Traktat: Über die Schwierigkeit der Einigung in Deutschland

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Bildbeschreibung

Von Rüdiger Templin, GM VGLvD

Eine Betrachtung zur Entwicklung der deutschen Freimaurerei im gesellschaftspolitischen Umfeld vor und nach dem Zweiten Weltkrieg für ‚ZEIT & MASS‘, das interne Magazin der Großloge von Österreich

Rostock-Elmenhorst, Januar 2011


Zersplitterung und Uneinigkeit

Der Entwicklung der Freimaurerei am Ende der Weimarer Republik und zu Beginn des Nationalsozialismus kann man nur gerecht werden, wenn die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aus jener Zeit berücksichtigt sind. Im 19. und 20. Jahrhundert wechselten sich durch die bestehende Kleinstaaterei und die Reichsgründung 1871 Bestrebungen nach Einigung und Vereinigung mit solchen der Trennung und Zersplitterung ab, wie es wohl in keinem anderen Land Europas zu beobachten war. Glaubens- und Systemfragen (Christentum und Toleranz, Zinnendorf, Nationalismus und Abgrenzung) blieben über Jahrzehnte Ausgangspunkte für derartige Strömungen und Auffassungen. Waren liberale oder gar pazifistische Sichtweisen in der deutschen Freimaurerei in den Jahren nach dem Desaster des Ersten Weltkrieges noch denkbar, so änderte sich dies durch die aufkommenden politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in den nachfolgenden Jahren. Unter dem Vorsitz von Ludwig Müffelmann bildete sich der freimaurerische ‚Bluntschli-Ausschuss der Deutschen Liga für den Völkerbund‘, der sich die Pflege von liberalem und weltbürgerlichem (kosmopolitischem) Gedankengut zur Aufgabe machte, dem auch sein Sohn Leo Müffelmann und Hjalmar Schacht angehörten.

Mit der verheerenden Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurden die gesellschaftlichen Normen und die sozialen Strukturen in Deutschland entwurzelt. Die wirtschaftliche Not führte sowohl in bürgerlichen Kreisen wie im gesamten Volk zu erheblichen Identitätskrisen, die sowohl von der linken wie von der rechten politischen Szene brutal für sich ausgenutzt wurden. Das Vordringen der kommunistischen wie auch der nationalsozialistischen Gruppierungen gelang mit äußerst geschickter Propaganda und zum Teil erheblicher brachialer Gewalt, die Deutschland an den Rand eines Bürgerkrieges brachte.

In dieser Zeit der wirtschaftlichen Rezessionen hatte natürlich die von den Nazis geführte Propaganda zum Problem der sozialen Unsicherheit ein wirkungsvolles Thema belegt und als Übeltäter des verlorenen Krieges und dieser Weltwirtschaftskrise jüdische Bevölkerungsteile und die Freimaurer als Träger bürgerlicher Werte ausgemacht. Dabei geht die "Verschwörungstheorie" bereits auf den Jesuiten-Pater Augustin Barruel zurück, der 1797 diese in der Schrift ‚Memoire pour servil' a l'histoire du Jacubinisme‘ begründet hatte. Nahezu zeitgleich publizierte in Schottland John Robinson seine Kampfansage gegen geheime Kräfte mit der Schrift ‚Proof of Conspiracy against all the Religions and Governments of Europe carried on in the Secret Meetings of Freemasons, Illuminati and Reading Societies‘, in der er diese beschuldigte, dass sie "die Religion und Obrigkeit vernichten oder beherrschen wollten".

Eine weitere Grundlage für solche Propaganda waren die von dem ehemaligen Chef der Kaiserlichen Obersten Heeresleitung im Ersten Weltkrieg, Erich Ludendorff, verfaßten Schriften über "geheime überstaatliche Mächte der Juden, Freimaurer und Kommunisten" – einer mystischen Sammlung von Ideen zu einem internationalen Netzwerk dieser Gruppierungen mit dem Ziel der Erringung einer Weltherrschaft.

