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− | | + | #REDIRECT[[Hans-Hermann Höhmann: Freimaurerei - Freimaurerei in Deutschland]] |
− | == Freimaurerei in Deutschland: Ein Überblick im Kontext von Geschichte, internationalen Entwicklungen und freimaurerischen Konzeptionen ==
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− | »Sieh, Konstant, so steht es mit dem Orden, dessen Geheimnis Du ergründen willst; über
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− | den Verfolgung und Spott, Unwissenheit und Verrat nichts vermögen. So wie man zuweilen
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− | im Spaß gesagt hat: Das größte Geheimnis der Freimaurer ist, dass sie keins haben; so
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− | kann man mit Recht sagen: das offenbarste und dennoch geheimste Geheimnis der Freimaurer
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− | ist, dass sie sind und fortdauern. Denn – was ist es doch, was kann es doch sein,
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− | das alle Menschen von der verschiedensten Denkart, Lebensweise und Bildung zusammen
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− | verbindet und unter tausend Schwierigkeiten, in dieser Zeit der Erleuchtung und
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− | Erkaltung, beieinander erhält?«
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− | Johann Gottlieb Fichte: Philosophie der Maurerei. Briefe an Konstant
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− | == Vorbemerkung ==
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− | Freimaurerei ist ein weltweiter Freundschaftsbund, und gilt – so die Internetseiten vieler USamerikanischer
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− | Großlogen – als »the largest and oldest fraternity in the world«.1 Freimaurerei
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− | stellt aber auch eine spezifische symbolisch-rituelle Lehr- und Erfahrungsmethode dar,
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− | die von Anfang an auf Einübung einer ethisch fundierten Art und Weise der Lebensführung
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− | angelegt war: »A Mason is oblig’d, by his Tenure, to obey the moral Law« hieß es bereits in
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− | den »Andersons Konstitutionen« von 1723, und eine spätere, viel zitierte Definition, ebenfalls
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− | aus der englischen Freimaurerei, nahm diesen Gedanken auf: »Freemasonry is a peculiar
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− | system of morality, veiled in allegory, and illustrated by symbols«. Freimaurerei versucht
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− | dabei, die gesellige, die intellektuelle und die emotionale Seite des Menschen gleichermaßen
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− | anzusprechen. Verstand und Gefühl werden nicht getrennt, und insbesondere die in den Logen
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− | geübte Ritualpraxis soll dazu beitragen, Einsichten in Lebenswirklichkeiten gleichzeitig
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− | denkend und fühlend zu gewinnen.
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− | Freimaurerei stellt allerdings keine Einheit dar. Von Beginn an gab es unterschiedliche
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− | Erscheinungsformen des Freimaurerbundes, die sich – mit der Entwicklung von Hochgradsystemen
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− | – vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weiter ausdifferenziert
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− | haben. Viele damit verbundene Forschungsfragen sind bisher unbeantwortet, doch
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− | hat besonders seit den 1950er Jahren eine intensive multidisziplinäre wissenschaftliche
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− | Beschäftigung mit der Freimaurerei eingesetzt, an der in zunehmendem Maße auch Wissenschaftler
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− | an Universitäten und Forschungsinstituten teilnehmen, die selbst nicht dem
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− | Freimaurerbund angehören. In Deutschland sind die wichtigsten dieser Forscherinnen und
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− | 1 So z.B. Grand Lodge of Michigan, www.gl-mi.org.
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− | Forscher am »[[Netzwerk Freimaurerforschung]]« beteiligt, das im Jahre 2001 in Anlehnung
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− | an die Universität Bielefeld begründet wurde.
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− | Der folgende einleitende Beitrag des Bandes soll die historisch-analytische Basis für die
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− | folgenden Untersuchungen und Überlegungen schaffen. Er verbindet zentrale Gesichtspunkte
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− | der freimaurerischen Geschichte und Ritualistik mit analytischen Gesichtspunkten
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− | und Hypothesen zum Verständnis der sozialen Struktur des Freimaurerbundes und einem
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− | Aufriss von Selbstverständnis, Problemen und Entwicklungstendenzen der deutschen Freimaurerei
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− | am Beginn des 21. Jahrhunderts.
