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Die Römer fragten siе als ein Loos zu Antium um Rath, und verewigten sie durch Denkmäler und Münzen. Bald ward sie mit verbundenen Augen auf einem Wagen, den blinde Pferde ziehen, vorgestellt, bald in der Form eines betagten bartigten Mannes mit einem Steuerruder, bald wie eine ehrbare Matrone mir Amaltheens Fruchthorn. Entweder bezeichnete man dadurch ihre grenzenlose willkührliche Macht, oder ihre auszutheilenden Schätze.<br /> | Die Römer fragten siе als ein Loos zu Antium um Rath, und verewigten sie durch Denkmäler und Münzen. Bald ward sie mit verbundenen Augen auf einem Wagen, den blinde Pferde ziehen, vorgestellt, bald in der Form eines betagten bartigten Mannes mit einem Steuerruder, bald wie eine ehrbare Matrone mir Amaltheens Fruchthorn. Entweder bezeichnete man dadurch ihre grenzenlose willkührliche Macht, oder ihre auszutheilenden Schätze.<br /> | ||
Das einstimmige Sinnbild des Unbestands aber war ein Rad oder eine Kugel. Ovid und Tibull brauchen es. Doch Horaz schildert ihre muthwillige Freude an dem wilden Wechsel, ihre unstäte Gunst, und ihre unsichere Wahl rnit einem stärkern Кolorit. — | Das einstimmige Sinnbild des Unbestands aber war ein Rad oder eine Kugel. Ovid und Tibull brauchen es. Doch Horaz schildert ihre muthwillige Freude an dem wilden Wechsel, ihre unstäte Gunst, und ihre unsichere Wahl rnit einem stärkern Кolorit. — | ||
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Ja! meine Brüder, ist das Glück dasjenige unvermeidliche Verhängniß, welches den Menschen vom erstеп Geburtshauch an durch alle Scenen des Lebens begleitet, welches gleichsam seiner Stirne eingedrückt ist, und welches vielleicht (doch dies ist nur ein philosophisches Räthsel) mit dem milden oder widrigen Einfluß der Gestirne in Verbindung steht; so sind die Schilderungen der Alten treffend. | Ja! meine Brüder, ist das Glück dasjenige unvermeidliche Verhängniß, welches den Menschen vom erstеп Geburtshauch an durch alle Scenen des Lebens begleitet, welches gleichsam seiner Stirne eingedrückt ist, und welches vielleicht (doch dies ist nur ein philosophisches Räthsel) mit dem milden oder widrigen Einfluß der Gestirne in Verbindung steht; so sind die Schilderungen der Alten treffend. | ||
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Wohlangewandte Zeit, die doch endlich alle Dinge wie Saturn seine Kinder frißt, bleibt seine Schatzkammer lehrreicher Erfahrungen. Sein äußres Schicksal erwartet er mit entrunzelter Miene von der unverkürzten Hand der Vorsehung. Die Zukunft, ist sie gleich mit nächtlicher Finsterniß umhüllt, beunruhigt ihn nicht. Er ist ja ein Theil des Weltalls, welches der Allmachtsfinger umspannt: Sollte er also ein Auswurf von dem ewigen Plane seyn, den ein Gott über sein Geschöpf beschloß?<br /> | Wohlangewandte Zeit, die doch endlich alle Dinge wie Saturn seine Kinder frißt, bleibt seine Schatzkammer lehrreicher Erfahrungen. Sein äußres Schicksal erwartet er mit entrunzelter Miene von der unverkürzten Hand der Vorsehung. Die Zukunft, ist sie gleich mit nächtlicher Finsterniß umhüllt, beunruhigt ihn nicht. Er ist ja ein Theil des Weltalls, welches der Allmachtsfinger umspannt: Sollte er also ein Auswurf von dem ewigen Plane seyn, den ein Gott über sein Geschöpf beschloß?<br /> | ||
Hinweg der Gedanke, der die Würde des Schöpfers verkleinert! Welcher Baumeister wird ein Gebäude in der Absicht aufführen, um sich bald an dessen Trümmern zu belustigen? | Hinweg der Gedanke, der die Würde des Schöpfers verkleinert! Welcher Baumeister wird ein Gebäude in der Absicht aufführen, um sich bald an dessen Trümmern zu belustigen? | ||