Triebfeder all dieser Schriften aus dem Hause Ludendorff war dessen Frau Mathilde, geb. von Kemnitz, eine Neurologin, die sich von Hitler nicht genügend in ihrem Arier-Wahn gewürdigt fühlte, ja von diesem sogar abgewiesen wurde und so Gemeinsamkeiten bei Ludendorff fand.

Nach Untersuchungen von Hellmut Neuberger war Ludendorff am 2.5.1923 zu einem Festessen der zur GNML gehörenden Münchener Loge ‚Empor‘ als Redner geladen, wobei er folgenden Eintrag ins Gästebuch leistete: "Das Vaterland fordert von der nationalen deutschen Freimaurerei, harte Charaktere und Tatmenschen zu erziehen". Ein Gesuch um Aufnahme ist jedoch ebenso wenig belegt wie die Teilnahme als Profaner an der damaligen Tempelarbeit.

Ludendorff und Alfred Rosenberg zitierten die so genannten ‚Protokolle der Weisen von Zion‘ in ihren Hetzkampagnen gegen die Freimaurerei und beschuldigten diese der jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung, wobei diese Legende als Kern aller antijüdischen und antifreimaurerischen Hasstiraden verwendet wurde. Dabei handelte es sich um eine russische Erfindung von S.A. Nilus, der in ‚Velikoje w Malom i Antichristi‘, ein angebliches Treffen von 27 Freimaurern, das anläßlich des Zionisten-Kongresses 1897 in Basel mit dem Ziel stattgefunden haben soll, die Zerstörung des christlichen Abendlandes und die Errichtung einer Weltherrschaft anzustreben.

Der Nachweis der Fälschung dieser Protokolle gelang erst 1921 durch den Journalisten Philip Graves von der Londoner ‚Times‘. Sowohl er als auch der Russe Wladimir Bartsev verweisen zu Recht auf den Ursprung dieser Story aus einer Satire von 1864, die auf den französischen Kaiser Napoleon III. mit dem Titel ‚Dialog in der Hölle zwischen Machiavelli und Montesqieu‘ durch den Brüsseler Rechtsanwalt Maurice Joly verfaßt wurde. Schließlich wurde der Stoff dieser Satire zu einem Roman mit antisemitischen und antifreimaurerischen Inhalten von Hermann Gödsche verarbeitet, der 1868 unter seinem Pseudonym Sir John Retcliff jr. mit dem Titel ‚Biarritz‘ erschien.

Dieser Rückblick auf die Ursachen der antifreimaurerischen Propaganda verdeutlicht, mit welcher Raffmesse einerseits eine Fälschung, die bereits 1921 nachgewiesen wurde, als Argument genutzt und andererseits mit welcher Leichtfertigkeit diese von der Bevölkerung übernommen wurde. Das sinnlose Sterben im verheerenden Krieg von 1914 bis 1918 und der Wechsel von einer kaiserlich-nationalen zu einer demokratisch-liberalen Gesinnung hat auch zur Suche nach neuen ethischen Werten und einem humanistischen Lebenstraum geführt, die zahlreiche Interessierte und Suchende an die Pforten der Bauhütten kommen ließ – eine Situation, wie wir sie in Deutschland erst wieder nach dem Zusammenbruch des so genannten "Real existierenden Sozialismus" beobachten konnten.

Die soziale und wirtschaftliche Not als Folge des Ersten Weltkrieges brachte der Freimaurerei mit dem Anspruch ihrer humanistisch-ethischen und demokratischen Werte in den zwanziger Jahren zunächst eine Blütezeit, wobei 1925 unter den 74.000 Brüdern in Deutschland alleine 22.896 der ‚Großen Nationalen Mutterloge Zu den drei Weltkugeln‘ (GNML 3WK) angehörten, von denen aber bis 1932 unter dem Druck der aufkommenden Nazi-Propaganda 15 % gedeckt hatten. Selbst bedeutende deutsche Freimaurer verkannten die Gefahr des herauf ziehenden Faschismus und wandten sich mit Erklärungsversuchen unter Beteuerung einer "völkischnationalen Gesinnung" schon sehr früh an die neuen Machthaber.

