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Br. Werner Schwartz, in dem dieser mit Bitterkeit an die vielfachen „brüderlichen“ Mahnungen dachte, die er bei jeder Gelegenheit erhielt, er möge doch davon ablassen, wie lange solle man noch das Büßerhemd tragen - wovon er absehen sollte, war seine damals geplante kritische Aufarbeitung der Geschichte der „3WK“ während der NS-Zeit, welche schließlich im Jahre 2000 mit der Herausgabe seines dreibändigen Standardwerks ihren Abschluß fand.
Mahnungen dachte, die er bei jeder Gelegenheit erhielt, er möge doch
 
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1 Für diesen Vortrag wurden unveröffentlichte Archivalien aus dem Archiv der GNML
 
3WK sowie bereits veröffentlichte Dokumente herangezogen. Für letztere maßgeblich W.
 
Schwartz, Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ ... - Versuch einer Standortbestimmung,
 
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1 Für diesen Vortrag wurden unveröffentlichte Archivalien aus dem Archiv der GNML 3WK sowie bereits veröffentlichte Dokumente herangezogen. Für letztere maßgeblich W. Schwartz, Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ ... - Versuch einer Standortbestimmung, Berlin 2000 (im Folgenden „Standortbestimmung“).
  
 
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Version vom 11. März 2019, 12:05 Uhr

Einige Bemerkungen zur Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Freimaurerei von 1945-1955 unter besonderer Berücksichtigung der GNML zu den „3WK“

1

Pantelis Carelos / Archiv 3WK


“Die Freimaurer sind allzeit schlechte
Geschichtsschreiber ihres Ordens gewesen
und haben sich von jeher an
zufällige Übereinstimmungen gehalten,
um alle möglichen kühnen Geister alter
und neuer Zeit für Freimaurer erklären
zu können“ (1923)
Fritz Mauthner
(Der Atheismus und seine Geschichte im
Abendlande, Band 3, Heppenheim 2010,
Anm. 54, S. 352)

Der vorliegende Vortrag1 ist als erster Teil einer umfangreicheren Untersuchung zur Geschichte der deutschen Freimaurerei von 1945 bis 1970 unter besonderer Berücksichtigung der GNML zu den „3WK“ gedacht, die sich noch in Vorbereitung befindet, d.h. er hat nur vorläufigen Charakter. Das Thema erfordert einige Vorüberlegungen, die einen großen Teil meiner Ausführungen in Anspruch nehmen. Ich hoffe, ebendiese Ausführungen werden die so entstandenen Disproportionen hinreichend begründen.

I. Allgemeines

Der Autor dieser Zeilen erinnert sich noch zu gut an ein Gespräch mit dem vor einigen Jahren verstorbenen Großarchivar der GNML zu den „3WK“, Br. Werner Schwartz, in dem dieser mit Bitterkeit an die vielfachen „brüderlichen“ Mahnungen dachte, die er bei jeder Gelegenheit erhielt, er möge doch davon ablassen, wie lange solle man noch das Büßerhemd tragen - wovon er absehen sollte, war seine damals geplante kritische Aufarbeitung der Geschichte der „3WK“ während der NS-Zeit, welche schließlich im Jahre 2000 mit der Herausgabe seines dreibändigen Standardwerks ihren Abschluß fand.

1 Für diesen Vortrag wurden unveröffentlichte Archivalien aus dem Archiv der GNML 3WK sowie bereits veröffentlichte Dokumente herangezogen. Für letztere maßgeblich W. Schwartz, Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ ... - Versuch einer Standortbestimmung, Berlin 2000 (im Folgenden „Standortbestimmung“).