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Widerwärtigkeiten ''müßen'' seyn. Ununterbrochene Freuden werden endlich schal und unschmackhaft. Die ganze Natur ist bloß durch die Abwechslung schön. Eine fortwährende Einförmigkeit der Accorden würde das Ohr, eine unübersehbare Ebne das Auge ermüden. Dìssonanzen sind also für die Harmonie, und Gebirge für die Symmetrie nothwendig.<br /> | Widerwärtigkeiten ''müßen'' seyn. Ununterbrochene Freuden werden endlich schal und unschmackhaft. Die ganze Natur ist bloß durch die Abwechslung schön. Eine fortwährende Einförmigkeit der Accorden würde das Ohr, eine unübersehbare Ebne das Auge ermüden. Dìssonanzen sind also für die Harmonie, und Gebirge für die Symmetrie nothwendig.<br /> | ||
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''Innere Unschuld'', meine Brüder, ist die erste Grundlage der Glückseligkeit. Denken Sie sich ein Arkadien, wo die Kabalistik der Welt mit ewigem Banne verscheucht ist, wo keine Brut des Eigennuzes umherwühlt; wo der schleichende Neid und die unedle Rache keine Herberge finden, wo kein Gift der Wollust das zeugende Blut verpestet.<br /> | ''Innere Unschuld'', meine Brüder, ist die erste Grundlage der Glückseligkeit. Denken Sie sich ein Arkadien, wo die Kabalistik der Welt mit ewigem Banne verscheucht ist, wo keine Brut des Eigennuzes umherwühlt; wo der schleichende Neid und die unedle Rache keine Herberge finden, wo kein Gift der Wollust das zeugende Blut verpestet.<br /> | ||
-- Da strömen in wonnereichen Gefilden dem Bewohner erquikende Bäche hin, die der Schwelger verachtet. Da säuseln ihm gesprächige Zephire bey kühlen Frühlingsabenden, die der Hofsclave am Spieltisch entweihet. Da tönen ihm accentenvolle Luftsänger in zahllosen Concerten, die der taube Wizling nur begaft. Da entzücken ihn Perlen des Morgenthaues, kleereiche Wiesen, sprossende Saaten, balsamduftende Blumen; die der Goldhungrige nicht schätzen kann. Da windet sich reine sympathetische Liebe in die Falten des herzens ein, die kein Wollüstler fühlt. Da steigt der Geist zur großen blauen Bühne des gestirnten Himmels hinan, den der grübelnde pedant kaum beschaut. Da wallt die Seele in andächtigen Regungen zum höchsten Wesen wie ein sanftrieselnder Fluß zum Ocean hinüber -- Solch ein Paradies bewohnten unsre Stammeltern, und ihre Nachkömmlinge -- wären sie das, was sie seyn sollten — könnten es noch besitzen. | -- Da strömen in wonnereichen Gefilden dem Bewohner erquikende Bäche hin, die der Schwelger verachtet. Da säuseln ihm gesprächige Zephire bey kühlen Frühlingsabenden, die der Hofsclave am Spieltisch entweihet. Da tönen ihm accentenvolle Luftsänger in zahllosen Concerten, die der taube Wizling nur begaft. Da entzücken ihn Perlen des Morgenthaues, kleereiche Wiesen, sprossende Saaten, balsamduftende Blumen; die der Goldhungrige nicht schätzen kann. Da windet sich reine sympathetische Liebe in die Falten des herzens ein, die kein Wollüstler fühlt. Da steigt der Geist zur großen blauen Bühne des gestirnten Himmels hinan, den der grübelnde pedant kaum beschaut. Da wallt die Seele in andächtigen Regungen zum höchsten Wesen wie ein sanftrieselnder Fluß zum Ocean hinüber -- Solch ein Paradies bewohnten unsre Stammeltern, und ihre Nachkömmlinge -- wären sie das, was sie seyn sollten — könnten es noch besitzen. | ||
