Rede an eine Lehrlingin: Unterschied zwischen den Versionen
(4 dazwischenliegende Versionen von 3 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
− | |||
− | |||
==Rede an eine Lehrlingin, 1765== | ==Rede an eine Lehrlingin, 1765== | ||
Zeile 10: | Zeile 8: | ||
===Schwesterorden, oder Maurerey der Frauenzimmer.=== | ===Schwesterorden, oder Maurerey der Frauenzimmer.=== | ||
− | [ | + | [Adoption ou Maçonnerie des Femmes] |
<poem> | <poem> | ||
Zeile 42: | Zeile 40: | ||
</poem> | </poem> | ||
+ | {{RolandMueller}} | ||
+ | |||
+ | <Poem> | ||
+ | |||
+ | [[Datei:Adoptionsloge-Frankreich-ca1810.jpeg|thumb|800px|center|Darstellung einer französischen [[Adoptionslogen|Adoptionsloge]] aus dem frühen 19. Jahrhundert (wahrscheinlich Erstes Kaiserreich um 1810): Geführt von Männern werden Schwestern aufgenommen (Reihe im Vordergrund); den Vorsitz führt ein Paar (rechts).]] | ||
+ | |||
+ | </Poem> | ||
+ | |||
+ | |||
+ | ==Siehe auch== | ||
+ | *[[Adoptionslogen]] | ||
+ | *[[Paradies für Frauen]] | ||
+ | |||
+ | == Links == | ||
+ | *ZEIT Artikel „gute Brüder, böse Schwestern?“, 1991 (9 Seiten) http://www.zeit.de/1991/46/gute-brueder-boese-schwestern | ||
[[Kategorie:Frauen]] | [[Kategorie:Frauen]] |
Aktuelle Version vom 18. Januar 2018, 20:48 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Rede an eine Lehrlingin, 1765
Bearbeitet von Roland Müller
Aus:
Théodore Henri de Tschoudy: Der flammende Stern. 1779, II, 231-236 (frz. 1766, II, 320-327)
Schwesterorden, oder Maurerey der Frauenzimmer.
[Adoption ou Maçonnerie des Femmes]
Da wir von der Maurerey handeln, wäre es seht ungebührlich, irgend einen der Gegenstände zu übergehen, die darauf Beziehung haben: obgleich die Maurerey der Frauenzimmer ein ganz fremder Zweig ist, und wir an keiner Stelle verheissen haben davon zu reden, so ist doch die Verbindung so bevestigt, daß dieses angenehme Spielwerk [cette agréable bagatelle] in den Plan dieses Werks zu gehören scheint; es ist dies überdem eine Gelegenheit, dem schönen Geschlecht aufzuwarten, und ich bin ein allzu guter Maurer, als daß ich sie versäumen könnte.
Eine neuere Grille [une imagination moderne], die uns unsern Schwestern genähert, ist meines Erachtens wohl das ehrwürdige Alterthum werth, dessen strenge Regeln uns von selbigen entfernen; und der Hammer in der Hand der Grazien ist nicht weniger absolut, als der Zirkel in der Hand eines Philosophen.
Man setzt voruns, daß jeder Leser ohngefähr der Sachen kundig ist, die in unsern Frauenzimmerlogen vorgehen. Dieselbe Methode, welche die Maurer regiert, ist, bis auf gewisse Abänderungen, die Regel des Schwesterordens. Ceremonien, Gemählde, eine Miene der Verschwiegenheit, Geheimnisse, Einweihungen, Schrecken, Ernst, ein anständiger Spaß, Grade, Aemter, Würden, Bänder, Kleinodien, Gastmähler, das sind im Kurzen die Punkte der Stiftung; wir überheben uns einer umständlichen Beschreibung, und fügen nur noch eine Rede bey der Aufnahme einer Lehrlingin hinzu, worin die Moral und die Absicht des Ordens so klar, wie möglich, entwickelt ist.
Rede bey der Aufnahme eine Lehrlingin,
gehalten zu M. vom Br. B. T.
den 16ten September 1765.
[Discours d’adoption, pour un travail d’Apprentie]
Meine liebe Schwester!
Das schmeichelhafte Schauspiel der Geschenke der Flora und der Pomona, welches vor unsern Augen auf den traurigen Aufzug folgt, der uns vor Ihrer Einweihung gerührt hatte, ist ein treues Bild von dem Grade der Vollkommenheit und des Lichts, zu welchem Sie durch Ihre Standhaftigkeit und Ihren Eifer gelangt sind.
