der Freimaurerei.

Vielen Dank.

8. Mai 2017 18:00 Uhr


Kurzbericht

Quelle: Großloge AF&AM

Anlässlich des 300. Jahrestages der Gründung der weltweit ersten Großloge lud Olaf Scholz, Präsident des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg und Erster Bürgermeister zu einem Empfang in das Hamburger Rathaus. Festredner war Prof. Dr. Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages.

Mehr als vierhundert geladene Gäste, Freimaurer, Politiker, Ehrenbürger der Stadt Hamburg kamen im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses zusammen, um sich an dreihundert Jahre moderner Freimaurerei und die Gründung der ersten Großloge in London im Jahre 1717 zu erinnern. Hamburg scheint der passende Ort für eine solche Veranstaltung zu sein, denn immerhin wurde hier im Jahre 1737 die erste bis heute bestehende deutsche Loge gegründet. Und so wies der Hausherr in seinen Begrüßungsworten auf die lange Tradition der Weltoffenheit und Toleranz hin, die die Hamburger für die Ideale der Aufklärung empfänglich gemacht habe. „300 Jahre Freimaurerei – das ist eine stolzer Geburtstag“, sagte Scholz. „Er verweist auf 300 Jahre des Ringens um Vernunft, Freiheit, Toleranz und Humanität in Europa und erinnert daran, dass die Errungenschaften unserer liberalen, demokratischen und offenen Gesellschaft immer wieder verteidigt werden müssen.“

Toleranz und Brüderlichkeit vorzuleben und in die Öffentlichkeit zu tragen, das ist eine ganz wichtige Aufgabe der Freimaurer. Olaf Scholz

Hamburgs Erster Bürgermeister verwies auf die enge Verknüpfung der Hamburger Stadgeschichte und Hamburger Logenbrüder. Er erinnerte an Gotthold Ephraim Lessing, den Dichter Friedrich Klopstock, den Philosophen Johann Gottlieb Fichte, den Buchhändler Johann Bode, den Theatermann Friedrich Ludwig Schröder sowie an den Zoologen Carl Hagenbeck, den Verleger Axel Springer und die Bürgermeister Amandus Augustus Abendroth, Heinrich Kellinghusen und Georg Heinrich Sieveking. „Wenn Sie nachher das Rathaus verlassen, das ebenfalls von einem Freimaurer erbaut wurde, können Sie unter den 58 Hamburger Persönlichkeiten, die an den Säulen portraitiert sind, 13 Freimaurer entdecken, unter ihnen Gabriel Risser, der erste jüdische Richter in Deutschland.“

Der Hamburger Distriktmeister der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland bedankte sich in seiner Einführungsrede, dass man in einem solchen prächtigen Rathaus feiern darf und bezeichnete dies als einen Meilenstein, erfolgte doch die Gründung der an diesem Tag gefeierten Großloge recht unprätentiös in einer Londoner Kneipe. Er wies darauf hin, dass das von einem Freimaurer miterbaute Rathaus eines sei, bei dem der Bürger keine Stufen emporsteigen müsse und bezog sich damit auf einen der Grundsätze der Freimaurerei, sich als Menschen auf gleicher Ebene zu begegnen.

Der Gastredner Prof. Dr. Norbert Lammert leitete seinen Vortrag mit einem Satz von Kurt Tucholsky ein, „einem bekennenden Freimaurer“, so Lammert: „Nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter, als sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein.“ Er brachte diesen Satz in Verbindung mit der Rolle der frühen Freimaurer, die sich nach seinen Worten außerhalb der Zünfte befanden und damit nicht eingebettet waren in das bestehende System. Doch eben dieser dort entwickelte und gepflegte Freiheitsgedanke habe sich zu einem Anziehungspunkt entwickelt.