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''Weisheit'' ist die andre Grundsäule der Glückseligkeit. Die Freymäurerey soll ihrem ursprünglichen Zwecke nach eigentlich die ''Kolonie der Weisen'' seyn. Rang, Pracht und Geburt darf uns nicht blenden. Reichthümer und Güter werden vom gewöhnlichen Preise abgewürdigt: denn sie sollen eigentlich Hülfsmittel seyn, darbende zu erquicken und die Thränen der Bedrängten zu trocknen.<br /> | ''Weisheit'' ist die andre Grundsäule der Glückseligkeit. Die Freymäurerey soll ihrem ursprünglichen Zwecke nach eigentlich die ''Kolonie der Weisen'' seyn. Rang, Pracht und Geburt darf uns nicht blenden. Reichthümer und Güter werden vom gewöhnlichen Preise abgewürdigt: denn sie sollen eigentlich Hülfsmittel seyn, darbende zu erquicken und die Thränen der Bedrängten zu trocknen.<br /> | ||
Einigkeit, unverbrüchliche Einigkeit, soll uns aneinanderketten. Verschwiegenheit soll uns vor Angriffen schützen. Wohlgewählte Gesetze sollen unsre Freyheit lenken. Warmes Vertrauen soll unsre Wißbegìerde, nicht aber die Ungeduld reizen; und freudige Hofnung, von der Religion angeflammt, soll uns beleben. – | Einigkeit, unverbrüchliche Einigkeit, soll uns aneinanderketten. Verschwiegenheit soll uns vor Angriffen schützen. Wohlgewählte Gesetze sollen unsre Freyheit lenken. Warmes Vertrauen soll unsre Wißbegìerde, nicht aber die Ungeduld reizen; und freudige Hofnung, von der Religion angeflammt, soll uns beleben. – | ||
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Dreymal beglückt, meine Brüder, sind wir, wenn wir diesem erhabnen Ziele wetteifernd nachstreben. Welche herrliche Früchte verbreiten sich dann auf unsre Zeitgenossen, gleich einem fetten Regen, der die im Sommer durstigen Fluren schwängert. Welche Segnungen belohnen uns dann, selbst auf dem Sterbelager, wo das Andenken an unsre Arbeiten mit uns ins Elysium übergeht, und wo wir den Vorhang vor dem Gaukelspiel der Welt, das noch nie einen Denker beruhigt hat, gleichgültig fallen lassen. | Dreymal beglückt, meine Brüder, sind wir, wenn wir diesem erhabnen Ziele wetteifernd nachstreben. Welche herrliche Früchte verbreiten sich dann auf unsre Zeitgenossen, gleich einem fetten Regen, der die im Sommer durstigen Fluren schwängert. Welche Segnungen belohnen uns dann, selbst auf dem Sterbelager, wo das Andenken an unsre Arbeiten mit uns ins Elysium übergeht, und wo wir den Vorhang vor dem Gaukelspiel der Welt, das noch nie einen Denker beruhigt hat, gleichgültig fallen lassen. | ||
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Die Zeit der Vollendung ist nicht mehr fern. Was sind wir itzt, und was waren wir vorm Jahr? Mit Riesenschritten ist in Monaten mehr geleistet, als sonst in Jahren. Unsre Gegner (doch vielleicht sind es nur wenige aufrührerische; billig sollten wider Freymäurer gar keine seyn) tragen uns Lorbeer entgegen. Entfernte Menschenfreunde, im Orient gesalbt, öffnen uns reizende Aussichten in die Zukunft. Noch ists Dämmerung. Aber mich dünkt, ich sehe schon Aurorens purpurne Thore offen, das grauende Gewölk zerstreut, und hinter ihm die Sonne im prächtigsten Strahlenglanze hervorsteigen. Wohl dem, wer sich dieses Lichts, welches itzt noch so viele dunkle eleusynischheilige Schatten durchzittert, würdig macht! | Die Zeit der Vollendung ist nicht mehr fern. Was sind wir itzt, und was waren wir vorm Jahr? Mit Riesenschritten ist in Monaten mehr geleistet, als sonst in Jahren. Unsre Gegner (doch vielleicht sind es nur wenige aufrührerische; billig sollten wider Freymäurer gar keine seyn) tragen uns Lorbeer entgegen. Entfernte Menschenfreunde, im Orient gesalbt, öffnen uns reizende Aussichten in die Zukunft. Noch ists Dämmerung. Aber mich dünkt, ich sehe schon Aurorens purpurne Thore offen, das grauende Gewölk zerstreut, und hinter ihm die Sonne im prächtigsten Strahlenglanze hervorsteigen. Wohl dem, wer sich dieses Lichts, welches itzt noch so viele dunkle eleusynischheilige Schatten durchzittert, würdig macht! | ||