2

Um mit Br. W. Schwartz zu sprechen: „(es) sei die Feststellung getroffen, daß die ... Freimaurerei, bei der Aufarbeitung von Vergangenem geneigt ist, unangenehme Vorgänge zu verdrängen und zu glorifizieren ... Schließlich soll keine selbstgefällige, pharisäerhafte moralische Wertung des damaligen Geschehens vorgenommen werden, sondern dieses Geschehen soll in das politische Umfeld und den damit verbundenen Zeitgeist eingebettet werden“.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob sich aus der Geschichte lernen läßt. Der deutsche Historiker Michael Stürmer, Berater des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl und Teilnehmer des sog. Historikerstreits, formulierte 1993 das in der deutschen Gesellschaft weitverbreitete, nationalverträgliche Geschichtsbild wie folgt: „In zunehmenden Begründungsnöten aber erhebt sich die Frage, wie lange es dem stein´ernen Gast aus der Vergangenheit noch gestattet sein soll, für alle Zukunft und alle Vergangenheit über Bürgertugend und Vaterlandsliebe sein Veto zu werfen“ (FAZ, 27.12.1993).

Mit anderen Worten, um wieder eine normale Nation zu werden, sollten wir die kritische Erinnerung an die NS-Zeit verdrängen. Gilt also die alte wie beliebte Denkfigur/Maxime der Geschichte als Lehrmeisterin, historia magistra vitae, nicht mehr? «Aus der Geschichte lernen» ist etwas anderes als etwa «Geschichte lernen». Letzteres passiert in der Schule: Man lernt dort Daten von Schlachten sowie andere historische Begebenheiten genauso wie man Vokabeln lernt. Indes gibt es keine eindeutigen geschichtlichen Lehren, sondern nur Menschen, die Ereignisse deuten. Darüber hinaus kann man nur aus einer Geschichte lernen, die sich wiederholt.

Geschichte kann jedoch auch Aufklärung, Selbstkritik und Selbsterkenntnis bedeuten. Im konkreten Fall, für die Jahre nach 1945, ist die Geschichte besonders dazu geeignet als kritische Instanz zu fungieren: „Die Geschichte mag allenfalls eine kritische Lehrmeisterin sein, die uns sagt, wie wir es nicht machen sollen. Als solche meldet sie sich freilich nur zu Wort, wenn wir uns eingestehen, daß wir versagt haben. Um aus der Geschichte zu lernen, dürfen wir ungelöste Probleme nicht wegschieben und verdrängen; wir müssen uns für kritische Erfahrungen offenhalten“, so Jürgen Habermas, in seiner Essaysammlung: Zeitdiagnosen, Frankfurt 2003.

II. Zur Entwicklung der GNML 3WK bis 1945

Die Entwicklung der deutschen Freimaurerei von ihren Anfängen im 18. Jh. bis zum Ende des 19. Jh., insbesondere die Existenz mehrerer Systeme und Obödienzen, kann nur verstanden werden, wenn man die innere