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− | == Zentrale Aspekte der Geschichte des Freimaurerbundes ==
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− | Der folgende Abschnitt beansprucht nicht, die Geschichte des Freimaurerbundes zusammenfassend
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− | oder gar detailliert zu beschreiben. Er ist vielmehr auf ein Aufzeigen und Erörtern
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− | von Aspekten angelegt, die mir für die Beurteilung von Entstehung und Entwicklung
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− | der Freimaurerei wichtig erscheinen. Der Freimaurerbund ist ein Produkt der Moderne. Entwicklungsanstöße
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− | und Strukturmaterial aus der älteren Geschichte aufnehmend, entstand
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− | er als soziale Gruppierung von Gewicht zu Beginn des 18. Jahrhunderts in England und
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− | blickt inzwischen auf eine Entwicklung von fast 300 Jahren zurück. Die Vorgeschichte des
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− | Bundes reicht weiter zurück und beginnt mit den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen
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− | Steinmetzbruderschaften und deren Bauhütten, aus denen (und unter Bezug auf die) sich
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− | nach 1717, dem Jahr der ersten Großlogengründung, fast explosionsartig die modernen Freimaurerlogen
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− | entwickelten. Die Einzelheiten dieser »großen Transformation« von den Bauhütten
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− | der Steinmetze zu den Logen der »Gentlemen Masons« liegen immer noch im Dunkel
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− | der Geschichte und sind Gegenstand wissenschaftlicher Hypothesen sowie vielfältiger
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− | Spekulationen. Insbesondere ist noch nicht hinreichend geklärt, ob und inwieweit es sich
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− | bei dem, was später als »Esoterik der Freimaurerei« bezeichnet werden sollte, um das Ergebnis
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− | eines allmählichen, durch die Bauhütten des Mittelalters und der frühen Neuzeit vermittelten
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− | Einfließens alter Denkformen und Symbole in die Freimaurerei hinein handelt oder
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− | ob das zunehmende Gewicht der Esoterik in der Maurerei der zweiten Hälfte des 18. und
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− | der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Resultat eines großen Prozesses des Einsammelns hermetischer,
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− | symbolischer und gedanklicher Elemente aus der Kultur- und Religionsgeschichte
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− | des Abendlandes gewesen ist und insofern mehr mit Rückprojektionen als mit Kontinuitäten
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− | zu tun hat.
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− | Die wissenschaftliche Aufarbeitung der freimaurerischen Vergangenheit wird nicht nur
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− | durch die oft spärliche Quellenlage erschwert, vor allem, was die Praxis der frühen Freimaurerei
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− | betrifft. Hinzu kommt, dass quellengestützte Forschungsergebnisse nicht selten durch
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− | Entstehungslegenden überlagert werden, die aus der Freimaurerei selbst stammen. John
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− | 2 Das Netzwerk Freimaurerforschung wurde im Rahmen des Forschungsprojekts »Deutsche Freimaurerei
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− | der Gegenwart – Zur Wechselwirkung von (post)moderner Geselligkeit und bürgerlicher Gesellschaft«
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− | an der Universität Bielefeld eingerichtet und von folgenden Forscherinnen und Forschern initiiert: Prof.
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− | Dr. Jörg Bergmann (Bielefeld), Prof. Dr. Klaus Hammacher (Aachen), Prof. Dr. Hans-Hermann Höhmann
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− | (Köln), Dr. Stefan-Ludwig Hoffmann (Bochum), Dr. Florian Maurice (München), Prof. Dr. Monika
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− | Neugebauer-Wölk (Halle-Wittenberg), Prof. Dr. Linda Simonis (Köln) und Prof. Dr. Jan Snoek
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− | (Heidelberg). Homepage: http://www.freimaurerforschung.de/.
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− | Hamill unterscheidet in seiner Geschichte der englischen Freimaurerei3 »authentische«
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− | (wissenschaftliche) Schulen, die sich auf die Analyse überprüfbarer Fakten stützen, von
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− | »nicht-authentischen« Schulen. Letztere setzen die Freimaurerei unzulässigerweise durch
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− | Rückschlüsse aus dem, was später – insbesondere in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
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− | – zur Freimaurerei, vor allem zur Freimaurerei von Hochgradsystemen, geworden ist,
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− | in eine direkte Beziehung zu Religionen, Mysterien, Kulten und hermetisch-esoterischen
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− | Traditionen vergangener Jahrhunderte. Generell sind die Freimaurer immer in der Versuchung
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− | gewesen, die Wurzeln der von ihnen in der jeweiligen freimaurerischen Gegenwart
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− | gewollten Form der Freimaurerei in der Vergangenheit zu entdecken, um sie hierdurch zu
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− | legitimieren.
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− | Fest steht jedoch, dass die Symbole und Rituale der Freimaurer, die bis auf den heutigen
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− | Tag in den Logen zur Anwendung kommen, in erster Linie den Formen- und Ideenwelten
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− | der europäischen Bautradition, ihren organisatorischen Zusammenschlüssen, ihren Legenden
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− | (Salomonischer Tempelbau, Baumeister Hiram, Märtyrerlegende der »Quatuor Coronati
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− | «) sowie den Verfahren der Mitglieder der Bauhütten, sich gegenseitig als Maurer zu
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− | erkennen, entstammen und damit insgesamt der Vorgeschichte der Freimaurerei angehören.