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Nähern Sie Sich, meine Brüder, den Dankaltären des allgütigen Baumeisters, und opfern ihm mit lobsingenden Psalmen. Berlin ist vielleicht (die Zeit wirds lehren, ob dies vielleicht erweißliche Wahrheit sey) Berlin, sage ich, ist vielleicht in Deutschland mit eine der ersten Oerter, dem in der Maurerey der Segensquell geöfnet wird. Schon schöpft es tropfenweise daraus, und genießt dabey der unumschränkten Freyheit, welcher in so vielen andren Staaten entweder durch harte Drückungen oder durch blinde Vorurtheile gleichsam ein Grab bereitet wird. | Nähern Sie Sich, meine Brüder, den Dankaltären des allgütigen Baumeisters, und opfern ihm mit lobsingenden Psalmen. Berlin ist vielleicht (die Zeit wirds lehren, ob dies vielleicht erweißliche Wahrheit sey) Berlin, sage ich, ist vielleicht in Deutschland mit eine der ersten Oerter, dem in der Maurerey der Segensquell geöfnet wird. Schon schöpft es tropfenweise daraus, und genießt dabey der unumschränkten Freyheit, welcher in so vielen andren Staaten entweder durch harte Drückungen oder durch blinde Vorurtheile gleichsam ein Grab bereitet wird. | ||
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Glücklich sind wir, meine Brüder, daß wir Fürsten aus dem uralten Stammhause der Helden, die zugleich Wohlthäter des menschlichen Geschlechts sind, an unserer Spitze erblicken. Nie können wir die wachsame Sorgfalt und die klugen Veranstaltungen, für das allgemeine Beste des Ordens und das besondre unsrer Loge, vergelten, die unser hier gegenwärtige Durchlauchtigste Großmeister unermüdet mit geheiligtem Ernst anwendet. Die Ehrfurcht verbeut mir, mehr zu sagen. Huldigt ihm dafür Empfindungen des lebhaftesten Dankes! | Glücklich sind wir, meine Brüder, daß wir Fürsten aus dem uralten Stammhause der Helden, die zugleich Wohlthäter des menschlichen Geschlechts sind, an unserer Spitze erblicken. Nie können wir die wachsame Sorgfalt und die klugen Veranstaltungen, für das allgemeine Beste des Ordens und das besondre unsrer Loge, vergelten, die unser hier gegenwärtige Durchlauchtigste Großmeister unermüdet mit geheiligtem Ernst anwendet. Die Ehrfurcht verbeut mir, mehr zu sagen. Huldigt ihm dafür Empfindungen des lebhaftesten Dankes! | ||
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Wahrlich, ein feyerlicher Tag, auch heute zum erstenmal seinen Durchlauchtigsten Bruder, dessen Schutz und Eifer der gerechteste Stolz unsrer geliebten Tochter zu Frankfurt ist , nebst noch drey mit uns verbundenen Durchlauchtigsten Prinzen in unsrer stillen Versammlung zu sehen. — Welch ein schönes Gemälde für unsre Maurerey, in deren zartem unentweihtem Schooße Fürsten am Abend ausruhen, die am frühen Morgen, noch ehe Phöbus den Horizont grüßte, Waffenblitze schleuderten, und martialische Donner brüllen ließen. — | Wahrlich, ein feyerlicher Tag, auch heute zum erstenmal seinen Durchlauchtigsten Bruder, dessen Schutz und Eifer der gerechteste Stolz unsrer geliebten Tochter zu Frankfurt ist , nebst noch drey mit uns verbundenen Durchlauchtigsten Prinzen in unsrer stillen Versammlung zu sehen. — Welch ein schönes Gemälde für unsre Maurerey, in deren zartem unentweihtem Schooße Fürsten am Abend ausruhen, die am frühen Morgen, noch ehe Phöbus den Horizont grüßte, Waffenblitze schleuderten, und martialische Donner brüllen ließen. — | ||
