Freimaurerverbot Schweiz 1740: Unterschied zwischen den Versionen
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Der Orden hatte sich nun auch in verschiedenen Schweizerischen Kantons [seit 1736] ausgebreitet, und weil er auch hier, so wie an allen Orten Haß, Verläumdungen, heimliche und öffentliche Verfolgungen erdulden mußte, und seine edelsten Handlungen auf der gehässigsten Seite vorgestellt wurden; so ließen einige Brüder folgende Schutzschrift für ihre gute Sache in dem '''Brachmann''' bekannt machen: | Der Orden hatte sich nun auch in verschiedenen Schweizerischen Kantons [seit 1736] ausgebreitet, und weil er auch hier, so wie an allen Orten Haß, Verläumdungen, heimliche und öffentliche Verfolgungen erdulden mußte, und seine edelsten Handlungen auf der gehässigsten Seite vorgestellt wurden; so ließen einige Brüder folgende Schutzschrift für ihre gute Sache in dem '''Brachmann''' bekannt machen: | ||
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„Ihr werdet nach der Liebe der Billigkeit, die ihr bekennt, erlauben, daß ein Glied einer weltbekannten Gesellschaft sich mit euch von den Vorurtheilen, welche man von den Gesetzen und Ordnungen seiner Brüder hat, unterrede. Ich bekenne es, und mache auch, wo ich in der Welt gefragt werde, kein Geheimniß daraus, daß ich ein Freymäurer bin. | „Ihr werdet nach der Liebe der Billigkeit, die ihr bekennt, erlauben, daß ein Glied einer weltbekannten Gesellschaft sich mit euch von den Vorurtheilen, welche man von den Gesetzen und Ordnungen seiner Brüder hat, unterrede. Ich bekenne es, und mache auch, wo ich in der Welt gefragt werde, kein Geheimniß daraus, daß ich ein Freymäurer bin. |
Version vom 5. Dezember 2013, 19:27 Uhr
Auch in der Schweiz wurde die Freimaurerei sofort verboten und verteidigt
Recherche Roland Müller
Aus: Der Brachmann Im Jahr 1740 heraus gegeben. Zürich, bey Heidegger und Compagnie. Zwey und Vierzigstes Stück.
Ohne ersichtlichen Grund mit vielen leichten Abweichungen zitiert in: Freymäurer-Bibliothek. Erstes Stück. Zweyte Auflage. Berlin, bey Christian Ludewig Stahlbaum, 1782, 71-79 (1. Aufl. 1778; 3. Aufl. 1792)
Der Orden hatte sich nun auch in verschiedenen Schweizerischen Kantons [seit 1736] ausgebreitet, und weil er auch hier, so wie an allen Orten Haß, Verläumdungen, heimliche und öffentliche Verfolgungen erdulden mußte, und seine edelsten Handlungen auf der gehässigsten Seite vorgestellt wurden; so ließen einige Brüder folgende Schutzschrift für ihre gute Sache in dem Brachmann bekannt machen:
[Es handelt sich um einen Brief,daher die Anrede
- Meine Herren Brachmanne.]
„Ihr werdet nach der Liebe der Billigkeit, die ihr bekennt, erlauben, daß ein Glied einer weltbekannten Gesellschaft sich mit euch von den Vorurtheilen, welche man von den Gesetzen und Ordnungen seiner Brüder hat, unterrede. Ich bekenne es, und mache auch, wo ich in der Welt gefragt werde, kein Geheimniß daraus, daß ich ein Freymäurer bin. Erschreckt nicht über diesen Namen; ihr sollt (und so glaube ich's) Weltweise seyn, welche die Vorurtheile verläugnen, und, nach eigener Einsicht in die Dinge dieser Welt, von allen Sachen gesund urtheilen, und einem jeden Recht wiederfahren lassen. Erlaubt also, daß wir euch von den Vorurtheilen, die man in der Welt und sonderlich in der Schweiz von uns heget, ein wenig unterhalten.