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− | Dabei sind neben den englischen vor allem die schottischen Traditionen von besonderer
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− | Bedeutung gewesen. David Stevenson hat in seiner grundlegenden Studie zu den Ursprüngen
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− | der Freimaurerei darauf hingewiesen, dass wesentliche Elemente des Bundes – die
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− | vor der Öffentlichkeit verborgenen Rituale, die geheimen Modalitäten der gegenseitigen
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− | Erkennung als Maurer, die feierlichen Initiationen neuer Mitglieder sowie die Aufnahme
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− | von Nichtmaurern in die Logen – neben praktischen Regeln für die Ausübung des Gewerbes
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− | und sozialen Einrichtungen – bereits Mitte des 17. Jahrhunderts für die schottischen
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− | Logen nachweisbar sind.4 Stevenson hat weiter deutlich gemacht, dass innerhalb der Rituale
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− | neben der Bausymbolik auch esoterische Vorstellungen an Bedeutung gewannen, die
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− | auf hermetische Traditionen der Renaissance zurückzuführen sind. Nicht zuletzt deshalb
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− | stieß die Freimaurerei schon in ihrer Formierungsphase auf Widerstand von Vertretern
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− | und Institutionen der etablierten christlichen Kirchen. Es ist allerdings wohl anzunehmen,
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− | dass die frühe Hermetik in den Logen der schottischen Freimaurer nicht direkt zu den
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− | mit allerlei zusätzlicher Symbolik rituell aufgefüllten Hochgradsystemen führte, die in der
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− | zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts populär wurden.5 Einmal war die Hermetik in den
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− | frühen schottischen Logen Bestandteil einer organisatorisch einfachen, noch nicht einmal
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− | dreigradigen Freimaurerei gewesen, zum anderen hatte sie sich über längere historische
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− | Perioden hinweg entwickelt und war insofern überlieferungsverbunden und nicht bewusst
| |
− | angeeignet. Deshalb kann sie auch als wesentlich authentischer gelten als die nicht selten
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− | gesuchte und willkürlich anmutende Esoterik in den Symbol- und Ritualkreationen der
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− | Hochgradsysteme des späten 18. Jahrhunderts. Hermetik und Alchemie, Wahrheitssuche
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− | 3 Hamill, John: The Craft. A History of English Freemasonry, Great Britain Crucible 1986, S. 15–25. Great
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− | Britain Crucible 1986.
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− | 4 Stevenson, David: The Origins of Freemasonry, Cambridge 1998.
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− | 5 »In der Freimaurergesellschaft scheint Hermes Trismegistos in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
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− | noch keine bedeutende Rolle zu spielen. Salomons Tempel oder die Tempelritter sind die wichtigsten
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− | historischen Bezüge. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ändert sich das grundsätzlich.« Ebeling,
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− | Florian: Das Geheimnis des Hermes Trismegistos. Geschichte des Hermetismus. Mit einem Vorwort
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− | von Jan Assmann, München 2005, S. 161.
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− | in religiösem Eklektizismus, Hoffnung auf einen »Consensus der Religionen«, all das hatte
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− | ja für die Intellektuellen der Spätaufklärung eine beträchtliche Faszinationskraft, nicht als
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− | feste dogmatische Lehre, sondern als »Sammelbecken unterschiedlicher nichtorthodoxer
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− | Bild- und Gedankenfiguren«,6 die an die Stelle eines orthodoxen Christentums treten konnten.
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− | In diesem Kontext schreibt etwa Goethe im achten Buch seiner Erinnerungsschrift
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− | »Dichtung und Wahrheit«:
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− | »Ich studierte fleißig die verschiedenen Meinungen, und da ich oft genug hatte sagen
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− | hören, jeder Mensch habe am Ende doch seine eigene Religion, so kam mir nichts
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− | natürlicher vor, als dass ich mir auch meine eigene bilden könne, und dieses that ich
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− | mit vieler Behaglichkeit. Der neue Platonismus lag zum Grunde; das Hermetische,
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− | Mystische, Kabbalistische gab auch seinen Beitrag her, und so erbaute ich mir eine
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− | Welt, die seltsam genug aussah.«7
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− | Es kann wohl auch davon ausgegangen werden, dass es den Übergang von der »operativen«
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− | (bauhandwerklichen) zur »spekulativen« (symbolisch-philosophischen) Freimaurerei in der
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− | bisher angenommenen Form als einer, vor allem auf das 17. Jahrhundert datierten zeitlichen
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− | Abfolge nicht gegeben hat. Die Bauhütten waren bereits lange vor dem Entstehen der Freimaurerei
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− | als moderner Sozialform »spekulativ«, und gerade dies hat die berufsfremden Außenstehenden,
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− | die in zunehmender Zahl als »Angenommene Maurer« (»accepted masons«)
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− | hinzukamen, stark angezogen. Ernst Bloch etwa hat auf die Bedeutung der über Rohstoffe,
| |
− | Technik und Zwecke der Bauten, insbesondere auch der sakralen Bauten, hinausgehenden
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− | Bauideen und Bausymbole, das in den Bauhütten lebendige »Kunstwollen«, im Architekturkapitel
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− | (»Bauten, die eine bessere Welt abbilden, architektonische Utopien«) seines monumentalen
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− | Werkes »Das Prinzip Hoffnung« hingewiesen:
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− | »Damals war ein anderes Kunstwollen am Werk als das der sogenannten Zweckkunst,
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− | und weil es ein Kunst-Wollen war, zeigte es außer Rohstoff, Technik, Zweck die wichtigste
| |
− | Bestimmung: die der Phantasie. Es war hier diejenige der kanonischen Bauvollkommenheit,
| |
− | im Hinblick auf ein geglaubtes symbolisches Vorbild. Dieses Vorbild
| |
− | leitete gerade die Ausführung des Werks, nicht nur, wie der Archetyp, seinen Traum
| |
− | und Plan ante rem, es gab den Meisterregeln selber die Regel. Daher war das jeweilige
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− | große architektonische Kunstwollen das gleiche wie die jeweilige Symbolintention,
| |
− | die in der Ideologie des alten Bauhandwerks traditionell wirksam war. Diese Intention
| |
− | aber suchte mit Dreieck und Zirkel ›den Maßen eines als vorbildlich imaginierten
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− | Daseins-Baus überhaupt abbildlich näherzukommen‹« (Hervorhebung von
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− | E. Bloch).8
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− | 6 Hermetik, Eklektik, Consensus, www.jgoethe.uni-muenchen.de/…/hermetik.html, download 17.03.2011.
