Oscar Wilde: Unterschied zwischen den Versionen

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Am 28. November 1878 fand Oscar Wilde seine erste literarische Anerkennung, als sein Gedicht Ravenna, in dem die Impressionen seiner zweiten Italienreise künstlerische Gestalt angenommen hatten, mit dem Newdigate-Preis ausgezeichnet wurde. Nach Abschluss des Studiums übersiedelte er 1879 sogleich nach London und teilte sich dort bis 1881 mit dem Künstler Frank Miles, der beste Beziehungen zur Londoner Gesellschaft hatte, eine Wohnung in der Salisbury Street 13, die Wilde wegen des Blickes auf die Themse „Thames House“ nannte.
 
Am 28. November 1878 fand Oscar Wilde seine erste literarische Anerkennung, als sein Gedicht Ravenna, in dem die Impressionen seiner zweiten Italienreise künstlerische Gestalt angenommen hatten, mit dem Newdigate-Preis ausgezeichnet wurde. Nach Abschluss des Studiums übersiedelte er 1879 sogleich nach London und teilte sich dort bis 1881 mit dem Künstler Frank Miles, der beste Beziehungen zur Londoner Gesellschaft hatte, eine Wohnung in der Salisbury Street 13, die Wilde wegen des Blickes auf die Themse „Thames House“ nannte.
  
