Traktat: Freimaurerei als Lebensphilosophie

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Freimaurerei als Lebensphilosophie

Einführung in die Philosophie

In der Philosophie (griechisch φιλοσοφία philosophía, wörtlich „Liebe zur Weisheit“) wird versucht, die Welt und die menschliche Existenz zu deuten und zu verstehen. Von den anderen Wissenschaften unterscheidet sie sich dadurch, dass sie sich nicht auf ein spezielles Gebiet oder eine bestimmte Methodologie begrenzt, sondern durch die Art ihrer Fragestellungen und ihre besondere Herangehensweise an ihre vielfältigen Gegenstandsbereiche charakterisiert ist. Die Philosophie, also die "Liebe zur Weisheit" hat seit Jahrtausenden bestand und hat über die Zeit verschiedene Richtungen und Deutungen erfahren. Vereinfacht gesagt beschäftigt sich die Philosophie mit zwei Themengebieten. Das eine Gebiet fragt nach dem "Was ist?" und das andere Gebiet beschäftigt sich mit der Frage "Was soll bzw. soll nicht geschehen?"

Was gehört zu einer Philosophie?

Dann heißt Lebensphilosophie das Leben zu deuten und zu lieben. Hierin bietet die Freimaurerei einen möglichen Ansatz sich einen möglichen Rahmen für eine Lebensphilosophie auszuwählen. Wie bei jedem Rahmen sind Grenzen gesetzt. Der Inhalt innerhalb dieser Grenzen gilt es durch den einzelnen Freimaurer für sich selbst auszufüllen.

Aus diesem Ansatz wird klar, dass es nicht nur eine Lebensphilosophie gibt sondern, dass jeder seiner eigenen Lebensphilosophie folgt. Eine Lebensphilosophie basierend auf den Werten der Freimaurerei ist hierbei aber kein Ausschluss von anderen Systemen und Philosophien, da es auf den Werten Toleranz, Freiheit, Liebe und Brüderlichkeit beruht.

Aus meiner Sicht gehört es zu einer Lebensphilosophie im Sinne der Freimaurerei dazu sich über die Grundlegenden Fragen des Lebens Gedanken zu machen. Exemplarisch hierfür sind Fragen bzw. Aufgaben wie,

  • Wer bin ich?
  • Wie nimmt mich die Welt wahr?
  • Wie erscheint die Welt um mich herum?
  • Welchen Beitrag kann ich für eine Gemeinschaft leisten?
  • Was ist absolute Wahrheit und gibt es diese?
  • Was ist Freiheit?
  • Was ist die Bestimmung des Menschen?

..... und viele weitere Fragen.

Freimaurerei ist wie die Philosophie eine Wissenschaft, da sie im wahrsten Sinne des Wortes "Wissen schafft", aber nie vollkommen ist. Mit dem Lernen allein ist es nicht getan. Wissen - Wollen - Können. Alles drei macht zusammen ein Ganzes aus. Was ich damit ausdrücken möchte: man lernt, man beginnt es umzusetzen, man lebt Freimaurerei. Als Gesinnung, als Lebensphilosophie - und doch immer noch nicht vollkommen.

Ich sehe deshalb anstelle einer Laufbahn von A nach B lieber den Lehrling als Mittelpunkt eines Kreises, der mit der Erreichung des Gesellengrades erweitert wird - aber immer noch den Lehrling beinhaltet. Mit der Erhebung zum Meister wird dieser Kreis noch weiter und beinhaltet trotzdem Lehrling und Gesellen. Wo kommt die Freimaurerei her?

Die offizielle Gründung der heutigen Freimaurerei fand am 24. Juni 1717 mit der Gründung der ersten Großloge in London statt. Von dort haben alle regulären Logen ihr Patent bekommen. Seit dieser Zeit ist vieles dokumentiert bis in die heutige Zeit. Es gab jedoch auch die operativen Logen vor dieser Zeit. Jedoch ist alles was vor dieser Zeit liegt und auf eine mögliche Herkunft der Freimaurerei auf die Tempelritter, Rosenkreuzer und vieles mehr was geschrieben ist, ist reine Spekulation, da nichts eindeutig wissenschaftlich belegt ist. Fakt ist aber, dass es schon seit Jahrtausenden immer wieder Organisationen gab die ihre Existenz nach außen hin mit einem Schleier des unnahbarem und geheimnisvollen umgeben hat.

