Slowakei

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Die Hauptstadt Bratislava: Links die Burg; rechts die Altstadt, heute wieder ein beliebtes Touristenzentrum. Im Vordergrund die Donau (70 km aufwärts liegt Wien). Hinter dem Rücken des Fotografen ist ein großer Stadtteil aus der kommunistischen Zeit (viele Plattenbauten). Bratislava zählt 420.000 Einwohner (2014).

Slowakei

‚Vel’ká Lóža Slovenska’ = Großloge der Slowakei

Selten Hochs, manche Tiefs, doch langsam geht es aufwärts

Die Entwicklung der Freimaurerei in der Slowakei ist eng verzahnt mit der Historie des Landes und genau so wechselhaft: über Jahrhunderte ein Auf und Ab. Also lässt sie sich gut entlang der Geschichte der letzten 250 Jahre erzählen. Seit den Nullerjahren ist jedenfalls Land in Sicht. Von Rudi Rabe aus Wien.

Vor 1918: Die Österreichisch-Ungarischen Monarchie

Die Slowakei gehört bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918 zum Vielvölkerimperium der Habsburger; genauer: zum Königreich Ungarn. Die Hauptstadt Bratislava – damals Poszony (= ungarisch) oder Pressburg – liegt kaum 70 Kilometer von Wien entfernt. Diese Konstellation reflektiert auch die Entwicklung der Freimaurerei bis 1918.

Mitte des 18. Jahrhunderts: Wie in Wien sind die masonischen Anfänge wegen der Gegnerschaft Maria Theresias sehr mühsam; aber unter ihrem Sohn Joseph II gibt es ab den 1770iger Jahren einen gewissen Aufschwung. Über die Schicksale der ersten Logen in der damals kleinen Stadt Pressburg ist wenig bekannt. Genannt werden im Internationalen Freimaurer-Lexikon: ‚Zur Verschwiegenheit’, ‚Zur Sicherheit’, ‚Zur Vereinigung’. Diese Logennamen lassen wohl Rückschlüsse auf die Mitglieder zu: vor allem Angehörige des kleinstädtischen deutschsprachigen Bürgertums und des multilingualen Adels. Slowakisch als normierte Sprache entsteht erst langsam; das Idiom wird damals vor allem von der Landbevölkerung gesprochen.

Die gute Zeit für die Freimaurer dauert nicht lange. 1795: Nach dem Verbot unter Franz II./I., dem Nachnachfolger Joseph II., ist es in Pressburg viele Jahrzehnte genau so vorbei wie in Wien.

1867 bis 1918: Die Zeit der Wiener Grenzlogen

1867 wird das Habsburger-Imperium neu geordnet. Es wird in eine österreichische und eine ungarische Reichshälfte geteilt: mit dem Habsburgerkaiser (damals Franz Joseph I.) als verbindende Klammer. Die Slowakei gehört zu Ungarn.

Innenpolitisch sind beide Reichshälften autonom. Und so kommt es, dass das neue liberale Vereinsgesetz des ungarischen Teils die Freimaurerei zulässt, während auf der österreichischen Seite, zu der auch Böhmen und Mähren (heute: Tschechien) gehören, praktisch alles beim alten bleibt. Die Folge: In Ungarn und damit auch auf dem Gebiet der heutigen Slowakei entstehen Logen und bald auch eine Großloge: die ‚Symbolische Großloge von Ungarn’ mit Sitz in der Hauptstadt Budapest.

Pressburg ist mit 50.000 Einwohnern viel kleiner als Wien. Die meisten Logen, die dort jetzt gegründet werden, sind de facto Wiener Logen: Sie werden in Wien als Kulturvereine angemeldet und über der innerstaatlichen Landesgrenze in Pressburg als Freimaurerlogen geführt; daher: ‚Grenzlogen’. In Wien treffen sich die Brüder nichtrituell, und zu Logenarbeiten fahren sie nach Pressburg. Ein rundes Dutzend solcher Grenzlogen wird bis 1918 eingerichtet: Die meisten haben heute Nachfolgelogen in Wien.

1918 bis 1939: Die Republik Tschechoslowakei (CSR)

Jetzt ist wieder alles anders. Das Habsburger-Imperium zerfällt, und einer der Nachfolgestaaten ist die Tschechoslowakei: der Zusammenschluss von Böhmen und Mähren und der Slowakei. In dieser Republik können nun genau so wie in der benachbarten ebenfalls neu entstandenen Republik Österreich Freimaurerlogen gegründet werden; übrigens im Gegensatz zum ungarischen Nachfolgestaat, wo der autoritäre Herrscher Miklós Horthy alles Masonische sehr rasch verbietet. Kompliziert? Also: Wien und die neue Hauptstadt Prag bekommen ein neues, liberales Vereinsrecht; Pressburg wird zu Bratislava und behält sein liberales Vereinsgesetz; und Budapest wird zur unfreien Diktatur.