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− | 7 Goethe, Johann Wolfgang: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, Zweiter Teil, Achtes Buch, in:
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− | Heinemann, Karl: Goethes Werke, Zwölfter Band, Leipzig und Wien o.J., S. 387.
| |
− | 8 Bloch, Ernst: Das Prinzip Hoffnung, Zweiter Band, Frankfurt am Main 1982, S. 837. Blochs Verhältnis
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− | zur Freimaurerei ist ambivalent: »Wie bekannt, gebraucht die Maurerei sowohl die Abzeichen des Baugewerks
| |
− | wie vor allem: sie phantasiert ihre Geschichte durch die gesamte Baugeschichte hindurch. Es
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− | ist höchst unwahrscheinlich, daß diese bürgerlich-edelmännische Verbrüderung selber … aus der Werkmaurerei
| |
− | hervorgegangen ist. Aber es ist noch unwahrscheinlicher, daß sie die grundlegende architektonische
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− | Gleichnis-Spielerei, die sie gebraucht, rein aus sich heraus erfunden hat.« Ebenda, S. 838f.
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− | Die Tatsache, dass bereits im 17. Jahrhundert Logen im späteren Sinne existierten, deutet
| |
− | darauf hin, dass der Bund aus historischen Kontinuitäten hervorgegangen ist, und dass es
| |
− | insofern nur bedingt zutreffend ist, den meist genannten Stichtag für den Übergang von
| |
− | der Vorgeschichte zur Geschichte der Freimaurerei, den 24. Juni 1717, als sich vier Londoner
| |
− | Logen zur ersten Großloge der Welt zusammenschlossen, als Gründungsdatum der modernen
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− | Freimaurerei herauszustellen, ganz abgesehen davon, dass kaum belastbare Quellen für
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− | Datum und Ereignis vorhanden sind.9 Dennoch war die Londoner Gründung von großer, ja
| |
− | ausschlaggebender Bedeutung für die weitere Entwicklung der Freimaurerei. Denn mit der
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− | Großloge von London und Westminster begann die logenübergreifende Institutionalisierung
| |
− | und inhaltliche Ausrichtung der Freimaurerei, die die organisatorischen und konzeptionellen
| |
− | Grundlagen für die nun einsetzende dynamische Entwicklung der Freimaurerei in
| |
− | England und sehr bald auch über England hinaus geschaffen hat. Die Londoner Großloge
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− | gab sich 1723 ihre erste Verfassung, die nach ihrem Verfasser, dem aus Schottland stammenden
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− | presbyterianischen Geistlichen James Anderson, die »Andersonschen Konstitutionen
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− | « genannt werden, konzeptionell aber sehr wesentlich auf den eigentlichen Vater der
| |
− | modernen Freimaurerei, John Theophilius Desaguliers (1683–1744) zurückgehen.10 Desaguliers
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− | wurde 1719 zum dritten Großmeister der Londoner Vereinigung gewählt. Er war französischer
| |
− | Emigrant und protestantischer Geistlicher, gehörte zum Freundeskreis von Isaac
| |
− | Newton, war als Naturphilosoph Mitglied der Londoner »Royal Society« und führte dem
| |
− | Freimaurerbund mit dem Herzog John von Montague den ersten bedeutenden Vertreter des
| |
− | englischen Hochadels zu, der dann selbst 1721 Großmeister wurde.
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− | In Deutschland sind die »Andersonschen Konstitutionen« als die »Alten Pflichten«
| |
− | bekannt und richtungweisend geworden.11 Programmatisch ist vor allem die erste dieser
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− | Pflichten mit der Überschrift: »Von Gott und der Religion«:
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− | »Der Maurer ist als Maurer verpflichtet, dem Sittengesetz zu gehorchen; und wenn
| |
− | er die Kunst recht versteht, wird er weder ein engstirniger Gottesleugner, noch ein
| |
− | bindungsloser Freigeist sein. In alten Zeiten waren die Maurer in jedem Land zwar
| |
− | verpflichtet, der Religion anzugehören, die in ihrem Lande oder Volke galt, heute
| |
− | jedoch hält man es für ratsamer, sie nur zu der Religion zu verpflichten, in der alle
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− | Menschen übereinstimmen, und jedem seine besonderen Überzeugungen selbst zu
| |
− | belassen. Sie sollen also gute und redliche Männer sein, Männer von Ehre und Anstand,
| |
− | ohne Rücksicht auf ihr Bekenntnis oder darauf, welche Überzeugungen sie
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− | sonst vertreten mögen. So wird die Freimaurerei zu einer Stätte der Einigung und
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− | zu einem Mittel, wahre Freundschaft unter Menschen zu stiften, die einander sonst
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− | ständig fremd geblieben wären.«
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− | Die »Alten Pflichten« enthalten tatsächlich die bis in die Gegenwart gültigen Grundlagen
| |
− | der Freimaurerei: Die moralische Verpflichtung des Maurers, den von ihm geforderten Ha-
| |
− | 9 Hinweise finden sich in der zweiten Ausgabe der »Konstitutionen« von 1738.