Die deutsche Freimaurerei war bereits in der Nachkriegszeit heillos über die Mittel und Wege zerstritten, mit denen man den sich abzeichnenden politischen und gesellschaftlichen Strömungen begegnen könnte. Dies betraf vor allem die Systemfragen in den einerseits national-christlich und andererseits humanistisch ausgerichteten Großlogen. So nahmen die humanistischen Großlogen von Hamburg, Frankfurt und Bayreuth ab 1932 Verbindung zur GL von England (UGLE) und nach vorrausgegangener Anerkennung der Grand Loge de France auch zum Grand Orient de France (GOF) auf. Das wurde von den altpreußischen Großlogen mit ihren zunehmend radikal-nationalen Ansprüchen vehement mit den Worten abgelehnt, dass "dies der nationalen Würde widerspricht". Im Bundesblatt 7/8 1932 heißt es wörtlich: "Die Großlogen von Hamburg, Frankfurt und Bayreuth sind in amtliche Beziehungen zu der Großen Loge von England getreten, ohne Rücksicht auf die zu erwartenden Auswirkungen dieses Schrittes …. Die Infamierung des deutschen Volkes durch Versailles verpflichtet jeden Freimaurer zum Protest, zur tatkräftigen Arbeit an der Beseitigung dieses Diktates".

Der GM der GNML Karl Habich konnte mit der liberal gesinnten Berliner Fraktion die Einheit dieser GL nur mit Mühe retten. Die Große Landesloge (GLL) formulierte gar "wir können den Feinden unseres Vaterlandes keine brüderliche Hand bieten“. Und die GL von Preußen (RY) meinte, dass sie „weder in Gedanken noch in Wirklichkeit eine Kette mit ihnen (den englischen Brüdern) bilden … können". Diese GL hatte seit 1872 wieder jüdische Brr. aufgenommen, die sie nun ab 1924 nach Rückkehr zum christlichen Prinzip ausschloß bzw. nicht mehr aufnahm. Die Entwicklung wurde durch den Psychoterror der NS-Ideologen und ihrer willfährigen Hand langer in der SA und auf der Straße begünstigt bzw. beschleunigt. Gemäß dem Heydrich-Befehl zum "Verjährensbescheid für den Bezug von Unbedenklichkeitsbescheinigungen für ehemalige Mitglieder freimaurerischer oder ähnlicher Gliederungen" erfolgten die Repressionen als öffentliche Diskriminierungen, im wirtschaftlichen und beruflichen Karriere-Umfeld mit Entlassungen und Entbindungen von Funktionen. Solche weder humanen noch inhaltlich haltbaren Formulierungen sollen auch mit einem Hinweis auf eine Notiz des ‚Mecklenburgischen Logenblattes‘ von 1932 dokumentiert werden: "Br. Graff liefert den Nachweis, dass eine Reihe germanisch-deutscher Wesenszüge im Brauchtum der Großen Landesloge wiederkehren. Freimaurerei ist ein germanischer Bund von Blutsbrüdern".

Nur wenige der deutschen Großlogen verdeutlichten ihren Mitgliedern, was von diesem Deutschland zu erwarten war, löschten deswegen vor dem allgemeinen Verbot die Lichter und lösten ihre Vereinigungen auf. So zog die erst 1931 gegründete ‚Symbolische Großloge von Deutschland‘ mit ihren etwa 1052 Mitgliedern bereits 1933 die Konsequenzen und löste sich und ihre Logen auf. Das freimaurerische Licht wurde am 27. März 1933 durch den Gründer und ersten Großmeister, den Rostocker Bruder Leo Müffelmann, nach Jerusalem in die zu ihr gehörende JL ‚Zur Quelle Siloah‘ gebracht, wo es während der Dunkelheit im Nazireich in der ‚Symbolischen Großloge von Deutschland im Exil‘ weiter brannte.