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== Oscar Wilde – Ein schwieriger Bruder ==
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Schwadroneur, Lebemann, Dandy, Provokateur, Ästhet- selten ist ein Künstler mit der-
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artig vielen, teilweise wenig schmeichelhaften Beinamen und Apostrophierungen be-
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dacht worden wie Oscar Wilde. Dem 1854 in Dublin geborenen Schriftsteller schien al-
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lerdings eine gewisse Exaltiertheit in die Wiege gelegt worden zu sein: Sein Vater, Sir
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William Wilde, war ein bekannter Arzt, der in Dublin eine Augen- und HNO-Klinik leitete,
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seine Mutter war eine bekannte Salonlöwin und Frauenrechtlerin. Beide Eltern nahmen
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im gesellschaftlichen Leben Dublins eine außergewöhnliche, nicht unumstrittene Rolle
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ein. Besonders die Mutter, Lady Francesca Wilde, die in ihrer Jugend unter dem Pseu-
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donym "Speranza" antibritische Gedichte schrieb, unterschied sich in Auftreten, Bil-
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dungsstand und ihren Ansichten erheblich vom Rest ihrer Geschlechtsgenossinnen, die
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im viktorianischen England bzw. Irland eher auf eine schmückende Rolle beschränkt
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waren. Mit der schillernden und provozierenden Mutter verband Oscar Fingal
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O`Flaherty Wills Wilde, so der Name des Dichters in voller Länge, eine lebenslange in-
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nige Zuneigung. 
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Wilde hat in seinem kurzen Leben – er starb 46-jährig 1900 in Paris – Kunst und Ge-
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sellschaft seiner Zeit geprägt wie kaum ein anderer vor ihm oder nach ihm. Der franzö-
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sische Symbolismus, die L´art pour L´art-Bewegung, der aufkommende Jugendstil, die
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Präraphaeliten, eine englische Malschule, alle diese Bewegungen und Strömungen
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verdanken ihm entscheidende Impulse. Er beeinflusste die Mode seiner Zeit durch sei-
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ne exzentrische Art sich zu kleiden. Tatsächlich waren die Gazetten der Städte, die er
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auf Vortragsreisen besuchte, weniger mit den Kritiken seiner glänzenden Vorträge ge-
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füllt, als mit der Beschreibung seiner flaschengrünen Samtanzüge. Auch seine Bonmots
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und eleganten Zitate füllen Bände. „Ich habe einen ganz einfachen Geschmack: Immer
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nur das Beste“ ist ein beispielsweise ein Apercu, dass den Weg in unsere Werbung ge-
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funden hat. 
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Man kann mit einiger Berechtigung behaupten, dass Wilde eher durch seinen Lebensstil
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im Bewußtsein seiner Zeitgenossen verblieb, als durch seine Literatur. Gewiss: der Au-
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tor des Dorian Gray, der berühmten Ballade vom Zuchthaus Reading oder zahlreicher
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Prosagedichte, Kunstmärchen, Dramen wie „Lady Windermeres Fächer“ und Novellen
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wie dem „Gespenst von Canterville“ ist über die Jahre zu einem Klassiker geworden. Zu
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Lebzeiten aber blieb ihm die Anerkennung als Künstler und ernsthafter Schriftsteller
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versagt. Das mag nicht zuletzt an der Tatsache gelegen haben, dass Wilde nicht nur ein
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äußerst bissiger, wortgewandter und streitbarer Charakter war, sondern auch an seiner
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Bisexualität, die letztendlich der Auslöser für den gesellschaftlichen Skandal schlechthin
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war. Er bekannte sich in aller Öffentlichkeit zu seiner großen Liebe Lord Alfred Douglas,
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genannt Bosie, wurde darauf hin von dessen Vater ebenfalls öffentlich als Sodomit be-
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zeichnet, verlor die Beleidigungsklage und wurde nach einem weiteren Prozess zu zwei
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Jahren schwerer Zwangsarbeit verurteilt. Ich erwähne seine sexuelle Vorliebe nicht von
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ungefähr, vor allem, um das Klischee vom homosexuellen Boheme ein wenig gerade zu
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rücken: Oscar Wilde war verheiratet und hatte zwei Söhne, mit denen er in inniger Liebe
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verbunden war. Wenig Klischee dienlich ist auch die Tatsache, das der junge Gymnasi-
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ast den größten Raufbold seiner Schule k.o. schlug und später walisische Bergleute
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unter den Tisch trank. Der Dichter war niemals entweder-oder, sondern ein Fleisch ge-
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wordenes sowohl - als auch.
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Wie verträgt sich aber diese Biographie mit der Tatsache, dass Wilde Freimaurer war,
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noch dazu im victorianisch-prüden England?
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Nun, Wilde kam mit der FM sehr früh in Berührung. Bereits sein Vater war 1842 Wors-
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hipful Master der Shakespeare Lodge # 143 in Dublin. Als Arzt scheint er den uns wich-
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tigen Begriff der Caritas sehr ernst genommen zu haben: Arme und zahlungsunfähige
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Patienten behandelte er kostenlos oder ließ sich von ihnen gleichsam als Endgeld eine
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irische Sage erzählen.
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Der hoch begabte junge Oscar schrieb sich 1873 ins berühmte Trinity-College der Uni-
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versität Dublin ein und wechselte, nachdem er ein Stipendium hatte ergattern können,
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ans Magdalen College der Universität Oxford. Das berühmte Universitätsstädtchen hat-
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te zu dieser Zeit ein blühendes Logenleben: allein an der Universität selbst arbeiteten
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die Apollo University Lodge, das Oxford University Rose Croix Chapter, die Oxford Uni-
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versity Mark Lodge, das Apollo University Royal Arch Chapter sowie die Coer de Lion
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Preceptory, eine Loge der Knights Templars. 
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Hier also wurde er mit nicht ganz 21 Jahren 1875 in die Apollo University Lodge einge-
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führt. Auf Grund eines Dispenses der englischen Großloge konnte diese Loge Mitglie-
