Conrad Dominik Bartsch: Mozarts fast vergessener Bruder: Unterschied zwischen den Versionen
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''„In den k.k. Landen drehte sich der politische Wind. [[Joseph II]]., der Fortschritt wie Absolutismus gleichermaßen verfechten wollte, stieß an die Grenzen dieser Polit-Mixtur. Auf erste Berichte über die Französische Revolution, über den Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789, hatte der Monarch verhalten reagiert; der Kaiser geriet in Zwiespalt. Dann siegte über den progressiven Politiker langsam der absolute Herrscher, der Throne wanken sah...'' | ''„In den k.k. Landen drehte sich der politische Wind. [[Joseph II]]., der Fortschritt wie Absolutismus gleichermaßen verfechten wollte, stieß an die Grenzen dieser Polit-Mixtur. Auf erste Berichte über die Französische Revolution, über den Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789, hatte der Monarch verhalten reagiert; der Kaiser geriet in Zwiespalt. Dann siegte über den progressiven Politiker langsam der absolute Herrscher, der Throne wanken sah...'' | ||
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Version vom 12. Dezember 2014, 14:19 Uhr
Aber zu Unrecht vergessen! Warum zu Unrecht? Vor allem weil der Freimaurer Conrad Dominik Bartsch vor 1800 als Chefredakteur der ‚Wiener Zeitung’ unter Einsatz seiner Karriere dafür sorgte, dass die Leser im Habsburgerreich erfuhren, wie sich die Welt außerhalb ihres Biotops in Richtung Menschen- und Bürgerrechte weiter entwickelte. Von Rudi Rabe.
Inhaltsverzeichnis
Bartsch verbreitet die Menschenrechtserklärung
Ein Meisterstück war die journalistische Raffinesse, mit der Conrad Dominik Bartsch 1789 den Wortlaut der sensationellen Pariser Menschenrechtserklärung unter die Leute brachte. Diese Raffinesse war notwendig, weil der Text für die damalige Obrigkeit eine Kampfansage war. Die immer noch bestehende ‚Wiener Zeitung’, inzwischen die wohl älteste der Welt, beschrieb das im Herbst 2014 unter dem Titel ‚Kein Platz für das Weltereignis?’ so:
„In den k.k. Landen drehte sich der politische Wind. Joseph II., der Fortschritt wie Absolutismus gleichermaßen verfechten wollte, stieß an die Grenzen dieser Polit-Mixtur. Auf erste Berichte über die Französische Revolution, über den Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789, hatte der Monarch verhalten reagiert; der Kaiser geriet in Zwiespalt. Dann siegte über den progressiven Politiker langsam der absolute Herrscher, der Throne wanken sah...
Just in diesen Tagen des Umschwenkens am Wiener Hof platzte nun die Depesche aus Paris herein! In der vom sprachgewandten Blattmacher der ‚Wiener Zeitung’ sogleich aus dem Französischen übersetzten neuen Staatsdoktrin an der Seine hieß es schon im ersten Satz von Artikel I: ‚Alle Menschen sind frey geboren’. Ebenso ließen die anderen Artikel aufhorchen. So wurde etwa verkündet: ‚Der Grund aller Souverainität ist in der Nazion’. Oder: ‚Das Gesetz ist der Ausdruck des allgemeinen Willens’. Eines fand man in der Deklaration (auch im später beschlossenen Teil) nicht - einen absoluten Regenten.
Taktisch klug im Sinne der Absicherung seines Chefpostens wäre es für den ‚WZ’-Redakteur also gewesen, diese heikle Menschenrechts-Materie lediglich in stark gekürzter Form abzudrucken. Indirekte Rede statt direkter Wiedergabe hätte gleichfalls in dieses Schema gepasst. ...
Dem Mann an der Spitze der wichtigsten Gazette des k.k. Imperiums ging es um die Idee der Demokratie, nicht um seine Karriere. Er wollte ohne Rücksicht auf persönliche Risken alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Deklaration voll zu publizieren. Aber wie? Eine Sonderbeilage hätte die Hofburg wohl verhindert, detto deutliche graphische Hervorhebung. Schnell handeln hieß, den Text wo immer einzuschieben, auch ‚versteckt’. Man würde ihn in dem bis ins letzte Eck der Monarchie verbreiteten Blatt schon finden! So geschah es.