Der Tochterloge ‚Lessing‘ der ‚Großen Loge von Hamburg‘ gelang es durch Br. Otto Arnemann von der JL ‚Ferdinand zum Felsen‘ im Oktober 1933 trotz der verhängnisvollen Entwicklung, in Valparaiso (Chile) einen Ausschuß zu etablieren, der die freimaurerischen Interessen der „‚Großen Loge von Hamburg‘ wahrnehmen und das Licht während der Dunkelheit in Deutschland bewahren sollte". Sie wurde am 5.11.1933 als Tochterloge der ‚Großen Loge von Hamburg‘ anerkannt. Der Hamburger Br. Cäsar Wolf schrieb 1933: "Es ist ehrenvoller, selbst die Pforten zu schließen, als zu warten, bis andere sie versperren".

Doch die meisten der deutschen Großlogen und der ihnen angeschlossenen Johannis-Logen versuchten den Weg der Anpassung und des Einlenkens auf die gewünschte völkisch-arische Linie, was zwangsläufig zur Folge hatte, dass nicht arische Männer von dem Männerbund ausgeschlossen wurden.


Der schwere Neuanfang in Westdeutschland

Bereits wenige Monate nach Kriegsende begann in den Westzonen des nun geteilten Deutschlands der zaghafte Neuanfang der Freimaurerei mit der Reaktivierung von Logen. Die administrative Leitung des im Chaos versunkenen Deutschland lag in den Händen der vier Besatzungsmächte. Besonders in den völlig zerstörten Ballungsgebieten und Großstädten stand Wichtigeres auf der Tagesordnung, als die Sorge um den Fortbestand der deutschen Freimaurerei. Dennoch versuchten bereits 1945 einige überlebende Brüder Freimaurer-Strukturen zu ordnen und zu reaktivieren. Dabei waren sie bemüht, die vor dem Kriege existierenden Freimaurer-Vereinigungen – es gab immerhin 11 GLL bis 1933 im Deutschen Reich – zusammen zu führen und einer erneuten Zersplitterung entgegen zu wirken. Diese 11 Großlogen waren:

Die sogenannten drei „altpreußischen“ Großlogen: Große National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln (GNML-3WK), gegr. 1740 Große Landesloge (GLL), gegr. 1770 Große Loge von Preußen, gen. Royal York zur Freundschaft (RY), gegr. 1798

Die „unabhängigen“ humanistischen acht Großlogen: Eklektischer Bund (Frankfurt/M.), gegr. 1783 Große Loge von Hamburg, gegr. 1811 Großloge von Sachsen (Dresden), gegr. 1811 Großloge Zur Sonne (Bayreuth), gegr. 1811 Großloge Zur Eintracht (Darmstadt), gegr. 1846 Deutscher Großlogenbund, gegr. 1871 (bis 1922) Großloge Zur Bruderkette (Leipzig), gegr. 1924 Symbolische Großloge von Deutschland, gegr. 1931

In Berlin hatte die sowjetische Militäradministration das Freimaurer-Verbot aus der NS-Zeit nicht aufgehoben. In der umfassenden Dokumentation der GNML wird zu den Nachkriegsereignissen in den westlichen Sektoren von Berlin folgendes berichtet: "Mit stillschweigender Genehmigung der amerikanischen Militärregierung erhielt die Große Landesloge der Freimaurer zunächst ab November 1945 die Möglichkeit, in ihrem stark zerstörten Logenhaus zusammen zu kommen. Mit dem 13. Dezember 1945 wurde dann eine vorläufige Genehmigung zur Wiederaufnahme freimaurerischer Tätigkeit erteilt. Ein vorläufiges geschäftsführendes Bundesdirektorium der GNML erhielt mit dem18. Mai 1946 von der gleichen Militärregierung die offizielle Arbeitserlaubnis für 19 der früheren Logen der Altpreußischen Großlogen (GNML, GLL, RY). Ihr erster Großmeister wurde im November 1946 Fritz Sasse ".