3

Struktur des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in seiner Spätphase und des Deutschen Bundes, kurzum die deutsche Kleinstaaterei, berücksichtigt. Damit geht auch die Tatsache einher, daß die Maurerei auf sehr verschiedene Wege nach Deutschland gekommen ist.2 Auf der anderen Seite waren auch die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges, die Entstehung der zwei deutschen Teilstaaten und die Sonderstellung Berlins, der Entwicklung einer einheitlichen deutschen Freimaurerei kaum zuträglich. Damit der Rahmen dieses Vortrags nicht gesprengt wird, möchte ich im Folgenden die lange Entwicklung der GNML zu den „3WK“, von ihrer Gründung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, durch die Aufstellung einiger Thesen charakterisieren (Vgl. insbesondere Werner Schwartz, „Standortbestimmung“, Bd. I-III, passim): 1. Die GNML zu den „3WK“ wurde im Jahre 1740 von Friedrich II., dem Großen, gegründet und war bis zum Ende des 1. WK mit dem Hause Hohenzollern eng verbunden - letzteres trifft auch für die übrigen altpreußischen Großlogen zu, welche ausnahmslos christlich, monarchistisch und vaterländisch geprägt waren. Im letzten Drittel des 19. Jh. und besonders im ersten Drittel des 20. Jh. verschob sich sogar die Einstellung der Altpreußischen und besonders der GNML zu den „3WK“: es bildeten sich völkisch-nationale und antisemitische Positionen heraus. 2. Parallel dazu gab es im Laufe des 19. Jh. immer wieder Bestrebungen, eine einheitliche deutsche Freimaurerei aufzubauen. So sind zu erwähnen: 1810 die Gründung eines Freimaurer-Vereins der drei Großen Logen Berlins, der eine Vereinigung der preußischen Freimaurerei anstrebte - er löste sich wegen innerer Zerwürfnisse 1823 auf. Weitere Vereinigungsversuche mündeten schließlich im Jahre 1872 in die Gründung des Deutschen Großlogenbundes ein, dem acht deutsche Großlogen angehörten. Indes war die Idee einer einzigen deutschen Großloge auf Grund des deutschen Partikularismus a priori zum Scheitern verurteilt. Mehr noch es entwickelten sich in Deutschland eine „humanitäre“ und eine „christliche“ Richtung der Freimaurerei. Erstere machte keinen Unterschied im Glaubensbekenntnis, so daß z.B. auch jüdischen Suchenden die Aufnahme ermöglicht wurde. Schließlich kam es im Jahre 1922 zum Austritt der altpreußischen Logen aus dem Deutschen Großlogenbund. Neben der Frage der Religion schied beide Systeme der Versuch der GNML zu den „3WK“, die Aufnahmebedingungen 2 Vgl. F. J. Böttner, Zersplitterung und Einigung, Hamburg 1962, S. 45f. 4 von der „Deutschstämmigkeit“ und „nationalen Zuverlässigkeit“ des Aufzunehmenden abhängig zu machen. 3. Die Umwandlung der GNML zu den „3WK“ in den Nationalen Christlichen Orden „Friedrich der Große“ im April 1933 war kein Tarnungsversuch zur Rettung der Freimaurerei, sondern der Versuch überzeugter Nationalsozialisten, eine völkisch-nationale Freimaurerei aufzubauen. Der Gedanke, es würde etwa durch Anbiederung gelingen, der Verfolgung Einhalt zu gebieten, ist ein Irrtum. Die Angriffe auf die Freimaurerei wurden immer stärker. Auch der Widerstand deutscher Freimaurer gegen das NS-System hielt sich in Grenzen. Die deutschen Freimaurer waren in dieser Hinsicht nicht besser und auch nicht schlechter als die Mehrheit der deutschen Bürger. Sich dieses einzugestehen, fällt den meisten Freimaurern bis heute schwer. III. Die GNML «3WK» in der Zeit von 1945-1955 Das Jahr 1945 bedeutete den völligen Zusammenbruch und das Ende des Deutschen Reiches verbunden mit ungeheuren Verlusten an Menschen, Vertreibung, leiblicher Not. Die Teilung Deutschlands