Traktat: „Soziale“ Nachhaltigkeit: Unterschied zwischen den Versionen

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„Soziale Nachhaltigkeit“ – ein modernes Begriffspaar für ein an sich ziemlich altes Modell gemeinsamen Zusammenlebens.
 
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Eine ökonomisch und ökologisch gefestigte Grundlage mag sicher von grundlegender Bedeutung für soziale Nachhaltigkeit sein.
 
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== „Soziale“ Nachhaltigkeit ==

Version vom 7. April 2013, 07:41 Uhr


„Soziale“ Nachhaltigkeit

  • 1. Verantwortung und Werte
  • 2. Wissen, Verständnis
  • 3. „Soziale“ Nachhaltigkeit

„Soziale Nachhaltigkeit“ – ein modernes Begriffspaar für ein an sich ziemlich altes Modell gemeinsamen Zusammenlebens.

1. Entstanden aus einem ökologischen Gedanken heraus und sodann ökonomisch diskutiert, wird dieses Modell nunmehr zunehmend sozial-politisch verstanden.

Gemäß dem forstwirtschaftlichen Prinzip, nach dem „nicht mehr Holz gefällt werden darf, als jeweils nachwachsen kann, so dass der Wald nie zur Gänze abgeholzt wird, sondern sich immer wieder regenerieren kann“, „soll und kann auch in anderen Lebensbereichen etwas andauern, bleiben, nachwirken oder haltbar sein, noch lange, nachdem es in Bewegung gesetzt wurde“. Ohne auf die zahlreichen - gerechtigkeitsorientierten und kapitalismuskritischen, aber auch rein betriebswirtschaftlichen - Theorien und Denkansätze einzugehen, geht es überwiegend per definitionem um das Verbot, „in der Gegenwart irreversible Veränderungen an der Welt vorzunehmen, die von zukünftigen Generationen nicht gewollt werden könnten.“ „Die gegenwärtige Generation soll ihre Bedürfnisse befriedigen, ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generation zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können."

Diese Debatte stand allgemein unter der „Befürchtung, dass die Tragfähigkeit der Erde irgendwann einmal überfordert sein könnte, „wenn wir so weitermachten wie bisher.“

2.

Wie auch immer soziale Nachhaltigkeit definiert und begründet wird, ob soziale Nachhaltigkeit also als notwendig für die Aufrechterhaltung der menschlichen Lebensgrundlage verstanden wird oder soziale Nachhaltigkeit nur dazu dient, die Natur zu erhalten - allen Ansätzen gemeinsam ist der Erhalt eines sozialen oder lebenserhaltenden Systems zum Wohle der zukünftigen Generationen.

II.

1.

Die soziale Dimension der sozialen Nachhaltigkeit wird im Sinne der Maxime „Don’t damage“ überwiegend passiv verstanden: den künftigen Generationen soll bloß die Lebensgrundlage nicht zerstört werden. Wenn man sich nun die derzeitigen globalen ökologischen und ökonomischen Probleme vor Augen hält, wie unter vielen anderen:

  • - Ausbeutung natürlicher Lebensgrundlagen,
  • - ansteigende ungleiche Verteilung von Kapital,



Die nachfolgenden Ausführungen sind bewusst abstrakt gehalten. Jedem selbst ist - was ausreichend, aber auch erforderlich ist - anheimgestellt, die offenen Begriffe nach eigener Dimension zu füllen. Nur auf diese Weise ist dieses Thema offen für eine Verständigung – und deren Umsetzung.

Das Verständnis von sozialer Nachhaltigkeit wurde maßgebend durch den im Jahre 1987 von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung veröffentlichten sog. „Brundtland-Bericht“ ("Our common future"), demzufolge es vor allem global um Sicherung der Grundbedürfnisse und Armutsbekämpfung durch Schaffung eines gerechten Zugangs zu Chancen und Verteilung von Ressourcen geht, geprägt. Es geht zentral um „Verteilungsgerechtigkeit“. Die Debatte hierüber gewann leider erst angesichts zahlreicher vergangener Umwelt-Katastrophen wie z.B. in Tschernobyl (1986) an Bedeutung.



