Die Menschen sind Pilger: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 6. August 2015, 10:10 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Die Menschen sind Pilger zum Orte ihrer Bestimmung
Ein Lied und zwei Logenreden
von Johann Heinrich Christoph Meyer, 1773-1777
Bearbeitet von Roland Müller
Aus:
Erläuterung der Freymäurerey.
Aus dem Englischen des Bruder William Preston übersetzet von J. H. C. Meyer,
Zwote vermehrte Auflage.
Stendal,
bey D. C. Franzen und J. C. Grosse, 1780, 163-164, 165-170 und 171-181
Universitätsbibliothek der LMU München, 8 Sc.latom. 107
[Das nachstehende Lied erschien bereits in der 1. Aufl. 1776, 168-170]
eod: Wienbibliothek im Rathaus
Lied, des Bruders M.
abgesungen
in der Loge zum goldenen Circul,
am St. Andreas Tage [30.11.] 5773.
und ebenfalls
in der Loge 3 Compasses and Bowl,
in London am 27sten October 5774.
In jener Zeit, da Liebe, Billigkeit,
Und unbegränzte Zärtlichkeit
Das menschliche Geschlecht beglückte;
Als allgemeine Liebe sie verband,
Als man noch lauter Maurer fand,
Und schon der Name Mensch entzückte;
Da Bruder führte man ein paradiesisch [1780: paradisisch] Leben.
Alle
Ja, Bruder ja, ein paradiesisch [1780: paradisisch] Leben.
Doch jetzt, da niedre Wollust, Haß und Neid,
Da Stolz und Ungerechtigkeit
Des Schöpfers Meisterstück entehret;
Da grossentheils das Laster triumphirt,
Und sich die Tugend fast verliert,
Von der man kaum den Namen höret,
Jetzt Brüder führet man ein wahres Höllenleben.
Alle
Ja Bruder ja, ein wahres Höllenleben.
In Seide hüllet sich das Laster ein.
Wer wird sich jetzt der Tugend weihn?
Nicht der, der sich nach Beyfall wendet.
Gewalt, Bedrückung, Zügellosigkeit,
Verkauftes Recht, und Grausamkeit,
Ist‘s was anjetzt die Menschheit schändet.
Sagt Brüder, ist das nicht ein teufelisches Leben?
Alle
Ja Bruder ja, ein teufelisches Leben.
Doch noch wird Tugend, Unschuld, nicht verkannt,
Noch haben wir ein edles Band,
Das von der Menschen Würde zeuget.
Dies Band verbindet uns, und unsre Pflicht,
Ist Tugend und ein göttlich Licht,
Erhellet uns, doch Brüder schweiget.
Denn nur dadurch führt ihr ein paradiesisch [1780: paradisisch] Leben.
Alle
Ja Bruder ja, ein paradiesisch [1780: paradisisch] Leben.
Rede, bey Gelegenheit des Absterbens
des Bruders Windhorst,
in der Loge zum goldnen Circul gehalten von
J. H. C. Meyer.
am 16ten Oktober 1776.
Meine Brüder!
Wahre Maurer kennen ihre Bestimmung, kennen die Pforte die dahin führet, und verehren die unendliche Weisheit, deren Augenmerk das zertretene Insect, so gut wie der vernünftigere unsterbliche Mensch ist, wenn Sie gleich zu Zeiten uns unbegreiflich handelt; verehren den Unendlichen sage ich in seinen Wegen, wenn sie uns gleich in Nebel gehüllet sind.
Lassen Sie uns auch jetzo seine. Vorsehung anbetend verehren, einer unserer Brüder ist vollendet, ein würdiges Mitglied unserer Gesellschaft, dessen Name sein Lob ist. Er ist zu jenen Wohnungen abgefordert, die das Ziel, der Zweck der Schöpfung des Menschen waren; ohne dieses, ohne jene frohe Erwartung unserer Erlösung von einem Leben, das, wenn es auch am besten gewesen ist, doch uns hinreichend sein leeres fühlen lässet, wären wir uns ein Rätzel, und der Zweck der Schöpfung uns unerklärbar, allein dadurch ist alles Helle, alles weiser Entzweck.
Der schwere Kampf, welchen unser gute Bruder die letzten Stunden seines Lebens gerungen, muß uns nicht traurig machen. Meine Brüder! die Erfahrung hat uns gelehret, daß Schmerzen am wenigsten von dem empfunden werden, welcher sie zu empfinden scheinet; und gesetzt auch sie würden empfunden, so ist doch aus begreiflichen und ganz natürlichen Ursachen, das einem Sterbenden nicht Schmerz, was einem Gesunden so zu seyn scheinet, die Werkzeuge der Empfindungen sind schon stumpfer.