Als Ungeweihte waren Sie noch in den Finsternissen des Irrthums und der Vorurtheile; als Maurerin [Maçonne] sehen Sie die Blendwerke der Welt verschwinden, und Sie haben das Recht gewonnen, in den köstlichen Garten Eden einzutreten, wo sie alle Brüder und Schwestern um den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen versammelt sehen, um in jedem Betracht nur der erstern zu folgen, und ausdrücklich dem andern zu entsagen; sein Stamm, der einst so verderblich war, und dessen unglückliche Wirkungen ohne die mächtige. Herrschaft, welche die schöne Hälfte der Welt, wovon Sie ein Theil sind, seit allen Zeiten über die andere gehabt, dem menschlichen Geschlecht noch unbekannt waren, wird künftig für Sie, meine liebe Schwester, nur köstliche, schmackhafte, angenehme Früchte bringen, die wir mit Ihnen theilen, und die uns desto schätzbarer seyn werden, wenn wir sie aus Ihrer Hand empfangen.
Sie werden den Apfel essen, aber belehrt durch die Regeln des Ordens, werden Sie den Kern nicht berühren, weil selbiger den Keim enthält; daß der Keim allein gefährlich sey, dies ist die einzige Vorsicht, die Ihnen die Maurerey auferlegt.
Sie haben sich dazu anheischig gemacht, meine liebe Schwester, und auch nur auf diese einzige Bedingung habe ich Sie bey Ihrer Einweihung in unsere Geheimnisse von den Banden befreyen können, die Sie fesselten, Sinnbilder der grausamen Ketten, die unsere Seele an die Welt und ihre Verkehrheiten binden, und an deren Stelle ich Ihnen diese Kränze von Lilien und Rosen umgehangen, um auf einmal die Reinigkeit Ihrer Seele, das zauberische Colorit, welches Ihre Physiognomie schmückt und welches Ihre Unschuld weissagt, endlich die Leichtigkeit der Fesseln, die wir Ihnen auflegen, und die Lebhaftigkeit des Vergnügens, welches selbige versüßet, abzubilden.
Ihre Ergebung hat sich gezeigt, da das Knieband des Ordens [la jarretiere de l’Ordre], das geheime Werkzeug der Befehle des Meisters Ihnen überreicht wurde, als ein Unterpfand Ihrer Aufnahme, und um diese Nacht nahe bey Ihnen eine Stelle einzunehmen, die niemals müßig seyn wird, wenn sie auf unsre Herzen und den brennenden Eifer sehn, den jeder rechtschaffene Maurer für seine Schwestern hegt; Ihren besondern Gesinnungen kommt es zu, den Grad desselben zu bestimmen, und wir werden immer als eine sehr große Gunst die Freundschaft zu schätzen wissen, die Sie gegen uns blicken lassen werden.
Die Tugend, deren getreuste Verehrer wir sind, rechtfertigt die Huldigung, die wir Ihnen leisten, und die Wohlanständigkeit, von der wir uns nie entfernen, leihet dem Schauspiel des Glücks der Schwestern und Brüder ihren Flohr und ihre Vorhänge, um selbiges den Augen des Ungeweihten zu entziehen, der unwürdig ist, daran Theil zu nehmen, und dessen boshafte Glossen unsere Freuden vergiften würden: daher die wesentliche Pflicht der Verschwiegenheit, die der Orden uns vorschreibt; die Kunst zu genießen, ist das Talent der Brüder und der Schwestern; die Kunst, die Arbeiten und die Geheimnisse unserer Logen zu verschweigen, ist Ihnen gleicherweise gewährt, und die Maurerey allein, meine liebe Schwester, könnte Ihr Geschlecht jener Verschwiegenheit fähig machen, die so nothwendig ist, und ohne welche die besten Sachen ihren Werlh verlieren.
Gehorchen, arbeiten und schweigen, dies sind unsere drey Pflichten; Freundschaft, Mildthätigkeit, Eintracht, dies sind unsre drey Tugenden; fünf Schläge, regelmäßig geschlagen, sind das Signal des Werks, ihre mystische Zahl beweist unwiderleglich , daß in unfern Logen alles zum Zweck hat, uns zu schmeicheln, uns zufrieden und vergnügt zu machen; die fünf Sinne, die den Grund dieser Analogie ausmachen, sollen sich hier alle mit einer gleichen Annehmlichkeit beschäftigen: vielleicht empfinden die Brüder allein am lebhaftesten, am feinsten; aber, meine liebe Schwestern, Ihnen gebührt davon der Ruhm, und indem wir unserer Seits alles in einen Punct vereinigen, was das Gefühl, den Geschmack und das Herz vergnügen kann, werden Sie in unsern Herzen das Huldigungsopfer finden, das wir den Grazien schuldig seyn werden, welche Sie begleiten.
- Ausgearbeitet von Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2015 / All rights reserved - ESOTERIK von Dr. phil. Roland Müller
Siehe auch
Links
- ZEIT Artikel „gute Brüder, böse Schwestern?“, 1991 (9 Seiten) http://www.zeit.de/1991/46/gute-brueder-boese-schwestern