- armutsbedingte Umweltzerstörung der Entwicklungsländer,
- Überkonsum in den Industrieländern,
- zunehmende, wirtschaftliche Verarmung von Menschen (auch in den Industrieländern),
- Bedrohung von Frieden und Sicherheit,
aber auch die zunehmend global gewordenen gesellschaftlichen Probleme, wie zum Beispiel:
- Reduzierung sozialen Zusammenlebens und Identitätsverlust,
- Sozialkälte und Kontakt- sowie Kommunikationsarmut,
- Abnahme oder Marginalisierung sozial nachhaltiger und bewährter Werte,
- nachlassende Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung,
- zunehmend fehlende Selbstreflexion und Eigenbeurteilung,
stellt sich nicht nur die Frage, ob nicht ein aktives Eingreifen geradezu notwendig ist, um das Ziel der sozialen Nachhaltigkeit, namentlich den Schutz der nächsten Generationen, zu erreichen.
Einst hielt man es für ausreichend, dieses Ziel durch bloße „technologische Effizienzsteigerung“ unter parallelem Hinweis auf die „Selbstregulierung und Eigendynamik der Märkte“ sowie dem „Postulat nach (sozial-)staatlichem Handeln“ erzielen zu können.

2. Aber genügt ein rein ökonomischer Ansatz, um auch die gesellschaftlichen Probleme zu lösen? Wem kommen die Früchte solcher Maßnahmen letztlich überwiegend zugute? Ein rein ökonomischer Ansatz mag ausreichen, sofern alle Menschen im Wesentlichen über dieselben Voraussetzungen verfügen. Bedenkt man jedoch, dass gerade einmal 10 Prozent der Weltbevölkerung über 90 % des Kapitals verfügen, mag manch einer bei dem Gedanken, soziale Nachhaltigkeit für jeden Einzelnen allein durch globalwirtschaftliche Regularien zu erreichen, schnell daran zweifeln. Ohne ein gewisses Maß an „Verteilungsgerechtigkeit“ und „sozialer Gerechtigkeit“ als wichtige Bestandteile sozialer Nachhaltigkeit kann letztere (und somit „sozialer Frieden“) wohl kaum erreicht werden.

III.

1.

Eine „nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung muss allen Menschen dienen und daher sozialverträglich gestaltet werden“. Es ist dem Begriff der sozialen Nachhaltigkeit geradezu immanent, dass sie sich „am Erhalt der solidarischen Grundordnung für ein menschenwürdiges Leben orientieren muss“, die den „Leistungsfähigen belohnt und dem Bedürftigen das Überleben sichert“, und zwar bereits in den gegenwärtigen Generationen. Zur Schaffung und Sicherung einer menschenwürdigen Existenz auch künftiger Generationen müssen daher - neben der globalen Befriedigung materieller und immaterieller Grundbedürfnisse - insbesondere auch der erhöhte Einsatz von Sozialressourcen wie Human-, Wissens- und Sozialkapital, Gewährleistung von Chancengleichzeit und Überwindung sozialer Probleme hinzukommen.

2.

Eine ökonomisch und ökologisch gefestigte Grundlage mag sicher von grundlegender Bedeutung für soziale Nachhaltigkeit sein.

„Soziale“ Nachhaltigkeit

Aber soziale Nachhaltigkeit ist ohne soziale Gerechtigkeit und sozialen Frieden nicht denkbar. Sie kann nur dann gewährleistet werden, wenn die Früchte vorgenannter Maßnahmen, die sich vor allem an Langfristigkeit, Gerechtigkeit und Ganzheitlichkeit ausrichten müssen, sodann auch tatsächlich jeden Menschen erreichen und nicht nur bestimmten Personengruppen vorbehalten bleiben. Nur auf diese Weise kann eine dauerhafte Stabilität einer Gesellschaft und sozialer Strukturen gewährleistet werden. Eine ohne Rücksicht auf eine gerechte Verteilung, mithin ohne eine „integrierte soziale Dimension“ geführte Politik wird langfristig scheitern. Das einzige, was wir in diesem Fall künftigen Generationen weitergäben, wären Konflikte und Spannungen.

Das ist sicher nicht gewollt.

IV.

1.