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− | 10 Vgl. hierzu und zum folgenden Voges, Michael: Aufklärung und Geheimnis. Untersuchungen zur Vermittlung
| |
− | von Literatur- und Sozialgeschichte am Beispiel der Aneignung des Geheimbundmaterials im
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− | Roman des späten 18. Jahrhunderts, Tübingen 1987, S. 24.
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− | 11 Eine Wiedergabe der »Alten Pflichten« findet sich in: Lennhoff, Eugen/Posner, Oskar/Binder, Dieter
| |
− | A.: Internationales Freimaurer Lexikon, München 2000, S. 16–23.
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− | bitus von Ehre und Anstand, den Verzicht auf trennende religiöse Festlegungen und die Praxis
| |
− | der Toleranz als Grundlage von Einigkeit und Freundschaft.
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− | Nach der Gründung der ersten Londoner Großloge im Jahre 1717, zu der 1751 eine
| |
− | zweite, die »Grand Lodge of Ancients« hinzukam12, erfolgte eine stürmische Entwicklung
| |
− | der Freimaurerei. In England, Schottland und Irland – als den Heimatländern der modernen
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− | Freimaurerei – wuchs die Zahl der Logen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auf über
| |
− | 1000 an.13 Schnell griff die Freimaurerei auf die überseeischen Gebiete Großbritanniens
| |
− | über, insbesondere auf die amerikanischen Kolonien, die späteren Vereinigten Staaten. 1733
| |
− | wurde von England aus die Provinzial-Großloge von Massachusetts in Boston eingesetzt.
| |
− | Wenige Jahrzehnte später sollten Freimaurer in der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung
| |
− | sowie der Verfassungsgeschichte der USA eine führende Rolle spielen.14
| |
− | Auch auf dem europäischen Kontinent breitete sich die Freimaurerei rasch aus. Wie in
| |
− | England fanden die Ideen, Organisationsformen und Symbole des Bundes eine große Resonanz.
| |
− | Selbst der schon früh einsetzende Widerstand der katholischen Kirche konnte seine
| |
− | Ausbreitung nicht verhindern, zumal die päpstlichen Verurteilungen nicht in allen Bistümern
| |
− | veröffentlicht wurden und viele hochrangige katholische Geistliche dem Freimaurerbund
| |
− | angehörten. Das erste Land außerhalb Großbritanniens, in dem die Freimaurerei
| |
− | auf breiter Basis Fuß fasste, war Frankreich. Spuren von Logengründungen in Paris lassen
| |
− | sich bis in das Jahr 1725 zurückverfolgen. Aufklärerische Diskursfreude, später aber auch
| |
− | die Neigung zu phantasievollen Hochgradsystemen, waren kennzeichnend für die weitere
| |
− | Entwicklung der französischen Freimaurerei. Bedeutsam war auch die Entwicklung der
| |
− | Freimaurerei in den Niederlanden, wo nach 1731 zahlreiche Logen entstanden. In diesem
| |
− | Jahr war im Haag Herzog Franz Stephan von Lothringen, später Ehegatte Maria Theresias
| |
− | und als Franz I. römisch-deutscher Kaiser, von einer Deputation hochrangiger englischer
| |
− | Freimaurer in den Freimaurerbund aufgenommen worden.
| |
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− | Die erste Loge in Deutschland entstand 1737 in Hamburg (Loge en Hambourg, seit
| |
− | 1743 »Absalom«, heute »Absalom zu den drei Nesseln«). Bald folgten Logengründungen in
| |
− | Dresden, Berlin, Bayreuth und Leipzig. Der preußische Kronprinz Friedrich (der spätere
| |
− | Friedrich der Große) wurde bereits 1738 in die Freimaurerei aufgenommen. Die quantitative
| |
− | Dynamik der deutschen Freimaurerei war bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts
| |
− | hinein beträchtlich. In Deutschland, im »alten Reich«, wurden in den ersten 50 Jahren der
| |
− | Existenz
| |
− | von Logen, d.h. von 1737 bis 1787, rd. 400 Logen gegründet, in denen ca. 25.000
| |
− | Mitgliederaufnahmen stattfanden. Zu einer weiteren Gründungswelle kam es im (neuen)
| |
− | Deutschen Reich nach 1871. So entstanden zwischen 1871 und 1925 weitere 300 Logen,
| |
− | und die Zahl der Mitglieder aller deutschen Logen erreichte Mitte der 1920er Jahre ihren
| |
− | Höchststand mit über 80.000. Dabei dominierten die »altpreußischen« Großlogen mit
| |
− | annähernd 70 Prozent der deutschen Freimaurer. Zwar hatte der Zusammenbruch der
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− | 12 Die Großloge der »Ancients« beanspruchte die größere freimaurerische Legitimität für sich und nannte
| |
− | die Gründung von 1717 abwertend Großloge der »Moderns«. Im Jahre 1813 schlossen sich beide Großlogen
| |
− | zur »United Grandloge of England« zusammen, in der die Tradtion der »Ancients« dominierte.
| |
− | 13 Vgl. Clark, Peter: British Clubs and Societies 1580–1800. The Origins of an Associational World, New
| |
− | York 2000, S. 309–349.
| |
− | 14 Vgl. Bullock, Steven C: Revolutionary Brotherhood – Freemasonry and the Transformation of the American
| |
− | Social Order 1730–1840, Chapel 1996; Hodapp, Christopher: Solomon’s Builders: Freemasons,
| |
− | Founding Fathers and the Secrets of Washington D.C., Berkeley CA 2007.