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Glücklich sey Ihre [[Aufnahme]]; das wünsche ich, das wünschen meine Brüder. | Glücklich sey Ihre [[Aufnahme]]; das wünsche ich, das wünschen meine Brüder. | ||
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Version vom 18. Oktober 2018, 11:28 Uhr
Vom Glück
Eine Berliner Logenrede, 1776
Bearbeitet von Roland Müller
Aus:
Gesammlete Freymäurer-Reden, von einem Mitgliede der Mutterloge zu Berlin. Berlin. 1777, 29--40
August Wolfstieg gibt in seiner „Bibliographie der freimaurerischen Literatur“, Bd. 1, 1911, Nr. 1006 an, ein Katalog der Loge in Stendal gebe als Verfasser an: Johann Wilhelm Bernhard von Hymmen
Abschnittweise wörtlich übernommen in:
Ideen über Glük und Glükseligkeit, Eine Einladungsschrift von Heinrich Nudow.
St. Petersburg 1788.
Rede vom wahrem Glück,
gehalten in einer feyerlichen Versammlung
zu Berlin den 23 May 1776
Was ist Glück?
Jeder Weltbürger, meine Brüder, formt sich davon ein Bild; jeder trägt aus seinen Schicksalen eigne Farben auf. Und dennoch wird es kein Gemälde, sondern nur ein Phantom der Einbildungskraft
—Die Alten bildeten sich auch davon mancherley Begriffe. Sie beteten das Glück als eine blinde, mächtige und unerbittliche Göttinn an. Schon die Morgenländer verehrten sie. Dies zeugen Antiochia und Smyrna. Bupalus, einer der größesten Baukünstler, errichtete ihr daselbst eine Ehrensäule: Auf das Haupt setzte er ihr den Polarstern, und in die linke Hand gab er ihr das Horn des Ueberflusses. Homer besingt sie als Oceans Tochter, in deren Schooße Zevs an der Juno Вrust gesäugt worden. Pindar rechnet sieе zu den Parcen, die das Kabinet der Schicksale ordnen. Euripides nennt sie die Beherrscherinn aller vergänglichen Dinge.
Noch mannigfaltiger waren die Sinnbilder der Griechen. Bald eigneten sie ihr einen geflügelten Liebesgott zur Gesellschaft zu; bald legten sie, wie in Böotien, den Plutus oder den Gott des Reichthums, in Gestalt eines Kindes, an ihre mütterliche Brust. Archilachus gab ihr in die rechte Hand ein flammendes Feuer, und in die linke ein Gefäß mit Wasser.
Die Römer fragten siе als ein Loos zu Antium um Rath, und verewigten sie durch Denkmäler und Münzen. Bald ward sie mit verbundenen Augen auf einem Wagen, den blinde Pferde ziehen, vorgestellt, bald in der Form eines betagten bartigten Mannes mit einem Steuerruder, bald wie eine ehrbare Matrone mir Amaltheens Fruchthorn. Entweder bezeichnete man dadurch ihre grenzenlose willkührliche Macht, oder ihre auszutheilenden Schätze.
Das einstimmige Sinnbild des Unbestands aber war ein Rad oder eine Kugel. Ovid und Tibull brauchen es. Doch Horaz schildert ihre muthwillige Freude an dem wilden Wechsel, ihre unstäte Gunst, und ihre unsichere Wahl rnit einem stärkern Кolorit. —
Ja! meine Brüder, ist das Glück dasjenige unvermeidliche Verhängniß, welches den Menschen vom erstеп Geburtshauch an durch alle Scenen des Lebens begleitet, welches gleichsam seiner Stirne eingedrückt ist, und welches vielleicht (doch dies ist nur ein philosophisches Räthsel) mit dem milden oder widrigen Einfluß der Gestirne in Verbindung steht; so sind die Schilderungen der Alten treffend.
