Traktat: Rauhe und behauene Steine

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Rauhe und behauene Steine

in frühen freimaurerischen Schriften, 1696-1830

von Roland Müller


Bausteine eines geistigen Tempels

Viktor Maag, ehemals Professor für Altes Testament an der Universität Zürich, schrieb 1984 in der Schweizer Freimaurer-Rundschau „Alpina“:

„Noch immer sehen die Johannis-Logen ihre Wirksamkeit als Bau am geistigen Tempel zur Ehre des Allmächtigen Baumeisters der Welt. Noch immer bleiben die Steinmetzgeräte wie Lineal, Zollstab, Winkelmass, Senkblei und Zirkel Symbole der nötigen Selbstprüfung der Bauhütte hinsichtlich der Richtigkeit ihrer Tätigkeit, ihres Verhaltens zur Mitwelt und gegenüber dem Nächsten in- und ausserhalb der eigenen Reihen.
Noch immer sind es auch diese elementaren Kontroll-Werkzeuge, die als Symbol jeden einzelnen Freimaurer verpflichten, sich selbst kritisch darüber Rechenschaft zu geben, ob sein Denken, Fühlen und Handeln dazu angetan sind, seinen «rohen Stein», sein Ich so zu formen, dass es als Baustein im Gemäuer eines geistigen Tempels zur Ehre des Allmächtigen Baumeisters der Welt brauchbar werde.
Noch heute wird darum jedem Freimaurer schon am Tage seiner Aufnahme der Steinmetzhammer in die Hand gegeben, und er wird angewiesen, symbolisch die ersten Schläge zur Bearbeitung des rohen Steines zu führen. Nicht drauflos hauen soll er; sein Schlag soll mit abgemessener Intensität und in kontrolliertem Rhythmus erfolgen. Denn es geht ja nicht darum, den Steinblock, das Symbol seiner Person, zu zerschmettern, sondern ihm die für den Tempelbau geeignete Form zu geben.“

Der Bayer Franz Carl Endres verfasste in seinem Schweizer Exil seine bekannt gewordene Schrift „Die Symbole der Freimaurerei“ (1930; 2. Aufl. 1977, 62-63). Darin heisst es:

„Ein sehr schönes Symbol für die Möglichkeit des Erfolges unserer Arbeit an uns selbst ist das des rauhen Steines, der zum behauenen Steine wird. Als Symbol ist es uralt und wurde schon in der ägyptischen Esoterik verwendet. Es findet sich die Darstellung der Isis, die auf ihrem Schosse den rohen zu bearbeitenden Stein wie ein Kind hält [vgl. auch dessen Deutung als Sonne, 91-92]. Bei einer Reihe von antiken Mysterien finden wir den Kubus aus Stein als Symbol der Arbeit wie sie sein soll. Dieser Steinkubus kann dann auch als Symbol des Ecksteins eines Gebäudes oder eines Tempels verwendet werden ... Im kubischen Steine sehen wir eines jener Sinnbilder, die den esoterischen Bund auch an seine sozialen Pflichten und Aufgaben erinnert. Denn, wie ein schöner Tempel nicht aus rauhen Steinen, die übereinandergetürmt werden, entstehen kann, so kann keine soziale Gemeinschaft aus rohen, nur den eigenen Trieben lebenden Menschen entstehen.
Das Behauen des Steines mit dem Spitzhammer gleicht der sozialen Selbsterziehung des Menschen, und die Harmonisierung der Steinform mit dem Massstab erinnert an die Notwendigkeit von sittlichen Massstäben, ohne die eine soziale Gemeinschaft nicht bestehen kann.
… Ein Symbol des geläuterten Gewissens also ist der kubische Stein. Das grosse soziale Symbol der Freimaurerei!“

Bis zu dieser Deutung der beiden „freimaurerischen“ Steine war ein langer Weg.

In seinen ebenso ausführlichen wie umständlichen 36seitigen Erörterungen über den rauhen und den kubischen Stein greift Klaus C. F. Feddersen (1986, 347-382, 463-467) weit in die Geschichte zurück, bis in die „abergläubischen“ und biblischen Zeiten, und fasst zusammen:

„Wir erkennen in der ganzen verwirrenden Symbolgeschichte des Steines immer wieder die alten Elemente des Lebens im Steine, wobei das göttliche und das menschliche Sein in den Deutungen zusammenfliessen“ (364).
„So ist die Lehre von den Steinen die Lehre von Gott und den Menschen und ihrer Entwicklung“ (382).

Davon soll im folgenden nicht die Rede sein, vielmehr sollen die vorhandenen freimaurerischen Texte und Abbildungen auf die verschiedenen Arten von Steinen durchforscht werden.

Steine als Kleinode: breite Variabilität in den frühesten Schriften (1696 -1727)

siehe auch die Spalte „Kleinode“ (jeweils) in der Matrix: Viele Lichter in der Freimaurerei


Die Erläuterungen von Knoop/ Jones (1968, 221, 235) zu den beiden Steinen im ersten Katechismus von 1796 (Edinburgh Register House Ms.) lauten:
„Perpend Esler“: behauener Stein, „ein Stein mit zwei glatten vertikalen Oberflächen, der durch eine Wand hindurch von Seite zu Seite geht“ (dazu ausführlich auch Feddersen, 1986, 370)
„broad ovall“ (= „broached ornel“?): gemeisselter Stein; „Broached = mit dem Meissel bearbeitet; „Ornel, urnall, urnell“ = ein weicher, weisser Baustein


Während sich David Stevenson (1988, 140-141) sich diesen Deutungen mit umständlichen und ausschweifenden Erklärungsversuchen anschliesst, behauptet der Kurator der Grossloge von Schottland, Robert L. D. Cooper (2006, 64), der „perpend esler“ sei „a perpendicular ashlar, a dressed (i. e. prepared by a stonemason) upright stone“, und der „broad oval“ sei entweder „a stonemason’s maul or mell, which was used to strike a chisel“ oder aber „a facing stone that has been worked with a chisel to carry diagonal or horizontal furrows“.

Im Chetwode Crawley MS. (1700) sind es:
Perpendester
Broked-mall [laut Harry Carr in “Early Masonic Catechisms”, 2. Aufl. 1963, 43: a heavy maul for striking the chisel when the face of a stone is ‘broached’, i. e. indented or furrowed].

Im Kevan MS. (1714-20) sind es:
Perpendester
Covered kinall.

In „A Mason’s Examination“ von 1723 werden genannt:
„Astler“ (ashler, ein Baustein),
„Diamond“ [„probably means a diamond hammer, i. e. an operative mason’s tool“, Harry Carr, 1984, 293].

In „The Grand Mystery of Free-Masons Discover’d“ von 1724 und in der „Institution of Free Masons“ von 1725 werden genannt:
„a square Asher“ (das könnte ein Quader sein), resp. „a Square where“,
Diamond, resp. Diadem

Das „Wilkinson Manuskript“ (1727) nennt unter den drei „unbeweglichen“ Kleinoden:
„dented Asler“
„broach Urnell“.


