Traktat: Herbert Slavik - Vom Männerbund zur gemischten Maurerei

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Vorwort von Rudi Rabe
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Die Freimaurerei entstand vor Jahrhunderten als Männerbund. Das hängt mit der damaligen Gesellschaft zusammen, in der die Frauen im Haus waren und fast nur die Männer nach außen wirkten. Es gab aber auch in der alten Freimaurerei immer wieder Stimmen, welche dieses Konzept in Frage stellten. Sogenannte Adoptionslogen und andere Formen, in denen unter der Aufsicht von Männern auch Frauen freimaurerisch tätig sein konnten, waren die Folge. Und ab dem Ende des 19. Jahrhunderts entstanden dann selbständige gemischte und rein weibliche Logensysteme.

Der Wiener Freimaurer Herbert Slavik ist Gründungs-Großmeister der Liberalen Großloge von Österreich, einer gemischten Logenvereinigung. Diese Großloge ging 2007 aus dem Großorient von Österreich hervor, und dieser wiederum aus der Loge UFML (Unabhängige Freimaurerloge Wien), die sich in den 1950er Jahren von der Großloge von Österreich abgespaltet hatte. Einer der Gründe war das Frauenthema. Herbert Slavik wurde 1978 noch in die UFML aufgenommen und hat in dieser sowie in den daraus hervorgegangenen Nachfolgeorganisationen viele Logenämter ausgeübt.

Das folgende Traktat baut auf zwei Hauptstücken auf: Zuerst beschäftigt sich Slavik mit zwei freimaurerischen Autoren des 18. Jahrhunderts und ihrem Umgang mit dem Thema Freimaurerei und Frauen. Dann folgt nach einem Übergang die diesbezügliche Entwicklung seiner Liberalen Großloge von Österreich und ihrer Vorgänger.


Herbert Slavik: Der Sprung über den Bruderschatten
Vom Männerbund zur gemischten Freimaurerei

Rezension: hier

„Masonry was not made for this.“

Die Ursprünge der Freimaurerei liegen in anderen Zeiten, in anderen Gesellschaftsstrukturen, zumindest mit Quellen auch aus völlig unterschiedlichen Kulturkreisen. „Gleich ob man Jahrtausende zurückgeht“ – ich zitiere u.a. aus dem Katalog zur großen Freimaurerausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien zum 250jährigern Bestehen der Großloge von Österreich im Jahr 1742: Freimaurerei solange die Welt besteht – „oder ob man sich auf das Jahr 1717 bezieht, das nach traditioneller Sicht mit dem Zusammenschluss von vier längst bestehenden Logen zur Großloge von England gewissermaßen die moderne Maurerei begründet hat: die Zeiten haben sich mehrfach geändert, die moderne Gesellschaft ist eine völlig andere als seinerzeit.“

Freimaurerei hat sich also unter völlig anderen Vorzeichen und für ganz andere Strukturen entwickelt als wir sie heute kennen. Und doch können wir die wesentlichen Ideale dieses Bundes sehr gut auch heute akzeptieren und in unser Leben und Denken integrieren.

Warum ich im vorigen Satz eine klare Einschränkung mache, ergibt sich aus den Alten Pflichten. Sie gelten ja geradezu als Axiome, die von Freimaurern zu akzeptieren sind, ohne sie zu hinterfragen.

Allerdings: die moderne Freimaurerei als Kind der Aufklärung leitet geradezu an, nichts als unabänderlich zu akzeptieren, was der humanistische Geist in Zweifel zieht. Ich zitiere James Anderson, den Verfasser der sogenannten Alten Pflichten:

“If all the Social Virtues of the Mind,
If an extensive Love to all Mankind,
If hospitable Welcome to a Guest,
If speedy Charity to the Distressed,
If due Regard to Liberty and Laws,
Zeal for our King, and for our Country’s cause,
If these are Principles deserving Fame,
Let Masons then enjoy the Praise they claim.”

