Rezension: Hans Bankl: Ein Mord in der Badewanne: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 11. November 2010, 15:00 Uhr
Inhaltsverzeichnis
"Biographische Häppchen von Freimaurern" von Roland Müller
Rezension von Roland Müller
Hans Bankl: Ein Mord in der Badewanne. Von unerhörten historischen Begebenheiten. Herausgegeben von Christa Bankl. Wien: Seifert Verlag 2010.
Wer war die Mörderin?
Bei „Mord in der Badewanne“ kommen dem heutigen Leser zwei Opfer in den Sinn: Uwe Barschel und Jean-Paul Marat. Über den Mord an Uwe Barschel hat Guido Grandt in seinem „Schwarzbuch Freimaurerei“ (2007) über Dutzende von Seiten spekuliert. Hans Bankl, Professor für Pathologie mit Agenden eines Gerichtsmediziners (1940-2004), meint den andern Mord. Er weiss darüber allerdings nicht viel. Zur Person der Mörderin, Charlotte Corday d’Armont, schweigt er. Auch hätte den Leser interessiert: Was gibt es für Spekulationen über ihre Motive? Was führte zum Mord? Warum gelang er? Was hatte er für Folgen?
Schwerpunkte: Österreich und das 18. Jahrhundert
Das handliche Büchlein umfasst rund 100 leicht lesbaren Porträtskizzen in 59 Kapitel auf 200 Seiten. 13 Seiten sind der Freimaurerei in Österreich zur Zeit Josephs II. gewidmet (28-42). Auch sonst kommen zahlreiche bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten aus diesem Land, insbesondere Ärzte, vor. Der Schwerpunkt liegt im 18. Jahrhundert. Drei Viertel des Umfangs betreffen die Zeit bis zu Goethes Tod. Hernach gibt es eine Lücke von einem halben Jahrhundert.
Im 20. Jahrhundert wird ausgerechnet Richard E. Byrd erwähnt. Gemäss seinen kürzlich aufgefunden Tagebuchnotizen hat er den Nordpol 1926 gar nicht überfolgen, denn sein Flugzeug hatte einen Maschinenschaden (120). Weitere Persönlichkeiten aus den USA werden gegen den Schluss des Buches gewürdigt: Mark Twain, Vater und Sohn Mayo, Thomas J. Watson und Henry Ford, Henry Morgenthau und George Marshall, Duke Ellington, Babe (Oliver Hardy) und Billie (Clark Gable).
Kecke Fragen und blasse Antworten
Bankls Idee ist nicht schlecht. Er bau seine mehrheitlich drei Seiten umfassenden biographischen Skizzen stets als Rätsel auf: Er schildert die Person, ihre Eigenarten und Leistungen, und fragt danach, wer es war. Zum Beispiel beschreibt er einen Vizekapellmeister, dessen Hobby die Medizin war: den Vater von Mozart (89-91). Oder einen „vergessenen Sohn“: Franz Xaver Wolfgang Mozart (139-141). Oder: „Ihre erste Begegnung war im Gasthaus“, und zwar im Gasthof „Zum Geist“ in Strassburg: Goethe und Herder im Jahre 1770 (127-128). Oder: „Oft hat er an Selbstmord gedacht“: Lovis Corinth (183-185).
Wen zählte Goethe zu den „gründlichsten Schuften, die Gott erschuf“? Karl August Böttiger, den Klatschkolumnisten des klassischen Weimar. Dieser hatte nämlich unter anderem berichtet: „Im Westen geht es schrecklich zu. Der H. [Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach] läuft mit G. [Goethe] wie ein wilder Bursche auf den Dörfern herum, er besäuft sich und geniesset brüderlich einerlei Mädchen mit ihm“ (129).
Fast alle Gewürdigten sind Freimaurer
Nicht alle Personen sind Freimaurer, beispielsweise die beiden Frauen: Anna Amalia Herzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach (27, 28-30) und die österreichischen Erzherzogin Maria Anna (30-42); sie halfen aber bei der Gründung von Logen. Königin Maria Theresia war die Freimaurerei demgegenüber ein Dorn im Auge (101-106). Erstaunlicherweise gibt Bankl bei vielen kleinen Porträts keinerlei Angaben über die Zugehörigkeit zu Freimaurerbund. Man kann aber vermuten, dass (fast) alle gewürdigten Männer Freimaurer waren. Fraglich sind etwa die Ärzte Johann Gottlieb Wolstein und Pascal Joseph Ferro oder die Astronauten Edward White und Roger Chaffee. Deutlich kennzeichnet Bankl Thomas Jefferson und Thomas Mann als Nicht-Freimaurer.
Unterschiedliche familiäre und berufliche Herkunft
Meist wenig beachtet wird die familiäre oder berufliche Herkunft der Personen: Montesquieu war Baron, Carl Alexander von Thurn und Taxis war Fürst, Friedrich II. bei seiner Aufnahme Kronprinz, sein Neffe Friedrich Wilhelm II. desgleichen. Knigge war ein verarmter Freiherr. Matthias Claudius hatte ein Theologiestudium abgebrochen und war Sekretär eines Grafen. Der Physiker Desaguliers hatte akademische Abschlüsse in Philosophie, Theologie und Jura; ebenfalls Jura und Theologie studiert, daneben auch etwas Medizin, hatte Casanova, bloss Jura studiert hatten August von Kotzebue und Harry Heine.
Kanzleileiter war Christoph Martin Wieland gewesen, Fasanenwärter der Grossbetrüger Johann Samuel Leuchs, Landvermesser und Waldläufer George Washington, Gelegenheitsmusiker Claude Joseph Rouget, Archivar Lessing. Überhaupt keine Schulbildung hatte Antonio López de Santa Anna, der bei der Belagerung der Klosterruine „Alamo“ alle tausend Unabhängigkeitskämpfer umbringen liess.
Als einzige Schweizer kommen die Söhne eines Zürcher Arztes vor: Johann Caspar Lavater (Theologie; kein Freimaurer) und Diethelm Lavater (Arzt). Letzterer veranlasste den Übertritt der Zürcher Loge „La Discrétion“ zur Strikten Observanz, worauf sie sich „Zur Bescheidenheit“, später „Modestia cum Libertate“ nannte.
Fazit: gefällige biographische Häppchen
Ein kleines Versehen: Es gibt keinen „Meister vom Stein“ (81-82, 194) und kein Verb „sich aufhören“ (118). Die Aufnahme in den Freimaurerbund erfolgt nicht in der „Dunklen Kammer“ (166), sie dient nur der Vorbereitung. Louis Armstrong war nicht Freimaurer (176-177). Überall fehlen die Akzentzeichen.
Die biographischen Häppchen sind einigermassen chronologisch angeordnet. Leider fehlen jedwelche Quellenangaben. Von allen Personen hätte man gerne viel mehr erfahren.