In „A Mason’s Confession
(1727 – abgedruckt erst 1755 – auch als „Dundee Manuscript“ bezeichnet) heisst es:

Q. How many jewels are there in your lodge?
A. Three.
Q. What are these three?
A. A square pavement, a dinted ashlar, and a broached dornal.
Q. What's the square pavement for?
A. For a master-mason to draw his ground draughts on.
Q. What's the dinted ashler for?
A. To adjust the square and make the gages by.
Q. What's the broached dornal for?
A. For me, the younger and last-entered prentice, to learn to broach upon.


Die drei Kleinode sind auf deutsch:
ein Reissbrett, auf dem der Meistermaurer seine Grundrisse zeichnet
ein zugespitzter Stein, an dem das Winkelmass geprüft und die Massstäbe geeicht werden
ein rauher Stein, an dem die Lehrlinge ihre Arbeit beginnen sollen



Verschiedene Deutungen der Begriffe bei Prichard (1730):

Rough Ashler – Broach’d Thurnel - Diamond

Bei Prichard (1730 – in Klammern auf Deutsch die Übersetzungen von 1736, 1741 und Robin Marchev 2000 und 2010) heissen die beiden Steine – als „unbewegliche Kleinode“ („Immoveable Jewels“) - im Lehrlingsgrad:
„Rough Ashler“ (1736: rauher Stein; 1741: Rauh-Hobel; Marchev: rauher Stein) – Zweck: „for the Fellow-Craft to try their Jewels upon“
„Broach’d Thurnel“ (1736: spitziger Hammer; 1741: Drechsel-Banck; Marchev 2000: geglätteter Stein; Marchev 2010: zugespitzter Stein) – Zweck: „for the Enter’d Prentice to learn to work upon“
und im Meistergrad bloss:
Ashler (1736: rauher Stein; 1741: Hobel; Marchev 2000 und 2010: rauher Stein)
Diamond (1736; Demant; 1741: Diamant; Marchev 2000 und 2010: geschnittener Stein)

(Robin Marchev erklärt 2010 sowohl den zugespitzten wie den geschnittenen Stein als „Kubus mit aufgesetzter Pyramide“.)


In Karl Christian Friedrich Krauses Werk „Die drei ältesten Kunsturkunden der Freimaurerbrüderschaft“ (Bd. 1.2, 1820, 73) lauten die Übersetzungen ähnlich wie 1741: Rauhhobel und Drehbank.

In der Übersetzung von 1741 heisst es: Der Lehrling soll an der Drechsel-Bank arbeiten, die Gesellen braucht den Rauh-Hobel, um ihre Werkzeuge darauf zu probieren, und der Meister zeichnet seine Grundrisse auf das Zeichnungs-Brett.


Gemäss Lennhoff/Posner (1932, Sp. 223) ist „Broached Thurnel“ nicht mit Drehbank zu übersetzen, sondern als kubischer Stein, der von einer Pyramide überdacht ist. Die Form Broached Thurnel sei phonetisch aus „Broached Urnel“ entstanden. Das sei jedoch einfach ein „rauher Stein“. Damit wäre die auf einem Kubus ruhende Pyramide eine Fehldeutung.


Robin Marchev übersetzt 2000 „Broached Thurnel“ mit „geglätteter Stein“ und erläutert in der Anmerkung: „“Ein glatter Kubus mit Pyramide als Prüfstein für die Werkzeuge“. Das Wort „Diamond“ im Meistergrad übersetzt er mit „geschnittener Stein“ und merkt an: „’Diamond’ ist ein viereckig rechtwinklig geglätteter und mit Spitze geschnittener, also nicht behauener Stein. Er dient zum Prüfen der Werkzeuge.“
In Marchevs Revision von 2010 heisst es an den gleichen Stellen: „zugespitzter Stein“ und „Ein glatter Kubus mit aufgesetzter Pyramide“ sowie „geschnittener Stein“ und „’Diamond’ ist ein Kubus mit aufgesetzter Pyramide, also neuneckig.“

Der rauhe Stein als Schemel

Bereits im Edinburgh Register House Ms. von 1696 steht:
„Imprimis you are to take the person to take the word upon his knees …“

Im Lehrlingsgrad von Samuel PrichardsMasonry Dissected“ (1730) heisst es etwas genauer:
Q. What did the Master do with you?
A. He made me a Mason.
Q. How did he make you a Mason?
A. With my bare-bended Knee and Body within the Square, the Compass extended to my naked Left Breast, my naked Right Hand on the Holy Bible ; there I took the Obligation (or Oath) of a Mason.


Der zweite der sieben bekannten Kupferstiche von Johann Martin Bernigeroth („Les Coutumes des Francs-Maçons“, 1745) zeigt eine solche Szene. Der Nachstich von Thomas Palser aus dem Jahre 1809 zeigt den Aufzunehmenden unnötigerweise seitenverkehrt. Ein Grund dafür könnte sein, dass in der Schrift „Jachin und Boaz“ von 1762 zweimal das rechte Knie (in der Beschreibung des Rituals), zweimal das linke Knie (im Lehrlings-Katechismus) entblösst ist.


Feddersen (1986, 370) berichtet: „In mehreren alten Logen musste der Aufzunehmende in einem bestimmten Teil der Zeremonie seinen rechten Fuss auf den rauhen Stein setzen, eine Sitte, die vermutlich auf alte Volksvorstellungen zurückgeht.“

Anderswo (1986, 352, 388, 408) beleuchtet er das Ablegen des Eids etwas genauer:

„So stand, wie wir es auf französischen Stichen sehen, vor dem Altar, ein kniehoher Hocker, der einen rohen Felsstein vorstellen sollte, auf welchem der Aufzunehmende mit dem entblössten Bein kniete.
… Schön ist hierbei die Erklärung, dass auf diese Weise drei mal drei rechte Winkel entstehen, nämlich einmal durch den geöffneten Winkel auf der Brust, das in einem rechten Winkel stehende Knie und der ebenso stehende Fuss.“

Bei Wolfgang Scherpe (1977, 3. Aufl. 1990, 154-155) ist nur das Knie entblösst, nicht das ganze Bein, und die drei Winkel werden anders gebildet, nämlich: „1. Mit dem Knie, 2. mit dem Ellenbogen, 3. mit dem Zirkel.“ Der Schemel stellt wahrscheinlich einen Felsbrocken dar, einen Teil der „Mutter Erde“. Durch die Berührung mit ihr erhält der Mensch Kraft.

Der Kubus mit Pyramide

Anhand von Abbildungen lässt sich ein Wandel vom „Broached Thurnel“ zum „gewöhnlichen“ kubischen Stein verfolgen.