in vier Besatzungszonen und die Sonderstellung des ebenfalls in vier Sektoren geteilten Berlins erschwerten die Wiederentstehung der Freimaurerei in den Organisationsformen vor der Machtergreifung. Hinzu kam, daß die Besatzungsmächte keine überregionalen Zusammenschlüsse zuließen. Bereits ab dem Spätsommer 1945 nahm man in Berlin Kontakte mit der amerikanischen Militärregierung auf - für die „3WK“ Br. Traugott Mann mit Colonel Richmond, selbst Freimaurer und Dezernent für Freimaurerangelegenheiten bei der US-Armee. Ziel dieser Bestrebungen war die Erteilung einer Genehmigung zur Wiederaufnahme freimaurerischer Tätigkeit. Nach langen Bemühungen gelang es einem „vorläufigen geschäftsführenden Bundesdirektorium“ der GNML zu den „3WK“ im Mai 1946 eine offizielle Arbeitserlaubnis zu erwirken - allerdings war diese auf den amerikanischen Sektor beschränkt. Ab August 1946 begannen die Logen mit ihren Arbeiten. Der monatlich erscheinende Arbeitskalender weist einen regelmäßigen Ablauf der Arbeiten aus. Gearbeitet wurde mit einem modifizierten Ritual in einer Fassung vor 1933. Das Alles spricht für eine Konsolidierung der Johannislogen und eine Normalisierung der Arbeit der Großlogen sowie ihrer gegenseitigen Beziehungen. Doch weit gefehlt, diese politisch, wirtschaftlich wie sozial noch nicht gefestigte Umbruchzeit wirkte dramatisch in die Freimaurerei hinein, zwangsläufig flossen Machtstreben, Ambitionen und Misstrauen genährt aus 5 der jüngsten Vergangenheit ein. Die Atmosphäre war bereits so vergiftet, daß viele menschliche Schicksale Schaden nahmen. Aus dieser turbulenten Zeit möchte ich zwei Komplexe vorstellen, die einen gewissen Einblick in die Zeit und die Ereignisse gewähren: den Fall des „3WK“ NGM Fritz Sasse und den Prozeß der „3WK“ gegen Br. Karl Manecke . Der Fall des „3WK“ NGM Fritz Sasse Wer war eigentlich Fritz Sasse? - Er wurde 1889 in Berlin geboren und ist 1956 ebenda gestorben, Sohn eines Lehrers, wurde 1913 ordiniert und war bis zum Ende des 1. WK Pfarrer in Danzig wie auch Feldgeistlicher. Während des Krieges erhielt er das Eiserne Kreuz II, die Rot-Kreuz-Medaille III, später auch das Ehrenkreuz für Frontkämpfer. Von 1918 bis 1932 war er Pfarrer in der Lazarus Gemeinde in Berlin-Friedrichshain und nach einem Zwischenaufenthalt in Krahne/Lehnin ab 1939 in Berlin-Johannisthal. Seit 1923 gehörte er der „3WK“ Loge „Zur Eintracht“ an. Der Superintendent seiner Kirche urteilte über ihn wie folgt: „Er ist ein guter Prediger und ein treuer Seelsorger und durchaus national gesonnen“ und weiter aus einer anderen Mitteilung des Superintendenten: „Er sei ein Feuerwehrmann gewesen, auch Inspektor aller Freiwilligen Feuerwehren im Kreis Zauche-Belzig. ... Gelegentlich habe er an langen Sonnabend-Versammlungen der Feuerwehr mitgemacht und sei dann erst am Sonntag morgens nach hause gekommen, habe sofort den Talar über die Feuerwehrkluft gezogen und Gottesdienst gehalten“.3 Ab 1939 betreute Sasse eine Gemeinde in Berlin-Johannisthal, wohin er gezogen ist, nachdem es mit dem Bezirksleiter der NSDAP Spannungen gegeben hatte. Pfarrer Sasse erkannte man später als „Opfer des Faschismus“ an. Diese Informationen können nur einen unvollständigen Eindruck über die Persönlichkeit des späteren NGM der GNML „3WK“ vermitteln. Am 14. März 1951 richtete das BD der „3WK“ ein Schreiben an den Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen (Jakob Kaiser), eine Stellungnahme zu den politischen Vorwürfen gegen Sasse, er sei als Mitglied einer staatsfeindlichen Partei untragbar und „die Loge (3WK) könne zu den kommunistisch ausgerichteten Organisationen gezählt werden“. 