Allerdings entwickeln sich soziale Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit nicht allein durch – objektiv – ökonomische und global-staatliche Maßnahmen, sondern sie müssen auch – subjektiv - in das Bewusstsein eine jeden von uns einfließen. Wir selbst müssen daran glauben und – allerdings selbstverständlich jeder nach seinen Möglichkeiten - entsprechend handeln. Jeder einzelne Mensch als ein eben nicht isoliertes, sondern in Wechselbeziehung mit der Gemeinschaft lebendes Subjekt, den solche Maßnahmen letztlich (be-)treffen, sollte aktiv werden und sein Denken und Handeln sozial nachhaltig ausrichten. Als soziales Wesen muss jeder Mensch bemüht sein, auch die Interessen des sozialen Umfelds und der Gesellschaft zu beachten, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen und eine gerechte Verteilung – selbst von sich ausgehend - zuzulassen, um sie gemeinsam mit anderen erst zu ermöglichen. Gerade der verantwortliche Umgang mit dem Leben und der Umwelt kann eine ausgewogene Ordnung der Gesellschaft und dadurch bessere Rahmenbedingungen für die gegenwärtige Generation und damit auch eine bessere Grundlage für die künftigen Generationen schaffen. Denn ein menschenwürdiges Leben verdoppelt sich, wenn man es teilt – auch für die Zukunft.

2.

Das Bewusstsein für Verantwortung zur sozialen Nachhaltigkeit auch für künftige Generationen muss nicht nur bei allen Menschen Eingang finden, sondern auch nachkommenden Generationen erhalten bleiben. Gerade in einer Zeit, in der die Vermittlung und Weitergabe von tragenden Werten von Generation zu Generation, ja sogar innerhalb einer Generation, zunehmend schwieriger wird, ist es von größter Wichtigkeit, den Hinweis zu statuieren, dass jeder einzelne nur in einer sozial nachhaltig gemachten Umgebung menschenwürdig leben kann und dass jeder einzelne diese Umgebung nicht nur passiv erhalten, sondern sie bei Bedarf auch aktiv schützen muss. Es ist unsere Aufgabe, uns und unseren Mitmenschen die Augen zu öffnen und als Vorbild diese soziale Gerechtigkeit vorzuleben – und so zu handeln. Es ist an uns, dafür zu sorgen, dass die künftigen Generationen zumindest ein gewisses Maß an Basis gemeinschaftlichen Zusammenlebens erhalten.

3.

Um dieser „Aufgabe“ gerecht zu werden, ist es geradezu erforderlich, in uns zu kehren und die wesentlichen Dinge im Leben nicht oberflächlich, sondern „von allen Seiten „bewusst“ und „kritisch“ zu erfassen und „objektiv“ zu bewerten, und nicht blind zu übernehmen. Die meisten Sachverhalte und Dinge sind an sich wertneutral. Es sind wir, die daraus etwas „Gutes“ oder „Schlechtes“ machen – und leider auch als solches vorab verurteilen. Wir haben es in der Macht, etwas neu zu erschaffen, anstatt uns von unseren herkömmlichen Mustern und Vorstellungen beherrschen zu lassen, nur weil es womöglich bequem ist, der Mehrheit zu folgen - oder gar unbequem, die Realität akzeptieren zu müssen, um dann vermeintlich allein und einsam zu sein.

V.

Wir sollten endlich lernen, aktiv soziale Verantwortung zu übernehmen. Es reicht nicht mehr aus, allgemeine soziale, ökonomische und ökologische Missstände bequem vom Wohnzimmer aus zu kommentieren und bloß zuzuschauen. Was wäre das für eine Welt, wenn wir bei Ungerechtigkeiten wegschauten? Wir selbst könnten die nächsten sein, denen Ungerechtigkeit widerfährt. - Und wenn uns keiner helfen würde? Gegenwärtig wegzuschauen bedeutete, die Zukunft der Menschheit mit einem Akt der Unmenschlichkeit zu beginnen. Wollen wir das? Gewiss macht sich die Welt von heute zunehmend Gedanken über soziale Nachhaltigkeit, und manch einer glaubt auch sicher daran. Aber wir alle müssen auch an uns selbst etwas ändern und vor allem gemeinsam handeln.