Der Kubus mit aufgesetzter Pyramide = „Stein der Weisen“

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… mit Axt (Frankreich)

Auf dem Lehrlingstapis im Buch „L’Ordre des Francs-Maçons Trahi“, 1745, findet sich ein kubischer Stein mit aufgesetzter Pyramide mit der Bezeichnung „Pierre cubique à pointe“ (engl. „pointed cubical stone“; siehe z. B. Albert G. Mackeys „Encyclopedia of Freemasonry“, 1874). Auf der Spitze befindet sich eine Zimmermannsaxt.


Gemäss Gottlieb Imhof (II, 129) soll diese Axt andeuten, „dass der Stein geöffnet werde, um zu seinem esoterischen Inhalt zu gelangen“. Feddersen (1986, 372; ähnl. 1982, 35) dagegen meint: „Warum die Axt dort in den Stein getrieben wird, ist bis heute symbolisch nicht zu erklären.“

Abgesehen von der Axt erörtert Feddersen dennoch folgende Deutungen: „Die Franzosen deuten den Stein so, dass er ein geometrisches Lehrstück sei für den Kubus, das Viereck, das Dreieck und die Pyramide“ und zitierte dann Mackeys sprachliche Erklärung (anhand eines Architekturbuches von 1836) für den „Broached Thurnel“, das „gespitzte Türmchen“, und dessen Deutung:

„Es war ein Modell, an welchem die Lehrlinge die Prinzipien ihrer Kunst lernen sollten, weil es ihnen in seinen verschiedenen äusseren Formen das Quadrat, das Dreieck, den Kubus und die Pyramide zeigte“ (373).


Denselben Tapis zeigt übrigens auch der 2. Kupferstich von Johann Martin Bernigeroth, 1745 (siehe Erich J. Lindner 1976, 25; der 1. Kupferstich, 23, zeigt einen minim abgeänderten Tapis; desgleichen bei Günter Düriegl, 1992, 122). Ebenfalls einen Stein mit aufgesetzter Axt zeigt zwei Jahre später ein „Tableau de Loge extrait de ‚La Désolation des Entrepreneurs Modernes du Temple de Jérusalem’“, allerdings handelt es sich um einen niederigen sechseckigen Stein mit entsprechender sechseckiger Pyramide (Feddersen, 1982, 119, 301).
In George Olivers „Historical Landmarks of Freemasonry“ (1845) findet sich noch eine Kopie des „unrichtigen“ Tapis von 1745 mit der Axt auf der Pyramide.


Feddersen behauptet, der „gespitzte Stein“ erscheine später nicht mehr (1986, 373), obwohl er vier Jahre zuvor in seinem ersten Band der Arbeitstafeln Beispiele aus neuerer Zeit gebracht hat: Auf einer neuen Arbeitstafel des Grand Orient de France ist immer noch ein Kubus mit aufgesetzter Pyramide und Axt zu sehen (Feddersen, 1982, 121, 317), desgleichen auf zwei Tapis des Rite Ecossais und auf dem Gesellentapis der Grande Loge Nationale Française (Feddersen, 1982, 121-122, 319, 320, 323).

In der hermetischen Literatur symbolisiert dieser merkwürdige Stein den „Stein der Weisen“ (engl.: „The Philosopher’s Stone“), den die Alchemisten suchen (siehe dazu auch Feddersen, 1986, 376-381), und die Seitenansicht ist analog dem Symbol für Schwefel, nur dass das Kreuz durch das Quadrat ersetzt ist.
Dieser „Stein der Weisen“ wird andernorts verbal gefasst in dem Spruch:

Visita inf[t?]eriora terrae rectificando[que] invenies occultum lapidem [veram medicinam] (Dringe ins Innere der Erde ein und du wirst geläutert den verborgenen Stein finden; oder: Erkunde das Innere der Erde und, durch Veredelung, wirst du den „Stein der Weisen“ finden)
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Bei Oswald Wirth

Die Aussage von Oswald Wirth lautet: "....Dieses Werkzeug, das die Freimaurer von den Zimmerleuten übernommen haben, zeigt ohne Zweifel, dass man den Stein öffnen muss, ihn spalten, um in sein Inneres zu gelangen, zu seiner Esoterik..."

und:

"Der vollkommene Kubus ist kaum geeignet, den Anforderungen einer Baukunst zu genügen, die längliche Blöcke aufeinander zu schichten pflegt.

Der Kubische Stein nimmt demgegenüber Bezug auf eine Baukonstruktion, die sich im Wege der Kristallisation vollzieht..."


Mit dieser Aussage deutet Oswald Wirth unmissverständlich an, dass es hinter der allgemein gebräuchlichen Symbolik des kubischen Steins in der Freimaurerei noch eine okkulte (versteckte) Bedeutung gibt, die sich nur jenem erschließt, der sich mit eben jener "Baukonstruktion" vertraut macht.


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Nun müsste man sich fragen, warum das überhaupt nötig ist.

Es geht offensichtlich um eine Visualisierungsübung. Von seinem eigenen Mittelpunkt ausgehend soll versucht werden eine Struktur zu visualisieren, bei der jeder beliebige Punkt im "Kosmos" ein Mittelpunkt sein kann.

Und das funktioniert nur mit dem Modell eines kubischen Kristallsystems, welches aus Pyramiden (Oktaeder und Tetraeder) zusammengesetzt ist, die in der Summe wieder einen Kubus bilden. Magisch kabbalistische Systeme bedienen sich eines solchen Raumwürfel-Prinzips, siehe Abbildung oben rechts.

Der Kubus ist auch der einzige platonische Körper, dessen Innenwinkelsumme (8 xyz-Achsen) eine volle Sphäre (Kugel) ergeben. Dicht an dicht gepackte Kugeln erzeugen – ausgehend von deren Mittelpunkten – dieses Raumgitter.


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Die Form des Kubus als das Symbol des Göttlichen kennen wir auch aus der Überlieferung des alten Judentums, welches auch in der Bibel beschrieben wird: Ein Gott geweihter kubischer Raum sowohl im Allerheiligsten des salomonischen Tempels selbst, als auch in der transportablen Version dieses Tempels, der Stiftshütte. Auch das "Neue Jerusalem" in der Offenbarung Johannes hat die Form eines Würfels (Offb 21,6).

Eine weitere interessante Würfelform von hoher religiöser Bedeutung ist die Kaaba, ein quaderförmiges Gebäude im Innenhof der heiligen Moschee in Mekka. Dieser Würfel bildet das „Haus Gottes“.


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Es gibt 3 Grundformen kubischer Kristallsysteme.

Allen 3 Formen gemeinsam ist die lückenlose Füllung des Raumes als selbstähnliche, also fraktale Struktur.

Diese Eigenschaften sind auch der Gegenstand philosophischer Betrachtung.



Das kubisch primitive Gitter setzt sich aus einfachen Kuben zusammen.

