Vanitas

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"Vanitas vanitatum" Ölgemälde auf Leinwand 80 x 110 cm von Jens Rusch

Vanitas

Vanitas-Symbole sollen, meist in moralisierender Absicht, an die Vergänglichkeit des Lebens und der irdischen Güter erinnern. Auch das Entweichen des Lebendigen vor dem gewaltsamen Zugriff ist ihr Thema.


"Der Gedanke an die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge ist ein Quell unendlichen Leids - und ein Quell unendlichen Trostes.“

Mischtechnik auf Karton Quelle: Jens Rusch
Öl auf Leinwand. Gemälde von Jens Rusch
Radierung. Quelle: Jens Rusch
Mezzotinto-Radierung von Jens Rusch

Vanitas-Symbole

Quelle: Wikipedia, Artikel dort: „Vanitas“

Häufige Vanitas-Attribute in der bildenden Kunst sind der Totenschädel, die erlöschende Kerze, die Sanduhr und die verwelkte Blume. Im weiteren Sinn gehören auch Einsiedler- und Kasteiungsszenen (Hl. Hieronymus, Maria Magdalena) in diesen Zusammenhang: Sie verdoppeln die Einsamkeit des Bildbetrachters und seine Verzweiflung über die Abwesenheit des Abgebildeten im Bild. Damit bekommt diese Verzweiflung etwas Läuterndes.

Das Objekt kann das lebendige Gegenüber nicht ersetzen, weil es die Zuwendung des Betrachters oder Benutzers nicht erwidern kann. Es bleibt gleichgültig und macht ihm seine eigene Anonymität bewusst. Daher gehören zu den Vanitas-Symbolen auch Gegenstände, die heute eher als Zeichen der selbstzufriedenen und sinnvollen Betätigung oder der Geselligkeit gesehen werden wie Bücher, Sammelobjekte oder Spiele. Sie führen nach damaliger Auffassung zu Melancholie. Der Betrachter ist in diese Symbolik stets mit einbezogen, denn er selbst ist vergänglich, während die betrachteten Objekte als verwaiste und wertlos gewordene Dinge übrig bleiben.

In der darstellenden Kunst sind die hauptsächlichen Vanitas-Attribute Schatten, Echo und Spiegelbild, die in Opern und Balletten als flüchtiger Schein und mechanischer Ersatz eines Lebendigen thematisiert werden. In denselben Zusammenhang gehören Marionetten und Maschinen. Aufzeichnungen wie Bilder und Briefe dienen als Zeichen dafür, dass der Absender oder die Abgebildeten nicht da, vielleicht sogar unwiederbringlich verloren sind wie Verstorbene oder ungetreue Geliebte. Diese Situation ist oft Anlass für eine Arie.

Das „Spiel im Spiel“ im Barocktheater wird verstanden als Schein im Schein, wie etwa in Pedro Calderón de la Barcas Das Leben ist ein Traum (1635). In der bloß erdachten und gespielten Handlung kommt eine lediglich geträumte Handlung vor. Die Heuchelei des Darstellers von Molières Tartuffe (unter der Voraussetzung, dass jede Darstellung Lüge ist) rechtfertigt sich dadurch, dass er die Heuchelei der dargestellten Figur entlarvt. Die doppelte Heuchelei hebt sich gewissermaßen auf, denn sie warnt so vor sich selbst. Dem entspricht die „Abbildung in der Abbildung“ als Grundfigur von Vanitas-Darstellungen. Das Vorgetäuschte führt eine Täuschung vor. Dieses Verfahren wird auch Mise en abyme genannt.

Kult um irdische Werte

In der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts im Einflussgebiet der Universität Leiden entstanden kunstreiche und bis heute vorbildliche Vanitas-Darstellungen. Vor dem Hintergrund grassierender Pestseuchen, nicht enden wollender Gräuel der Religionskriege und bombastischer Pracht- und Machtentfaltung im goldenen Zeitalter wird dies als eine zeitkritische Haltung verständlich. Daneben gab es auch katholische Zentren der Vanitas-Malerei wie Paris und die oberitalienischen Städte. Meist steht das Motiv der Vanitas in Verbindung mit einem Appell zur Hinwendung an Gott und den christlichen Glauben. Zugleich erzielten solche Kunstobjekte aber auch hohe Preise. Der Kult um irdische Werte, der mit ihnen getrieben wurde, konnte sich durch ihre warnende Botschaft rechtfertigen.

Sehr beliebt waren Vanitas-Stillleben, die den Augenreiz eines perfekt gemalten Arrangements scheinbar beliebiger Gegenstände mit einem Geflecht von Symbolen verbanden, die um den Begriff der Vanitas kreisen. Anonyme Relikte des menschlichen Mutwillens stehen dabei dem unbeherrschbaren, gottgegebenen Leben gegenüber. Die Symbole dafür waren den zeitgenössischen Betrachtern geläufig.