Freimaurerlogen aus der operativen Zeit waren weitestgehend frei und unabhängig von anderen Organisationen und haben sich nur an ein höheres Gesetz verpflichtet gefühlt, wobei sie die Religion und den Staat in dem sie tätig waren jederzeit akzeptieren. Das sorgte natürlich schon immer für Neid und Missmut bei den Außenstehenden. Diese Organisationen sind nicht steuerbar und haben einen Bereich, der von außen nicht einsehbar ist. Das sorgt immer wieder für Unterstellungen und Verschwörungstheorien. Die Rituale werden von Enthüllungsschriftstellern auszugsweise veröffentlicht und aus ihrem Gesamtkontext gerissen, sowie seit Leo Taxil einfach Sachen dazugedichtet. Heutzutage kann man die Rituale im Internet oder einer Bibliothek nachlesen. Diese Betrachtung ist aber nur eindimensional, da nur das gelesene Wort vorhanden ist. Mittlerweile gibt es auch über das Medium Fernsehen oder Internet Teile von Ritualen, die teilweise noch nicht mal freimaurerisch sind, aber als solche einem vermittelt werden. Auch hier wird einem nur ein Ausschnitt der Realität gezeigt und mehr wird auch für Außenstehende nie zu sehen sein.

Das Ritual in seiner Form als Wechselgespräch ist eine besondere Form, um Inhalte ethisch moralischer Natur zu vermitteln. Es ist mehrdimensional, da es einen Menschen auf den verschiedenen Sinnesebenen anspricht, d.h. Auditiv (hören), Visuell (sehen) und Emotional (Gefühlsebene), sowie taktile Elemente (Berührung/Bewegung).

Ein Teil der vermittelten Lebensphilosophie bedeutet hier, sich in Verschwiegenheit zu üben, da unser Ritual der sogenannten Arkandisziplin unterliegt.

Ich bin Freimaurer - Was macht einen Freimaurer aus?

Die Frage wird jeder Freimaurer für sich selbst beantworten und somit wird jeder hier seine eigene Auffassung dazu haben. Für mich ist es die Beschäftigung mit der Geschichte der Freimaurerei, den Werten und Tugenden die vermittelt werden und unser Ritual. Freimauer zu sein ist eine Selbstverpflichtung zu ethischen Werten und Moralvorstellungen, die der Humanität dienen, sowie sich in den Tugenden wie z.B. Demut, Selbstbewusstsein und Standhaftigkeit zu üben. Das sind hehre Ziele und die Erfüllung dieser ist alles andere als einfach. Zu Beginn - als Lehrling - geht es erst einmal darum sich in der Organisation zurecht zu finden und sich selbst zu erkennen. Es wird erst einmal ein Bewusstsein geschaffen und man wird langsam an das Ritual und die Deutung der Symbole herangeführt.

Als Geselle geht man in die Welt hinaus und übt sich als Mitglied der Gemeinschaft der Freimaurer und auch im profanen Leben miteinander aus zu kommen. Der Geselle soll um sich schauen.

Der Meister, als der höchste Grad der blauen Freimaurerei - der Johannismaurerei -, schaut über sich. Er ist reif an Erfahrung und hat einen gewissen Überblick. Als Meister arbeitet man aktiv in der Loge mit und hat eine gewisse Fürsorgepflicht für die Lehrlinge und Gesellen, um den Geist der Freimaurerei weiter zu vermitteln.

Freimaurerei ist als solches eine Initiationsgemeinschaft. Das Vermitteln von Wissen erfolgt hier über die schrittweise Heranführung an das Ritual und dessen Inhalte.

Die sieben freien Künste

In den hermetischen Initiationsgemeinschaften kannte man die sieben freien Künste.