Die Freimaurerei floriert vor allem in Prag, also im tschechischen Landesteil; aber auch in anderen Städten der neuen Republik, wie eben in Bratislava. Allerdings: Die Grenzlogen übersiedeln 1918 sofort nach Wien, wo sie eine eigene Wiener Großloge gründen. Da sich auch in Österreich die Verhältnisse geändert haben, gibt es für sie keinen Grund mehr, in Pressburg/Bratislava zu bleiben.

In der Tschechoslowakei entstehen nun zwei ethnisch-orientierte Richtungen: von Anfang an Logen der deutschsprachigen Minderheit unter der Großloge: ‚Lessing zu den drei Ringen’; bald aber auch die tschechisch-slowakische Großloge ‚Narodni Velika Loze Ceskoslovenska’ (= Nationale Großloge der Tschechoslowakei). Beide werden von der ‚Vereinigten Großloge von England’ anerkannt: das Gütesiegel der ‚regulären’ Freimaurerei. Das ist nicht selbstverständlich angesichts der engen Beziehungen des neuen tschechoslowakischen Staates zu Frankreich.

1939 bis 1945: Eine Slowakei von Hitlers ‚Gnaden’

Die gute Zeit dauert gerade einmal zwei Jahrzehnte. 1939 zerschlägt Hitler die Tschechoslowakei. Das mehrheitlich deutschsprachige ‚Sudetenland’ auf der tschechischen Seite wird dem Deutschen Reich angeschlossen, die ‚Resttschechei’ vom deutschen Militär besetzt, und die Slowakei wird ein neuer Staat von Hitlers ‚Gnaden’. Staatschef Tiso dreht die Freimaurerei nach dem Vorbild der Nazis sofort ab.

Die weiterhin für beide Landesteile zuständige Großloge ‚Narodni Velika Loze Ceskoslovenska’ emigriert nach London, wo sie während des Zweiten Weltkriegs Asyl bekommt.

1945 bis 1948: Die zweite tschechoslowakische Republik (CSR)

Nach der Niederlage Hitler-Deutschlands wird die Tschechoslowakei 1945 wiedererrichtet: allerdings in der Einflusszone von Stalins Sowjetunion und mit einer dementsprechend mächtigen Kommunistischen Partei. Ein paar Jahre gibt es auch wieder Logen: allerdings nur von der 'Narodni Velika Loze Ceskoslovenska’. Die Logen der ‚Lessing zu den drei Ringen’ können nicht mehr belebt werden, wurde doch die deutschsprachige Minderheit in den Monaten nach Kriegsende von den neuen Herren vertrieben.

Aber auch die tschechoslowakischen Logen bekommen bald Gegenwind: Die Kommunistische Partei erringt in den letzten freien Wahlen eine relative Mehrheit.

1948 bis 1989: Die kommunistische Tschechoslowakei (CSSR)

1948 putschen sich die Kommunisten endgültig an die Macht. Staatspräsident Edvard Beneš - ein Freimaurer - tritt zurück; ein Kommunist folgt ihm. Und nun beginnt auch der Abstieg der Freimaurerei: Loge um Loge sperrt zu, die letzte und die Großloge 1951.

Kosmopolis - gegründet 2003
Ein Exemplar des 'Kvapil-Rituals' im 2. Grad der Loge in Košice
Jaroslav Kvapil (1868 bis 1950)

Bald wird die Freimaurerei in dem jetzt kommunistischen Staat wie in fast allen Diktaturen auch gesetzlich verboten. Von den neuen Machthabern wird sie als bürgerliches Relikt einer überwundenen Zeit verunglimpft.

Vier Jahrzehnte vergehen bis der Kommunismus 1989 implodiert. Die ‚Revolution aus Samt’ (weil es keine Todesopfer gibt) stellt die demokratische Republik wieder her. 28 tschechoslowakische Freimaurer sind nach dieser langen Durststrecke noch am Leben. In den Jahrzehnten davor sollen sie sich dann und wann heimlich getroffen haben; manchmal sogar mit Brüdern der ‚Vereinigten Großloge von England’ und der ‚Großloge von Finnland’. Das war mutig: Die CSSR war zumindest in ihren ersten Jahren ein totalitärer Terrorstaat.

1989 bis 1992: Die postkommunistisch-demokratische Tschechoslowakei (CSR)

Nun entsteht wieder eine Demokratie: Freimaurerlogen sind erlaubt. Die ‚Großloge der Tschechoslowakei’ wird am 17. November 1990 in Prag wieder belebt. Noch im selben Jahr wird sie von England ebenso anerkannt wie von vielen anderen Großlogen.

Aber dieser Staat existiert nur vier Jahre, dann teilt er sich in Tschechien und in die Slowakei.

Ab 1993: Die demokratische Republik Slowakei

Die tschechoslowakische Großloge wird nun umbenannt in ‚Großloge der Tschechischen Republik’ mit Sitz in Prag. Dennoch behält sie auch nach 1993 die Jurisdiktion über die Logen in der neuen Slowakei. Jahrelang bleibt es unklar, wie es in der Slowakei weitergehen soll. Doch dann entsteht wieder Bewegung: Am 8. Mai 1998 gründet die ‚Großloge der Tschechischen Republik’ eine ‚Distrikts-Großloge der Slowakei’. Langsam, sehr langsam geht es weiter: Manche Freimaurer in Prag sehen die Verselbständigungstendenzen in Bratislava nicht gern. Es dauert noch mehr als ein Jahrzehnt bis zur Eigenständigkeit.