Wirklich hehre Ziele und eine wunderbare Beschreibung unserer Aufgaben. Daraus kann man aber nicht herauslesen, dass dies nur Männer können sollten. Sehr wohl jedoch aus den Alten Pflichten selbst, und das ist uns natürlich völlig bewusst und war uns auch zu dem Zeitpunkt bewusst, als sich in unserer Männerloge UFML (Unabhängige Freimaurerloge Wien) nach 25jährigem Bestand als reine Männerloge bzw. Männerobödienz zu Beginn der 80er Jahre die Diskussion entwickelte, die Frage Frauen und Freimaurerei zunächst zu besprechen und dann einer Entscheidung zuzuführen. Wir hatten strikt nach den Alten Pflichten gehandelt und gedacht: “Masonry was not made for this.“

18. und 19. Jahrhundert: „What was Masonry made for?“

Natürlich kannten unsere Gründerväter die Form der Adoptionslogen, natürlich auch verschiedene Formen rein weiblicher Freimaurerei, ausgehend von Frankreich und vermutlich auch Frühformen aus der Zeit vor der UGLE und Anderson. Dass die Alten Pflichten aber auch nicht unabänderlich sind, sondern bei aller Beachtung der Grundsätze, die mir in obigem Gedicht viel wesentlicher dargestellt erscheinen als in der Frauenfrage, beweisen wir alle Tag für Tag. Man denke etwa an das Alte-Pflichten-Verbot der Aufnahme von körperlich „distressed persons“.

Doch bleiben wir beim Thema Frauen. Wie flexibel schon im 18.Jahrhundert unsere Brüder damit umgegangen sind, kann man etwa aus den historischen Büchern von Simon Bosch oder Joseph Baurnjöpel entnehmen, denen ich mich nun ein wenig widmen möchte.

Bosch war Logenmeister (so bezeichnet er sich selbst als Autor des Werkes, das 1780 in Wien und Prag erschienen ist). Schon der Titel wird vielleicht viele überraschen: „Die drei Grade der Freimaurerei des Frauenzimmers …“. Darin ist ebenso wie in Bruder Baurnjöpels „Wr. Freimaurerhandschrift aus dem 18.Jahrhundert“, erschienen 1793 in Wien, neu hrsg. und transkribiert von Friedrich Gottschalk 1986, nicht davon die Rede, dass es sich um Adoptionslogen handelt, die sie beschreiben, wenngleich aus verschiedenen Gründen davon ausgegangen werden kann.

Während Bosch nur die Rituale sowie Einrichtung der Logen etc. beschreibt, gibt Baurnjöpel intensiv auch freimaurerische Grundsätze und Ideale an. Nehmen wir uns einmal die Rituale zur Aufnahme und Beförderung von Schwestern vor: „Rituel, in welchen die Zeremonien vorkommen, welche bey Einführung im ersten Grade einer Schwesterloge üblich sind“

Da geht es schon in der Einleitung „um das männliche und das weibliche Feuer im westlichen Dreieck eingeschlossen, die zusammen eine einzige wirkende Kraft ausmachen - Mann und Weib, und Weib und Mann, gränzen an die Gottheit an: … weil die Übereinstimmung dieser zwey Feuer das Glück und die unnennbare Zufriedenheit eines ächten Freymaurers ausmachet, sobald er eine Schwester gefunden, an deren Busen er die Ungerechtigkeit des Glücks und der Menschen vergessen kann.“

„Mann und Weib, und Weib und Mann, gränzen an die Gottheit an“ - Wer hat da von wem abgeschrieben? Emanuel Schikaneder im seinem Text für die Zauberflöte von Baurnjöpel - oder umgekehrt?