Soziale Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur, die Welt zu erhalten und so weiterzugeben, wie wir sie vorgefunden haben. So wie sich Eltern niemals dem Glück der Kinder in den Weg stellen und alles daran setzen sollten, das Glück auf Erden zu erschaffen (zumindest aber alles zu unterlassen, um das zu nicht zu gefährden), so bedeutet soziale Nachhaltigkeit eben auch, eine – ob ökologisch, ökonomisch oder sozial - zerstörte Welt wieder aufzubauen, damit unsere Kinder auf ihr menschenwürdig leben können.

Auch wenn wir die Erben vergangener Generationen sind und für das Vorgefundene nichts können – wir sind zugleich auch die Verantwortlichen für die künftigen Generationen. Es kommt nur darauf an, was wir daraus machen - auch wenn dies bedeutete, gegen die derzeitig herrschenden Strömungen steuern zu müssen. Aber wir sind nicht allein.

Wenn man sich die Welt von heute und deren Probleme vor Augen hält, so mag man schnell verzweifeln. Man weiß förmlich nicht, wo man anfangen soll. Und man weiß auch nicht, ob man überhaupt etwas ändern kann.

Doch wollen wir nicht erst dann etwas von der Welt sehen, wenn es nichts mehr zu sehen gibt. Wenn jeder Einzelne von uns auch nur etwas Kleines tut, bewirkt er schon etwas Großes - ein Bewusstsein in sich und ein Handeln für die Umwelt. Der gegenwärtige Status Quo soll uns eine Lehre der Taten und Entscheidungen vergangener Generationen sein, aber uns zugleich Kraft für Taten zugunsten künftiger Generationen geben - für uns und unsere Kinder. - Denn im Grunde genommen will doch jeder zurück zur „Natur“ - aber keiner will zu Fuß. An letzterem müssen wir arbeiten… An uns selbst.

Es geht um unsere Kinder.


Anlage zur TRILOGIE der Zeichnungen:

  • 1. „Verantwortung und Werte“
  • 2. Wissen, Erkenntnis“


Verantwortung und Werte

I. Gegenstand meiner Zeichnung sind die Aspekte der „Verantwortung“ und der "Vermittlung von Werten“.


Verantwortung

Bei „Verantwortung“ geht es zunächst einmal um eine Pflicht, die einer Person gegenüber einer anderen Person bzw. Personenmehrheit zugeordnet wird, die von einer Instanz eingefordert werden kann und gegenüber der man für sein Handeln Rechenschaft abzulegen hat. Je nach dem, ob die Pflicht erfüllt wird oder nicht, resultieren hieraus Konsequenzen wie Belohnung oder Sanktion, Kompensation oder dergleichen. „Verantwortung“ erhält ihre Legitimation durch gesellschaftliche Forderungen wie Gesetze, religiöse Gebote oder moralische Verhaltensnormen. „Verantwortung“ kann aber auch freiwillig entstehen, so beispielsweise durch Übernahme einer (ehrenamtlichen) Aufgabe, Versprechen, Bürgschaften und dergleichen.

2. Soziale Verantwortung

Hierzu gehört in gewissem Umfang auch eine soziale Verantwortung gegenüber unverschuldet Benachteiligten unserer Gesellschaft.

a) Außerhalb des Wirkbereichs gesetzlicher oder religiöser Instanzen ist der Betreffende selbst seine Instanz. Maßstab der Beurteilung sind sein Gewissen und die Werte- und Moralvorstellungen. Er kann grds. selbst entscheiden, ob sein Handeln/Unterlassen gerechtfertigt ist oder nicht; er muss sich also vor sich selbst rechtfertigen.
b) Doch ist der Mensch auch ein soziales Wesen. Er lebt nicht isoliert, sondern in Wechselbeziehung mit der Gemeinschaft. Alles, was er tut oder unterlässt, hat zwangsläufig positive oder negative Auswirkungen auf andere. Aus der „Selbstverpflichtung“ heraus folgt – unmittelbar oder mittelbar – auch eine gewisse „Fremdverantwortung für andere“. Auch nur individuell gültige Normen stehen daher in Wechselwirkung mit der Gesellschaft. Bei jeder Handlung sind daher zwingend auch die Interessen des sozialen Umfelds und der Gesellschaft zu beachten.