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− | 18
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− | Hohenzollern-Monarchie kaum negativen Einfluss auf die Expansion der Großlogen – der
| |
− | Zustrom zu den Logen war vielmehr nach 1918 besonders stark –, doch führte die Loyalität
| |
− | mit den untergegangenen königlichen Protektoren bei einer generell vorwiegend nationalkonservativen
| |
− | Einstellung der meisten deutschen Freimaurer zu einer oft feindlichen,
| |
− | bestenfalls abwartend indifferenten Einstellung zur Weimarer Republik.15 Gleichzeitig war
| |
− | das deutsche Großlogensystem stark zersplittert. 1933 – vor dem Untergang in der NS-Zeit
| |
− | – bestanden in Deutschland elf Großlogen, von denen allerdings zwei – der Freimaurerbund
| |
− | zur Aufgehenden Sonne und die Symbolische Großloge von Deutschland – von den
| |
− | anderen nicht als regulär anerkannt wurden.16
| |
− | Die soziale Zusammensetzung der deutschen Logen war durch den dominierenden
| |
− | Anteil des »gehobenen Bürgertums« bestimmt (Beamte und – oft ehemalige – Offiziere;
| |
− | Wissenschaftler, Lehrer, Künstler; Unternehmer, Banker, leitende Angestellte). Die religiöse
| |
− | Struktur war vorwiegend protestantisch: Die Loge »Apollo« in Leipzig z.B. hatte im
| |
− | Jahre 1906 89,2 Prozent evangelisch-lutherische, 3,2 Prozent katholische und 6,0 Prozent
| |
− | jüdische Mitglieder.17 Die jüdischen Mitglieder in »humanitären« Großlogen beliefen sich
| |
− | – so ermittelte und schrieb der »Verein deutscher Freimaurer« in einer Erwiderungsschrift18
| |
− | auf Ludendorffs Antifreimaurerpamphlet »Vernichtung der Freimaurerei durch Enthüllung
| |
− | ihrer Geheimnisse« – Ende der zwanziger Jahre auf ca. 3000. Bei 24.000 Mitgliedern der
| |
− | »humanitären« Großlogen in Deutschland würde dies einen beträchtlichen jüdischen Anteil
| |
− | bedeuten und unterstreichen, wie sehr sich deutsche Juden vor der Nazi-Katastrophe
| |
− | als deutsche Bürger fühlten und an Assoziationen des deutschen Bürgertums Anteil hatten.
| |
− | Freimaurerei als gesellschaftliches Erfolgsmodell – warum?
| |
− | Die für die dynamische Entwicklung der modernen Freimaurerei in den ersten Jahrzehnten
| |
− | nach ihrer Begründung bestimmenden Faktoren lassen sich mit den Stichworten »historische
| |
− | Erinnerung« und »gesellschaftlicher Wandel« umschreiben. »Historische Erinnerung«
| |
− | bedeutet vor allem Erinnerung an die europäischen Religionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts,
| |
− | die zu einem hohen Toleranzbedarf und zur Sehnsucht nach gesellschaftlichen Brückenschlägen
| |
− | zwischen den religiös zerstrittenen Parteien geführt hatten. »Gesellschaftlicher
| |
− | Wandel« meint zunächst den vieldimensionalen Prozess der Säkularisierung, Individualisierung
| |
− | und Autonomisierung, der im 18. Jahrhundert mit Macht einsetzte. Dieser Wandel von
| |
− | Sinnstrukturen und Weltdeutungen ging mit tiefgreifenden Veränderungen der sozialen und
| |
− | ökonomischen Verhältnisse einher. Die zunehmende standesmäßige und berufliche Differenzierung
| |
− | der Gesellschaft, die sozio-politischen Funktionsverlagerungen auch beim Adel,
| |
− | das allmähliche Entstehen von Bürgertum und modernen kapitalistischen Wirtschaftsformen,
| |
− | das erhöhte Bildungsangebot, die Urbanisierung und die – unter dem Vorzeichen
| |
− | 15 Vgl. Höhmann, Hans-Hermann: Europas verlorener Friede, die national-völkische Orientierung innerhalb
| |
− | der deutschen Freimaurerei und die »freimaurerische Erinnerungspolitik« nach dem Zweiten Weltkrieg,
| |
− | in diesem Band, S. 51–87.
| |
− | 16 Vgl. Steffens, Manfred: Freimaurerei in Deutschland. Bilanz eines Vierteljahrtausends, Flensburg 1964.