Das kubisch innenzentrierte Gitter weist auf den Mittelpunkt des Kubus hin. Ausgehend von diesem Mittelpunkt gibt es im Kubus genau sechs relativ flache Pyramiden, deren Grundriss den Kubusflächen entsprechen. Klappt man diese Pyramiden nach außen, so entsteht ein Rhombendodekaeder.


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Das kubisch flächenzentrierte Gitter hingegen ist die komplexeste Struktur. Als Frakal enthält sie zusätzlich auch noch die Eigenschaften des kubisch innenzentrierten Gitters. Dieses Fraktal setzt sich aus Tetraedern (Pyramiden mit dreieckigem Grundriss) und Oktaedern (Pyramiden mit viereckigem Grundriss als Doppelpyramide) zusammen. In der entsprechenden fraktalen Struktur entstehen weitere Figuren, wie das Sterntetraeder und das Kubooktaeder.


Hier eine detaillierte Beschreibung dieser Baukonstruktion:


Weitere Informationen zu dieser Kristallgitterstruktur finden sich unter: http://tetraktys.de/geometrie-6.html

… ohne Axt (Frankreich, Deutschland)

Gemäss dem Autor von „L’Ordre des Francs-Maçons Trahi“ handelt es beim ersten Tapis jedoch um eine ungenaue („inexact“) Zeichnung; die richtige Zeichnung („Veritable Plan“; „Wahrhaffter Abriss“) enthält denselben Stein, doch die Axt fehlt. Desgleichen auf den „Tableaux de Loges extraits de ‚Les Francs-Maçons écrasés’“ von 1747.

Dieser Kubus mit aufgesetzter Pyramide findet sich auf Tapis und zeichnerischen Darstellungen bis etwa 1820/30 (siehe z. B. den Tapis des 18. Grades des AASR im „Maurerischen Handbuch“; Erich J. Lindner, 1976, 106; ähnl. für den 1. und 2. Grad bei Lindner, 1976, 65, 67 und bei Alec Mellor, 1985, vor 273). Ein Lehrlings- und Gesellentapis unter dem Titel „Tableau extrait du Tuileur de Vuillaume (Paris – 1830)“ übernimmt diese Motive.
Noch in der 1874er Ausgabe von Mackeys „Encyclopedia of Freemasonry“ (131; später 145) findet sich unter „Broached Thurnel“ eine Abbildung davon, in der Ausgabe 1914 nicht mehr.


Auch auf einem undatierten deutschen Tapis aus der Zeit des „Landgrafen Carl von Hessen“ (um 1800?) findet sich der Kubische Stein - mit aufgemalter Swastika auf der einen Fläche, drei Punkten auf der andern - und aufgesetzter Pyramide (Feddersen, 1982, 60, 123, 343; 1986, 385, 394).

In der “Maçonnerie à Jerusalem“ (1770) besteht der behauene Stein gar nur aus einer spitzen Pyramide.

… mit Hahn (England)

Auf dem Logendiplom einer Loge in Dover aus dem Jahre 1793 ist in einer sorgfältigen Zeichnung auf der Pyramide auf einem nicht-kubischen behauenen Stein, der leicht gesprungen ist, ein Hahn hingesetzt. Der Hahn ist ein Symbol der Wachsamkeit und des Lichts (Ursula Terner, 2001, 172, 109).

Der „gewöhnliche“ Kubus

… mit Transportring (England) … mit Gravur … an Dreibein aufgehängt

Auf dem bekannten Bild aus London, „Ein Freimaurer, geformt aus dem Material seiner Loge“ von 1754, steht fast unsichtbar vor dem porösen rauen Stein ein kubischer Stein, versehen mit einem eingelassenen Transportring – auch (bei Feddersen (1982, 34; 1986, 370-372, 374, 385) Hebezange, Krampe oder Krampennring, besser: Wolf genannt (siehe Lindner, 1976, 170; Düriegl, 1992, 185; MacNulty, 1991, 64).
Diesen Transportring sieht man auch deutlich auf einem Lehrlingstapis aus dem Ordenshaus von Kopenhagen, der von England her inspiriert ist und auch englisch beschriftet ist, vermutlich um 1750 (Feddersen, 1982, 79, 132, 483; auch 488), sowie auf Lehrlingstapis von John Browne, um 1800 und einem gleichzeitigen von Jacob.

Auf einem Tracing Board aus dem Museum in Brighton aus der Mitte des 18. Jahrhunderts findet sich ein kubischer Stein mit Transportring sowie Zeichnungen von Senkblei auf der einen, Winkelmass auf der andern Seite (Feddersen, 1882, 104, 165). Auf dem Frontispiz eines englischen Buches von 1797, einem Tapis von F. Curtis/ John Cole von 1801 sowie einem Teppich der „Lodge of Hope, No. 433“ von 1804 ist ein kubischer Stein mit Wolf sowie eingraviertem Winkelmass mit Zirkel auf der Vorderfront zu sehen (MacNulty, 1991, 72, 89, 44).

Besonders gut sichtbar ist der Kubus ohne Pyramide auf den Lehrlingstapis des Emulations-Rituals von Josiha Bowring, 1819 (z. B. Duriegel, 1992, 194; MacNulty, 1991, 48).


Der Wolf deutet immer noch auf die handwerkliche Tradition hin. Und mit dieser Tragvorrichtung eignet er sich nicht zum Einfügen in den „Tempel der Humanität“.


Das Frontispiz der Ausgabe 1784 von Andersons „Constitutions“ zeigt bereits den Kubus an einem Dreibein aufgehängt (MacNulty, 1991, 46); desgleichen ein Lehrlingstapis des Emulation Rituals von Harris, 1845.


… ohne Transportring (Deutschland, Skandinavien)

Das Symbol des II. Grades der Strikten Observanz (ca. 1760) ist ein schlichter Kubus mit darübergelegtem Winkelmass und dem Lemma „Dirigit obliqua“; auf einem Tapis ist statt eines Kubus ein flacher Quader zu sehen (Feddersen, 1982, 123, 340, 348-349; ähnl. 128. 424, 425; 129, 443).
Ein flacher Quader ist bereits auf zwei Arbeitstafeln der Grossen Mutterloge „Zu den Drei Weltkugeln“ (angeblich 1735, eher 1753) zu finden (Feddersen, 1982, 125, 373, 374), ferner auf einem Tapis des Eklektischen Bundes von 1811 (Feddersen, 1982, 127, 401; ähnl. 129, 434). Auch auf den Arbeitstafeln Eckleffs von 1766 findet sich ein schlichter Würfel, desgleichen auf solchen aus Stargard, 1770 (Feddersen, 1982, 135, 527, 528, 530, 531, 532).

Auf einem Wiener Tapis von 1780 ist wiederum ein schlichter kubischer Stein zu sehen (Düriegl, 1992, 438). Auf einem Zertifikat der Grossen Loge zur Sonne, Bayreuth, aus dem Jahre 1741 trägt ein grosser kubischer Stein eine Winkelwaage (Lindner, 1976, 183).