Werte und Vermittlung

Doch woran messen WIR uns und UNSER Gewissen, geht es doch gerade um Auswirkungen unseres Handelns auch auf andere?

a) Orientierungspunkt dürften zunächst die gängigen gesellschaftlichen Normen und Werte sein. Doch welche sind diese?

b) Nun haben sich die Wertvorstellungen der Menschheit durch die Jahrhunderte der Menschheitsgeschichte hindurch geändert: An die Stelle einer (lokalen) Religion als Verantwortungsinstanz oder des Staates als Machtmonopol traten - mitunter bedingt durch die Industrialisierung, die Wissens- und Informationsrevolution und die zunehmende Globalisierung – verstärkt weitere, hiervon mehr oder weniger losgelöste gesellschaftliche, insbesondere humanistische Werte und Ideologien aus aller Welt hinzu. Konnte man sich früher an eindeutigere festgelegte Werte orientieren (ohne diese an dieser Stelle als „gut“ oder „schlecht“ beurteilen zu wollen), besteht heute nicht nur ein Nebeneinander verschiedener Wertvorstellungen, sondern dieser Pluralismus an gesellschaftlichen Normen vermischt sich vereinzelt auch zu neuen Formen.


c) Gegen diesen zwangsläufigen Prozess ist im Grundsatz nichts einzuwenden, im Gegenteil: Das Zusammenwachsen der Weltgemeinschaft erfordert dies sogar. Sorge bereitet allein der Umstand, dass die Weltgemeinschaft immer schneller zusammenwächst und der Mensch all zu oft hinterher zu hinken scheint. Die Vermittlung und Weitergabe von tragenden Werten wird von Generation zu Generation, ja sogar innerhalb einer Generation, zunehmend schwieriger. Die Weitergabe alter und neuer Wertvorstellungen scheitert zudem oftmals an Fähigkeit, Willen oder schlichtweg an Zeit und Muße. Tragende Werte und Normen der Gesellschaft verwässern. Verunsicherung und Orientierungslosigkeit bis hin zur Ahnungslosigkeit bei der Frage, welche Werte denn nun verbindlich sein sollen, durchdringen zunehmend die Gesellschaft. Viele handeln ohne Rücksicht auf andere.

Und darin liegt das Problem: Menschen (und vor allem Kinder) orientieren sich zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit vor allem an dem Wertesystem, das ihnen – neben der Schule – vor allem vom Elternhaus vermittelt wird. Wenn aber allgemeinverbindliche Werte nicht oder nicht richtig vermittelt werden, WIE sollen sich die Menschen entwickeln? WOHIN soll sich die Gesellschaft entwickeln?

II.

Die herkömmlichen Institutionen vermögen aktuell eine Vermittlung von Werten und den richtigen Umgang nur unzureichend zu gewährleisten.


Postulat an die Gesellschaft

Die GESELLSCHAFT wird zunehmend gefordert, unterstützend neben Staat und Familie Werte zu vermitteln. Gerade in einer pluralistischen Gesellschaft ist es wichtig, diesen existenziellen Prozess aus allen Richtungen zu fördern, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und Normen neu zu definieren. Die Gesellschaft kann sich nur entwickeln, wenn sie – letztlich für sich selbst – Verantwortung übernimmt und sich hierfür in die Verantwortung nimmt. Dabei geht es nicht nur um das Aufzeigen der Einhaltung einer Norm, sondern auch um die Vermittlung von deren Sinn & Zweck.


Appell an den Einzelnen

Auch wenn es nicht jedermanns auferlegte Aufgabe ist, freiwillig Verantwortung zu übernehmen, als Vorbild durch Rat und vor allem durch Taten Werte zu vermitteln, so wäre es dennoch wünschenswert, dass JEDER VON UNS dazu beiträgt, in welchem Umfang auch immer.

Verständlicherweise wird sich jeder die Frage stellen, inwieweit er überhaupt „Verantwortung“ übernehmen will, zumal er per se nicht immer eine Gegenleistung erhält. Dass muss jeder für sich selbst entscheiden.