Dem gleichen Bemühen stand in den westlichen Besatzungszonen zunächst das ausdrückliche Verbot zu solchen neuen Landes-übergreifenden Strukturen entgegen. So hatte z.B. im Nordwesten Deutschlands die britische Militärregierung im Mai 1945 in Hamburg die Veranstaltung eines Johannis-Festes mit maximal 20 Teilnehmern gestattet, jedoch die Anfertigung eines Protokolls zur Auflage gemacht.


Dunkelheit über dem Osten Deutschlands

Anders verlief die Entwicklung im Osten während der sowjetischen Besatzung und in der DDR über fast 60 Jahre, d.h. über mehr als zwei menschliche Generationen! Unmittelbar nach Kriegsende ist der Fortbestand von Logen mit allerdings lokal sehr kurzzeitiger Wiederbelebung für Leipzig, Cottbus, Weimar, Jena, Meiningen, Altenburg, Halle, Magdeburg, Pößneck, Chemnitz und Dessau beschrieben. In Dresden sollen sich nach Angaben von Th. Richert am 26.6.1946 zu Johanni 134 Brüder aus 14 Logen versammelt haben.

Die nicht zerstörten Logenhäuser wurden nun von Parteiverwaltungen der SED und Institutionen der sich bildenden sozialistischen Einheitsgesellschaft oder Universitäten genutzt, wie dies auch während des NS-Regimes geschehen war. Es war kein Platz für die Freimaurerei in dieser wie in der vergangenen Gesellschaftsform. Wenn die Freimaurerei überhaupt noch erwähnt wurde, so bezeichnete man sie als Relikt der untergegangenen bürgerlichen Gesellschaft, die sich überlebt habe.

Die Folgen des Zweiten Weltkrieges und der Diktatur des Proletariates stalinistischer Prägung verhinderten im Osten unseres Vaterlandes eine Hinwendung, insbesondere der jungen Generation, zu einem freimaurerischen Gedankengut. Dies scheint sich erst in den letzten Jahren auch unter Nutzung multimedialen Informationsmöglichkeiten geändert zu haben.

Vor 1949 ließ die sowjetische Besatzungsmacht jeden, der in Verdacht geriet, nicht genehmigte Versammlungen, auch mit freimaurerischem Hintergrund, organisieren zu wollen, in ihren berüchtigten Lagern verschwinden. So geschehen beispielsweise mit dem Ober-Justizrat Franz Lachmann aus Schwerin, vormaliger Redner der Schweriner Loge ‚Isis zu den drei Sphinxen‘, der bis 1948 im berüchtigten Lager Fünfeichen in Neubrandenburg verschwand und danach in weiteren Zuchthäusern inhaftiert war. Nach seiner Entlassung 1955 berichtete er in West-Berlin über Verhältnisse im Lager Fünfeichen, die einem mittelalterlichen Strafvollzug Ehre gemacht hätten.

Obwohl zum Teil die Symbolik in der damaligen DDR u. a. im Staatswappen (Hammer, Zirkel) ineinander verschlungene Hände im SED-Abzeichen und auch Lieder mit symbolträchtigem Inhalt (Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!) trügerisch an Freimaurerei denken ließen, blieben nach Meinung der Chefideologen in Partei- und Staatsführung die Freimaurer politische Gegner.

In ‚Meyers Neuem Lexikon‘ der Ausgabe von 1962 ist zur Freimaurerei folgendes zu lesen: "im Wesentlichen kosmopolitisch, auf Gedanken der Aufklärung aufbauende bürgerlicher Bewegung, mit mehr oder weniger politischen Zielen, z. T. philantropische Bestrebungen ... Die Zugehörigkeit führender Männer des öffentlichen Lebens zur Freimaurerei sicherte ihr zeitweise starken wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Einfluss. Als Riten und Symbole werden spielerisch verzerrte Bräuche mittelalterlicher Bauwerker verwendet, die Mitglieder sind als Brüder in örtlichen Logen und länderweise vereinigt“, wobei kein Wort darüber vermerkt ist, dass in der damaligen DDR die Freimaurerei verboten blieb.