Eine wichtige Rolle bei bildnerischen Vanitas-Motiven spielt das Paradoxon, dass das Vergängliche darin dauerhaft festgehalten ist, dass es zum Greifen nah scheint, aber trotzdem unwirklich bleibt (Trompe-l’œil). Das lebendig Wirkende ist tot, der Glanz des Goldes ist Schein, das Plastische ist flach, das offensichtlich Duftende oder Stinkende riecht nicht, das Klingende klingt nicht, Kerze oder Lampe geben dem Bildbetrachter kein Licht, der wache Blick von Abgebildeten ist blind. Kombiniert wird dies alles in Darstellungen der fünf Sinne. Wenn Leichen oder Kadaver abgebildet werden, verdoppelt sich die Unfähigkeit des Bildes zur Wiedergabe des Lebendigen im Abgebildeten.

Pleonasmus

Charakteristisch für Vanitas-Darstellungen sind rhetorische Verdoppelungen (Pleonasmus) wie das Tote im toten Bild, das Stumme im stummen Bild, das Unbewegliche im unbeweglichen Bild, das Blinde im blinden Bild, das Verständnislose im verständnislosen Bild. Die Nichtigkeit enthält sich selbst. Dies soll den Betrachter vor der Illusion warnen und auf sich selbst zurückwerfen. Trotzdem wird die Illusion möglichst perfekt gemacht. Der Kunsthistoriker Ernst Gombrich bemerkte dazu: „Je raffinierter die Illusion, desto eindringlicher die Moral vom Gegensatz zwischen Schein und Sein.“ Die gleichzeitige Warnung rechtfertigt den Genuss. Aus diesem Gegensatz erklärt sich die barocke Antithetik.

Sedlec Ossarium in Prag

Quelle: Wikipedia, Artikel dort: Sedletz-Ossarium

Sedlec. Quelle: Wikimedia Commons. Fotograf: Chmouel

Wer einen einzelnen Menschenschädel als abstossendes Symbol empfindet, dem sei ein Besuch in Kutná Hora bei Prag empfohlen. Der Hintergund, ein Symbol für die Vergänglichkeit des Menschen zu setzen, ist universell.

Das Sedletz-Ossarium (tschechisch: Kostnice Sedlec) ist ein Beinhaus in Sedletz (tschechisch: Sedlec), einem Ortsteil von Kutná Hora, etwa 70 km östlich von Prag. Es befindet sich im Untergeschoss der Allerheiligenkirche (tschechisch: Hřbitovní kostel Všech svatých) auf dem Sedletzer Friedhof. Berühmtheit erlangten Kirche und Beinhaus durch die Aufbewahrung von rund 40.000 menschlichen Skeletten, wovon die Knochen von etwa 10.000 Menschen künstlerisch verarbeitet wurden, um Dekorationen und Einrichtungsgegenstände für das Kirchengebäude zu formen.

František Rint schuf das gesamte Inventar mithilfe menschlicher Knochen. Hierfür benötigte er die Gebeine von rund 10.000 Menschen. Unweit der Eingangstür führt eine Treppe in das Untergeschoss des Kirchengebäudes. Auf beiden Seiten des Treppenabgangs stehen zwei fast menschengroße Abendmahlskelche. Rechts, neben einem der Kelche, befindet sich ein aus Knochen und Schädeln geformtes Jesus-Monogramm.

In der Raummitte des Untergeschosses hängt ein achtarmiger Lüster, der nahezu sämtliche Knochensorten des menschlichen Körpers enthält. Unterhalb des Lüsters befinden sich vier Pinakel, bestückt mit jeweils 22 Schädeln. Das Gewölbe wurde mit mehreren Girlanden aus Schädeln und Oberarmknochen dekoriert; ähnliche Konstrukte finden sich als Wandschmuck und insbesondere an den Gurtbögen wieder.

Auf der linken Raumseite hängt das Wappen der Familie Schwarzenberg. Es zeigt unter anderem einen Raben, der – symbolisch und in Anlehnung an die Kämpfe mit den Osmanen im 16. Jahrhundert – einem Schädel (in diesem Fall einem auf dem Schlachtfeld gefallenen Kämpfer) das linke Auge aushackt.

Der Hauptbestand der Gebeine wurde jedoch in den Nebenräumen konisch angehäuft, insgesamt vier gigantische Knochenberge zieren die Seitenschiffe des Souterrains. In den Nischen links und rechts neben dem Hauptaltar stehen zwei Monstranzen. An manchen Schädeln, besonders an denen, die in der Nähe der Nebenaltäre lagern, sind Spuren der Gefechte während der Hussitenkriege zu erkennen (Dreschflegel, Fausthammer).

Rint selbst hinterließ seinen Namen – aus Knochen geformt – an einer Wand neben dem Treppenaufgang.

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