„Bekannte Tugend und männliche Rechtschaffenheit, Überzeigung, die ungerechten Vorurtheile der Welt gänzlich verachtet zu haben, sind Beweggründe, welche mit Liebe und Vertrauen zu uns jedem Suchenden eine Aufnahme erleichtern. – Bey Schwestern suchen wir Unschuld, Offenherzigkeit, mit kluger Verschwiegenheit verbunden, eine unverstellte, freymüthige Seele, und eine interessante Furchtsamkeit.“

So heißt es, dass einige derartige Schwestern UNTER UNSERER (also männlicher!) LEITUNG an Arbeiten „alterfahrener und feuerfester Brüder“ teilnehmen haben dürfen, „um sie einigermaßen über den ihnen nicht gestatteten Besuch bey unseren, ihnen ewig verschwiegnen und unerreichbaren Arbeiten zu entschädigen“.

Warum Letzteres so ist, begründet Baurnjöpl ausschließlich wie folgt: „Denn ob wir das schöne Geschlecht gleich hochschätzen, so lassen wir es doch bey uns nicht zu, damit dessen Reize unsere Brüder an der Arbeit und Beobachtung der Ordnung nicht hindern mögen.“(S.144)

Außerdem müssen diese Schwestern in der männlich geführten Schwesterloge gesund und bei aufrechter Ehe und nicht schwanger sein, es müsse „in jedem Fall ihre Reinigungszeit vorüber seyn“, und überdies ein aufrechter rechter Bruder für sie sprechen und bürgen.

In der Schwarzen Kammer werden direkt vor der rituellen Aufnahme die üblichen Fragen gestellt, mit dem Hinweis der „Aufnahme in den Orden der Freymaurer“. Die Rede ist auch von zu erwartenden „schrecklichen Proben“, der Lösung des linken Kniebandes (bei Bosch ist nur die Rede von der Abnahme des linken Armbandes!) und bereits einer Art Gelöbnis (aber nicht die Öffnung eines Oberteils des Kleides bzw. Entblößung einer Schulter…!). (S.167ff.)

Ich möchte hier aus guten Gründen nicht auf Details des Rituals eingehen. Dieses Ritual deckt sich übrigens so gut wie vollkommen mit dem Buch von Bosch, lediglich die Loge ist nicht vollkommen ident. Nur so viel zum Thema Ritual: Meister vom Stuhl ist offenbar ein Bruder, die Rede ist dann von einer „OberaufseherIN“ und von einer weiteren „AufseherIN“. Schließlich wird DER Pate befragt, ehe die detaillierte Aufnahmezeremonie beginnen kann, und zwar mit der Übergabe an einen MÄNNLICHEN Oberaufseher, der die Aufzunehmende durch die Prüfungen führt. Das Zeremoniell endet verbal, ausgesprochen „vom Ehrwürdigen“, d.h. männlichen Meister vom Stuhl: „Ich habe sie bisher meine Frau/meine Geliebte genannt, in dieser glücklichen Stunde verehre Ich Sie als meine Schwester…“ Da kann man sich jetzt so seine Gedanken machen… „Zuhören – arbeiten - gehorchen – und schweigen, machen die Schuldigkeit der Brüder und Schwestern aus…“ (S.172ff.)

Im Ritual zur Aufnahme einer Schwester in den II. (Gesellen-)Grad. (S.239 ff.) ist davon die Rede, dass die Loge den Garten Eden darstellt, und zwar mit Adam UND Eva, und wieder bringt die OberaufseherIN die zu Befördernde vor den männlichen MvSt. Bei der direkten Zeremonie betreut sie wieder der männliche Große Aufseher. „Rituel, die Beförderung einer Schwester in den III.Grad nach den ihnen eigenen Begriffen betreffend“ (S.317ff.)

Auch hier erfüllen Meister vom Stuhl und Oberaufseher als Männer ihre Arbeit. Wiewohl zum Ende vom Schließen der Arbeit der MeisterINNEN die Rede ist, erfüllen dies die Männer, und die anschließenden Erklärungen über die Welt und die maurerischen Erfordernisse richten sich wieder nur an Männer. Bemerkenswert ist folgender Passus: (S.325f.) „Der wahre Freimäurer sucht, haltet an – und leidet, - sein gefühlvolles Herz, wünscht alles um sich herum glücklich, und mit innerer Zufriedenheit, gegen Alle Anfälle der Laster, und Untugenden gesichert; bey welcher Gelegenheit wagt aber der Fanatismus, mit grausamer unbrüderlicher, wohl gar unmenschlicher Verfolgung, seine schlangenförmigen Angriffe wüthender, als wenn er durch Aberglaube und Vorurtheile – sich des schwachen Herzen eines Weibes – einer künftig bestimmten, aber ungebildeten Schwester bemeistern kann.“

Durch Liebe, nicht durch Vernunft, bekommt sie dann wahre Macht über ihn.