3 Vgl. „AUS DER GESCHICHTE DER LAZARUS-GEMEINDE ANLÄSSLICH IHRES 110-JÄHRIGEN BESTEHENS», Text und Gestaltung: Henrik Schiemann (Küster), Herausgeber: Der gemeinsame Gemeindekirchenrat der Ev. Kirchengemeinde St. Andreas und der Ev. Lazarus-Kirchengemeinde, Berlin 2006, S. 22. 6 Ein Ausschnitt daraus mag die Person Sasses wie auch den oben angedeuteten Sachverhalt ein wenig mehr verdeutlichen: »Br. Fritz Sasse ist bereits seit dem 27.01.1923 Freimaurer. Während der 12 Jahre der Finsternis hat unser Br. Fritz Sasse viel erleiden, und erdulden müssen. Er hat in frühen Lebensjahren seine Eltern verloren und wurde Vollwaise. Mittellos hat er sein Theologie-Studium dadurch durchgeführt, daß er an den Abenden in einer Kapelle des Zirkus Busch gespielt hat, um so die Mittel für sein Studium zusammenzubringen. Im Juni 1944 wurde sein einziger Sohn als einfacher Gefreiter, weil er die in seinem Elternhause gelernte Einstellung zum Deutschtum gegen eine Diktatur Hitlers zum Ausdruck brachte, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Den Vater zwang man, dieser Hinrichtung beizuwohnen. Freunde versteckten den Br. Fritz Sasse, denn sonst wäre er am 20. Juli 1944 auch unter den Opfern des Faschismus gewesen. Innerlich zerbrochen durch das Erlebte, hat er sich der SPD angeschlossen, in dem Glauben und der Annahme, daß diese Partei die stärkste Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus darstellte. Nach der zwangsweisen Zusammenlegung der SPD und der KPD in der Ostzone und im Ostsektor von Berlin wurde er zwangsweise in die SED überführt. Es ist auch richtig, daß ihn diese Partei herausstellte und ihn zum Bezirksverordneten des Bezirks Treptow wählen ließ. Da er sich aber in dieser Bezirksversammlung so gut wie überhaupt nicht betätigte, ist er aus Interesselosigkeit wieder ausgeschlossen worden. ... Es ist auch richtig, daß Br. Fritz Sasse viele menschliche Fehler hat. Wir haben aber in Ausübung der in unseren Kreisen geübten Toleranz darüber hinweggesehen, weil wir den größten Teil seiner Fehler auf sein schweres Leid, daß er nun einmal durchleben mußte, zurückgeführt haben. Wir geben auch zu, daß es richtig gewesen wäre, wenn sich Br. Fritz Sasse von dem Posten des Großmeisters unserer Großen National- Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln« bereits vor Jahresfrist losgesagt hätte. Ihn aber aus diesem Amt zwangsweise zu entfernen, dafür lag kein Grund vor, denn er hat in unseren Kreisen sich als treudeutscher Mensch und als aufrichtiger Bruder bewegt und benommen«. Soweit der Brief des BD an den Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen... Darüber hinaus steht obige Darstellung des Schreibens des BD im Einklang mit den Angaben aus dem weiter oben erwähnten Bericht der ersten Berliner Gemeinde Sasses, wovon ich mich durch Vergleich überzeugen konnte. Die Angelegenheit Sasse zog immer größere Kreise, obwohl die Öf7 fentlichkeit kaum etwas erfuhr: ein Schreiben ähnlichen Inhalts erreichte auch den damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, welcher qua Amt in der Sache nichts unternehmen konnte. Immerhin schaltete er den Bundesinnenminister Thomas Dehler ein, der seit 1929 Freimaurer war. Fritz Sasse war NGM vom 10. November 1946 bis zu seinem Rücktritt am 14. Dezember 1950. Die Korrespondenz, Darstellungen wie Gegendarstellungen, aus dieser Zeit zum Politikum Sasse zwischen den Berliner Großlogen, der VGL (AFuAM), vertreten durch den Großmeister Theodor Vogel, und den erwähnten Politikern füllen mehrere Ordner in unserem Archiv. Gleichwohl diese