Hoffen können wir ohnehin schon, daß Der, welcher kein Haar von unserm Haupte ohngezählt auf die Erde fallen siehet, daß Der, welcher den weisen Plan unsers Lebens entwarf, und dessen unendliche Liebe aus allen Werken der Weisheit die Er schuf hervorstrahlet, keinem armen, Geschöpf, das Er zum Daseyn rief, seinen Beystand in einer Zeit entziehen wird, da es zur Ewigkeit, zu seiner eigentlichen Bestimmung reif, da es dessen am mehrsten bedarf.
Auch hier meine Brüder, haben wir einen abermahligen Beweis von der Hinfälligkeit unsers Körpers, und doch kann es Unvernünftige geben, die das Gegenwärtige für ihr alles, dies Insectenleben für ihre ganze Bestimmung halten. Krankenbette, meine geliebteste Brüder — die thätige Seele, in einem unthätigen, der Auflösung sich nähernden Körper, ist uns ein untrüglicher Beweis (wenn wir keinen bessern hätten) daß dies nicht unser alles, nur die Vorbereitungs, die Prüfungszeit ist. Lassen Sie uns auch den abermahligen Trost von dem Sterbebette unsers vollendeten Bruders erndten: Der. Mensch stirbt, um ewig zu leben. Dies muthmassete der Philosoph älterer Zeiten, in neuern hofte er es, allein der ächte Christ, der wahre Maurer weis es gewisser.
Auch unser vollendeter Bruder wußte es gewiß, freuete sich der Hoffnung, und reiffete früh zur Ewigkeit. Eine brüderliche Thräne sey ihm geweinet, ihm, der uns früh, in der Blüthe seiner Jahre entrissen ward, allein dann, lassen Sie uns auch uns seiner Vollendung freuen.
Der Tod unsrer Freunde ist der grösseste Lehrer, er erinnert uns an das, was wir so oft im Geräusch dieses Lebens vergessen, er erinnert uns an die Pflichten, die der unendliche Baumeister von uns fordert, und die, in ihrem ganzen Umfange ausgeübet, uns schon hier das sanfteste, das reizendste Vergnügen, Zufriedenheit mit uns selbst, und Hoffnung des uns versprochenen ewigen Lebens gewähren.
Lassen Sie uns diesen Verlust aufrichtig beklagen, dies ist dem Menschen erlaubt, nur muß es nicht Unzufriedenheit mit den Schickungen des Allmächtigen werden, dessen Wege uns immer dunkel bleiben müssen, weil wir das Ganze des göttlichen Plans nicht sehen, es auch nicht fassen würden, weil das Endliche nie das Unendliche begreiffen wird. Wir verehren Ihn also, verehren seine Weisheit, die alles gut machet, die gerade die Begebenheiten in den Plan unsers Lehens gewebet hat, die seiner Vorhersehung zu Folge uns am gewissesten zu unserer Bestimmung führen, und widmen uns von neuen denselben mit dem redlichsten Entschlusse.
Lassen Sie uns voll von dieser edlen Entschliessung, uns der Rechtschaffenheit, und aller menschenfreundlichen Tugenden mit allem Eifer befleißigen, so brauchen wir den Augenblick nicht zu scheuen, der allen Creaturen bevorstehet, nein, wir werden ihm segnend entgegen sehen, als den Befreier von einem Leben, daß aufs Höchste erträglich war; als den Freund, der uns zu dem eigentlichen Leben, dem Lohn der Rechtschaffenheit und Tugend einführen wird, wo unsere Arbeit sich wird geendiget haben, und wo uns ein Glück erwartet, welches es verdienet, daß es erkämpft, errungen werde.
Wir sahen ihn, ihn für Elysium
Geschaffen, sahn die Seel, in dem Gewand
Hülfloser Sterblichkeit, ein Engel schon;
Wir sahen ihn, und weinen auf sein Grab
Die heisse Thräne hin, und fühlen ganz
Das schwere Loos von ihm getrennt zu seyn
Doch Brüder seyd getrost, und wallt beherzt
Mit sicherm Schritt den Pfad zur Ewigkeit.
Dort seht ihr ihn, dort stimmet ihr mit ihm
Der goldnen Harfeton zu ew'gen Sang.
Du mächtiger Geist schaust auch auf uns herab,
Und schafst auch uns nun bald zum Seraph um.
Rede in einer Freymaurergesellschaft.