Ende der 80er Jahre war man im Politbüro der SED der Meinung, dass Staatsbürger aus der so genannten Mittelschicht und dem bürgerlichen Lager mit liberalem Gedankengut – als ideologisch-gegnerische Kräfte angesehen – noch nicht ausreichend der totalen Überwachung unterlagen. So wurde der Beschluss umgesetzt, solche Teile der Bevölkerung, wie es sie nach der bürgerlichen Revolution von 1848 in den ‚Deutschen Freidenker-Bund‘ zog, der 1881 von L. Büchner gegründet wurde und in der Weimarer Republik seinen Niederschlag fand, als eine Art „Trojanisches Pferd“ zu nutzen, um "feindlich-negative Kräfte", wie es im üblichen Jargon der Staatssicherheit hieß, „flächendeckend abzuschöpfen“.

In Anspielung auf diesen Bund der Freidenker wurde 1988 in diesem Gremium beschlossen, einen solchen in der Absicht zu gründen, um oppositionelle Kräfte und Andersdenkende aufzudecken, die sich bisher nur konspirativ trafen. Die mit einem gewissen propagandistischen Aufwand betriebene Gründung des ‚Deutschen Freidenker-Verbandes‘ sollte bei dem genannten Personenkreis Aufmerksamkeit und Hoffnung auf Liberalität und Gedankenfreiheit wecken. Gemäß einem in der Bezirksverwaltung Rostock entdeckten Befehl des Stellv. Ministers für Staatssicherheit, Generaloberst Mittig, vom 30. Dezember 1988 wurde der Verband der Freidenker mit folgender Zielstellung unterwandert: "Die Leiter aller Diensteinheiten des MfS haben durch Ziel gerichteten Einsatz der operativen Kräfte diesen Prozess der Bildung und Profilierung der Vorstände zu unterstützen …. Unter der Federführung der HA XX … sind die politische Zuverlässigkeit der vorgesehenen Kader zu prüfen, die Vorstände und Gruppen rechtzeitig mit geeigneten operativen Kräften zu durchdringen ..., Versuche der Unterwanderung der Vorstände und Gruppen durch negativ-feindliche Kräfte zu verhindern. Von allen Diensteinheiten ist ständig zu prüfen, welche Möglichkeiten des Verbandes zur Unterstützung des MfS bei der Lösung spezifischer Aufgaben genutzt werden können".

Der damalige Rektor der Humboldt-Universität zu Berlin, der Professor für Theologie (!) Helmut Klein, wurde zum Präsidenten dieses Bundes ernannt, sowie weitere 80 hauptamtliche Mitarbeiter des MfS mit der Überwachung des Vereins beschäftigt. Ziel dieser Konstruktion war es also, mit einem Netz entsprechender Informanten jede oppositionelle und liberale Denkweise und Struktur zu unterdrücken und Mitglieder in ihre nachrichtendienstliche Tätigkeit sogar einzubinden. An eine Zulassung der Freimaurerei in ihrer Tradition, wie sie uns seit 1717 bekannt ist, war also nicht zu denken. Wie in der DDR, war in allen Formen von Diktaturen und ähnlichen Gesellschaftssystemen die Freimaurerei stets geächtet. Eine Ausnahme macht hier die Republik Kuba, wo unter Fidel Castro die Freimaurerei bis heute geduldet wird.


Die Entwicklung des Deutschen Modells ‚VGLvD‘

Die Meister vom Stuhl von sechs Hamburger Logen beantragten nach dem Kriege unter der Leitung vom ZGM der GL von Hamburg, Bruder Wilhelm Hintze, ehemaliger Pastor der St. Katharinen-Kirche, eine Wiedergründung, die jedoch abgelehnt wurde. Bruder Hintze und Bruder Herbert Buchwald aus Darmstadt ließen sich nicht entmutigen, trafen sich in Bensheim bei Darmstadt am 10. November 1945 und gründeten die ‚Bundesgroßloge von Deutschland‘ mit dem Ziel, einer erneuten Zersplitterung zuvor zu kommen, wobei die bestehenden Großlogen als Sprengel-Logen Nord und Süd weiter Bestand haben sollten. Die Gründung der ‚Bundesgroßloge von Deutschland Zu den Alten Pflichten‘ im November 1945 hatte allerdings keine Zukunft. Sie existierte wegen des Verbotes der westlichen Militärregierungen nur knapp zwei Jahre.