Der Kubus ohne Pyramide findet sich auch auf einem Meisterschurz aus Leer, Ostfriesland, 1821 (Lindner, 1976, 75).

Auf skandinavischen Tapis (Feddersen, 1982, 130-134, 451-524; Feddersen, 1986, 131) sind ausschliesslich kubische Steine und manchmal nahezu kubische Quader zu sehen.

Mould-Stone

Bei Samuel Prichard wird erwähnt, was ein Maurer lernt. Das Wort „Mould-Stone“ wird verschieden übersetzt.

What do you learn by being an Operative mason? Hue, Square, Mould-Stone, lay a Level and raise a Perpendicular.

1736: Was lernet Ihr, um zu einem arbeitenden Mäurer zu werden? Farben, Viereck, rauhe Steine, eine Fläche legen, und gerade aufzumauren.

1741: Was lernet ihr dadurch, dass ihr ein arbeitender Maurer seyd? Farbe, Quadrat, Mühlstein, ein Lineal legen und eine Perpendicular-Linie ziehen.

Krause 1820: Was lernet Ihr dadurch, dass Ihr ein Werkrnaurer seid? Hauen, rechtwinklich machen, Steine formen, eine wasserrechte Linie legen, und eine senkrechte aufrichten.

Marchev: Was lernen Sie als operativer Maurer? Fläche [Flächen glätten], Winkel [rechte Winkel bilden], Baustein [Bausteine formen], eine Ebene legen und eine Senkrechte errichten.


Seit wann „perfect“?

Wann schliesslich der „perfect ashlar“ und im Deutschen der „Kubische Stein“ auftaucht, ist nicht genau bekannt.

Don Falconer meint in einem Aufsatz über „The Jewels of the Lodge“ (1998), es handle sich um einen Schreibfehler: „perpend“ wurde zu „perfect“:
http://www.themasonictrowel.com/books/falconer_masonic_essays/files/chapter_9.htm

In William Prestons “Craft Lectures” (um 1772) wird der “pointed cubic stone for the Fellows to sharpen their Tools on” zum “smooth ashlar” der den “rough ashlar” ergänzt. Es ist „the smooth stone, or polished ashlar, which has undergone the skill of the Craftsman and is used by him to adjust his tools and implements, as the criterion of truth and accuracy.“


In der deutschen Übersetzung des „Master-Key“ von John Browne (1798) sind die drei unbeweglichen Kleinode wie folgt beschrieben:
„Die unbeweglichen Kleinode sind das Reissbret (tracing Board), der rauhe (rough) und der vоllkommene Bruchstein (perfect Ashler). Das Reissbret ist für den Meister, damit er darauf seine Grundrisse lege, und seine Zeichnungen entwerfe; der rauhe Bruchstein ist für den angetretnen Lehrling, um daran zu hauen, und Zeichen und Einschnitte zu machen; und der vollkommene Bruchstein ist für den erfahrneren Arbeitmann, um darauf seine Kleinode zu prüfen und in Ordnung zu bringen.
Es giebt eine schöne stufenweise Vergleichung zwischen den unbeweglichen Kleinoden und dem Geräthe der Loge, namenlich der Bibel, des Zirkels und des Winkelmaasses. Siehe oben!
Sie werden unbewegliche Kleinode genannt, weil sie stets uns vor Augen gestellt sind oder gestellt sein sollten, als Merkzeichen Dessen, was sie moralisch (lebkunstlich, sittenlehrlich) vorstellen.“

Der „Perfect Ashlar“ kommt - als „Perfect Ashler“ - in „Signs and Symbols Illustrated and Explained“ von George Oliver (1837, 1. Aufl. 1827) vor, hernach mehrmals in der „Encyclopedia of Freemasonry“ von Mackey (1874).
John Thomas Lawrence schrieb 1912 ein Buch mit dem Titel „The Perfect Ashlar and Other Masonic Symbols“.


Seit wann „kubisch“?

Ohne Belege behauptet Franz Carl Endres in seiner kleine Schrift „Die Symbole des Freimaurers“ (1930; erneut 1977, 62):
„Bei einer Reihe von antiken Mysterien finden wir den Kubus aus Stein als Symbol der Arbeit wie sie sein soll.“

„L’Ordre des Francs-Maçons Trahi“, 1745

Wie oben erwähnt, findet sich bereits auf dem „ungenauen“ Lehrlingstapis im Buch „L’Ordre des Francs-Maçons Trahi“, 1745, ein kubischer Stein mit aufgesetzter Pyramide mit der Bezeichnung „Pierre cubique à pointe“, in der im selben Jahr erschienen deutschen Übersetzung: „Der cubische zugespitzte Stein“.
Auf der „richtigen“ Zeichnung wird derselbe Stein bezeichnet als „La Pierre cubique taillée en pointe“, deutsch (1745): “Der spitzig zugehauene cubische Stein“, bei Reinhold Mueller (1973): „Der Kubische Stein, mit zugehauener Spitze“.

In der Beschreibung des auf den Boden gezeichneten Tapis ist der unbearbeitete Stein des Lehrlings in der Gesellenloge durch einen anderen Stein ersetzt worden:
„einen Stein, der geschickt ist die Werkzeuge zu schärfen, um ihm [dem Gesellen] zu erkennen zu geben, dass er sich in Zukunft bemühen kann, sein Werk zu polieren, und die letzte Hand daran zu legen“ (dt. 1745); resp.
„einen behauenen Stein, der geeignet ist, die Werkzeuge zu schleifen, um ihm deutlich zu machen, dass er sich in Zukunft damit beschäftigen kann, sein Werk zu polieren und die letzte Hand daran zu legen“ (Mueller 1973).
Im zugehörigen Katechismus dient der „cubische zugespitze Stein“ (resp. „der kubische Stein mit einer Spitze“) dazu, „die Werkzeuge der Gesellen zu schärfen“ (resp. die Werkzeuge der Gesellen zu schleifen“):

Im „kurzen Abriss der Geschichte von Hiram“ im „L’Ordre des Francs-Maçons Trahi“ werden am Schluss andere Schilderungen dieser Legende erwähnt, darunter:

„Andere wieder behaupten, dass der erste Schlag, der Hiram erhielt, ein Schlag mit einem Ziegelstein gewesen sei, der zweite Schlag ein Schlag mit einem kubischen Stein und der dritte dann ein Schlag mit dem Hammer“.


Erstaunlicherweise kommt in den Schriften „The Three distinct Knocks“ (1760) und „Jachin and Boaz“ (1762) kein Stein vor, weder in der Ausstattung des Tempels noch auf dem Tapis noch im Ritualtext.

Später

Auf einem Kupferstich „Chapter and Grand Lodge of England“, London 1789, findet sich eine differenzierte Zeichnung eines „cubical Stone“ (Lindner, 1976, 147); besonders deutlich sichtbar sind eine Figur, welche die Waage der Justitia trägt, sowie Winkelmass und Zirkel über den Würfel gelegt.