Ich bitte euch, meine Herren, entdeckt mir die Ursache, warum man an so vielen Enden der Erde über die Freymäurer lästert? Kein Sterblicher hatte Ursache, sich über einen aus unserer Gesellschaft zu beschweren: keiner kann austreten und sagen, dieser oder jener Freymäurer hat mir Uebels gethan, oder ungerecht mit mir gehandelt; und man hat unsere alte und wohlhergebrachte Gesellschaft keiner Gesetze oder Gewohnheiten beschuldigen können, durch welche die Religion, der Gottesdienst, die bürgerlichen Gesetze oder die Ehrbarkeit waren verletzt worden; und dennoch ruft man alles Böse wider uns mit N. N. (hier sind vermuthlich einige Namen des Manuscripts ausgelassen) aus.
Man kann nicht sagen, daß von unserer Gesellschaft, die in der ganzen Welt über zwanzig tausend angewachsen, jemals einer wegen einer bösen schändlichen That in Verhaft genommen und bestraft worden sey, und dennoch ruft man: vertilget diese von dem Erdboden, daß ihrer nicht mehr gedacht werde! und gesetzt, es wäre etwas dergleichen geschehen, welches doch niemand erweisen wird, was könnte man Böses gegen unsere Gesellschaft damit beweisen? Es sind Könige und Fürsten, große Regenten, Bischöfe und andere auf die Richtstätte geführt worden; sind darum die übrigen von gleichem Amt und Namen für böse und lasterhafte Leute gehalten worden? Allein von den Freymäurern wird Niemand beweisen, daß in so langer Zeit, als die Gesellschaft bestehet, einer wegen Laster sey gestraft worden: Ist dies nicht ein Zeugniß, daß wir keine lasterhafte Menschen in unsern Orden aufnehmen, und daß die Ordnungen und Gesetze der Freymäurer so beschaffen seyn müssen, daß Ehrbarkeit, Gerechtigkeit und andere Pflichten des Rechts der Natur gepflanzet und beobachtet werden?
Aber wir achten diese böse Nachreden gar nicht: wir wissen allzuwohl, daß die Menschen insgemein zur Bosheit, zum Neid und Zorn, auch in den unschuldigsten Verrichtungen geneigt sind. Wenn ganz Athen wider den Socrates, dessen Lehre es nicht verstand, raste, und denselben mit der heftigsten Wuth zum Giftbecher verdammte, kann man deswegen sagen, daß er ein böser, ein schändlicher und lasterhafter Bürger von Athen gewesen, welchen man darum billig aus der Gesellschaft weggerückt? Wenn bald nach dem Tode des Pythagoras in dem untersten Theile Italiens eine so heftige Wuth und Verfolgung wider seine unschuldigen Schüler und Nachfolger entstand, kann man deswegen sagen, daß diese Weltweisen Leute gewesen, deren Lehren und Grundsätze wider das Wohl der Gesellschaft gestritten, und die deswegen hätten müssen getödtet, verfolgt und ausgerottet werden?
Ihr werdet hoffentlich mit uns den Schluß machen, daß die Vorurtheile diese guten Leute ums Leben gebracht. Wir bezeugen euch, meine Herren, daß nichts in unsern Gesetzen ist, wodurch Gott und den Regenten dieser Erde zu nahe getreten wird. Die Gerechtigkeit, die Liebe des Nächsten, die Aufrichtigkeit sind die Gesetze, durch welche unsere Gesellschaft so lange Zeit geblühet, und hoffentlich noch lange Zeit bestehen wird.
Man wird uns zwar einwenden, wenn nichts böses und unordentliches in dieser Gesellschaft zu finden, warum ist sie von vielen Fürsten als etwas schädliches und böses angesehen worden? Wir können diesen Einwurf ohne Schwierigkeit beantworten: wir bekennen es, daß der verstorbene Pabst [Ihro verstorbene Heiligkeit] einen heftigen Bannstrahl wider uns ergehen lassen, und was war die Ursache davon? Hatte der Besitzer des Stuhls Petri einige Ursachen angeführt, warum er einen so heftigen Zorn gegen uns blicken lasssen? Hatten die Freymäurer etwas unternommen, wodurch das Ansehen des heiligen Stuhls wäre in Gefahr gesetzt worden? Wir glauben nicht, daß jemand beweisen werde, daß böse Lehren oder Laster diesen geistlichen Fürsten wider uns in Harnisch gebracht; und was würde wohl dieser eifrige Herr gesagt haben, hätte er gewußt, daß er täglich von Freymäurern bedient und bewahret worden!