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der im Alter von 18 statt 21 Jahren aufnehmen. Voraussetzung war die Immatrikulation
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an einem College der Universität. Wilde wurde also am 3. Februar 1875 als Lehrling
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aufgenommen, im April befördert und im Mai zum Meister erhoben. 1876 wurde er in
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den 18° des Alten und angenommenen schottischen Ritus eingeweiht, zwei Jahre spä-
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ter durfte er sich Mark Master der Oxford University Mark Lodge nennen. 
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Welchen spöttischen Geist die Brüder mit dem jungen Studenten aufgenommen haben,
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bewies er bereits in einem kurzen Toast anlässlich seiner Aufnahme. „I have heard, that
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St. John the Baptist was the founder of this order (yells of laughter). I hope, we shall
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emulate his life, but not his death – I mean, we should keep our heads. (Ich habe ge-
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hört, Johannis der Täufer hat die Maurerei gegründet (tosendes Gelächter). Ich hoffe,
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das wir seinem Beispiel folgen können, außer seinem Ende. Ich meine damit, wir sollten
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auf unsere Köpfe aufpassen.). Wilde zeigte sich nach eigenen Worten entzückt vom
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Ritual und den Ritualgegenständen. Er ging sogar soweit, die Bekleidung, die während
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der Tempelarbeit getragen wurde (Kniebundhosen, Seidenstrümpfe, Schuhe mit Span-
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gen) zu seinem Alltagsdress zu machen. Nun aber zu glauben, Wilde sei kein ernsthaf-
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ter Freimaurer gewesen, muss nicht unbedingt stimmen. Er hat in seiner Oxfordzeit
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nachweislich andere Studenten zur FM gebracht und dem Royal Arch immerhin vier
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Kommilitonen zugeführt. Zeitgleich zu seinem erwachten Interesse an der FM, begann
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seine Zuneigung zum damals in England stark verpönten katholischen Glauben zu
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wachsen. Auch dieses Detail fügt sich nahtlos ins Gesamtbild ein, wenn man bedenkt,
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das der AASR voraussetzt, das sich seine Mitglieder zur hl. Dreifaltigkeit bekennen. Die
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Ritualästhetik seines, des 18° (Prince of the Rose Cross), zeigt starke Ähnlichkeit mit
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der prärafaelitische Ästhetik und Wilde war ein Mann, der das Ästhetische über alles
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schätzte und sehr ernst nahm. Ein weiteres Zeichen dafür, das ihm die FM wohl einiges
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bedeutete, mag die Tatsache sein, dass er in seinem Kapitel Ritualbeamter war. Er
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könnte sich auch von der Mystik des genannten Hochgrades angesprochen gefühlt ha-
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ben, aber das ist bloße Spekulation. Was auf jeden Fall zu seinem Charaktertypus
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passt, ist der Widerspruch, der in seiner gleichzeitigen Neigung zur römisch-
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katholischen Kirche und Freimaurerei liegt. Die Tatsache, das Freimaurer mit der Ex-
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kommunikation bedroht waren, wird ihn, den Provokateur, nie wirklich gestört haben.
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Seiner Mutter schrieb er in der ihm eigenen, ironischen Art 1877: „In letzter Zeit habe
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ich ein Faible für die Freimaurerei entwickelt und halte schrecklich viel davon- es täte
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mir schrecklich leid, wenn ich sie aufgeben müsste, falls ich mich vom protestantischen
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Ketzertum lösen sollte.“ Wildes Enkel, Merlin Holland, hatte zu dem Religi-
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ons/Freimaurerkomplex seines Vorfahren seine eigene, etwas bizarre Meinung: „Vor-
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läufig musste die Faszination (zum katholischen Glauben) dadurch befriedigt werden,
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dass er sich zu den Freimaurern mit ihren quasi-religiösen Ritualen und ihren fantasie-
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vollen Trachten bekannte; im Februar 1875 wurde er in die Apollo-Loge der Universität
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aufgenommen.“
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Nur mutmaßen können wir über die Zeit nach Oxford. Es ist nicht überliefert, ob der
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Künstler später noch Logen besucht hat. Es war unter examinierten Studenten damals
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nicht unüblich, der FM den Rücken zu kehren, wenn die Universität beendet war. Sie
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sahen dann die Freimaurerei eher als Episode denn als Lebensbund an. Von einem
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ehemaligen Großsekretär der englischen Großloge ist dann folgendes Zitat überliefert:
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„Wir sehen gern, dass junge, verheißungsvolle Menschen die Mitgliedschaft der Logen
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suchen. Wir wissen auch, das eine Anzahl die FM hinter sich lässt, wenn sie einmal der
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Universität den Rücken kehrt, aber es bleibt immer noch eine Anzahl fanatischer und
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enthusiastischer Brüder übrig.“ Das könnte auch im Fall Wildes so gewesen sein: Frei-
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maurerei als Lebensabschnitt. Eines darf bei diesen Überlegungen nicht außer Acht
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gelassen werden: Selbst die ältesten Brüder in diesen Logen waren nicht älter als
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26/27, wobei es mir bei meinen Recherchen nicht gelungen ist, herauszufinden, ob
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denn auch Professoren oder Doktoranden Mitglieder der Logen waren. Das man in die-
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sem Alter, zumal als Student, keine besonders ernsthafte, gefestigte Persönlichkeit sein
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braucht, liegt auf der Hand. Warum also hätte Wilde die FM nicht als amüsante Episode
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sehen sollen?
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Er war ein Mensch, der Strömungen und Stimmungen aufnahm und ihnen seinen
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Stempel aufdrückte. Die Vergänglichkeit von Moden, die glitzernde Schönheit der Ober-
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fläche, der Jugendkult seiner Zeit, all dies sind Dinge, die den Dichter faszinierten, und
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all das sind Indizien, das der launenhafte, divenhafte Mann tatsächlich in seinem späte-
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ren Leben das Interesse an der Freimaurerei verloren hat. 
 