Bei Johann J. Wierz („Der Aufgezogne Vorhang der Freymaurerey“, 1790, 199) heisst es: Der Stein in dem ersten Grad ist … ein roher Stein, der als Sinnbild der Maurerey eben sowohl, als der behauene cubische Stein, wahrscheinlich schon vorher üblich war.“


Der „kubische Stein“ kommt dann in der „Encyclopädie der Freimaurerei“ von C. Lenning als „Cubik-Stein“ und „cubischer Stein“ (Erster Band, 1822, 94-95; Zweiter Band, 1824, 183, 489), wie auch als „zugerichteter Bruchstein“ (Dritter Band, 1828, 410) vor.



CUBIK-STEIN (DER)

ist Eins der verschiednen Symbole, welche der Teppich der ersten beiden St. Johannis-Grade darstellt. So wie der rauhe Stein in seiner Rohheit den ungebildeten Menschen und den noch ununterrichteten Lehrling darstellt, so versinnbilden die regelmässige Form, die ebenen Flachen und die physische Festigkeit des Cubik - Steins den ausgebildeten , veredelten Menschen und den in der Freimaurerei erfahreneren Gesellen.


[In dem „Archive der Freymäurer-Loge zu Livorno," (Leipzig 1803,) S. 272, wird angegeben: „dass der cubische Stein, der den Gesellen diene, ihre Werkzeuge daran zu schärfen, sie erinnern solle, dass, wie die Werkzeuge durch den Gebrauch abgestumpft würden, und ihnen daher eine frische Schneide gegeben werden müsse, also der Mensch, wäre er auch noch so vollkommen, von Zeit zu Zeit nöthig habe, sich dazu auf’s Neue zu ermuntern, wenn er darin Fortschritte machen wolle." - Nach dem neuenglischen System „ist der glatte oder zugerichtete Bruchstein [smooth or perfect Ashlar) ["], wie er darin benannt wird, [„ ]ein geglätteter Stein von einer vollkommen rechtwinkeligen Würfelgestalt [(of a true die square)], auf welchen der erfahrene Mason seine Kunstfertigkeit verwendet hat, und bezieht sich lehrbildlich auf den Verstand des Menschen im Zustande seines Wachsthums, nachdem er die Vortheile einer frei[y]ysinnigen Erziehung, väterlicher Vermahnungen und guter Bei[y]spiele genossen hat."
Aus „Mossdorf’s Mittheilungen an denkende Freymaurer;" (Dresden 1818; in 8.) S. 248.]

C. Lenning: Encyclopädie der Freimaurerei. Leipzig: F. A. Brockhaus, Erster Band, 1822, 94-95.




Hernach findet er sich bei der Erwähnung der Lehrlingsreisen und der Gesellenfragen in Josef Schaubergs „Vergleichendem Handbuch der Symbolik der Freimaurerei“ (1861, Bd. I: 476; Bd. II, 508).

1932 beschreiben Lennhoff/ Posner ausführlich:
„Kubus, Kubischer Stein, der Würfel (engl. perfect ashlar, frz. pierre cubique)“
„Stein, Rauher (auch roher), (frz. Pierre brute [gemäss Feddersen, 1986, 347, auch: le moellon], engl. Rough Ahslar)“
„Stein, Kubischer (frz. Pierre cubique, engl. Perfect Ashlar)“; auch „behauener“ Stein (Sp. 95)

siehe auch:
http://www.masonicworld.com/education/articles/rough_and_perfect.htm
http://www.masonicdictionary.com/broached.html
http://www.masonicdictionary.com/ashlar.html

speziell zur „Pierre cubique à pointe“:
http://www.ledifice.net/6037-1.html

Bemerkenswert ist, dass noch im prächtigen Bildband „Symbole der Freimaurerei“ von Daniel Béresniak (frz. 1997; dt. 1998, 111) auf einer ganzseitigen Abbildung ein kubischer Stein mit aufgesetzter Spitze gezeigt wird.


Seit wann bedeutet der Stein, die Arbeit an sich selbst?

Am Anfang waren die beiden Steine bloss zwei von drei „Kleinodien“ der Logeneinrichtung.
Erstmals in In „A Mason’s Confession“ von 1727 und in Samuel Prichards „Masonry Dissected“ werden diese in ihrer Funktion genauer beschrieben: Die Bedeutung bleibt hier noch vollständig im Bereich des Handwerklichen.


Etwas unklar heisst es in:
„Der Entdeckte Und von allen seinen Geheimnissen Entblösste Freymaurer.“
Strasburg: Johann Heinrich Belcker 1745, 32:
„Einem Neuaufgenommenen legt man einen grossen unbehauenen Stein in den Saal für das Angesicht; zum Andenken, dass er sich solle lassen angelegen seyn zu der Vollkommenheit zu gelangen, den Stein nach der Kunst auszufertigen, damit er könne zum Bau des Tempels Salomons angewendet werden.“


In der deutschen Übersetzung von „L’Ordre des Francs-Macons Trahi“ (1745), „Der verrathene Orden der Freymäurer“ (1745), steht:
„Uebrigens ist dieser ganze Geschmack der Mäurerey pur allegorisch, es kömmt darauf an, das Herz zu bilden, den Verstand zu ordnen, und nichts zu thun, was nicht mit der guten Ordnung übereinkömmt.“

In einer andern Übersetzung des selben Textes unter dem Titel „Die offenbarte Freymaurerey“ (1745) steht:

„Uebrigens ist alles dieses, was bey ihnen nach der Maurerey schmecket, nur gliechnißweise zu verstehen; und der eigentliche Zweck ist, das Herz abzurichten, den Verstand auszuarbeiten, und nichts zu thun, was nicht vollkommen mit einer guten Ordnung passet.“

Reinhold Mueller übersetzt 1973:
„Im übrigen ist all dieser maurerische Wortschatz rein allegorisch: Es handelt sich darum, das Herz zu bilden, den Geist zu regieren und nichts zu tun, was nicht mit dem behauenen Stein in der guten Ordnung übereinstimmt.“


Im Katechismus der Strikten Observanz von 1764 (Imhof I, 109) wird ein Vergleich zwischen Stein und Mensch angedeutet:
Wie die rauhen Steine nach dem Winkelmass abgerichtet werden müssen, so werden die Brüder vom Meister [Meister vom Stuhl] zur Tugend abgerichtet.“


Im Katechismus des Schottisch Rektifizierten Systems von 1782 liest man (Imhof I, 112):

„Was ist die Aufgabe des Lehrlings?
Die Bearbeitung des rauen Steines.
Was verstehen Sie darunter?
Zuvörderst soll der Maurer sich selber, seinen Geist, sein Gemüt, seinen Willen rein menschlich ausbilden. Sodann soll er, wo und wie er vermag, das Böse bekämpfen und das Gute befördern.“


Im „Master-Key“ von John Browne (1798) steht:

„Der rauhe Bruchstein (the Rough Ashler) ist zwar, wenn er aus dem Steinbruche genommen wird, ein rauher und unbehauener Stein; doch wird er durch den Fleiss und die Geschicklichkeit des Künstlers in gehörige Form gebracht, und dem aufzuführenden Gebäude angepasst. Ebenso ist der Verstand des Menschen (so is the mind of man) in seinem kindlichen und ursprünglichen Zustande rauh und ungeglättet, gleich jenem Steine (like unto that Stone); allein durch eine freisinnige Erziehung, und durch frommes Beispiel seiner Eltern oder Vormünder werden seine geistigen Kräfte hervorgerufen; seine Vernunft, seine Fassungkraft, sein Vorstellungvermögen, und seine Urtheilkraft gewinnen Ausbildung; und dadurch wird er ein taugliches Glied einer gebildeten und gesitteten Gesellschaft.