Interessant ist auch folgende Passage: „Obwohl wir als Freye Maurer das weibliche Geschlecht zu unseren Arbeiten nicht zulassen, noch zulassen können; so ist dennoch die Aufnahme der Schwester, ihre Beförderung im II. und … im III.Grade, keineswegs ordnungswidrig, weil sie zum wesentlichen Bau unserer Zufriedenheit gehören, und durch wahre unverfälschte, auf Sie passende Weisheitslehren die innere und häusliche Ruhe befestigen; - Sobald ein in der großen Kunst zu leben und in unser rein erhaltenen Ordenslehre nicht unbewanderter Bruder eine für Religion, Tugend und Rechtschaffenheit empfängliche Schwester als ein vom A:B:M: ihm anvertrautes kostbares Gut besitzet. Eine Schwester, die Ehre, Religion und Tugend in möglichst vollkommenen Grade besitzet, behält überhaupt die meiste Gewalt über uns – denn mit Hülfe einer weisen und bescheidenen Zurückhaltung, ohne Eigensinn und Widerstreben, lernt sie im Schoße der zärtlichsten, reinsten und unschuldigsten Vereinigung einen zu raschen Bruder, in einer gewissen Weite von sich zu halten und zu hindern, daß keiner, besonders aber ihr Bruder und Gemahl ihrer jemals satt werde.“

Alle Schwestern überhaupt seien im Gleichgewichte ihres Geschlechtes zu erhalten; „dieses ist die wesentliche Arbeit eines erfahrenen und geübten Freymaurermeisters, die sich nicht beschreiben, sondern nur denken läßt.“ (S.326f.)

Derartige meiner Meinung nach extrem frauenfeindliche Aussagen kann ich Bruder Bauernjöpel wohl nur verzeihen in der Berücksichtigung, dass seine Gedankenwelt eben im 18.Jahrhundert und auf seinen gesellschaftlichen Formen fußt! Von moderner Genderauffassung und Gleichberechtigung ist hier nicht die Rede.

Dabei waren es gerade Freimaurerinnen, die ganz wesentlich auch die Gleichberechtigung der Geschlechter vorangetrieben haben. Ich denke dabei u.a. an die Bewegung zu Ende des 19. und Beginn des 20.Jh., in der es auch um Wahlrechte von Frauen und ähnliches ging. Zahlreiche Suffragetten gehörten ja dem Bund an.

20. Jahrhundert: „Was Masonry really not made for this?“

Bereits 1908 wurde nach mehreren Versuchen – verschiedene Quellen sprechen auch von anderen Daten wie 1902 oder 1913 – die Frauengroßloge von England gegründet, die zunächst von einem Mann geführt wurde und gemischt arbeitete, sich dann jedoch in eine reine Frauenobödienz verwandelte. Die Gründe dafür sind mir nicht bekannt, sehr wohl jedoch ein Briefwechsel mit dem damaligen Großmeister der United Grand Lodge of England 1921/22.

Dieses Dokument war u.a. auch ausgestellt bei der großen Ausstellung in der Londoner Great Queen Street, bemerkenswerterweise veranstaltet direkt von der United Grand Lodge of England (UGLE) zum 100jährigen Bestehen der Frauengroßloge. Darin schrieb die Großmeisterin in wohlgesetzten Worten zahlreiche Argumente dafür, dass Frauen nun über eine Reihe von Jahren bewiesen hätten, dass sie ordentliche und hundertprozentig sinngerechte maurerische Arbeit geleistet hätten, weshalb man an die ehrwürdige UGLE herantrete, die gegenseitige volle Anerkennung zu erwirken. Wenn ich mich recht erinnere, stammt dieser Brief vom Oktober 1921.

