Rezension: "Das große Notzeichen" von Walter Plassmann: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 31. Januar 2022, 11:27 Uhr
Ein Freimaurer-Krimi – und mehr
von Walter Plassmann
Im Aufnahmeritual erhält der Bruder nach vollzogener Auf- und Annahme die ersten Unterweisungen, wie er sich im Kosmos der Freimaurerei bewegen soll. Er erhält seine Regalia, lernt Schritte, Griff, Wort und Paßwort kennen und dann erfährt er noch etwas recht Merkwürdiges: das „großen Notzeichen“. Der Meister erklärt: „Gerät ein Freimaurer in Lebensgefahr, so darf er das große Notzeichen geben. Auf dieses Zeichen hin ist jeder Bruder zur Hilfeleistung verpflichtet.“ Der Zeremonienmeister macht ihm dieses Zeichen dann vor: Die Finger werden ineinander verschränkt und in dieser Haltung werden sie nach oben über den Kopf gehoben. Ehrlicherweise beschlich mich schon häufiger die Frage, was wohl passierte, sollte ein Bruder dieses Zeichen in der Öffentlichkeit tatsächlich ausführen.
Würden ihm bis dato unbekannte Brüder zu Hilfe eilen? Wüssten sie noch, was diese merkwürdige Bewegung zu bedeuten hat? Wüsste der Betroffene noch, wie er das Zeichen auszuführen hat? Bislang habe ich jedenfalls keine Geschichte gehört, in der das Zeichen eine Rolle gespielt hätte.
Das hat Br. Jens Rusch nun geändert. In seinem zweiten Kriminalroman, den er dieses Mal mit dem erfahrenen Autor Manfred Eisner geschrieben hat, steht das große Notzeichen am Anfang einer mysteriösen Geschichte, die den Leser zu Höhen und Tiefen der Freimaurerei führen wird. Aus diesem Grund nannten die beiden ihr Werk auch ganz offen einen „Freimaurer-Krimi“.
Die Geschichte handelt von zwei Freimaurern, die auf den ersten Blick unabhängig voneinander in den Freitod gegangen sind. Beide wählten eine besonders grauenvolle Methode: sie stellten sich einem in voller Fahrt fahrenden Zug entgegen – mit dem großen Notzeichen.
Der ermittelnde Hauptkommissar heißt Sören Madsen, der ein – wie es sich heute gehört – sehr divers zusammengesetztes Team um sich hat und in Itzehoe stationiert ist. Madsen hat sofort das Gefühl, dass es sich nicht um einen freiwilligen Selbstmord handelt und stößt in der Tat auf immer mehr Dinge, die nicht zu einem Selbstmord passen. Er bemerkt aber auch, dass seine Ermittlungen in die Welt der Freimaurer führen, und da er sich darin nicht auskennt, zieht er einen Kollegen aus Hamburg bei, der als aktiver, erfahrener und bestens vernetzter Freimaurer viele der Spuren korrekt deuten und auch viele Türen zu wichtigen Informationen öffnen kann. Die beiden und ihr Team stellen in der Tat fest, dass die Brüder in ihren Freitod getrieben wurden durch Denunziationen, die in dieser Form nur mit Hilfe der heutigen „sozialen“ Medien möglich sind. Hintergrund sind Restitutionsansprüche für „Raubkunst“ der Nationalsozialisten, bei deren Durchsetzung die beiden Brüder behilflich waren.
Das alles kann berichtet werden, weil Br. Rusch und sein Kollege Eisner weniger einen fesselnden „whodunit“-Krimi im Sinn hatten, in dem der Leser permanent an der Nase herumgeführt wird und sich gedanklich eifrig an der Mördersuche beteiligt, sondern es ging ihnen erkennbar mehr darum, Inhalte zu vermitteln. Das erinnert zuweilen an den „Tatort“, der ja auch sehr häufig eine Krimihandlung vor allem dazu nutzt, didaktisch zu wirken.
Die Themen, die Br. Rusch und Eisner in die Kriminalhandlung verweben, reichen von den Verstrickungen eines Teils der Freimaurerei in den Nationalsozialismus über die Hintergründe der „Raubkunst“ (also der Beschlagnahmung umfangreicher Kunstsammlungen durch die Nazis, die bis heute nicht vollständig den rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben wurden) bis hin zu den Möglichkeiten und Gefahren eines entfesselten Internets und seines Bastards, den „sozialen“ Medien. Zudem werden auch immer wieder die elektronischen Möglichkeiten ausleuchtet, die den Polizei-Ermittlern heutzutage zur Verfügung stehen – mit großer Sachkenntnis und in einer Mischung aus Bewunderung und Beängstigung.
Wer so viele Geschichten und Informationen in einem Krimi unterbringen will, hat die große Schwierigkeit zu bewältigen, auf der einen Seite alle Informationen möglichst akkurat weiterzugeben, auf der anderen Seite aber das Fiktionale, die Geschichte nicht darunter leiden zu lassen. Diese benötigt zudem Protagonisten, die lebendig gezeichnet werden und eine „Seele“ haben.
Br. Jens war in der Tat vor dieser Herausforderung erst einmal gescheitert. Er habe, so erzählte er der shz-Zeitungsgruppe, die eine Vielzahl von Lokalzeitungen in Schleswig-Holstein herausgibt, nach jahrelangen Recherchen zu diesen Themen bemerkt, dass er sie nicht in ein spannendes Buch gepackt bekommen habe. Den Figuren habe die Seele, das Lebendige, gefehlt.
Da kann der Kontakt zu Manfred Eisner gerade recht. Eisner hat nach seiner Berufstätigkeit angefangen, Regional-Krimis zu schreiben. Sie spielen in Schleswig-Holstein und haben die LKA-Sonderermittlerin Nihil Masal zum Protagonisten. Auch Eisner geht es in seinen Krimis weniger um Suspense und Horror, sondern um Inhalt. So greift sein jüngster, neunter Roman „Makabrer Augustfund im Watt“ das Thema Pädophilie auf. Und er verwob die „Wattolümpiade“ in seinen Roman. Diese wohl ungewöhnlichste Sportveranstaltung der Welt hat Br. Jens 2004 erfunden. Die Männer und Frauen messen sich im Aalstaffell�auf, Wattfußball, Watthandball, Euterball, Wattsk