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− | 17 Hoffmann, Stefan-Ludwig: Die Politik der Geselligkeit, a.a.O., S. 368.
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− | 18 Die Vernichtung der Unwahrheiten über die Freimaurerei durch 116 Antworten auf 116 Fragen, herausgegeben
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− | vom Verein deutscher Freimaurer, Leipzig 1928, S. 33.
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− | 19
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− | des europäischen Kolonialismus – sich auch international, ja interkontinental verstärkende
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− | räumliche Mobilität: all das führte dazu, dass Menschen aus ihren traditionellen Bindungen
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− | und sozialen Verankerungen gelöst wurden und auch in der Wahrnehmung ihres eigenen
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− | Selbst über Generationen hinweg praktizierte Deutungsmuster ablegen mussten.19 Diese Veränderungen
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− | führten nicht nur zu Verunsicherungen, ja Krisen. Sie ließen auch eine ausgeprägte
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− | Neigung entstehen, neue Einstellungs-, Bindungs- und Verhaltensoptionen aufzuspüren
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− | und zu nutzen. Es entwickelte sich eine Nachfrage nach neuen Formen von gesellschaftlichen
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− | Vernetzungen – modern ausgedrückt nach neuen Formen von »sozialem Kapital«
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− | – und so wurde das 18. Jahrhundert zur Epoche der Assoziationsbildung und Geselligkeit.
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− | Die Freimaurerei erwies sich offensichtlich als eine besonders attraktive Form neuer gesellschaftlicher
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− | Einbindung. Dies resultierte ebenso aus der breiten Nutzbarkeit des Bundes
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− | für die Befriedigung vieler sozialer, weltanschaulicher, religiöser und politischer Bedürfnisse
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− | wie aus der Möglichkeit, die Logen und Logensysteme durch Veränderungen weiterzuentwickeln
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− | und an konkrete Bedürfnisse anzupassen. Es waren vor allem vier Funktionen, oder
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− | besser: Funktionsgruppen, welche die Freimaurerei rasch zu einer gesamteuropäischen sozialen
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− | und kulturellen Bewegung werden ließen:
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− | • die soziale Funktion, Menschen über Standesgrenzen hinweg als »bloße Menschen« (Lessing),
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− | als Mitmenschen, als Menschenbrüder zusammenzuführen und ihnen neue gesellschaftliche
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− | Netzwerke, neue Geltungs- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten sowie
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− | neue Formen von Geselligkeit und Unterhaltung anzubieten;
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− | • die ideell-geistesgeschichtliche Funktion, Menschen dazu aufzufordern, sich der eigenen
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− | Vernunft zu bedienen, sich am autonomen Gewissen zu orientieren und im Sinne eines
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− | »nichts geht über das laut denken mit einem Freunde« (Lessing) nach dem jeweiligen freimaurerischen
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− | Grundverständnis den Diskurs über die Ideen der Aufklärung und andere,
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− | vor allem das Ritual und die als »Hieroglyphen« verstandenen Symbole20 betreffende
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− | Themen zu führen;
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− | • die religiöse Funktion, Menschen durch ein neues, aber auf alten Wurzeln beruhendes,
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− | zunehmend esoterisch ausgerichtetes Symbolsystem eine optimistisch-positive Einstellung
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− | zu sich selbst, zum Kosmos und zur Transzendenz zu vermitteln und die im 18.
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− | Jahrhundert weit verbreitete Unzufriedenheit mit dem etablierten Kirchentum zu kompensieren,
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− | und
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− | • die politische Funktion, Menschen in den Logen der absolutistisch verfassten Gesellschaft
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− | einen unabhängigen »Moralischen Innenraum« (Reinhart Koselleck) zu bieten, in dem
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− | das »Geheimnis der Freiheit« als »Freiheit im Geheimen« erlebt werden konnte, in dem
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− | es später aber auch – etwa im Falle der »Strikten Observanz« und der mit der Freimaurerei
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− | verbundenen Illuminaten – zu politischen Instrumentalisierungen der Freimaurerei
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− | kommen konnte.
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− | Es kann nicht überraschen, dass dieses ja durchaus nicht homogene Bündel von Motiven
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− | bald zu mannigfaltigen Veränderungen und Verzweigungen der Freimaurerei geführt hat.
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− | Adolph Freiherr Knigge, Zeitzeuge und Mitgestalter als Freimaurer, Illuminat und kritischer
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− | 19 Vgl. van der Loo, Hans/van Reijen, Willem: Modernisierung. Projekt und Paradox, München 1992, S. 62f.
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− | 20 Vgl. Maurice, Florian: Freimaurerei um 1800. Ignaz Aurelius Feßler und die Reform der Großloge Royal
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− | York in Berlin, Tübingen 1997, S. 31f.
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− | 20
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− | Geist, beschrieb die masonische Landschaft im kontinentalen Europa der zweiten Hälfte des
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− | 18. Jahrhunderts folgendermaßen:
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− | »Man weiß, dass es Freymaurer-Systeme gibt, deren ganze Verfassung auf politische
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− | Pläne und Einwirkung in die Staaten beruht; man weiß, dass es andere gibt, die dergleichen
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− | Operationen als schädlich und unerlaubt verbannen.
