Claudius Adrian Helvetius: Unterschied zwischen den Versionen
K |
|||
Zeile 43: | Zeile 43: | ||
Helvétius (spr. elwēßīüs), Claude Adrien, franz. Philosoph aus der '''Schule der Enzyklopädisten''', geb. 1715 in Paris, gest. daselbst 26. Dez. 1771, war für das Finanzfach bestimmt und erhielt 1738 die einträgliche Stelle eines Generalpächters, die er jedoch bald wieder aufgab, um sich im Umgang mit den ersten Männern seiner Zeit, mit d'Alembert, Diderot, Holbach, zurückgezogen den Wissenschaften zu widmen. 1764 reiste Helvétius nach England und Deutschland und fand besonders am Hofe Friedrichs II. eine ehrenvolle Aufnahme. Später lebte er in Paris. Sein durch Lockes »Versuch über den menschlichen Verstand« angeregtes Hauptwerk: »De l'esprit« (Par. 1758, neue Ausg. 1843 und 1880; deutsch von Gottsched, Leipz. 1759), ward als staats- und religionsgefährlich auf Befehl des Parlaments 1759 verbrannt; ein zweites: »De l'homme, de ses facultés intellectuelles et de son éducation« (Lond. 1773, 2 Bde.; deutsch von Wichmann, Bresl. 1774, und von Lindner, Wien 1877), erschien erst nach seinem Tod. Eine vollständige Ausgabe seiner »Œuvres« erschien Paris 1796, 14 Bde., und das. 1818, 3 Bde. Helvétius ist entschiedener Sensualist und Materialist. Alle Vorstellungen führt er zurück auf den Eindruck äußerer Gegenstände auf unsre Sinne; alle Tätigkeit entspringt aus der angebornen Selbstliebe, dem Streben nach sinnlicher Lust und dem Abscheu vor sinnlicher Unlust. Wer sich selbst so nützt, daß er andern nicht schadet, sondern ihr Wohl vielmehr fördert, ist der wahrhaft gute Mensch. H., von dessen Ansichten eine geistreiche Frau sagte, er habe darin »das Geheimnis aller Welt« ausgeplaudert, war persönlich ein zartfühlender, liebenswürdiger und wohltätiger Mann. Seine schöne und geistreiche Gattin, ein Fräulein de Ligneville, geb. 1719, gest. 12. Aug. 1800, machte nach dem Tod ihres Mannes ihr Haus in Auteuil zum Mittelpunkt eines Kreises von Gelehrten und Künstlern. Vgl. Avezac-Lavigne, Diderot et la société du baron Holbach (Par. 1875); Mostratos, Die Pädagogik des H. (Berl. 1891); Rose, Das Verhältnis des H. zu Larochefoucault (Lahr 1891); Guillois, 1, e salon de madame H. (Par. 1894); Plechanow, Beiträge zur Geschichte des Materialismus (Stuttg. 1896); Arnd, Das ethische System des Helvetius (Kiel 1904). | Helvétius (spr. elwēßīüs), Claude Adrien, franz. Philosoph aus der '''Schule der Enzyklopädisten''', geb. 1715 in Paris, gest. daselbst 26. Dez. 1771, war für das Finanzfach bestimmt und erhielt 1738 die einträgliche Stelle eines Generalpächters, die er jedoch bald wieder aufgab, um sich im Umgang mit den ersten Männern seiner Zeit, mit d'Alembert, Diderot, Holbach, zurückgezogen den Wissenschaften zu widmen. 1764 reiste Helvétius nach England und Deutschland und fand besonders am Hofe Friedrichs II. eine ehrenvolle Aufnahme. Später lebte er in Paris. Sein durch Lockes »Versuch über den menschlichen Verstand« angeregtes Hauptwerk: »De l'esprit« (Par. 1758, neue Ausg. 1843 und 1880; deutsch von Gottsched, Leipz. 1759), ward als staats- und religionsgefährlich auf Befehl des Parlaments 1759 verbrannt; ein zweites: »De l'homme, de ses facultés intellectuelles et de son éducation« (Lond. 1773, 2 Bde.; deutsch von Wichmann, Bresl. 1774, und von Lindner, Wien 1877), erschien erst nach seinem Tod. Eine vollständige Ausgabe seiner »Œuvres« erschien Paris 1796, 14 Bde., und das. 1818, 3 Bde. Helvétius ist entschiedener Sensualist und Materialist. Alle Vorstellungen führt er zurück auf den Eindruck äußerer Gegenstände auf unsre Sinne; alle Tätigkeit entspringt aus der angebornen Selbstliebe, dem Streben nach sinnlicher Lust und dem Abscheu vor sinnlicher Unlust. Wer sich selbst so nützt, daß er andern nicht schadet, sondern ihr Wohl vielmehr fördert, ist der wahrhaft gute Mensch. H., von dessen Ansichten eine geistreiche Frau sagte, er habe darin »das Geheimnis aller Welt« ausgeplaudert, war persönlich ein zartfühlender, liebenswürdiger und wohltätiger Mann. Seine schöne und geistreiche Gattin, ein Fräulein de Ligneville, geb. 1719, gest. 12. Aug. 1800, machte nach dem Tod ihres Mannes ihr Haus in Auteuil zum Mittelpunkt eines Kreises von Gelehrten und Künstlern. Vgl. Avezac-Lavigne, Diderot et la société du baron Holbach (Par. 1875); Mostratos, Die Pädagogik des H. (Berl. 1891); Rose, Das Verhältnis des H. zu Larochefoucault (Lahr 1891); Guillois, 1, e salon de madame H. (Par. 1894); Plechanow, Beiträge zur Geschichte des Materialismus (Stuttg. 1896); Arnd, Das ethische System des Helvetius (Kiel 1904). | ||
+ | [[Kategorie: Persönlichkeiten]] |
Version vom 12. Mai 2014, 22:47 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Claudius Adrian Helvetius
Quelle: Encyclopädie der Freimaurerei, Band 2 von Friedrich Mossdorf, Brockhaus 1824
[Anmerkung: eigentlich Claude Adrien Helvetius]
Einer der ersten Philosophen Frankreichs,
Ausgabe: Œuvres complètes, 14 Bände (1795, Nachdruck 1967 bis 1969).
