Wien 1848: Die verhinderte Loge „Zum heiligen Joseph“

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5. Oktober 1848: Gründungsarbeit der Loge „Zum heiligen Joseph“ in Wien. Es sollte die erste und letzte Arbeit dieser Bauhütte bleiben - eine trotz mehrerer Anläufe verhinderte Loge. Von Rudi Rabe.

Anders als in den meisten anderen europäischen Imperien gab es im habsburgischen Österreich im 19. Jahrhundert keine Freimaurerlogen. Aus Furcht vor „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ waren sie von Kaiser Franz II schon 1795 verboten worden. Ein halbes Jahrhundert danach wagten Freimaurer während des Revolutionsjahres 1848 einen neuen Anlauf, dies unter der Führung des norddeutschen Freimaurers Ludwig Lewis (1799 - 1890), der in Wien eine Sprachschule führte. Er war 1825 in Stettin in die Loge ,,Drei goldene Anker" aufgenommen worden und außerdem Mitglied der „Canongate Kilwinning Lodge“ in Edinburgh.

Auch wenn die letztlich missglückte Revolution von 1848 in der historischen Erinnerung keine große Rolle spielt, gemahnen in Wien einige Straßennamen daran. Ausgehend von anderen europäischen Städten wie vor allem Paris begannen die Aufstände im März. Die kaiserliche Familie und der Hof mussten die Hauptstadt zeitweise verlassen, das System kam in die Defensive und musste Zugeständnisse in Richtung bürgerliche Freiheiten machen; dazu gehörte auch eine Liberalisierung des Vereinsrechts. Doch Ende Oktober war alles wieder vorbei. Kaisertreue Truppen eroberten Wien zurück, Todesurteile wurden vollstreckt und die errungenen Freiheitsrechte wieder zurückgenommen.

Der politische Hintergrund für sein Vorhaben war die dann letztlich gescheiterte bürgerliche Revolution, durch die Österreich nach dem März 1848 ein paar Monate lang eine Verfassung bekam, welche solche Vereinsgründungen möglich machte. Auf der freimaurerischen Seite sicherte sich Lewis dafür nach alter Usance ein Patent der Provinzialloge von Schlesien der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland, die ihm die Wiederbelebung der Loge „Zum heiligen Joseph“ erlaubte; diese Loge hatte es in Wien schon einmal in den 1770er Jahren gegeben.

Im August beantragte Lewis die Gründung beim Innenministerium. Der Innenminister Joseph von Doblhoff antwortete ihm am 2. September, dass es mit Rücksicht auf das jetzt freie Vereins- und Assoziationsrecht keiner besonderen Genehmigung bedürfe, die Loge ‘Zum heiligen Joseph’ wieder ins Leben treten zu lassen. Und so konnte am 5. Oktober 1848 im Hause des Grafen d’Harnoncourt in der Teinfaltstraße zu Wien in Anwesenheit des schlesischen Provinzial-Großmeisters der deutschen Landesloge und vieler Brüder die feierliche Einweihung der Bauhütte stattfinden.

Doch das blieb die einzige Arbeit dieser Loge, denn der liberale Rechtsfrieden dauerte nur noch wenige Tage: Ende Oktober war es wieder vorbei mit den bürgerlichen Freiheiten. Die kaiserlichen Truppen eroberten Wien für die Habsburger zurück, der Monarch und sein Hof konnten ihr Exil im tschechischen Olmütz verlassen und wieder in die Hauptstadt einziehen. Ein absolutes Versammlungsverbot wurde erlassen, das machte Freimaurertreffen neuerlich unmöglich. Ansuchen auf Zulassung der Loge wurden abgelehnt.

Siebzehn Jahre danach im Jahr 1865 bemühten sich Freimauerer in Wien abermals um die Wiederzulassung der Loge „Zum heiligen Joseph“. Das Innenministerium sagte jetzt mit der Begründung Nein, dass die Freimaurerei einen die Öffentlichkeit ausschließenden Charakter habe.

Und dann noch einmal drei Jahre später 1868 nachdem die Habsburger als Folge der Niederlage gegen Preußen innenpolitische Zugeständnisse in Richtung mehr Freiheit machen mussten. Neuerlich stellte Ludwig Lewis nun gemeinsam mit Franz Julius Schneeberger den Antrag, die Loge „Zum heiligen Joseph“ zu genehmigen. Trotz des neuen Vereinsgesetzes scheiterte auch das wieder, weil dieses Gesetz eine ständige und unangemeldete Kontrolle durch staatliche Kommissare vorsah, was die Freimaurer nicht akzeptieren konnten.

Natürlich war das beharrliche Nein der Behörden letztlich nicht die Folge rechtlicher Details, sondern des ideologischen Widerstandes am kaiserlichen Hof, weiter Teile der Staatsbürokratie und konservativ-klerikaler Politiker. Das Problem begleitete die Wiener Freimaurer bis 1918, doch im letzten Drittel des Jahrhunderts bot sich plötzlich eine Umgehungslösung an. Da sich die Ungarn nach der innenpolitischen Trennung von Wien Ende der 1860er Jahre ein wirklich liberales Vereinsrecht gegeben hatten, gründeten Wiener auf der anderen Seite der nur wenige Kilometer entfernten Österreichisch-ungarischen Binnengrenze der Doppelmonarchie sogenannte Grenzlogen, als erstes Franz Julius Schneeberger die Loge „Humanitas“. In Wien traf man einander in einem Kulturverein, und im nahen Ungarn alle paar Wochen zu einer rituellen Arbeit. Dieser Umweg wurde erst 1918 nach dem Ersten Weltkrieg, dem Zerfall der Monarchie und der Gründung der Republik Österreich überflüssig. Doch über die Idee, einer Loge den Namen „Zum heiligen Joseph“ zu geben, war die Zeit irgendwie hinweggegangen.


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