Der Redner betonte, wie passend der 8. Mai als Datum sei, um auch der Gründung der Freimaurerei in einer Feierstunde zu gedenken: Am 8. Mai 1945 wurden die Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges eingestellt, er wird als Tag der Befreiung gefeiert, und am 8. Mai 1949 wurde das Grundgesetz beschlossen, und fügte lächelnd hinzu: „gegen die Stimmen der der KPD und der CSU“.

Prinzipien lassen sich leichter loben als leben. Prof. Dr. Norbert Lammert

„Freimaurer“, lobte Lammert, „fühlen sich über alle Unterschiede hinweg den gleichen Zielen verbunden.“ Er verschwieg aber nicht die Verirrungen in der Nazizeit, als große Teile der bürgerlichen Freimaurerei versuchten, sich mit den Nationalsozialisten zu arrangieren. Verirrungen, wie er es nannte, die aber nicht halfen und nicht schützten.

In seiner Rede beschäftigte er sich intensiv mit den Prinzipien der Freimaurerei. Wie viel Freiheit braucht ein Mensch und wie viel Freihet verträgt er, fragte er herausfordernd. Wie lasse sich der Anspruch auf Freiheit mit dem gleichzeitigen Anspruch auf Gleichheit vereinbaren? Muss man auch Intoleranz tolerieren? Überhaupt nahm Toleranz einen breiten Raum seiner Ausführungen ein. Er sprach von ihr als dem großen Bruder der Freiheit. „Wer wirklich individuelle Freiheit will, muss zur Toleranz bereit sein oder er muss auf Freiheit verzichten.“ Toleranz sei mehr als die Duldung des Anderen, sondern dessen Akzeptanz.

Freiheit, Gleichheit, Chancengleichheit, Teilhabe und Gerechtigkeit waren weitere Themen, und er wies darauf hin, dass es bei allem ein Mindestmaß an Verbindlichkeiten brauche, ohne die eine Gesellschaft ihre Unterschiede nicht aushalten könne. „Je unangefochtener die Errungenschaften zu sein scheinen, umso weniger gern erinnert man sich an die Mühen, mit denen sie errungen wurden.“

Am Schluss beglückwünschte er die Freimaurer „zu diesem Jubiläum mit dem ausdrücklichen Wunsch, dass in den nächsten 300 Jahren diese Prinzipien von Freiheit und Gleichheit und Brüderlichkeit und Toleranz als Voraussetzung einer humanen Gesellschaft sich unangefochtener durchsetzen als das über die letzten 300 Jahre zu beobachten war.“

Der Großmeister der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland, Prof. Dr. Stephan Roth-Kleyer, bedankte sich beim Senat für die Möglichkeit, den Festredner „in dieser glanzvollen Atmosphäre zu empfangen“. Er bedankte sich überdies bei seinen Vorrednern für die motivierenden und zielgerichteten Perspektiven, die erkennen ließen, dass die Freimaurer auf dem richtigen Weg seien.

Künftig werden wir weiter daran arbeiten, uns von den Märchen und Mythen, die uns leider noch immer nachhängen, aktiv zu lösen. Das wird uns helfen, unsere Bedeutung offensichtlicher zu machen. Wir werden über unsere in der Aufklärung und dem Humanismus verankerten Traditionen und Ziele verstärkt informieren. Prof. Dr. Stephan Roth-Kleyer

Ferner bedankte sich der Großmeister für das große Engagement des Distriktes Hamburg und allen Freimaurern und Sympathisanten in und um Hamburg, die das Gelingen des Empfanges möglich gemacht haben, auch den zahlreichen Sponsoren.

Zum Schluss der Veranstaltung erinnerte er an die Caritas, die den Freimaurern neben allen anderen Zielen ebenfalls wichtig seien und überreichte einen Spendenscheck der Großloge über 10.000 € an die Friedrich Ludwig Schröder Kinderstiftung, die Kindern in alleinerziehenden bedürfigen Familien hilft, die in der Region Hamburg leben.


Siehe auch

Medien