Die Antwort vom Großmeister der United Grand Lodge kam nach offenbar langem Überlegen im Februar oder März 1922, ebenso in wohlgesetzten, in edelstem Englisch abgefassten Worten, wobei die Ideale und Aufgaben der Freimaurerei ausführlichst beschrieben wurden. Auch wurden die hehren Ziele der Frauengroßloge im Prinzip nicht in Frage gestellt, jedoch sehr wohl die Rechtmäßigkeit der Obödienz an sich. Eine Anerkennung als reguläre Freimaurerorganisation sei aber unmöglich, weil – kurz und bündig: “MASONRY WAS NOT MADE FOR THIS”.

Immerhin spricht aber auch der tendenziell doch sehr “regulär” orientierte Lennhoff/Posner im großen Freimaurerlexikon aus 1932 in Sachen Frauen und Freimaurerei von „zahlreichen Bünden mit freimaurerischem Charakter, die Frauen aufnahmen“ und bezieht sich auf Organisationen in zahlreichen Staaten Europas, aber auch auf die USA. Das Thema der Verweigerung der Aufnahme von Frauen in die traditionellen Logen sei ab 1733 laufend in der (begrenzten) Öffentlichkeit thematisiert und ziemlich breit diskutiert worden - von Frauen, aber auch Männern, heißt es dort. So druckte etwa Wieland im Teutschen Merkur 1785 eine Auseinandersetzung über das Thema ab, „dass bei den Freimaurern den Frauen wohl das Herz offenstehe, aber die Loge geschlossen sei“. Herder argumentiert laut Lennhoff-Posner in seinen Freimaurergesprächen gegenüber den Frauen so: „Läuft nicht die Phantasie oft mit euch fort? Ist nicht der gute Trieb bei euch immer voran? Ihr seid zu tätig, zu barmherzig, der Augenblick übernimmt euch. Auf einmal würdet ihr der ganzen Menschheit helfen wollen und alles verderben. Schon deshalb gehört ihr nicht in jenes stillberatende, leidenschaftslos wirkende Viereck.“

Ich empfinde es ein wenig seltsam, wenn Lennhoff/Posner/Binder unter dem Stichwort „Gemischte Maurerei“ auf folgende Begriffe verweisen: „siehe Adoptionsmaurerei, Androgyne Logen, Droit humain, Frauen.“ Und unter „Adrogyne Logen“ findet sich der „ausführliche“ Artikel im vollen Wortlaut: „Logen, die beiden Geschlechtern den Zutritt gewähren. Die 'reguläre' Maurerei lässt Frauen nicht zu.“

Der Begriff „liberale Freimaurerei“ kommt gleich gar nicht vor. Mir persönlich fehlt einfach die unaufgeregte Sicht auf eine Selbstverständlichkeit des Blickes auf die Realität. Immerhin ist dieses Lexikon ja erst zur Jahrtausendwende entstaubt, neu überarbeitet und ergänzt worden.

Die Gründung der UMFL in Wien: „Exploring what was Masonry made for ...“

Des Verständnisses wegen nun ein paar Worte zur Gründungs-Geschichte unserer Obödienz, der Liberalen Großloge von Österreich. 1953 deckten einige Brüder mit schwerwiegenden Gründen aus der Loge Zukunft der Großloge von Österreich und beschlossen, in Hinkunft trotzdem der Freimaurerei aktiv verbunden zu bleiben. Sie wandten sich an Brüder in anderen Ländern, mit denen sie seit Jahren ebenso wie ihre Großloge gute maurerische Beziehungen unterhalten hatten. Darunter waren auch Brüder aus Frankreich, mit denen sie gemäß den (neuen) Großlogen-Vorschriften, die eine Bedingung für die Anerkennung durch die englische UGLE waren, die Beziehungen abbrechen hätten müssen. Nun wollten sie die Gründung einer Loge unter geänderten Voraussetzungen ermöglichen.