Der vollkommene Bruchstein (the Perfect Ashler) ist ein Stein von einer vollkommen rechtwinklichen Würfelgestalt (würfelrecht; of a true Die-Square), und wird bloss mit dem Winkelmaasse und dem Zirkel untersucht und erprobt. Ebenso wird der Mensch (so is Man), wenn er sein Leben tugendhaft einrichtet, nach, den Gesetzen der Religion und Moral geregelt und gebildet; und er kann bloss durch die untrügliche Regel des göttlichen Wortes, und durch das Winkelmaass und den Zirkel seines eignen, billigenden, guten Gewissens geprüft werden.“


In der Originalfassung des Schröderschen Rituals von 1801 heisst es (65):

„Der rohe Stein, an welchem der Lehrling zur Arbeit angewiesen wird, ist das Sinnbild des unaufgeklärten, mit Vorurtheilen erfüllten Menschen; der behauene zeigt, was aus ihm werden kann, wenn er sein Herz und seinen Geist bearbeitet.“

Im „Lehrlings-Unterricht“ (79) wird der behauene Stein als „der cubische Stein“ bezeichnet. Der rohe Stein ist hier „ein Sinnbild der Unvollkommenheit des Verstandes und des Herzens“ (Feddersen, 1986, 367 übersetzt falsch: Vollkommenheit).


Zu beachten ist, dass bei Schröder kein Stein zur „Einrichtung und Verzierung der Loge“ gehört. Dagegen sind auf dem bekannten Bild „Mozart in der Loge ‚Zur neugekrönten Hoffnung’, um 1790“ (z. B. bei Béresniak, 1998, 116-117) sehr gut ein rauer und ein kubischer Stein bei den beiden Säulen zu sehen.

„Schaffen“ heisst in der Freimaurerei: „Sich selbst schaffen“

Daniel Béresniak (1998, 54 und 58) fasst – aus heutiger französischer Sicht - zusammen:

„Der rauhe Stein ist die zu bearbeitende Materie. Der Stein versinnbildlicht den Menschen in seinem unvollkommenen Zustand vor der inneren Beschau (Introspektion) und der Arbeit an sich selbst. Alle Autoren sind sich darüber einig, dass der rauhe Stein mit dem unvollkommenen Menschen in Zusammenhang gebracht werden muss. Die Symbolik der Baumeister, des Gesellentums und der Freimaurerei entwickelt sich rund um die Idee, dass „schaffen" „sich selbst schaffen" heisst.
… Als Quadrat zum Quadrat hat der Kubus die gleiche Symbolik im Dreidimensionalen, wie das Quadrat im Zweidimensionalen. Er versinnbild licht die Stabilität durch seine stets gleichbleibende Erscheinung - die unabhängig davon ist, auf welche Seite er gelegt wird.
Der kubische Stein mit einer Spitze wiederum ist ein von einer Pyramide gekrönter Kubus; er kann nur auf einer Seite liegen: auf jener der Pyramide entgegengesetzten. Oswald Wirth [1922] schreibt dazu:
‚Dieses Werkzeug, das die Freimaurer von den Zimmerleuten übernommen haben, zeigt ohne Zweifel, dass man den Stein öffnen muss, ihn spalten, um in sein Inneres zu gelangen, zu seiner Esoterik.’"

Der zerbrochen Stein

Erstaunlicherweise kommt der zerbrochen Stein bei Lennhoff/ Posner (1932) nicht vor. Feddersen erwähnt – gestützt auf Lennings „Encyclopädie der Freimaurerei“ (Dritter Band, 1828, 412-413) - in Zusammenhang mit dem rauhen Stein, dass die Strikte Observanz (ca. 1760) - und nachher das Rektifizierte System (1986, 385) neben den rauhen und behauenen Stein auch einen „zertrümmerten“ verwandte; sie sah in ihm „die verschiedenen Schicksale und Änderungen, die der Orden im Laufe der Zeit erlitten hatte“ (1986, 348; Abb. 394).
Beim kubischen Stein nimmt Feddersen wiederum darauf Bezug und erwähnt, dass die Grosse National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ diese Dreiheit übernommen hat. Im Ritual werden der kubische und der zertrümmerte Stein auf dem Teppich (siehe 1982, 376, 378-383) wie folgt erklärt:

„ … dass nur ein geschickter und verständiger Gebrauch der Werkzeuge den rohen Stein ebenen und zu glätten vermag, während er durch Unkenntnis und fehlerhaften Gebrauch der Werkzeuge zertrümmert und unbrauchbar gemacht wird“ (1986, 368).

Daran schliesst sich Reinhold Dosch (1999, 268-269) an und fährt fort:

Darum muss der Lehrling den Rat und die Belehrung erfahrener Meister und Gesellen suchen." Der zerbrochene Stein weist uns also auf die Gefahren hin, die eine Überbewertung und falsche Anwendung der Technik mit sich bringt. Selbst die besten Werkzeuge des technischen Fortschritts können gelegentliche Fehlschläge des Menschen nicht verhindern. Die auf dem Stein liegenden Werkzeuge sollen weiterhin darauf hinweisen, daß man trotz der beim Bau des Tempels auftretenden Fehlschläge weiterarbeiten muss.
Es gibt auch folgende Interpretation der drei Steine:
Der rohe Stein zeigt den Bruder nach seinem Eintritt in den Bund, also bei seiner freimaurerischen Geburt.
Der zerbrochene Stein zeigt uns das Ende des Maurerlebens an. In den wenigsten Fällen war der Bruder so ungeschickt, daß er die Werkzeuge vorzeitig aus der Hand legen muss. Der normale Fall ist jedoch der Tod des Maurers. In diesem Fall hat der ABaW mit einem kräftigen Hammerschlag dem weiteren Behauen des brüderlichen Steins ein Ende gesetzt und den Maurer zur „höheren Arbeit" in den „ewigen Osten" berufen. Der zerbrochene Stein ist in diesem Sinn ein Symbol der Vergänglichkeit.
Der kubische Stein ist dabei dann die Auferstehung in einem höheren Licht.“

In einem Artikel in der Schweizer Freimaurer-Rundschau „Alpina“ (Januar 2003) schliesslich weist Alfred Messerli darauf hin, dass der zerbrochen Stein nach einer andern Deutung den verworfenen Stein darstellen, der einmal zum Eckstein werden soll.