In der ‚WZ’ taucht am 9. September 1789 auf der 4. Seite die unscheinbare Rubrik ‚Ausländische Begebenheiten’ samt Zusatz ‚Frankreich’ auf. Zu lesen ist Chronologie ab der ‚Sitzung der Nationalversammlung am 17. Aug.’, fortgesetzt auf der 5. Seite mit neuen Sitzungen. Wie beiläufig folgt der Beschluss zum Hauptteil der ‚Erklärung der Rechte des Menschen und Bürgers’ mit Art. I bis XII, der auch die 6. Seite füllt. Am 16. September liefert die "WZ" Art. XIII bis XVII nach. Wieder schlicht, wieder vollständig.
Ein Husarenstück. Der Husar: Der Sonnenfels-Schüler und Journalist Conrad Dominik Bartsch - 1782ff ‚WZ’-Chef, 1794 der Verhaftung als Demokrat entgangen, später Berufsverbot durch Kaiser Franz, 1811ff wieder ‚WZ’-Chef, 1815 von Metternich enthoben, dann ‚WZ’-Mitarbeiter, 1817 Tod.
Conrad Dominik Bartsch wagte viel im Wirken für die Freiheit. Er hat es verdient, unvergessen zu bleiben.“
Bartsch fördert Mozart
In einem anderen Rückblick erinnerte sich die ‚Wiener Zeitung’ wie ihr damaliger Chefredakteur dafür sorgte, dass die Erfolge, die Bruder Wolfgang Amadeus Mozart in anderen Städten feiern konnte, in der Hauptstadt bekannt wurden. Beispiel: Die Uraufführung des ‚Don Giovani’ in Prag. Unter dem Titel ‚Mozarts fast vergessener Bruder’ heißt es:
„Die Aufführung wurde zum Triumph für den 31-Jährigen, der selbst die Orchesterleitung übernommen hatte. Prag lag ihm zu Füßen. Am 14. November (die Post aus Böhmen brauchte ihre Zeit) erfuhren auch die Leserinnen und Leser der ‚Wiener Zeitung’: ‚Herr Mozart diregirte selbst, und als er in das Orchester trat, wurde ihm ein dreymaliger Jubel gegeben, welches auch bey seinem Austrit geschah.’
21 Zeilen umfasst der aus der ‚Prager Oberpostamtszeitung’ übernommene Bericht von der Uraufführung, fiel also relativ umfangreich aus. Wie kam es dazu? Ausschlaggebend war der damalige Kopf der ‚WZ’-Redaktion, Conrad Dominik Bartsch. .... Zu diesem heute fast unbekannten Zeitgenossen Mozarts meldete sich dankenswerterweise Dr. Rüdiger Wolf zu Wort und bringt ihn in direkten Zusammenhang mit dem wohl berühmtesten Komponisten aller Zeiten: ‚Es gibt Hinweise darauf’, so Dr. Wolf, dass Bartsch diesen Bericht ‚extra . . . im Anhang zur Wiener Zeitung brachte.’ Warum?
Spurensucher Dr. Wolf, 2004 bis 2011 Direktor des Österreichischen Freimaurermuseums Schloss Rosenau (bei Zwettl/Niederösterreich) und nun im Kuratorium für das ‚Haus der Geschichte Niederösterreich’, richtet sein Augenmerk auf eine interessante Facette der Persönlichkeit: C. D. Bartsch war Mitglied der Wiener Freimaurerloge ‚Zur gekrönten Hoffnung’. 1784/85 bekleidete er das Amt des Sekretärs und kümmerte sich in dieser Funktion um die ein- und ausgehende Post sowie die Arbeitsprotokolle.