21. März 2009: Mit einer Charter der tschechischen Großloge und unterstützt von der ‚Vereinigten Großloge von Deutschland’ und der ‚Großloge von Österreich’ wird aus der Distrikts-Großloge eine souveräne ‚Großloge der Slowakei’: die ‚Vel’ká Lóža Slovenska’ (Großloge der Slowakei).

Ein Dutzend Großmeister und Delegierte von mehr als zwanzig europäischen Logen sind bei der Festarbeit präsent. Schon zehn Tage vorher kam die Anerkennung aus London. Viele weitere werden folgen, darunter praktisch alle europäischen Großlogen.

Stand 2016: Die slowakische Freimaurerei ist gesichert

Die Kette ist noch klein: In der Slowakei gibt es bei gut fünf Millionen Einwohnern eine Großloge mit ungefähr 120 Freimaurern. Diese verteilen sich zu ungefähr gleichen Teilen auf vier Logen:

Vier Logen arbeiten in Bratislava:

  • Humanizmus (1993): französisches Ritual auf Slowakisch.
  • Kosmopolis (2003): Kvapil-Ritual auf Englisch.
  • Libertas (2007): Kvapil-Ritual auf Slowakisch.
  • Generál Štefánik (2016)

Seit 2016 gibt es zusätzlich eine Forschungsloge 'Quatuor Coronati'.

Eine Loge arbeitet in Košice (zweitgrößte Stadt der Slowakei: 400 km östlich von Bratislava):

  • Pavol Jozef Šafárik (2014): So hieß schon vor 1939 eine Loge in Košice.
    Pavol Jozef Šafárik war ein slowakischer Kulturwissenschaftler und Dichter in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Loge arbeitet nach dem Kvapil-Ritual auf Slowakisch.

Kvapil-Ritual: Dieses geht auf den tschechischen Dichter, Dramaturgen und Großmeister Jaroslav Kvapil zurück. Es baut auf dem englischen 'Emulation'-Ritual auf, ist aber säkularer. Im Tschechischen klingt es rhythmisch-elegant, die Übersetzung ins Slowakische und Englische ist nur mit sprachlichen Abstrichen möglich.

Die Großloge und einzelne Logen sind im Internet vertreten (siehe unter Links). Zweimal jährlich gibt die Großloge das Printmagazin 'Slobodomurár' ('Freimaurer') heraus. Es ist an ausgewählten Büchereien auch öffentlich zu haben.

Besuch im historischen Logenhaus von Bratislava: Memories ...


Bratislava-T5.jpg

Das Foto links zeigt den letzten Rest der bis heute sichtbaren alten masonischen Architektur: die zwei Säulen neben dem Eingang zum damaligen Tempel. Heute ist das ein Mehrzwecksaal im Haus des Ungarischen Kulturvereins der Slowakei 'Csemadok' (9 Prozent der fünfeinhalb Millionen Einwohner gehören zu ungarischen Minderheit; vor allem im Süden an der Grenze zu Ungarn).

Im späten 19. Jahrhundert arbeiteten die Logen, zu denen vor allem auch die Wiener Grenzlogen zählten, im Grand Hotel (heute Carlton). Nach der Jahrhundertwende erwarben sie ein eigenes Logenhaus. Dieses verblieb den slowakischen Freimaurern auch nach dem Abzug der Grenzlogen nach Wien Ende 1918, allerdings nur noch zwei Jahrzehnte: bis die Freimaurerei 1939 vom faschistischen Tiso-Regime verboten und das Haus enteignet wurde.

Als 1948 die Kommunisten an die Macht kamen und die gerade wiederaufkeimende Freimaurerei neuerlich verboten, blieb das Haus enteignet, und es wurde schließlich zur Heimstätte für den Ungarischen Kulturverein. Dieser setzt den Saal für alle möglichen Veranstaltungen ein: Die beiden Säulen versteht wohl kaum ein Besucher.

Und seit März 2014 endlich wieder ein eigener Tempel

Eine Rückstellung des Hauses an die Freimaurer war nach der politischen Wende nicht möglich, doch hat der Ungarische Kulturverein der wiedererstandenen slowakischen Freimaurerei das Gastrecht eingeräumt. Die Logen von Bratislava durften und dürfen den Saal temporär für ihre Arbeiten benutzen.

Nach längeren Verhandlungen und Finanzierungsüberlegungen erreichte die Großloge schließlich einen Durchbruch: Seit März 2014 verfügt sie in diesem historischen Haus über einen auf Dauer eingerichteten Tempel. Ein fünfzig Jahre laufender Mietvertrag mit dem Kulturverein hat es möglich gemacht. Spenden befreundeter Logen und Großlogen, vor allem aus Österreich und aus Deutschland, haben mitgeholfen. Der neue Tempel wurde am 21. März 2014 eingeweiht: auf den Tag genau fünf Jahre nach der Gründung der selbständigen Großloge der Slowakei.

Siehe auch

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