Es sei wenigstens darüber nachzudenken, dass es letztlich nicht nur darum geht, die Verantwortung über sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Wir leben in einer Welt mit vielen anderen Menschen. Wichtig sind auch Mitgefühl, das Bewusstsein von Pflicht, Verantwortung und Respekt anderen gegenüber. Ohne jemandem vorzuschreiben, welche Werte entscheidend sind und wie er gar Verantwortung wahrzunehmen hat, so können wir doch als Vorbild und Entscheidungshilfe einen Hinweis auf den richtigen Weg geben. Ob und wie er seinen Weg beschreitet, ist ihm dann selbst überlassen.

Dieser Art der freiwilligen Selbstverpflichtung als verantwortlicher Umgang mit dem Leben und der Umwelt kann eine harmonische Ordnung der Gesellschaft schaffen - und damit vielleicht auch Teil einer Voraussetzung für ein eigenes gutes Leben werden.


Wissen, Erkenntnis

I. Es gibt eine alte Weisheit, die möglicherweise so alt ist wie die Menschheit selbst: „Als wir auf die Welt kamen, war die Welt so, wie sie ist. Im Laufe der Jahre, als wir verstanden, die Welt zu hinterfragen, merkten wir, dass die Welt doch nicht so ist, wie sie ist: die Welt ist kompliziert. Am Ende des Lebens merken wir, dass sich die Welt doch nicht geändert hat; die Welt ist so, wie sie ist.“

II. Was hat diese Weisheit auf sich?

Diese Frage kann selbstverständlich nur jeder für sich selbst beantworten, denn sie ist individuell geprägt und abhängig von der eigenen „Erkenntnis“ vom Wesentlichen und dem eigenen „Wissen“ über das Leben.

1. So versteht man unter „Erkenntnis“ allgemein den Prozess des Erkennens („den Erkennungsakt“) eines bestimmten Sachverhalts/Sachvorgangs („das Erkannte“). Zum „Wissen“ wird „Erkenntnis“ dann, wenn das „Erkannte“ unabhängig vom erkennenden Betrachter intersubjektiv, also für mehrere Betrachter gleichermaßen erkennbar und nachvollziehbar ist und für ihn selbst individuell Bestand und Gültigkeit hat. „Wissen“ wird überwiegend verstanden als die wahre, gerechtfertigte, begründete Meinung über einen bestimmten Sachverhalt/Sachvorgang, so dass von deren Gültigkeit und Wahrheit ausgegangen werden kann.

Beide Begriffe setzen eine gewisse „Bewusstheit“ und auch in gewissem Umfang eine bestimmte „Objektivität“ voraus – das sollten sie jedenfalls.

2. Freilich möchte man meinen, dass diese Definition ebenfalls voraussetzt, dass man nur dann etwas „wissen“ kann, wenn man auch eine „wahre Meinung“ hat. Umgekehrt stellt nicht jede wahre Meinung zwangsläufig „Wissen“ dar. So bildet sich manch einer eine „Meinung“, ohne sich vorher die Mühe zu machen, die Dinge zu „erkennen“ oder sich das entsprechende „Wissen“ anzueignen. Andere wiederum bilden sich über Etwas eine Meinung, ohne zu „wissen“, ob die Meinung überhaupt begründet ist.

Ist das „Erkenntnis“? – Kann das „Wissen“ sein?

Auch diese Fragen können nicht automatisch als wahr oder falsch beantwortet werden, weil die Wahrnehmung eines Jeden individuell beeinflusst wird von eigenem Glauben und Überzeugungen, unterschiedlichen Erfahrungen und Wertungen oder Erinnerungen. Der TRILOGIE (Zeichnungen): 1. Verantwortung und Werte / 2. Wissen, Verständnis / 3. „Soziale“ Nachhaltigkeit

Prozess der Erkenntnis und Meinungsbildung wird zudem beeinflusst durch Einbildung, Ahnung und Vermutungen, Spekulationen etc.. Vorurteile, Irrtümer und Einsichten verzerren den Vorgang der „Erkenntnis“ zusätzlich – und damit den Bestand des „Wissens“.