Und was glaubt ihr wohl, meine Herren, von den eifrigsten Beschützern der römischen Herrschaft, ob nicht viele darunter von unserer Gesellschaft sind; und sind keine Freymäurer jemals ins Konklave gegangen? Und was war endlich der Ausschlag dieser schrecklichen Blitze des Vatikans? Pasquin klagte den folgenden Tag, daß sich Seine Heiligkeit hätten übernehmen lassen, und sein Rath wäre, daß man ehrliche Leute nicht eher verdammte, bis man seinen Argwohn durch Gründe rechtfertigen könnte: Da nun in Rom bis itzt noch nichts bekannt wäre, weswegen man uns hätte beschuldigen können, so hätte man auch Seine Heiligkeit verschonen, und Sie nicht mit ungegründeten Ohrenbläsereyen beunruhigen sollen.
Allein, meine Herren, wir können ihnen noch mehr sagen; wir können mit Grunde der Wahrheit behaupten, daß die Inquisition auf uns an allen Orten hat wachen lassen. In allen Gast- und Kaffeehäusern, ja in allen großen Herbergen befanden sich Leute, welche auf die Freymäurer ein wachsames Auge haben sollten. Man both Geld auf die Köpfe unschuldiger Leute, und was hat man damit gewonnen? Hat man einen einzigen entdeckt? Nein, wir sind seit der Zeit noch so sicher als zuvor, weil wir nichts böses beginnen; wir haben unsere Freunde in der Inquisition, in der ehrwürdigen Gesellschaft der Fortpflanzung des Glaubens, in den geistlichen Orden, und sonderlich unter denen, von welchen die Welt weiß, daß sie mehr Gelehrsamkeit und aufgeklärten Geist als andere besitzen. Wir werden in den Beichtstühlen, auf den Kanzeln, vor dem Altar und an andern Orten gesehen. Wir sind Freunde der Regierung und der Gesetze, und daraus kann man schließen, daß unsere Gesellschaft keine Gesetze hat, welche den Verordnungen und der Landesreligion zuwider laufen, und wir hoffen, das neue Haupt der Kirche werde sich weder von Zorn, noch viel weniger von Vorurtheilen wider uns einnehmen lassen.
Man wendet ferner ein, daß es gewiß seinen zureichenden Grund haben müsse, weswegen man uns in Frankreich nicht dulden will. Wer leugnet dies? Wir haben uns auch nicht über die Verordnung des Königs zu beklagen, und man kann mit Gewißheit behaupten, daß die Neugierigkeit der Franzosen mehr als etwas anders die Ursache war, daß ein Gesetz wider uns gegeben worden.
War's nicht möglich, daß sich unruhige Köpfe unter dem Namen Freymäurer zusammen thun, und böse Dinge unter einem andern Vorwande unternehmen konnten? Wir leben indessen mit einiger Vorsicht so ruhig in Paris als an einem andern Orte der Welt, und ob man gleich auf verschiedene Personen einen Verdacht geworfen, so ist dennoch bisher niemand eingezogen worden. Dies nun sind die Beschuldigungen, welche man wider uns anzubringen pflegt.
Man macht auch noch folgenden Einwurf gegen uns: warum halten die Freymaurer ihr Gesetz, wenn nichts böses dahinter steckt, verborgen? Dieser Einwurf ist sehr einfältig. Kann man mit einigem Recht schließen, daß, weil eine Gesellschaft ihre Ordnungen und Gesetze nicht der ganzen albernen Welt vorschwatzen will, deswegen Sachen darin enthalten sind, welche wider die Ruhe der menschlichen Gesellschaft, des Staates und der Religion streiten? Wir können das Urtheil darüber allen weisen und vernünftigen Männern überlassen.
Betrachten wir ferner, daß sich unsere Gesellschaft in London öffentlich versammlet, daß wir ein gesetztes Oberhaupt haben, daß es frey stehet, unsere Versammlungen zu besuchen, daß die Regierung in Holland keinen Verdacht gegen uns hegt, daß uns sogar das eifersüchtige und sehr politische Venedig vertragen kann, und daß uns endlich ein großer, weiser und gelehrter Fürst öffentlich vertheidigt; so können wir hieraus eine Folgerung ziehen, welche alle obige Einwürfe über den Haufen wirft: Wir begehren nicht viel von unsern Mitbürgern, wenn wir nur dies einzige verlangen, daß, wenn von uns die Rede ist, man sein Urtheil nur so lange aufschiebe, bis man gewiß ist, ob ein Freymäurer bloß darum, weil er ein solcher ist, angeklagt und gestraft werden soll. Können wir weniger begehren, und ist unsere Bitte nicht in der Vernunft, in den Rechten der Natur, und in den göttlichen Gesetzen selbst gegründet?