Noch immer seufzt der kurzsichtige Sterbliche über den Eigensinn des Glücks. Bald ist es ein Tyrann, bald ein gefälliger Freund; dann einem verdrießlichen Greise, dann wiederum einem tändelnden Kinde ähnlich Es schläft und wacht wieder; lächelt und murrt; liebkoset und spöttelt; verwundet und heilt, bauet und reißt nieder; umarmt, gleich einem leichtsinnigen Mädchen, den Liebling und verläßt ihn flügelschnell. Wie oft hebt es Thoren empor! Gilt nicht bey manchem ein Quentchen Glück mehr als ein Centner Klugheit? Und kann nicht mancher, wenn das Glück schwärmt, es wie die Bienen mit blechernem Klange locken: mancher hingegen, sollte er es auch geharnischt erobern wollen, bebt mit empfindlichen Stichen zurück.
Wie oft zerbricht es die Bande der Tugend und Geselligkeit, verfolgt mit stiefmütterlichem Hasse den Redlichen, und befriedigt die schwarzen Wünsche des Lasters – Es stürmt in Thronen, wie in niedrigen Sessel; schmettert in steile Thürme wie in einsiedlerische Hütten; läßt ganze Reiche verwerfen und erschaft aus ihrem Moder neue.
-- Erschrecken sie nicht, meine Brüder, vor diesem fürchterlichen Bilde. Das wahre Glück bleibt immer in unserer Gewalt.
Der süße Wink unsers Gewissens, daß wir unsre Bestimmung erfüllen; das Bewußseyn edler Handlungen; die Stimmung angebohrner Leidenschaften zur Ordnung, die Gesetz und Natur vorschreibt, das ist wesentliches Glück.
Der Weise handelt nach dem Maßstab richtiger, geprüfter Grundsätze.
Wohlangewandte Zeit, die doch endlich alle Dinge wie Saturn seine Kinder frißt, bleibt seine Schatzkammer lehrreicher Erfahrungen. Sein äußres Schicksal erwartet er mit entrunzelter Miene von der unverkürzten Hand der Vorsehung. Die Zukunft, ist sie gleich mit nächtlicher Finsterniß umhüllt, beunruhigt ihn nicht. Er ist ja ein Theil des Weltalls, welches der Allmachtsfinger umspannt: Sollte er also ein Auswurf von dem ewigen Plane seyn, den ein Gott über sein Geschöpf beschloß?
Hinweg der Gedanke, der die Würde des Schöpfers verkleinert! Welcher Baumeister wird ein Gebäude in der Absicht aufführen, um sich bald an dessen Trümmern zu belustigen?
Widerwärtigkeiten müßen seyn. Ununterbrochene Freuden werden endlich schal und unschmackhaft. Die ganze Natur ist bloß durch die Abwechslung schön. Eine fortwährende Einförmigkeit der Accorden würde das Ohr, eine unübersehbare Ebne das Auge ermüden. Dìssonanzen sind also für die Harmonie, und Gebirge für die Symmetrie nothwendig.
— Еs ist wahr, unverschuldete Leiden find nicht selten strenge. Wenn Gewitter das Meer schwellen, wenn wirbelnde Wogen sich aufthürmen, und der Mastbaum von Orkanen kracht, dann wird auch wohl der standhafteste Steuermann muthlos. Allein drückt gleich das widrige Glück den Weisen, es erdrückt ihn nicht: er hebt sich wie die gedruckte Palme empor und sein treuster Lebensgefährte, sein Schutzengel stärkt ihn. Er denkt wie Horaz: Schwingt das Glück seinen Fittig zur Flucht; so gebe ich ihm willig seine Geschenke zurück, und wähle; eingehüllt in meine Tugend, redliches Bedürfnis!
Innere Unschuld, meine Brüder, ist die erste Grundlage der Glückseligkeit. Denken Sie sich ein Arkadien, wo die Kabalistik der Welt mit ewigem Banne verscheucht ist, wo keine Brut des Eigennuzes umherwühlt; wo der schleichende Neid und die unedle Rache keine Herberge finden, wo kein Gift der Wollust das zeugende Blut verpestet.