Dieser Versuch der Brüder kann aber als der Vorläufer zur späteren erfolgreichen Einigung der deutschen Freimaurerei, die in der Paulsk irche in Frankfurt am Main im Mai 1958 durch Bruder Theodor Vogel zur ‚Vereinigten Großloge (Singular !) von Deutschland‘, der VGLvD erfolgte, angesehen werden. In der Frankfurter Arbeitsgemeinschaft von Freimaurerlogen waren alle früheren Großlogen mit Ausnahme der GLL repräsentiert. Der Aachener Rechtsanwalt August Pauls und der Schweinfurter Unternehmer Theodor Vogel waren die Motoren einer neuen Einigungsbewegung, die eine dauerhafte Konstruktion einer vereinigten Freimaurerei im Auge hatten, wie sie der Schriftführer der Großen Loge von Preußen, Br. August Horneffer bereits gefordert hatte. Auch nach diesem Scheitern war der Neubeginn in den westlichen Besatzungszonen in den Wirren der Nachkriegszeit durchaus nicht leicht. Genehmigungen zur Reaktivierung von Freimaurerlogen bedurften der Zustimmung auch der übrigen Besatzungsmächte. Diese wurden zunächst für eine GL von Niedersachsen und Bayern sowie einer Großloge Einigkeit im französisch verwalteten Baden-Württemberg erreicht, da die Zulassung freimaurerischer Wiedergründungen durch diese Militärverwaltungen zunächst nur auf der jeweiligen Landesebene ermöglicht wurden. Länderübergreifende größere Vereinigungen waren und blieben zunächst verboten. Schließlich gelang Br. Th. Vogel 1948 auch die Gründung einer fränkischen ‚Großloge Zur Sonne‘, was die Rückübertragung früherer Immobilien ermöglichte.

In Hamburg führte dies zwangsläufig dazu, dass beispielsweise die JL ‚Zur Bundestreue an der Elbe‘ (der später auch Hjalmar Schacht beitrat) und ‚Zur Bruderkette‘ (beide ehemals zum Eklektischen Bund in Frankfurt am Main gehörig) sowie die zur Bayreuther GL gehörende JL ‚Zum Sonnenwinkel mit der Alten Treue‘ und Mitgliedern der ehemaligen Tochterlogen der GL ‚Royal York zur Freundschaft‘ sich unter dem Namen ‚Vereinigung der Freundschaftslogen‘ am 1. November 1945 zusammenschlossen.

Weitere 11 Reaktivierungen bzw. Logengründungen erfolgten in Hamburg in den Jahren 1945/46, die gemäß Verfugung Nr. 122 der britischen Militärverwaltung vom 20. Mai 1948 bestätigt wurden. Zeitgleich wurden Logen reaktiviert in Lübeck (‚Zur Weltkugel‘), Kiel (‚Frithjof zum Nesselblatt‘), Bremen (‚Herder‘, ‚Anschar zur Brüderlichkeit‘), Hannover (‚Friedrich zum weißen Pferde‘, ‚Baldur‘), Hameln, Braunschweig, Celle und Osnabrück, die in Gegenwart des GM aus Hamburg am 20.07.1946 mit ihrem GM Bruder Schmorl aus Hannover die Niedersächsische Provinzialgroßloge bildeten.