Dokumente von hohem Interesse und manchmal Brisanz sind, verzichte ich an dieser Stelle auf eine Präsentation dieser Papiere, stattdessen versuche ich mit Hilfe ebendieser Archivalien, die Angelegenheit zusammenzufassen: 1. Auf der einen Seite haben wir in der erwähnten Zeitspanne einen NGM der „3WK“, der im Ostsektor Berlins wohnte und, was erschwerend hinzukommt, Mitglied der SPD und später -nach der Zwangsvereinigung - der SED war. Bei allem Verständnis für das menschliche Schicksal Sasses ist es für jedermann klar, daß diese Konstellation in der Zeit der deutschen Teilung und des Kalten Krieges wie das sprichwörtliche rote Tuch wirken musste. 2. Es scheint jedoch, daß das Politikum Sasse für die VGL (AFuAM) ein Anlass war, die GNML „3WK“ auszugrenzen, sie als irregulär darzustellen und somit den Weg zur Schaffung einer einzigen deutschen Großloge zu ebnen. Mir liegt fern die vernünftige Vision Theodor Vogels von einer einzigen deutschen Großloge, in der alle Logensysteme vereinigt sind, gering zu schätzen. Indes sind auch die Mittel von eminenter Bedeutung, die man benutzt, um ein Ziel zu erreichen. Während Bernhard Beyer, Großmeister der Großloge zur Sonne, forderte, man solle die Kontakte mit den altpreußischen Großlogen auf Grund von „streng nationalen“ Äußerungen derselben noch vor dem Verbot von 1933 ablehnen, bis es feststeht, daß bei ihnen ein Gesinnungswandel eingetreten sei4, „befürchtete“ sein Stellvertreter und späterer Großmeister Theodor Vogel, die GNML „3WK“ unter Sasse „verfolge kommunistische, staatsfeindliche Tendenzen.“5 Auch wenn die Bemühungen, der „3WK“ die freimaurerische Regularität abzuerkennen, letztlich misslangen, verraten diese widersprüchlichen Aussagen einen gewissen Opportunismus - man war halt nicht gerade zimperlich in der Wahl der Mittel, wenn es um die Durchsetzung von Interessen ging. 4 Vgl. : M. Steffens, Freimaurer in Deutschland, Frankfurt 1966, S. 530. 5 Vgl. „Standortbestimmung“, Bd. II, S. 651. 8 Wie bereits erwähnt, wurde Fritz Sasse am 14. Dezember 1950 veranlasst, von der Geschäftsführung zurückzutreten. 3. Diese für die GNML „3WK“ gefährliche Angelegenheit ist durch klärende Gespräche mit dem Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen am 15. und 17. März 1951 bereinigt worden. In einem Schreiben vom 28. März 1951 erklärte Der Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen, daß nunmehr „die politischen Bedenken gegen die Leitung der GNML zu den “3WK“ hinfällig geworden sind“6. Abschließend sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen von Dr. von Dellinghaus, Referent im Bonner Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen, nach Durchsicht der einschlägigen Akten von Interesse: „... die Angelegenheit (sei) vollkommen geklärt, die Akten geschlossen“ ... „daß er (sc. von Dellinghaus) durch die Art und Form, wie der Großmeister Dr. Vogel vorgegangen sei, insofern einen falschen Eindruck bekommen habe, ..., daß der Großmeister Vogel die Aufsichtsbehörde über alle ... Großlogen in Deutschland sei“ - und schließlich „die Angriffe gegen die GNML 3W von Freimaurerkreisen ausgegangen seien, und daß Auskünfte bei Logen und Großlogen in Berlin eingeholt worden seien.