Werke
Verfasser der Werke: de l´Esprit und de l´Hоmmе,
- »De l´Esprit or Essays on the mind and it´s several faculties«
- »De l'homme, de ses facultés intellectuelles et de son éducation« (Lond. 1773, 2 Bde.;
Lebensdaten
Geboren zu Paris im Jahr 1715, gestorben am 28. Dezember 1771.
Freimaurer
Er war bis an seinen Tod Mitglied der Loge des Neuf Soeurs in Paris.
Voltaire
Als im Jahr 1778 Voltaire in ebenderselben [Loge] aufgenommen wurde, band ihm der Großmeister selbst die Schürze (den Schurz) jenes Bruders, welche dessen Witwe, nebst seinem übrigen Maurerschmucke, an die Loge zurückgegeben hatte, um; worauf Voltaire sie küsste.
Verschiedene Nachschlagewerke zur Person
Œuvres complètes
[ɛlve'sjys], Claude Adrien, französischer Philosoph, * Paris 26. 6. 1715, ✝ ebenda 26. 12. 1777; war 1738 bis 1751 Generalpächter, lebte danach zurückgezogen in seinem Landhaus in Voré, später auch (um Repressionen zu entgehen) längere Auslandsaufenthalte. - Helvétius, der zu den Enzyklopädisten gehörte, ist neben J. O. de La Mettrie und P. H. d'Holbach wichtigster Vertreter des französischen Materialismus.
Er betrachtete den Menschen als eine Maschine, die durch ihre sinnlichen Empfindungen zu Handlungen angetrieben wird. Oberstes Motiv alles menschlichen Tuns ist die Selbstliebe. Diejenige öffentliche Ordnung, die die Trennung von privaten und öffentlichen Interessen zum Verschwinden bringt, ist ideal zu nennen. Helvétius' Hauptwerk, die von John Locke beeinflusste, sensualistisch orientierte Abhandlung »De l'esprit« (1758), wurde als staats- und religionsfeindlich verurteilt und öffentlich verbrannt.
Ausgabe: Œuvres complètes, 14 Bände (1795, Nachdruck 1967 bis 1969).
Meyers Conversations-Lexikon 1905
Helvétius (spr. elwēßīüs), Claude Adrien, franz. Philosoph aus der Schule der Enzyklopädisten, geb. 1715 in Paris, gest. daselbst 26. Dez. 1771, war für das Finanzfach bestimmt und erhielt 1738 die einträgliche Stelle eines Generalpächters, die er jedoch bald wieder aufgab, um sich im Umgang mit den ersten Männern seiner Zeit, mit d'Alembert, Diderot, Holbach, zurückgezogen den Wissenschaften zu widmen. 1764 reiste Helvétius nach England und Deutschland und fand besonders am Hofe Friedrichs II. eine ehrenvolle Aufnahme. Später lebte er in Paris. Sein durch Lockes »Versuch über den menschlichen Verstand« angeregtes Hauptwerk: »De l'esprit« (Par. 1758, neue Ausg. 1843 und 1880; deutsch von Gottsched, Leipz. 1759), ward als staats- und religionsgefährlich auf Befehl des Parlaments 1759 verbrannt; ein zweites: »De l'homme, de ses facultés intellectuelles et de son éducation« (Lond. 1773, 2 Bde.; deutsch von Wichmann, Bresl. 1774, und von Lindner, Wien 1877), erschien erst nach seinem Tod. Eine vollständige Ausgabe seiner »Œuvres« erschien Paris 1796, 14 Bde., und das. 1818, 3 Bde. Helvétius ist entschiedener Sensualist und Materialist. Alle Vorstellungen führt er zurück auf den Eindruck äußerer Gegenstände auf unsre Sinne; alle Tätigkeit entspringt aus der angebornen Selbstliebe, dem Streben nach sinnlicher Lust und dem Abscheu vor sinnlicher Unlust. Wer sich selbst so nützt, daß er andern nicht schadet, sondern ihr Wohl vielmehr fördert, ist der wahrhaft gute Mensch. H., von dessen Ansichten eine geistreiche Frau sagte, er habe darin »das Geheimnis aller Welt« ausgeplaudert, war persönlich ein zartfühlender, liebenswürdiger und wohltätiger Mann. Seine schöne und geistreiche Gattin, ein Fräulein de Ligneville, geb. 1719, gest. 12. Aug. 1800, machte nach dem Tod ihres Mannes ihr Haus in Auteuil zum Mittelpunkt eines Kreises von Gelehrten und Künstlern. Vgl. Avezac-Lavigne, Diderot et la société du baron Holbach (Par. 1875); Mostratos, Die Pädagogik des H. (Berl. 1891); Rose, Das Verhältnis des H. zu Larochefoucault (Lahr 1891); Guillois, 1, e salon de madame H. (Par. 1894); Plechanow, Beiträge zur Geschichte des Materialismus (Stuttg. 1896); Arnd, Das ethische System des Helvetius (Kiel 1904).