-- Da strömen in wonnereichen Gefilden dem Bewohner erquikende Bäche hin, die der Schwelger verachtet. Da säuseln ihm gesprächige Zephire bey kühlen Frühlingsabenden, die der Hofsclave am Spieltisch entweihet. Da tönen ihm accentenvolle Luftsänger in zahllosen Concerten, die der taube Wizling nur begaft. Da entzücken ihn Perlen des Morgenthaues, kleereiche Wiesen, sprossende Saaten, balsamduftende Blumen; die der Goldhungrige nicht schätzen kann. Da windet sich reine sympathetische Liebe in die Falten des herzens ein, die kein Wollüstler fühlt. Da steigt der Geist zur großen blauen Bühne des gestirnten Himmels hinan, den der grübelnde pedant kaum beschaut. Da wallt die Seele in andächtigen Regungen zum höchsten Wesen wie ein sanftrieselnder Fluß zum Ocean hinüber -- Solch ein Paradies bewohnten unsre Stammeltern, und ihre Nachkömmlinge -- wären sie das, was sie seyn sollten — könnten es noch besitzen.
Weisheit ist die andre Grundsäule der Glückseligkeit. Die Freymäurerey soll ihrem ursprünglichen Zwecke nach eigentlich die Kolonie der Weisen seyn. Rang, Pracht und Geburt darf uns nicht blenden. Reichthümer und Güter werden vom gewöhnlichen Preise abgewürdigt: denn sie sollen eigentlich Hülfsmittel seyn, darbende zu erquicken und die Thränen der Bedrängten zu trocknen.
Einigkeit, unverbrüchliche Einigkeit, soll uns aneinanderketten. Verschwiegenheit soll uns vor Angriffen schützen. Wohlgewählte Gesetze sollen unsre Freyheit lenken. Warmes Vertrauen soll unsre Wißbegìerde, nicht aber die Ungeduld reizen; und freudige Hofnung, von der Religion angeflammt, soll uns beleben. –
Dreymal beglückt, meine Brüder, sind wir, wenn wir diesem erhabnen Ziele wetteifernd nachstreben. Welche herrliche Früchte verbreiten sich dann auf unsre Zeitgenossen, gleich einem fetten Regen, der die im Sommer durstigen Fluren schwängert. Welche Segnungen belohnen uns dann, selbst auf dem Sterbelager, wo das Andenken an unsre Arbeiten mit uns ins Elysium übergeht, und wo wir den Vorhang vor dem Gaukelspiel der Welt, das noch nie einen Denker beruhigt hat, gleichgültig fallen lassen.
Spannen Sie, geliebteste Brüder, alle Ihre Kräfte an, auf der vorgezeichneten Laufbahn der Weisheit fortzuwandeln, mit denkender Stille zu wandeln, ohne Weltgeräusch, ohne Ermüdung, ohne durch Ausschweifung in gefährliche und schlüpfrige lrrwege zu gerathen, oder auf glattem Eise zu straucheln.
Die Zeit der Vollendung ist nicht mehr fern. Was sind wir itzt, und was waren wir vorm Jahr? Mit Riesenschritten ist in Monaten mehr geleistet, als sonst in Jahren. Unsre Gegner (doch vielleicht sind es nur wenige aufrührerische; billig sollten wider Freymäurer gar keine seyn) tragen uns Lorbeer entgegen. Entfernte Menschenfreunde, im Orient gesalbt, öffnen uns reizende Aussichten in die Zukunft. Noch ists Dämmerung. Aber mich dünkt, ich sehe schon Aurorens purpurne Thore offen, das grauende Gewölk zerstreut, und hinter ihm die Sonne im prächtigsten Strahlenglanze hervorsteigen. Wohl dem, wer sich dieses Lichts, welches itzt noch so viele dunkle eleusynischheilige Schatten durchzittert, würdig macht!