Als man am 14. Dezember 1784 Wolfgang Amadeus Mozart in die Schwesterloge ‚Zur Wohltätigkeit’ aufnahm, bekam ‚die Verständigung darüber . . . auch Bartsch in die Hand. Eine Aufnahme in eine Wiener Loge wurde allen acht Wiener Logen angezeigt.’ Ab 1786 ‚waren Bartsch und Mozart dann Mitglieder in der neuen Sammelloge ‚Zur neugekrönten Hoffnung’.
Mozart, ein engagierter Freimaurer, widmete dem Bund mehrere Werke. Darunter die Kantate ‚Maurerfreude’ (KV 471), die er 1785 anlässlich einer Feier in Bartschs Loge zu Ehren des Mineralogen und führenden Freimaurers Ignaz von Born komponierte. Per Schreiben wird den Wiener Brüdern später ans Herz gelegt, die gedruckte Kantate für einen guten Zweck zu kaufen - unterzeichnet ist das Papier von C.D. Bartsch.
Dr. Wolf, der zahlreiche Publikationen zum Thema Freimaurerei verfasste, u.a. das Buch Die Protokolle der Prager Freimaurerloge ‚Zu Den Drei Gekrönten Säulen’ 1783-1785, (2013), kommt wieder zum ‚Don Giovanni’ zurück: Die Prag-Reise 1787 wurde vor allem von den prominenten Prager Freimaurern, den Grafen Joseph Anton Thun-Hohenstein, Franz Anton Nostitz, Kaspar Hermann von Künigl, Emanuel Canal von Malabayla sowie Pater Karl Raphael Ungar protegiert. Man kann annehmen, dass Mozarts Logenbruder Bartsch freundschaftliches Interesse daran hatte, in der ‚Wiener Zeitung’ den so positiven Bericht der Prager Zeitung auch dem Wiener Publikum zu bieten. Die Prager Freimaurer hatten im ‚WZ’-Chef, Bruder Bartsch, den richtigen Ansprechpartner.’
Conrad Dominik Bartsch war 1782 in die Redaktion der ‚Wiener Zeitung’ eingetreten. Damit stand er an der Spitze des wichtigsten Mediums der Habsburgermonarchie. Die Bezeichnung ‚Chefredakteur’ war damals zwar unbekannt, entspricht aber durchaus der Position, die er innehatte. Diese Karriere war ihm nicht gerade in die Wiege gelegt worden. "... meine Geburt hat mich unter die kleinen Leute geführt’, schrieb er in einem Brief. ‚Ich habe nie große Projekte und Entwürfe gemacht, und die kleinen, die ich machte, waren entweder klug angelegt oder geschah es durch Zufall: das Schicksal hat sie mir allezeit begünstigt’.
Die größte Gunst erwies ihm das Schicksal mit Joseph von Sonnenfels (ca. 1732-1817), dem einflussreichen Berater Maria Theresias, in dem Bartsch einen Förderer fand. Wie viele der Aufklärung verpflichtete Intellektuelle und Staatsmänner (sowie mancher Geistlicher) seiner Zeit war Sonnenfels Freimaurer. ...
Mozart erlebte es nicht mehr, als unter Franz II./I. und Metternich die Reaktion voll einsetzte, die Logen zerschlagen und Demokraten verfolgt wurden. Trotzdem blieb Bartsch, der zu seiner Haltung stand, Redakteur der k.k. privilegierten Zeitung. Erst 1799 entfernte man ihn. Um 1811 kam er zurück, verlor seine Anstellung aber 1815 auf Geheiß Metternichs. Die mutigen privaten Verleger, die Ghelen’schen Erben, beschäftigten ihn als freien Mitarbeiter, was ihm eine bescheidene Existenz sicherte.
Man musste am 18. Dezember 1817 schon ganz genau hinschauen, um die Todesmeldung vom 14. des Monats (samt Adresse und Todesursache) zu finden: ‚Hr. Konrad Bartsch, Wiener-Zeitungs-Redakteur, alt 58 J. am Alsergrund Nr. 171, an der Leberverhärtung.’ - Nur zwei Zeilen konnte die "Wiener Zeitung" ihrem großen Blattmacher widmen.“