Auf der Großmeisterversammlung beschloß der gegründete Großmeister-Verein 1948 in seiner Präambel, dass die deutsche Freimaurerei sich als ein Teil der Weltbruderkette betrachtet, ein Novum in der jüngeren freimaurerischen deutschen Geschichte und ein Signal der Abkehr von der bisher geübten isolatorischen und nationalen Haltung für die Brüder im Ausland. Dies hatte den Durchbruch in der Haltung der Brüder zur Folge, die am 19.6.1949 in der Frankfurter Paulskirche sich unter der Hammerführung des ersten Großmeisters Theodor Vogel zur ‚Vereinigten Großloge AFuAM von Deutschland‘ zusammen schlossen. Dieser gehörten zunächst 163 Logen einschließlich 43 frühere Logen der GNML, 35 frühere RY -Logen und 4 GLL-Logen an. Die beiden alten Großlogen GNML (30 JL) und GLL (80 JL) existierten jedoch zunächst weiter.

Wegen des besonderen politischen Status in Berlin war hier eine gesonderte Lösung zu finden. Daher gründete die GL RY mit ihren und den früher zur Großen Loge von Hamburg gehörenden Berliner Logen die Vereinigte Großloge in Berlin. Diese traten 1954 der in Frankfurt gegründeten VGL AFuAMvD bei. Nachdem im gleichen Jahr die GLL in einer Erklärung kein Trennendes zwischen christlichen und humanitären Systemen mehr sah und der Druck aus Skandinavien und der Vereinigten Großloge von England (Erlaß der UGLE von 1956) spürbar erhöht wurde, fanden sich alle Gesprächspartner auf der GM-Konferenz in London am 14.6.1957 zu einigenden Verhandlungen ein. Vorbereitend zum ersten Konvent in Berlin verabschiedeten daraufhin am 17.5.1958 die VGL AFuAMvD und die GLL eine Magna Charta als Grundlagen für eine gemeinsame Zukunft unter dem Dach einer gemeinsamen Organisation, den ‚Vereinigten Großlogen von Deutschland – Bruderschaft der Freimaurer‘.


Eine Regelung mit brüderlicher Vernunft

Am 14.9.1958 fand diese historische Vereinigung auf dem ersten Konvent in Berlin statt und hat bis heute Bestand. Aus der VGL AFuAMvD wurde die GL AFuAMvD. Die GLLvD trug nun die Zusatzbezeichnung Freimaurer-Orden (FO). Nach weiteren 12 Jahren schlossen sich die Reste der GNML und die auf deutschem Boden arbeitenden Provinzial-Großlogen der westlichen Streitkräfte als GL der British Freemasons in Germany (GL BFG) und American-Canadian GL (ACGL) den VGLvD an.

Auf dem alle 3 Jahre abgehaltenen Konvent wird der GM der VGLvD gewählt, wobei nur eine Wiederwahl möglich ist, der Senat Vorschlagsrecht für einen Kandidaten hat und der neu zu wählende GM alternierend aus den Mitglieds-GLL wechselt. Die 5 Mitglieds-GLL sind paritätisch entsprechend ihrer Mitgliedsstärke im Senat vertreten.

Die wesentlichen Aufgaben dieses Amtes sind die souveräne Vertretung aller deutschen Freimaurer gegenüber dem Ausland und der Öffentlichkeit, die Förderung der Einheit der Freimaurerei und der freimaurerischen Forschung. Die GLL-internen Angelegenheiten bleiben das souveräne Arbeitsgebiet der Mitglieds-GLL einschließlich ritueller Belange und eigener spezifischer und allgemeiner Öffentlichkeitsarbeit in ihren Wirkungsbereich.

So ist unter schwersten Bedingungen im Westen Deutschlands ein Wiederbeginn mit vielen Mühen und Opfern möglich geworden, der sich bisher als ein stabiler status quo im auch politisch wiedervereinigten Deutschland und als ein Beispiel für (Ver-)Einigungsbestrebungen in anderen Ländern anbietet, wenn Probleme zur Überwindung einer Spaltung einer Lösung bedürfen.

Literatur beim Verfasser Rostock-Elmenhorst, 10.1.2011 Manuskript für ‚Zeit & Maß‘ (GLvÖ)