Dies führte 1955 zur Entzündung des Lichtes in der Unabhängigen Freimaurerloge Wien (UFML). Die internationale Ausrichtung blieb erhalten und führte 1961 dazu, dass sie (gemeinsam mit zwei inzwischen gegründeten Logen) mit der Unterzeichnung des Straßburger Appels gemeinsam mit damals zehn weiteren Obödienzen den CLIPSAS gründeten, den heute mit an die hundert Obödienzen weltweit tätigen größten Dachverband der liberalen Freimaurerei.

Schon vorher schufen die Brüder der UFML eine Diskussionsreihe mit einem profanen Verein, zu dessen Abenden ab Mitte der 70er Jahre auch Frauen eingeladen wurden. Da sie hiermit maurerisches Gedankengut ohne direktes Ansprechen der Freimaurerei verbreiteten, konnten sie auch eventuelle an der Freimaurerei Interessierte erkennen und schließlich für den Bund gewinnen.

Die internationalen Kontakte zeigten, dass sich Anfang der 1980er Jahre immer mehr Obödienzen entschlossen, nach reiflichen Überlegungen auch Frauen den Zugang zur Königlichen Kunst zu ermöglichen. Auch die Brüder von CLIPSAS öffneten sich Frauen- und Gemischten Obödienzen. Übrigens wurde CLIPSAS mittlerweile längst in den Kreis der offiziellen NGOs im Rahmen der UNO aufgenommen, wobei es vor allem um die Mitwirkung in Menschenrechtsfragen geht.

Nebenbei: Beim CLIPSAS-Jahreskongress 2011 in Straßburg machte die Frauengroßloge von Chile darauf aufmerksam, dass sie bei ihrem ersten Aufnahmeantrag im Jahr 1972 von CLIPSAS abgewiesen worden sei, weil man nur männliche Obödienzen akzeptiere. Erst im zweiten Versuch 1994 klappte dann die Mitgliedschaft.

Die UFML setzte um 1983 eine Kommission ein, die allen Brüder offenstand und zu Einzelterminen auch ein bis zwei suchende Frauen einlud. Maurerische Argumente wurden intensiv gewälzt, gruppendynamische Prozesse und ihre Auswirkungen berücksichtigt, emotionale Vorbehalte und überschwängliche Forderungen wurden auf den Boden der Tatsachen zurückgestuft.

Auch die Entwicklung der Beziehungen zur Großloge von Österreich, die sich damals deutlich besserten, waren zu berücksichtigen, aber ebenso die Tatsache, dass CLIPSAS mittlerweile im Wesentlichen eine Öffnung für Mitgliedsobödienzen beider Geschlechter ermöglichte und gemäß ihren Grundsätzen wollte, dass allen Mitgliedern ihrer weltweiten Obödienzen in allen Ländern Besuchsrecht bzw. zumindest Anerkennung zugestanden werden sollte.

Nach zwei bis drei Jahren intensiven und fundierten Diskussionen entschloss sich die UFML gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Man teilte die Loge (die seit 1963 wieder allein gearbeitet hatte) neuerlich in drei Logen, gründete zur Sommerjohannisarbeit 1985 den Großorient von Österreich und ermöglichte die Aufnahme von Frauen. Die hohe Intellektualität, die große emotionale Intelligenz und die Verlässlichkeit in Sachen der maurerischen Grundwerte, dokumentiert u.a. in den profanen Diskussionsabenden, hatte aus Sicht der Frauen Früchte getragen. Sie führten dazu, dass prinzipiell alle Brüder über ihren historischen Schatten sprangen.

Zwei der Logen nützten diese Möglichkeit, Frauen aufzunehmen, noch im selben Jahr, die dritte, die weiterhin den traditionellen Namen trug, blieb eine reine Männerloge. Trotz intensiver Diskussionen und brüderlicher Haltung blieb genau ein Drittel der Brüder für ihre eigene Loge dabei: „Masonry was not made for this“

Allerdings hatten auch die Brüder der UFML ihre Zustimmung zu vollem Besuchsrecht für Frauen auch ihrer Loge gegeben und sind damit nochmals über ihren maurerischen Bruderschatten gesprungen. Wenn ich mich recht entsinne, hat ein einziger Bruder diese Einigung für sich nicht tragen können bzw. wollen und deshalb seine Mutterloge UFML verlassen.