3. Das wirft zwangsläufig die Frage auf, ob es überhaupt eine objektiv gesicherte „Erkenntnis“ und eine absolute, eindeutige und allgemein gültige, dem „Wissen“ als immanent geglaubte Wahrheit geben kann. Denn gerade wegen der Individualität menschlicher Wahrnehmungen und Eigenarten kann sogar die Art der Erkenntnisgewinnung bereits die Erkenntnisinhalte beeinflussen. Wenn aber bereits der „Erkenntnisakt“ stark subjektiv beeinflusst ist, ist man schnell geneigt, sich von Objektivität und Allgemeingültigkeit zu entfernen – beides wichtige Bestandteile von „Erkenntnis“ und „Wissen“ als den Bestandteilen der Wahrheit.

III. Durch Objektivierung der „Erkenntnisfähigkeit“ und des „Wissens“ sollten vor allem Sachvorgänge von einem selbst von allen Seiten bewusst und kritisch erfasst, objektiv bewertet und auch zu Ende gedacht werden. Gewiss werden Ansichten und Meinungen Anderer zu gern blind übernommen. Auch passen wir uns unkritisch viel zu häufig den Beurteilungen Anderer an. Das alles mag durchaus ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, und vor allem ist das bequem. Aber „erkennen“ und „wissen“ wir dann bewusst und objektiv, wenn wir etwas unkritisch übernehmen, ohne uns selbst Gedanken zu machen? Die Aspekte der „Erkenntnis“ und „Wissen“ wären geradezu sinnentleert, wenn man nicht selbst hierüber reflektiert.

IV. Da die „Erkenntnis“ und das „Wissen“ in einem Selbst liegen, liegt es nahe, auch sich selbst und sein Handeln regelmäßig zu hinterfragen. Den wie sonst kann man Andere beurteilen, wenn man sich selbst nicht kennt? Dies schließt die Entwicklung von Bewusstheit und Selbsterkenntnis mit ein, auch wenn dies Selbstüberwindung und Selbstlosigkeit erfordern kann und die Möglichkeit besteht, seine Ansichten, Ängste, ja sogar seine innere Widerstände und Widersprüche zu erkennen oder unschöne Dinge an sich selbst zu entdecken. Unbestritten fällt es einem selbst schwer, an sich selbst bestimmte Unvollkommenheiten anzuerkennen, denn damit korrespondiert nur allzu oft ein gewisses Gefühl der Wertlosigkeit, des Versagens - für viele ein unerträglicher Gedanke gerade in einer Leistungs- und Erfolgsgesellschaft.

Aber was wären „Erkenntnis“ und „Wissen“ wert, wenn wir uns selbst gegenüber nicht ehrlich wären? Selbsttäuschung und Lüge sind sicher keine Alternativen. Und wir sollten weg kommen von dem standardisierten „Ja-oder-Nein-Denken“ und vor allem davon, die Dinge von Grund auf entweder als „gut“ oder „schlecht“ zu betrachten. Die meisten Sachverhalte und Dinge sind an sich wertneutral. Es sind wir, die daraus etwas „Gutes“ oder „Schlechtes“ machen – und als solches vorab verurteilen.

Dann aber sind es auch wir, die darüber entscheiden können, ob wir die Dinge bewusst und objektiv „erkennen“ und allgemeingültig „wissen“ können anstatt uns von unseren herkömmlichen Mustern und Vorstellungen beherrschen zu lassen.


V. In einer sozialen Gesellschaft ist es von höchster Wichtigkeit, eine gewisse Bewusstheit und Objektivität zu gewährleisten, und dies schon beim „Erkenntnisakt“, für eine bessere Verständigung und ein besseres Miteinander. Genauso sollten abweichende Ansichten respektiert werden (ohne denen zwangsläufig folgen zu müssen), ebenso wie das eigene „Wissen“ mit Anderen geteilt werden sollte, geht es doch gerade weniger darum, wie viel man weiß, sondern wie viele etwas wissen. Dadurch bereichert man nicht nur andere und die Gesellschaft, sondern auch sich selbst.

Obschon ich das schon immer „gewusst“ habe, habe ich das gerade eben erst „erkannt“…

N.-D.N., HH, 09/12