Die freien Künste standen nur freien Männern offen. Hierin findet sich eine interessante Parallele zur Freimaurerei. In den alten Pflichten der Freimaurerei heißt es, ein Freimaurer kann nur ein "Freier Mann von gutem Ruf" werden.

Die sieben freien Künste kann man auf die Freimaurerei anwenden indem man die zum Trivium gehörenden Künste (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) dem Lehrling zuordnet. Das Trivium beschäftigt sich mit dem Bereich der Sprache.

Die Künste aus dem Quadrivium teilen sich mit der Arithmetik und der Geometrie auf den Gesellengrad und mit der Musik und der Astronomie auf den Meistergrad auf. Es werden hierbei die Bereich der Logik und Emotionen angesprochen.

Die ersten drei Künste Grammatik, Rhetorik, Dialektik beschäftigen sich mit der Sprache, aber nicht in der Art und Weise wie wir es uns heute vorstellen. Es geht in erster Linie darum sich über die Sprache im Umgang mit Menschen zu üben und hierüber die eigene Sozialkompetenz und Emotionale Intelligenz auszubauen und ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Die Arithmetik und Geometrie lehrt die Wesenheit der Zahlen und deren Verhältnis zueinander. Die Harmonie und Logik ist hierbei ein Wesentlicher Bestandteil. In der operativen Freimaurerei finden wir hierzu Beispiel mit dem goldenen Schnitt oder der Körperstudie nach Vitruv. Mit der Musik wird das Verhältnis der Zahlen in den Bereich des Auditiven überführt. Mit der Musik werden Gefühle ausgelöst. Wir können uns durch harmonische Musik in eine positive Stimmung versetzen und dadurch positive Gedanken auslösen.

Die letzte der sieben Künste ist die Astronomie mit der Lehre der Himmelskörper und Ihrer Bewegung. Wie oben so unten, wie es im Kybalion heißt. Alle Gesetzmäßigkeiten im All finden wir auf der Erde und in uns wieder. Die sieben freien Künste bieten sich für die Freimaurerei an, um sich die Dinge bewusst zu machen und über den Weg der Sprache, Logik, Emotionen, Harmonie und des Weltganzen sich den Themen zu nähern. Durch die Übung und das Erlebnis bieten sich Möglichkeiten, sich als Mensch zu verbessern. Wie es im englischen also heißt "to make a good man better". In der Kommunikationslehre gibt es eine interessante Lebensweisheit dazu, die es für mich auf den Punkt bringt.

Unsere Gedanken werden zu unseren Gefühlen,
Unsere Gefühle werden zu unseren Worten,
Unsere Worte werden zu unseren Taten,
Unsere Taten werden zu unseren Gewohnheiten,
Unsere Gewohnheiten bilden unseren Charakter,
Unser Charakter bestimmt unser Schicksal.

Autor unbekannt

Die Freimaurerei ist eine Lebens-Schule der Charakterbildung, die über die Sprache, Logik und Harmonie den Verstand und die Emotionen eines jeden weiterentwickelt, der sich darauf einlässt und für sich freiwillig den Weg zur inneren Zufriedenheit schaffen möchte Symbolbedeutung und Ritualfähigkeit - Was bringt mir die Freimaurerei?

Was mit Emotionen im weitesten Sinne zu tun hat ist verpönt. Jeder von uns kennt die Situationen in unserem Alltag in denen nur nach dem Prinzip "Was bringt es mir" gehandelt wird. Jeder ist somit nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht und die Menschlichkeit geht verloren.

In den freimaurerischen Ritualen werden ethisch moralische Werte vermittelt. Auch wenn sich das jetzt hochtrabend anhören mag, unter dem Strich geht es darum einander zu respektieren, miteinander zu reden und zuzuhören, sowie die Fähigkeit Meinungen in Frage zu stellen ohne den andern bloß zustellen. Durch die Rituale und die regelmäßige Wiederholung tritt ein nachhaltiger Effekt ein. Die im Ritual vermittelten Symbole werden allgegenwärtig. Die Vertiefung und Belegung zusätzlicher Bedeutungen der Symbole obliegt einem jeden Freimaurer selbst. Somit ist der Rahmen und Boden unserer Ausführung gleich, jedoch der Aufbau der Mehrdimensionalität ist bei jedem Freimaurer unterschiedlich.