Da die Zürcher Loge „Modestia cum Libertate“ in ihren jungen Jahren der Strikten Observanz anhing, ist auf ihrem heute noch erhaltenen Lehrlingstapis (ca. 1780) auch der zerbrochene Stein abgebildet (Feddersen, 1982, 129, 443).


In seiner „Geschichte des Illuminatenordens“ (1906, 156-157) fasst Leopold Engel zusammen:

„Die drei Zustände der Menschheit werden in der Hieroglyphie der Freimaurerei durch den rohen, gespaltenen und glatten Stein vorgestellt.
Der erste ist der erste Zustand des menschlichen Geschlechts im Stande der Wildheit.
Die zweite die Hieroglyphie der gefallenen, abgewürdigten Natur, des Menschen in Staaten; dieser mittlere Stein ist gespalten, weil in diesem Zustand das menschliche Geschlecht nicht mehr eine Familie ausmacht, sondern durch Verschiedenheit der Regierung, Länder und Religionen unter sich geteilt ist.
Sobald dieser gemachte Unterschied verschwindet, sobald wird dieser gespaltene Stein wieder ganz. Und daher ist der dritte die Hieroglyphe des Zustandes von unserer zurückerhaltenen Würdigung unseres Geschlechts.“

Literatur

Daniel Béresniak
Symboles des Franc-Maçons. Paris: Editions Assouline 1997; erneut 2003;
dt.: Symbole der Freimaurer. Wien: Brandstätter 1998; Augsburg: Bechtermünz 1999;
engl.: Paris: Assouline 1997; New York: Assouline 2000.
Johann Martin Bernigeroth
Les Coutumes des Francs-Maçons dans leurs assemblées, principalement pour la réception des apprentifs et des maîtres, tout nouvellement et sincèrement découvertes;
dt.: Neu und aufrichtig entdeckte Gebräuche der Freymäurer bey ihren Versammlungen, besonders Bey Aufnahme ihrer Lehrlinge und Meister, nach dem in Deutschland noch nie gesehenen Französischen Original, aufs accurateste in Kupfer gebracht. Leipzig: bey dem Verfertiger … auch in Commission zu haben bey B. C. Breitkopf 1745.
John Browne
The Master-Key through all the Degrees of a Free-mason's Lodge. To which are added, eulogiums and illustrations upon free-masonry; theology ... &c. With a ... list of all the modern regular lodges. London 1798; 2. Aufl. 1802;
dt.: Meisterschlüssel. Browne’s Master Key. Übersetzt von Felix Sonnenkalb, Berlin: Mittler 1922;
dt. Übersetzung (mit englischem Text) des grössten Teils, ausser dem Meistergrad, bei Karl Christian Friedrich Krause: Die drei ältesten Kunsturkunden der Freimaurerbrüderschaft. 2. Aufl. Erster Band, zweite Abtheilung, 1820, 84-274.
Harry Carr
Harry Carr's World of Freemasonry. The Collected Papers and Talks of Harry Carr. London: Lewis Masonic 1984.
Robert L. D. Cooper
Cracking the Freemason’s Code. The Truth About Solomon’s Key and the Brotherhood. London: Rider 2006.
Der Entdeckte Und von allen seinen Geheimnissen Entblösste Freymaurer
Strasburg: Joh. Heinrich Belcker 1745, 32.
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Leopold Engel
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Nachdruck in 2 Bdn München: Arbeitsgemeinschaft für Religions- und Weltanschauungsfragen 1978;
Nachdruck Bremen: Faksimile-Verlag 1985; erneut Graz: Edition Geheimes Wissen 2007.
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Klaus C. F. Feddersen
Die Arbeitstafel in der Freimaurerei. Band II: Die Symbolik der Arbeitstafel. (1231 Seiten). Quellenkundliche Arbeit No. 22 der Forschungsloge Quatuor Coronati No. 808, Bayreuth 1986.
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Die drei ältesten Kunsturkunden der Freimaurerbrüderschaft. Mitgeteilt, bearbeitet und durch eine Darstellung des Wesens und der Bestimmung der Freimaurerei und der Freimaurerbrüderschaft, so wie durch mehrere liturgische Versuche, erläutert. Dresden: Arnoldi 1810;
Bd. 2. enthaltend die geschichtlichen Belege und erläuternden Abhandlungen, zu den drei ältesten Kunsturkunden. Dresden: Arnoldi/ Schneeberg: Fulde und Hofmann 1813;
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dt.: Die offenbarte Freymäurerey und das entdeckte Geheimniss der Mopse. Leipzig: Mumme 1745;
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dt.: Zergliederte Maurerei, von Robin P. Marchev. Zürich: Libertas et Fraternitas 2000; revidiert 2010 (erste deutsche Übersetzung: Die Zunfft der Freyen-Mäurer. 1736; Faksimile-Nachdruck :Rotterdam: Cagliostro-Verlag 1985; weitere Übersetzung: Die Zergliederte Frey-Maurerey. 1741; :Neudruck Rotterdam: Cagliostro-Verlag 1985; vollständiger Faksimile-Nachdruck auch bei Wolfgang Scherpe: Das Unbekannte im Ritual, 1977; 3. Aufl. 1990, 467-490); ferner: Zergliederte Maurerei 1730. Übersetzung, Kommentar und Bemerkungen von Christian Schumacher. St. Gallen 1968; das Lehrlingsfragstück auch bei Karl Christian Friedrich Krause “Die drei ältesten Kunsturkunden der Freimaurerbrüderschaft”, Bd. 1.2, 1820, 56-83, und zwar englisch und deutsch.
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Der Stein des Freimaurers. Alpina, Januar 2003.
Josef Schauberg
Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei. Mit besonderer Rücksicht auf die Mythologien und Mysterien des Alterthums. 2 Bde Schaffhausen: Hurter 1861-63; Nachdruck Vaduz: Sändig Reprint 1994.
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Das Unbekannte im Ritual. Braunschweig: Eigenverlag 1977; 3. Aufl. 1990.
Friedrich Ludwig Schröder
Ritual des Lehrlingsgrades (1801). Bayreuth: Freimaurerische Forschungsgesellschaft Quatuor Coronati 1994.
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The Origins of Freemasonry. New York: Cambridge University Press 1988; mehrer Aufl. bis 2004.
Ursula Terner
Freimaurerische Bildwelten. Die Ikonographie der freimaurerischen Symbolik anhand von englischen, schottischen und französischen Freimaurerdiplomen. Diss. Univ. Mainz 2000; Petersberg: Michael Imhof Verlag 2001.

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