Nähern Sie Sich, meine Brüder, den Dankaltären des allgütigen Baumeisters, und opfern ihm mit lobsingenden Psalmen. Berlin ist vielleicht (die Zeit wirds lehren, ob dies vielleicht erweißliche Wahrheit sey) Berlin, sage ich, ist vielleicht in Deutschland mit eine der ersten Oerter, dem in der Maurerey der Segensquell geöfnet wird. Schon schöpft es tropfenweise daraus, und genießt dabey der unumschränkten Freyheit, welcher in so vielen andren Staaten entweder durch harte Drückungen oder durch blinde Vorurtheile gleichsam ein Grab bereitet wird.
-- Wie ruhig bauen wir hier an dem Salomonischen Tempel unter dem Scepter des weisesten Königs. Rom schrneichelte sich vormals, daß nach Plutarchs Bericht die beflügelte Glücksgöttinn einst Реrsiел verließ, sich nach Egypten wandte, ihre Flügel auf dem Palatinischen Berge ablegte, und sich nach Rom begab, um sich auf ewig daselbst niederzulassen. Nein! Sie hat sich mit verjüngten Adlerschwingen hier niedergelassen. Hier krönt Irene mit immer frischen Myrthen die Schläfe des Helden, wider den einstmals die halbe Welt sich empörte. Hier tanzt das Musenchor um ihn in festlichen Reyhen. Hier wird kein Gewissen gefoltert, kein Unrecht geduldet, kein Verbrecher begünstigt. Hier segnet der Greis seine Enkel, daß ihr Leben in die Tage FRIEDERICHS fiel, der uns, und noch weit mehr der spähenden Nachwelt ein Wunder bleibt. Wir haben ihn wiedergesehen, neugeschenkt gesehen, ihn den Führer streitbarer und unüberwindlicher Brennen, ihn den Vater des Landes. Wer nicht patriotisch fühlt, der entheilige unsre Schwelle nicht. Denn wir lehren, was die Schrift lehrt: Fürchte Gott und ehre den König. — —
Glücklich sind wir, meine Brüder, daß wir Fürsten aus dem uralten Stammhause der Helden, die zugleich Wohlthäter des menschlichen Geschlechts sind, an unserer Spitze erblicken. Nie können wir die wachsame Sorgfalt und die klugen Veranstaltungen, für das allgemeine Beste des Ordens und das besondre unsrer Loge, vergelten, die unser hier gegenwärtige Durchlauchtigste Großmeister unermüdet mit geheiligtem Ernst anwendet. Die Ehrfurcht verbeut mir, mehr zu sagen. Huldigt ihm dafür Empfindungen des lebhaftesten Dankes!
Wahrlich, ein feyerlicher Tag, auch heute zum erstenmal seinen Durchlauchtigsten Bruder, dessen Schutz und Eifer der gerechteste Stolz unsrer geliebten Tochter zu Frankfurt ist , nebst noch drey mit uns verbundenen Durchlauchtigsten Prinzen in unsrer stillen Versammlung zu sehen. — Welch ein schönes Gemälde für unsre Maurerey, in deren zartem unentweihtem Schooße Fürsten am Abend ausruhen, die am frühen Morgen, noch ehe Phöbus den Horizont grüßte, Waffenblitze schleuderten, und martialische Donner brüllen ließen. —
Sie, meine neuaufgenommenen Brüder, wagen heute den ersten Schritt in unser Heiligthum. Ein Schritt, dessen Wichtigkeit Sie noch nicht kennen. Sehen Sie ja nicht die sinnbildlichen Gebräuche des Alterthums für ein Spiel des erfinderischen Witzes an, wofür leider manche, die sich Freymäurer nennen, sie ansehen. Tiefverborgene Geheimnisse werden nimmermehr flüchtigen, wohl aber forschendеп Blicken sichtbar, wenn (o merken Sie diese uneingeschränkte Bedingung!) wenn ein rechtschaffenes, treues, gefühlvolles Herz in Ihrem Busen klopft, wenn die geschäftige Vernunft sich an göttlichen Lehren weidet, und wenn ein fleckenfreyer Wandel die Sitten vor dem Richterstuhl des Ordens rechtfertiget.
Glücklich sey Ihre Aufnahme; das wünsche ich, das wünschen meine Brüder.
- Ausgearbeitet von Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2015 / All rights reserved - ESOTERIK von Dr. phil. Roland Müller