Eine weitere Erfahrung des Rituals und der Gespräche ist es, dass ein bewussteres Wahrnehmen erfolgt. Im Ritual werden die Sinne geschärft und unterbewusstes kommt in das Bewusstsein. Mir ist es schon öfter passiert, dass ich nach einer sogenannten Tempelarbeit neue Ideen hatte, mir Entscheidungen in den Sinn gekommen sind oder ich einfach wusste was zu tun ist. Warum ist das so? Eine mögliche Erklärung hierfür kann die Loslösung aus dem Alltagsstreß sein. Einfach mal weg von der Gehetztheit und dem Streß. Diese eine Stunde ist für mich somit Gold wert.

Das Ritual und die Symbole geben mir somit Zuversicht, Hoffnung und Mut. Es werden Situationen und Verhaltensmuster deutlicher, bewusster. Hieraus ergeben sich durch das bewusste Wahrnehmen ganz andere Optionen und somit die Wahlfreiheit wie wir auf die äußeren Einflüsse und Situationen reagieren können. Was macht Freimaurerei zur Lebensphilosophie?

Es gibt keinen festen Lehrplan in der Freimaurerei. Über die Einteilung der Grade ist eine gewisse Reihenfolge der beinhalteten Themen festgeschrieben. Alles wird von jedem selbst erkundet und aufgedeckt werden. Jedoch unterstützen die Brüder bei der Auswahl der Themen aus dem eigngen Erfahrungsschatz und stehen mit Rat und Tat zur Seite. Somit ist die Freimaurerei holistisch und für jeden individuell ergründbar auf Basis von generalistischen Werten zur Selbsterziehung und Entwicklung mit einem humanitären Ansatz.

Unser Ritual und unsere Zusammenkünfte sind uns eine Richtschnur und Winkelwaage, alles geschriebene nur eine Anregung den eigenen Verstand zum nachdenken zu benutzen. Die Vertiefung nimmt jeder Freimaurer für sich selbst vor und entscheidet über die Geschwindigkeit und seinen Fortschritt selbst. Wichtig hierbei ist nur, dass man sich keinem zeitlichen Druck unterzieht und stets im Geiste offen bleibt, sowie sich von seinen Vorurteilen befreien kann. Der Lohn hierfür ist ein bewusstes an sich arbeiten, sich seiner Stärken und Schwächen klar werden und eine die innere Zufriedenheit.

Das Lehrgebäude der Freimaurerei beinhaltet einen Aufruf zum eigenen Mut, zur innerer Einkehr, sich selbst und anderen zu Vertrauen, gibt Hoffnung und Zuversicht in schwierigen Situationen des Lebens und ist auf Gemeinschaft ausgerichtet.

Mit diesen Inhalten und Werten ist die Freimaurerei für mich zur Lebensphilosophie geworden.

Ich schließe meinen Vortrag mit einem Gedicht von Schiller ab.

Des Menschen Taten und Gedanken wißt,
sind nicht wie Meeres blind bewegte Wellen.
Die innere Welt, sein Mikrokosmos ist
der tiefe Schacht, aus dem sie ewig quellen.
Sie sind notwendig wie des Baumes Frucht;
sie kann er Zufall gaukelnd nicht verwandeln.
Hab ich des Menschen Kern erst untersuch,
so weiß ich auch sein Wollen und sein Handeln.
(Wallenstein - Friedrich von Schiller)

Dirk Kristek, Donnerstag den 21. Oktober 2010
info@freimaurer-friedberg.de

Quellennachweis

  • Wovon lebt der Mensch - Heinz Pollak - Vortrag - Ist Philosophie am Ende?
  • Lexikon der Anthroposophie - Rudolf Steiner
  • Freimaurerei, eine Philosophie der Menschlichkeit - Wolfgang Wenng
  • Arbeitstafeln II – Klaus Feddersen
  • Wikipedia Suchbegriffe "Freien Künste", "Philosophie"

Siehe auch

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