Den 3ten Februar 1777.
Meine Brüder!
Die beste Art, den heutigen Tag würdig zu feyren, ist, wenn wir dankvoll auf die Wohlthaten zurücksehen, die uns in diesem unserm vergangenen maurerischen Jahre von der Hand des höchsten Baumeisters zu Theil geworden. Wer ist unten uns, der hier nicht Ursach findet sich zu freuen! Auch Unannehmlichkeiten, die uns allenfalls wider unser Verschulden begegnet seyn können, aus dem Gesichtspunkte betrachtet, aus welchem ein wahrer Maurer gewohnt seyn muß die Sachen anzusehen, geben uns Ursach zum Dank, zum feurigsten Dank gegen den, der sie als Mittel vorhergesehen hat, um desto sicherer zum Zweck zu führen. Der rechte Genuß des Lebens, der gute Gebrauch der Zeit, dies, M. Br. ist das grösseste Geheimniß, welches von dem größten Haufen der Menschen unerkannt, uns zu dieser Freude, zu dieser Ruhe geschickter machen kann.
Was ist das Leben der Menschen anders, als ein beständiger Kraislauf kleiner nichts bedeutender Handlungen? Wir stehen auf, kleiden und entkleiden uns, essen, trinken, werden wieder hungrig, spielen, werden müde, legen uns schlafen, und so fängt sich dann der Zirkel von vorne wieder an; so bringt der größte Theil der Menschen seine Tage zu, und die Nachte -- o da schläft unsre Vernunft, und läßt uns keinen Vorzug vor dem Ochsen im Stalle.
Rechnen wir diesen ewigen Zirkel von Handlungen, die für uns, für die Ewigkeit ganz verlohren sind, ab, o M. Br. wie wenige Zeit bleibt uns alsdann übrig, uns zu der Lage, worin die Seele seyn muß, wenn sie einer dauerhaften Freude, einer wahren maurerischen Ruhe fähig seyn soll, zuzubereiten. Der ewig versprechende, und aufschiebende Mensch vertändelt die Zeit seiner Aussaat, und ehe er zur Erndte gereifet, überfällt ihn der Tod, und vereitelt seine glänzenden Entwürfe.
An einem Tage, der Freude geweihet, vom Tode zu reden? ja, M. Br., dies ist ein Gegenstand, der uns Freude verschaffen kann, grössere, edlere Freude, als die witzigsten und launigten Sachen, die ich Ihnen vielleicht sagen könnte. Zudem wissen Sie, daß wir zwey unserer Brüder unter uns vermissen, welche seit der Feyer unsers letzten Stiftungstags vollendet sind; auch der Gedanke, sie haben den Sieg errungen, den Lauf vollendet, den Kampf gekämpfet, der uns noch bevorstehet, muß uns erfreulich seyn. Dem Thoren hingegen, der ihn selten oder gar nicht aufkommen lässet, ist es ein untröstlicher Gedanke; auf Tage, auf Wochen schlägt er ihn nieder, und liegt auf seiner Seele —- wie Bley. Der Weise beschäftigt sich noch während seines Lebens mit dem Tode, damit er ihn nicht fühle, wann er erscheint. Der Tod zeigt, wer der Mensch im Leben war, Weiser oder Thor.
Als man derohalben einstens den Epaminondas fragte: wer von ihnen dreyen, der Chabrias, der Iphierares, oder er, Epaminondas, am mehresten geschätzt zu werden verdiente? antwortete er:
da müßt ihr uns erst sterben sehen.
Der Tod zieht dem Heuchler die Larve ab, und der so ihm unerschüttert entgegen gehen will, muß ihm oft unter die Augen gesehen haben. Dann verschwindet der Knochenmann, das Schreckgespenst, und wir sehen nur die letzte Sprosse der erstiegenen Leiter zum Daseyn.
Der Gedanke: die Menschen sind Pilger, sind Reisende, die sich mit jedem Schritte dem Orte ihrer Bestimmung mehr nähern, ist zwar oft und vielfältig gebraucht worden: allein mich dünkt, er behält doch immer noch eine gewisse Neuheit, etwas Erfreuliches, und verdient allerdings von jedem, der nicht durch dieses Leben dahin taumelt, oft durchdacht zu werden.
Antiphanes, ein Dichter, der an die 100 Jahre vor dem Socrates lebte, betrachtete das Leben der Menschen schon aus diesem Gesichtspunkte. Er sagt irgendwo:
„Traure nicht übermässig über deine verstorbenen Freunde, sie sind nicht todt, sondern haben nur bloß die Reise geendigt, auf welcher jeder von uns begriffen ist: auch wir müssen zu dem Ort, wo sie alle sind, und werden in diesem Hauptsammelplatze des Menschengeschlechts in einem andern Stande des Daseyns leben."