Aber vielleicht, meine Herrn, seyd ihr selbst begierig zu wissen, was von den Freymäurern zu halten? Wir wollen es euch und der ganzen Welt im Stillen und im Vertrauen sagen. Ein Freymäurer ist ein Mensch, welcher sich an allen Orten, wo er lebet, den Gesetzen des Landes unterwirft. Wir haben eine genaue Freundschaft unter einander, ohne daß die Bekenntnisse der Religion uns von einander trennen: denn gleichwie Mann und Weib, von verschiedenem Glaubensbekenntniß, wohl und friedlich mit einander leben können; also kann auch die Verschiedenheit der Religion bey uns von keinem gefährlichen Einflüsse seyn. Zu Constantinopel lassen wir den Mufti ungehindert die Lehrsätze des Mahomets bekennen und ausbreiten Zu Rom kann man alle Glocken ziehen, alle Altäre mit Teppichen belegen, Umgänge halten, die Gebeine der Heiligen umhertragen, und was dergleichen; dies alles stöhrt keinen Freymäurer in seiner Ruhe und Zufriedenheit; er siehet dies nicht als eine Sache an, wider welche er zu streiten hat.
Ein Freymaurer ist folglich ein guter Unterthan und Bürger, wo er sich immer befindet, weil alle unsere Verordnungen dahin gehen, der Ruhe, Sicherheit, Vernunft, Freyheit und Gerechtigkeit in der Welt aufzuhelfen, und wo wir könnten in Erfahrung bringen, daß einer von unserer Gesellschaft etwas böses oder unbilliges begehen sollte, so würde er von uns ausgestoßen, und wie ehemals bey den Pythagoraern für todt gehalten werden, gleich als ob er nie in der Welt gelebt hätte.
Nun ist noch übrig, daß wir euch unsern Zustand in der Schweiz entdecken. Es ist keine Stadt in Helvetien, in welcher wir nicht unsere Freunde haben: Selbst an denjenigen Orten, welche mit wilden Gebirgen besetzt sind, finden sich Freymäurer. Ob man gleich an verschiedenen Orten keinen bessern Begriff von uns hat, als von einem Hexenmeister, so sind wir doch ohne Gefahr.
Das ist wahr, daß wir uns nicht gerne bey Menschen aufhalten, welche sich durch allzugroßen Aberglauben und alberne Vorurtheile umtreiben und lenken lassen, weil man befürchten müßte, daß durch einen ungegründeten Verdacht ein unschuldiger Mann auf den Holzstoß könnte gesetzt werden: denn es könnte sich eben so leicht zutragen, daß man einen Freymaurer für einen Zauberer hielte, wie man ein armes altes Weib für eine Unholdinn gehalten, welche sich mit einem kleinen Stück Holz in die Luft begeben, und mit bloßen Worten Donner, Blitz und Hagel erregen kann.
Dies ist's, was wir bitten der Welt von den Freymäurern bekannt zu machen."
[gezeichnet mit: Jean de Sealos]
Der Schluß dieser Apologie zeigt mehr als hinreichend, in welchem Lichte man die Freymäurer an verschiedenen Schweizerischen Orten muß betrachtet haben. Die Verfasser des Brachmanns sagen selbst: sie hätten lange Bedenken getragen, diesen Aufsatz ihren Blattern einzuverleiben, und nur auf wiederholtes Ersuchen hätten sie sich endlich entschlossen, ihn bekannt zu machen.
Der Verfasser hat seinen Gegenstand mit vieler Wärme, Aufrichtigkeit und Eifer für die gute Sache behandelt, wenn auch gleich einzelne Theile zuweilen in ein zu glänzendes Licht gesetzt sind. Dem allem ungeachtet war diese Vertheidigung nicht hinreichend, die Nebel der Vorurtheile zu zerstreuen, und Leute, welche wider uns eingenommen, auf bessere Gedanken zu bringen. Auch hier mußte unser Orden, wie ich in der Folge anführen werde, Verfolgung und Unterdrückung erdulden, und durch Leiden bewähret werden.