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− | Man weiß, dass es Systeme gibt, welche die Einführung einer natürlichen allgemeinen
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− | Religion zum Endzweck haben, und selbst die Lehre Jesu nach dieser Art erklären;
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− | man weiß, dass es andere gibt, welche die Aufrechterhaltung der geoffenbarten
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− | christlichen Religion zum Grundpfeiler machen.
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− | Man weiß, dass es Systeme gibt, welche speculative Wissenschaften zum Gegenstand
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− | des Ordens machen; man weiß, dass andere die Grenzen der Maurerey auf mögliche
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− | Tätigkeit zum Guten einschränken.
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− | Man weiß, dass jene besondere Überlieferungen in der Hieroglyphen-Sprache (zu
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− | entdecken glauben), wo diese nur nach conventionellen Zeichen zu Beförderung
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− | grösserer Vereinigung suchen, folglich jene in den Geheimnissen die Hauptsache,
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− | diese
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− | (in ihnen) nur (einen) Mittelzweck finden.
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− | Man weiß, dass einige Systeme, alles was gut und edel ist, als einen Gegenstand des
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− | Ordens ansehen; andere hingegen nur einen einzigen, bestimmten, speciellen Zwecke
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− | nachzustreben (für) rathsam halten; dass einige die möglichste Ausbreitung suchen;
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− | andere sich auf eine kleine bestimmte Zahl einschränken.
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− | Jedes dieser Systeme muss natürlicherweise in der Art, ihre Zöglinge zu bilden, in ihren
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− | Aufnahmen, in der Wahl der Mitglieder, in ihren Reden, Handlungen und in den
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− | Mitteln, welche sie wählen, einen Weg einschlagen, der oft dem schnurgerade entgegen
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− | ist, worauf andre wandeln.
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− | Wie werden sie je in einem Punkt zusammentreffen?«21
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− | Auf dem Hintergrund dieser Entwicklung muss auch die gern betonte Beziehung der Freimaurerei
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− | zur Aufklärung problematisiert werden. Freimaurerlogen konnten durchaus im
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− | Sinne der Aufklärung Modelle bürgerlicher Gesellschaft sein, in denen sich bürgerliche
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− | Moral diskursiv erarbeiten und im Miteinander der Brüder praktisch verwirklichen ließ.
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− | Geheimnis und Geheimhaltung dienten dabei als Schutz, weil die politischen Verhältnisse
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− | ein öffentliches Verfolgen derartiger Absichten noch nicht zuließen.22 Dies bedeutet jedoch
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− | nicht, dass die Mitglieder der Logen, die Logen selbst oder gar die sich im Verlauf des 18.
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− | Jahrhunderts herausbildenden freimaurerischen Systeme durchweg und generell »Beförderer
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− | der Aufklärung«23 waren. Aufklärung war eine Möglichkeit unter vielen. Aufklärer »konnten
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− | die Freimaurerlogen als Möglichkeit des lokalen Zusammenkommens nutzen«, doch
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− | 21 Versuch über die Freymaurerey, oder Von dem wesentlichen Grundzwecke des Freymaurer-Ordens; von
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− | der Möglichkeit einer Vereinigung seiner verschiedenen Systeme und Zweige; von derjenigen Verfassung,
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− | welche diesen vereinigten Systemen die zuträglicheste seyn würde; und von den Maurerischen gesetzen.
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− | Aus dem Französischen des Br. B. *** übersetzt durch den Br A.R. v. S. 1785 (5785), S. VI—VIII.
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− | 22 Vgl. hierzu und zum folgenden Vierhaus, Rudolf: Aufklärung und Freimaurerei in Deutschland, in:
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− | ders.: Deutschland im 18. Jahrhundert. Politische Verfassung, soziales Gefüge, geistige Bewegungen, Göttingen
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− | 1987, S. 110–125, hier S. 118.
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− | 23 Vgl. die Beiträge in: Balász, Éva, H./Hammermayer, Ludwig/Wagner, Hans/Wojtowicz, Jerzy: Beförderer
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− | der Aufklärung in Mittel- und Osteuropa. Freimaurer, Gesellschaften, Clubs, Berlin 1979.
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− | 21
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− | umgekehrt waren »die Logen nicht auf die Aufklärung als Inhalt angewiesen«, und auch die
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− | Betrachter, die gern einen durchgehend engen Zusammenhang zwischen Freimaurerei und
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− | Aufklärung feststellen würden, müssen der Feststellung von Rudolf Vierhaus zustimmen,
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− | dass auch ganz andere als Aufklärungsgedanken in die Freimaurerei eingeströmt sind, selbst
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− | solche, die direkt anti-aufklärerischen Charakter hatten. Für Vierhaus wurde dieser Einstrom
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− | durch diejenige Tendenz der Freimaurerei begünstigt, »die neben dem Versinken in bloße
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− | Honoratiorengeselligkeit ihre größte Gefahr ausmacht: die Anfälligkeit für Esoterik, Pseudomystik
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− | und Geheimnistuerei als Ausdruck einer selbst beigelegten, nach außen nicht rechtfertigungsbedürftigen
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− | Bedeutsamkeit«.24
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