“7 Dies zur Affäre um den NGM der GNML „3WK“ Fritz Sasse; wir betrachten nun den zweiten Komplex über die Liquidation der 3WK und um den Prozeß gegen Karl Manecke. Der Prozeß der „3WK“ gegen Karl Manecke Die Auflösung und die Liquidation der GNML „3WK“ bilden für sich einen sehr komplizierten, manchmal undurchsichtigen Prozeß, deren Auswirkungen die Großloge bis in die jüngste Vergangenheit beschäftigten. Im Folgenden soll eine kurze Übersicht aus diesem Gesamtkomplex gegeben werden. Während die Übergriffe gegen die Freimaurerei bereits kurz nach der Machtergreifung sich bemerkbar machten, zeigte es sich zu Beginn des Jahres 1934, daß die NS-Regierung eine konzertierte Aktion plante, um das Ende der Freimaurerei herbeizuführen. In diesem Zusammenhang soll hier an eine am 4. Januar 1934 vom preußischen Ministerpräsidenten H. Göring unterzeichnete Verordnung erinnert werden, in der den Großlogen die Selbstauflösung nahegelegt wird, zumal „keinerlei Bedürfnis mehr für die Erhaltung der Logen zu erkennen ist.“ Zu einem Zeitpunkt, als die Altpreußischen Großlogen, wie es hieß, 6 Ebda. S. 652 7 Ebda. S. 651-652. 9 sich noch in „freiwilliger Selbstauflösung“ befanden, beschloß die Großlogenversammlung am 16. Juni 1935 die Auflösung der GNML 3WK; zum Liquidator wurde Br. Dr. Carl Manecke / Hamm Westfalen bestimmt. Er wurde ermächtigt über das Liquidations-Vermögen der 3WK zu bestimmen. Den Tochterlogen wurden empfohlen der Einheitlichkeit wegen ebenfalls Dr. Manecke zum Liquidator zu ernennen, was auch in den meisten Fällen geschah. Zur Person: Dr. Carl Manecke, Doktor der Jurisprudenz und Kaufmann, wurde 1889 in Hamm /Westfalen geboren. In der Loge "Zum hellen Licht" in Hamm wurde er 1922 aufgenommen, seit 1927/28 war er MvSt dieser Loge und nach dem Kriege bis 1952. In den dreißiger Jahren war er Intimus des damaligen NGM der GNML 3WK und überzeugten Nationalsozialisten Dr. Otto Bordes (NGM von April 1933 bis zur Auflösung im Juli 1935). Über die Person des Carl Manecke sind die Meinungen geteilt. Während er von den Brüdern seiner Logen in Hamm und in Lüneburg für seine Tätigkeit beim Wiederaufbau dieser Logen nach 1945 eine Würdigung erhielt8, spricht die GNML 3WK von „einem unheilvollen Wirken Maneckes“9; es wurde sogar von seiner früheren Großloge ein Prozeß gegen ihn auf Rechnungslegung und Auskunft über die Verwaltung des Logenhauses (Splittgerbergasse 3-4) in den Kriegsjahren angestrengt. Es drängt sich nun die Frage auf, wie es zu diesem Prozeß kommen konnte. Den Hauptanteil der von der NS-Regierung angeordneten Liquidation der Freimaurerlogen stellen fast immer die Liegenschaften dar. Das Haus der GNML 3WK wurde am 4. März 1935 beschlagnahmt und ausgeraubt, dabei sind unübersehbare Wertgegenstände geraubt oder vernichtet worden. Merkwürdigerweise verfiel weder das Grundstück noch das Logengebäude der GNML 3WK der Liquidation, da Dr. Manecke beide Werte aus der Liquidationsmasse herausnahm. Warum Manecke so verfuhr bzw. so verfahren konnte, bleibt sein Geheimnis - die Quellenlage lässt derzeit leider keine Klärung zu. Manecke behauptete nachträglich, das Haus sei unveräußerlich gewesen. Wie dem auch sei, Manecke vermietete das Haus an den Preußischen Staat (Allgemeine Finanzverwaltung/Preußische Bau- und Finanzdirektion) und zwar vom 1. April 1938 bis zum 31. März 1943. (D.h. vom 4. März 1935 (Tag der Beschlagnahme) bis zu seiner Vermietung am 1. April 1938 stand das Haus - aus unbekannten Gründen - ungenutzt leer.) Der Mietzins betrug jährlich 90.000 RM und das Mietverhältnis endete am 8. Mai 8 Vgl. A. Grunwald, Geschichte der Freimaurerei in Lüneburg von 1775-2012, Norderstedt 2012, S. 153. 9 Vgl. z.B. R. Dosch - W. Schwartz, 250 Jahre Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“, Berlin 1990, S. 71. 