Unter ähnlichen Bildern finden wir das Leben der Patriarchen beschrieben, sie nennen sich Pilger und Reisende, und wann sie vom Tode reden, so nennen sie es: zu ihren Vätern versammlet werden. Der Denkungsart der Morgenländer ist dies Bild höchst angemessen.
Ein Derwisch reisete einstens durch die Tartarey, und trat, als er in die Stadt Balk kam, in den königlichen Pallast. Nachdem er sich in selbigem etwas umgesehen: so gieng er in eine der Gallerien, legte seinen Quersack nieder, breitete seine Decke aus, und setzte sich auf selbiger zur Ruhe nieder. Er hatte bereits etwas geschlafen, als die Wache ihn ansichtig wurde, und ihm seine Kühnheit verwies. Er antwortete, daß er in einer Caravanserey eben so viel Recht habe, wie irgend ein anderer, und wollte sich auf keine Weise abweisen lassen. Es traf sich, daß gerade zu der Zeit der König durch die Gallerie gieng, und weil er den Lärmen hörte, hinzutrat, um den Derwisch zu fragen, wie er so albern seyn könne, einen Königlichen Pallast für eine Caravanserey anzusehen.
Darf ich dir einige Fragen thun,
fragte der Derwisch, und nachdem es der König erlaubt, so fragte er:
Wer bewohnte dieses Gebäude, als es zuerst erbauet war?
Der König: meine Vorfahren.
Der Derw. wer hat es zuletzt bewohnt?
Der König: wein Vater.
Der Derw. wer bewohnt es anjetzo?
Der König: ich.
Der Derw. aber wer wird es nach dir bewohnen?
Der König: der junge Prinz, mein Sohn.
Ey, fing nun der Derwisch an zu schliessen, ein Haus, welches so beständig seine Bewohner vertauscht, in welchem beständig so einer dem andern nachfolgt, ist kein Pallast, sondern eine Caravanserey,
und legte sich wieder auf seine Decke.
Mit noch weit grösserm Recht, als jener Derwisch den Pallast, können wir die Welt eine Caravanserey nennen, worinnen wir zwar heute herbergen, allein morgen einer andern Gesellschaft räumen müssen, deren keiner viel länger wie wir darinnen herberget. Was ist aber auch die längste Zeit, die wir darin gelebt haben, wenn wir nicht den möglichsten, besten und vernünftigsten Gebrauch davon gemacht haben? Jener katholische Jüngling beschämt tausend alte Jünglinge unserer Zeit; er las einstens in der Bibel: Adam lebte 930 Jahrs und starb; Seth lebte 912 Jahre und er starb; die Lebensjahre Methusalah waren 969 Jahre, und er starb. Nun konnten alle seine Freunde seinen Entschluß, ins Kloster zu gehen, nicht mehr wankend machen. Nein, sagte er, unser Leben ist noch nicht der zehnte Theil der Lebensjahre der Patriarchen, man muß es recht nutzen.
Von der besten Art das Leben zu nutzen, die nun freylich von jener unthätigen, obgleich fromm gemeynten, verschieden ist, behalte ich mir vor, bey einer andern Gelegenheit zu reden; jetzo will ich Ihnen nur noch einige Bemerkungen beybringen, die bey solchen Vorfällen, die wir in dem vergangenen Jahre erfahren haben, ihre ganze Stärke zeigen. Mir sind sie allezeit eine unerschöpfliche Quelle des Trostes und der Zufriedenheit gewesen, und machen die Glückseligkeit unsers ganzen Lebens aus.
Der Tod des geringsten Geschöpfes ist für uns lehrreich; keinen stärkern Beweis einer über alles Geschaffene waltenden Vorsehung giebt es. Die Listen der Gebohrnen und Gestorbenen zeigen so unwidersprechlich einen höchsten Aufseher, wie das geringste Geschöpf, welches wir in der Leiter der erschafnen Dinge finden, Spuren der unendlichen Weisheit dieses höchsten Baumeisters darbietet. Woher sonst dies genaue Verhältniß zwischen Gebohrnen und Gestorbenen, zwischen Weiblichen und Männlichen? Woher die geschwinde Ersetzung des, durch langwierige Kriege verursachten, Mangels an Männern? Könnte der Zufall so die Wage im Gleichgewichte erhalten? und würde, wenn nicht die Hand des Allmächtigen sie erhielte, nicht zu Zeiten ein Land, welches Jahrhunderte im tiefen Frieden lebt, und in welchem, durch Schiffarth so wenig wie durch Auswanderungen, diese Anzahl der Männer nicht geschwächt wird, nicht zuletzt ein populus virorum werden? um so mehr, da bekanntermaassen allezeit mehr männliche als weibliche geboren werden.