Die Entwicklung verlief durchaus harmonisch, die echten maurerischen Schwestern erwiesen sich als lohnenswerte Bereicherung unseres Bundes, und die vorherigen Diskussionen verstummten sehr bald. Eine persönliche Befragung nach genau einem Jahr ergab, dass von den ursprünglichen Gegnern der Aufnahme von Frauen nur zwei (noch) nicht überzeugt waren, dass wir eine für unsere Gemeinschaft richtige Entscheidung getroffen hatten.

Die gemischte Maurerei in Österreich war geboren, zumindest als eigenständige Obödienz.

21. Jahrhundert: „Masonry was made for this!“

Wie ging es weiter? Der Großorient von Österreich (GOÖ) wuchs, neue Logen kamen dazu, darunter auch eine rein männliche, jedoch mittlerweile selbstverständlich mit Besuchsrecht für Schwestern.

Nach der Trennung der drei Gründungslogen des GOÖ im Jahr 2003 entschloss sich auch die UFML im darauffolgenden Jahr, wieder nach eingehender Diskussion, ab 2004 ebenfalls gemischt zu arbeiten. Diese drei Logen – UFML, Zu den Neuen Pflichten und Gotthold Ephraim arbeiteten weiter koordiniert und am gleichen Ort zusammen und entwickelten mit der Liberalen Großloge (LGL) eine neue Obödienz, die zu Johannis 2007 das Licht entzündete und wieder offiziell bei CLIPSAS aufgenommen wurde.

Die Logen der LGL arbeiten nach einem überarbeiteten Schröder-Ritual, das sich nur wenig von jenem der Großloge unterscheidet, sind aber prinzipiell in der Entscheidung für ihre rituelle Arbeitsgrundlage frei. In jedem Fall hat die Aufnahme von Frauen keinerlei Einfluss auf das Ritual ausgeübt; es gibt weder spezifisch weibliche noch spezifisch männliche Ausformungen.

Jene Argumente gegen die Aufnahme von Frauen, die 1984 manche Brüder in rituellen Details vorgebracht hatten, wurden als nicht wörtlich, sondern symbolisch und damit auch prinzipiell geschlechtsneutral und dem entsprechend in der zeitgemäßen Form nicht aktuell angesehen.

Das eine oder andere Mal wird eine gewisse sprachliche Ungenauigkeit bzw. Variante ins Spiel gebracht, in der vereinzelt die Begriffe „brüderlich“, „schwesterlich“, „geschwisterlich“ spezifisch verwendet werden, die Begriffe „Meister“ und „Aufseher“ werden normalerweise nicht weiblich gebeugt, sondern führen zur Anrede „Schwester Meister“ bzw. „Schwester Aufseher“, aber auch da entwickelt sich die sprachliche Form flexibel, die wir aber trotz Traditionsbewusstsein nicht als essentiell betrachten.

Es sei ausdrücklich betont: Wir akzeptieren die Bedenken gegen Frauenlogen und gegen gemischte Logen, wenn Brüder in freimaurerischen Vereinigungen unter sich bleiben wollen; das ist schließlich eine Entscheidung, die nicht leichtfertig getroffen werden soll. Wir aber haben für uns den Weg zur gemischten Maurerei eingeschlagen und stehen dazu. Wir nehmen Freimaurerei mit Tradition, mit Herz und Hirn ernst und halten die Ideale hoch, arbeiten intensiv am rauen Stein und möglichst an einer Verbesserung unserer Gesellschaft im Interesse einer Humanisierung, einer Verantwortung für jedes Leben in aller Vielfalt, die unser Planet ermöglicht.