10 1945, mit der bedingungslosen Kapitulation des Dritten Reiches. Nach ihrem „Wieder-in-Arbeit-Setzen“ forderte die GNML 3WK von Dr. Carl Manecke Rechnungslegung über den Verbleib dieser Gelder - d.h. über die Mieteinnahmen aus 7 Jahren. Daraus entstand eine gerichtliche Auseinandersetzung, die sich über drei Instanzen erstreckte und vom 5. Juli 1950 bis zum 17. November 1955 andauerte - sie endete mit der Verkündung des Urteils des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes. Das Urteil des Bundesgerichtshofes ist aus folgendem Grund bemerkenswert: Ging es in diesem Prozeß zunächst um Auskunftspflicht und Rechnungslegung, so entwickelte er sich primär um die Klärung der Rechtsfähigkeit der GNML 3WK, die bekanntlich 1935 zur „Selbstauflösung“ gezwungen worden ist. Ich gebe hier die entscheidenden Passagen des 25 Seiten starken Urteils10 stichpunktartig (im Zitat) wieder: • „Die GNML 3WK ist nicht aufgelöst worden und hat ihre Rechtsfähigkeit nicht verloren.“ • „Der Wiederverleihung der Rechtsfähigkeit oder gar einer Eintragung ins Vereinsregister bedurfte es nicht. Die wiedererstandene Loge beruht auf vor dem Inkrafttreten des BGB geltenden Recht.“ • „Die GNML 3WK ist Eigentümerin des Grundstücks Berlin, Splittgerbergasse 3-4 geblieben. Das ergibt sich aus ihrem Fortbestande und der Fortdauer der Grundbucheintragung, die sie nach wie vor als Eigentümerin ausweist.“ • „Die Verfügungsbefugnis des Beklagten (d.h. Dr. C. Manecke) ist erloschen. Seine Einsetzung zum Liquidator war nichtig, da sie die Auflösung der Mutterloge voraussetzt und unter nationalsozialistischem Druck erfolgte“ ... „Während der Liquidator eines Vereins ausschließlich den Vereinsmitgliedern verantwortlich ist ... war der Beklagte als ein Werkzeug nationalsozialistischer Macht tätig und ihr verantwortlich.“ • „Der Beklagte muß daher für verpflichtet erachtet werden, der Klägerin Auskunft über die Verwendung der Erträgnisse des bezeichneten Grundstücks zu geben.“ • „Er ist dagegen nicht rechnungslegungspflichtig, denn er war nicht für sie tätig.“ So endete diese langjährige gerichtliche Auseinandersetzung, die einerseits die Rechtsfähigkeit und den kontinuierlichen Fortbestand der GNML 10 Vgl. „Standortbestimmung“ Bd. II, S. 664 ff. 11 3WK feststellte, andererseits den Weg zu den späteren Restitutionen ebnete. Darüber hinaus zeugt diese Auseinandersetzung auch vom Misstrauen, das die unmittelbare Nachkriegszeit geprägt hat. Da die Brüder, die nach dem Kriege die Freimaurerei aufbauten, in der Regel auch in der Zeit vor 1933 freimaurerisch aktiv waren, konnte es nicht ausbleiben, daß einige eifrige Befürworter der „rechtsautoritären Anpassung„11 der GNML 3WK aus der Zeit des NS-Regimes auch nach 1945 eine führende Rolle beim Wiederaufbau der Freimaurerei in Deutschland spielten. Ich möchte meinen Vortrag mit einem Zitat aus dem Antimachiavell Friedrichs des Großen schließen: „Wer zu klarer Einsicht gelangen will, muß zunächst die Wesensart seines Gegenstandes ergründen, er muß zurückgreifen auf den Ursprung der Erscheinungen, um nach Möglichkeit ihre Anfänge und deren Gesetze zu erkennen;“ Um Persönlichkeit und Wirken der in diesem Vortrag erwähnten freimaurerischen Persönlichkeiten beurteilen zu können, muß unabhängig vom politischen Standort berücksichtigt werden, daß sie Teil unserer Vergangenheit sind. Auch wenn diese Vergangenheit noch weiter in die Ferne gerückt ist, geht es hier nicht ums Verurteilen nach einem schwarz-weiß Muster: hier die Guten, da die Bösen. Es geht darum, daß wir die Handlungsweisen verstehen und vor allem nicht vergessen. Denn man kann sich weder aus der Geschichte herausstehlen noch selektiv nur die positiven Gedanken und Gestalten der deutschen Geschichte für sich beanspruchen. 11 Vg. H. H. Höhmann, Freimaurerei, Bremen 2011, S. 77