Diese Hand der Allmacht nun, welche so über das Geschlecht der Menschen wacht, erstreckt sich eben so sichtbarlich über alles, was geschaffen ist: und seitdem dieser Wunderbau aus dem Nichts hervorgerufen ward, erhält jeder Wald, jeder Sumpf, jeder See, und jeder Wassertropfen seine Bewohner, ohne daß man besorgen dürfe, saß sich Arten aus der Stuffenleiter verlieren möchten. Gefräßigere Arten vermehren sich sparsam, andere, welche diesen zum Raube oder dem Menschen zur Nahrung dienen müssen, vermehren sich in eben dem Maasse, und nicht stärker oder schwächer, als es nöthig ist, diesen Zweck zu erreichen.
Wer verkennt hier den Finger dessen, der das microscopische Thierchen so gut kennet, als den Elephanten; ihn, dem nichts künftig, nichts vergangen, nichts groß und nichts klein, sondern alles gleich gegenwärtig ist. Sterblichen, eingeschränkten Kreaturen, war ein solcher Maaßstab von Zeit und Grösse nöthig, um das Verhältniß der Dinge um sich auszumessen, und wenn ich so reden darf, das Gemählde erst anzulegen, welches dort soll ausschattiret werden.
Elende Weisheit noch elenderer Philosophen, welche sich von dem Begriffe des Staubes, von diesem Maaßstabe von Leimen nicht losreissen und in dem Schöpfer auch zugleich den Erhalter und Regierer sehen können.
Sorgt der Schöpfer nicht auch für jedes Individuum, wann fing sich denn diese Vernachläßigung (ein gotteslästerlicher Gedanke) an? Etwann da, als Familien in eine Gesellschaft zusammen traten? Oder wenn er auch noch da auf jede Familie blickte, verlohr sie sich denn etwa da, als Gesellschaften zusammen traten, und nun ein Reich entstand? Wer siehet das Abendtheuerliche einer solchen Philosophie, nach welcher alles dunkel und unerklärbar ist, nicht ein!
Ist denn nun also die Hand des Allmächtigen mit uns, stehet und kennet er jedes Geschöpf, dessen Handlungen und dessen Zufälle; o meine Theuresten! welch eine reine und unerschöpfliche Quelle der seligsten und wahresten Vergnügungen entspringt daraus für jeden armen Sterblichen! Unglücksfälle, aus diesem Gesichtspuncte betrachtet, was sind sie? Nothwendige Stuffen der Leiter unsers Lebens, vermöge deren wir nur höher steigen. Was sind mißlungene Unternehmungen, fehlgeschlagene Wünsche? Winke der Vorsehung, daß dies nicht in ihren Plan passe, unserer wahren Bestimmung nicht entspreche.
Wenn wir solchergestalt uns gewöhnen, alle unsere vernünftigen Handlungen und ihre Folgen der Vorsehung anzubefehlen, und allezeit voller Vertrauen auf dieselbe, den Erfolg, er möge auch seyn, welcher er wolle, ruhig abwarten; wenn solchergestalt mißlungene Unternehmungen und nicht erhörte Wünsche uns dem Regierer unsers Daseys noch näher bringen, und uns weiser machen: so gehen wir mit sichern Schritten dem Augenblick entgegen, der uns ermüdete Reisende zu unserer Heymath führet.
Lassen Sie uns, meine Theuresten! uns nun bestreben, diese Denkungsart uns recht zu eigen zu machen; lassen Sie uns, dieses festen Entschlusses voll, diese neue Epoche anfangen, und uns täglich aller der Pflichten erinnern, die uns, als Maurer und als Pilgrimme, die hier nur gleichsam zur Herberge sind, obliegen. Lassen Sie uns den rechten Gebrauch der Zeit kennen lernen, und diese Erkenntniß nutzen; unsere Bestimmung allezeit vor Augen haben, und uns dazu vorbereiten; in Summa, lasten Sie uns auf den letzten Augenblick ruhige Gelassenheit, und auf die Zukunft Schätze sammlen: denn nur dies ist Weisheit.
Meyer, Lieutenant.