Ich verhehle aber nicht, dass wir uns darüber freuen, wenn unsere Arbeit auch offiziell anerkannt wird und betone ausdrücklich, dass uns an guten Beziehungen zu allen Spielarten der Freimaurerei sehr viel liegt. Freimaurerei ist unteilbar!

Mein Resümee: Freimaurerei hat sich im Laufe der Jahrtausende (!) vielfältig entwickelt. Die wesentlichen Ideale dürften jedoch gleich geblieben sein: Humanistisches Gedankengut, hohe ethische Ideale, Selbsterkenntnis/Selbstbeherrschung/ Selbstveredelung, großes Verantwortungsbewusstsein im Denken und Handeln - für die Schöpfung, für jedes einzelne Lebewesen, für die gesamte Menschheit, für jeden Menschen - daher auch für Männer UND Frauen.

In our opinion: Yes, Masonry was made for this!


Literatur

  • Joseph Baurnjöpel, Wr. Freimaurerhandschrift aus dem 18 Jahrhundert“, 1793, herausgegeben und transkribiert von Friedrich. Gottschalk 1986
  • Simon Bosch, Logenmeister (Hrsg.), Die 3 Grade der Freimaurerei des Frauenzimmer, Wien und Prag, 1783
  • Eugen Lennhoff, Oskar Posner: Internationales Freimaurer-Lexikon. Wien 1932; unveränderte Nachdrucke Wien: Amalthea-Verlag bis 1992.
  • Eugen Lennhof, Oskar Posner, Dieter Binder, Internationales Freimaurerlexikon, (überarbeitete und erweiterte Neuauflage) Herbig, München 2000
  • Günter Düriegl, Susanne Winkler (Hrsg.): Freimaurer, Solange die Welt besteht, Katalog zur 165.Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Wien 1992
  • Philippe Henri Morbach: Von den Werkmaurern zu den modernen und spekulativen Freimaurern. In Günter Düriegl, Susanne Winkler (Hrsg.): Freimaurer: Solange die Welt besteht. 165. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 18. September 1992 bis 10. Jänner 1993, 149-154.
  • Isabelle Dupont, Anfänge der liberalen Freimaurerei in Österreich 1953-1988, Diplomarbeit Université Paris Sorbonne, 1988/89
  • Müller Science, Die Freimaurerei und die Frauen, Schweiz Internet
  • Dieter A. Binder: Die diskrete Gesellschaft. Geschichte und Symbolik der Freimaurer. Graz: Styria Edition Kaleidoskop 1988, 2. Aufl. 1995;
als Herder Taschenbuch u. d. T.: Die Freimaurer, 1998, 2. Aufl. 2000.
  • Michel Dierickx S. J.: Freimaurerei, die große Unbekannte. Frankfurt, Hamburg: Bauhütten-Verlag 1968; Neuausgabe Innsbruck: Edition zum rauhen Stein 1999.
  • Michael W. Fischer: Die Aufklärung und ihr Gegenteil. Die Rolle der Geheimbünde in Wissenschaft und Politik. Habil.-Schrift. Univ. Salzburg 1981; Berlin: Duncker & Humblot 1982.
  • Friedrich-Wilhelm Haack: Freimaurer. München: Evangelischer Presseverband für Bayern 1975 (43 Seiten); 9. Aufl. 1993.
  • Alec Mellor: La Franc-Maçonnerie à l’heure du choix. Tours: Mame 1967;
dt.: Logen, Rituale Hochgrade. Handbuch der Freimaurerei. Graz: Styria 1967; Nachdruck 1985.
  • Helmut Reinalter: Die Freimaurer. München: Beck 2000; 3. Aufl. 2002.
  • Charles von Bokor: Papes rois, francs-maçons. L’histoire de la franc-maçonnerie des origines à nos jours. Montréal: Ed. Québec-Amérique 1977; dt.: Winkelmass und Zirkel. Die Geschichte der Freimaurer. Wien: Amalthea 1980; Taschenbuchausgabe Rastatt: Moewig 1982, erneut 1988.
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Siehe auch

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