==Links==
 
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*[http://www.besuche-oscar-wilde.de/ besuche-oscar-wilde.de] Geschichten, Märchen, Fotos, Biografie
 
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Version vom 20. Oktober 2015, 17:22 Uhr

Oscar Wilde portrait.jpg


Oscar Wilde

*16.10.1854; † 30.11.1900; irischer Schriftsteller

War Mitglied der Apollo University Lodge no. 357, Oxford (Aufnahme 1875).

Vater Freimaurer

Quelle: Wikipedia, Artikel dort: „Oscar Wilde“

Aufgrund der Berufe seiner Eltern kam Oscar Wilde frühzeitig mit der Schriftstellerei in Kontakt. Sein Vater William Wilde war Irlands führender Ohren- und Augenarzt und schrieb Bücher über Archäologie, Folklore und den Satiriker Jonathan Swift. Seine Mutter Jane war von Beruf Übersetzerin, engagierte sich im Young Ireland Movement unter dem Pseudonym „Speranza“ („Hoffnung“) und galt als revolutionäre Lyrikerin. Die Wildes hatten drei Kinder, zwei Jungen und ein Mädchen. Der Älteste, William Charles Kingsbury Wilde, wurde 1852 geboren. 1854 kam Oscar in der Westland Row 21 zur Welt. 1858 bekam Jane ihr drittes Kind, Isola Francesca, die nur zehn Jahre alt wurde.

Reisen

Von 1864 bis 1871 besuchte Oscar Wilde als Internatsschüler die Portora Royal School in Enniskillen. Anschließend, von 1871 bis 1874, studierte er mit glänzendem Erfolg klassische Literatur am Trinity College in Dublin. Im Sommer reiste Oscar Wilde zusammen mit William Goulding und Reverend John Pentland Mahaffy, seinem Freund und Lehrer für Altphilologie am Trinity College, nach Norditalien, wo er beispielsweise Mailand, Venedig, Padua und Verona besuchte. Nachdem Wilde ein jährliches Stipendium von £95 gewonnen hatte, studierte er von 1874 bis 1878 am Magdalen College in Oxford.

Während dieser Zeit trat er in die Freimaurerloge Apollo University Lodge no. 357 ein. Bereits sein Vater war aktiver Freimaurer in Dublin gewesen.

In Oxford fiel Oscar Wilde schnell durch seinen Humor auf: Als er bei der Aufnahmeprüfung eines Studentenclubs einen Teil der Passionsgeschichte aus dem Griechischen übersetzen sollte, erklärte Wilde, er wolle unbedingt das Ende erfahren und übersetzte weiter, nachdem er die Aufgabe bereits mit Bravour gelöst hatte. Während des Studiums begeisterten ihn gleichermaßen die in Richtung der L'art pour l'art weisenden ästhetischen Ideale von Walter Horatio Pater und die tief moralisch, religiös und sozial engagierte Kunstauffassung von John Ruskin, obwohl sie auf sehr unterschiedliche, beinahe entgegengesetzte Weise den neuen Ästhetizismus vertraten.

Literarische Anerkennung

Am 28. November 1878 fand Oscar Wilde seine erste literarische Anerkennung, als sein Gedicht Ravenna, in dem die Impressionen seiner zweiten Italienreise künstlerische Gestalt angenommen hatten, mit dem Newdigate-Preis ausgezeichnet wurde. Nach Abschluss des Studiums übersiedelte er 1879 sogleich nach London und teilte sich dort bis 1881 mit dem Künstler Frank Miles, der beste Beziehungen zur Londoner Gesellschaft hatte, eine Wohnung in der Salisbury Street 13, die Wilde wegen des Blickes auf die Themse „Thames House“ nannte.


Oscar Wilde – Ein schwieriger Bruder

Schwadroneur, Lebemann, Dandy, Provokateur, Ästhet- selten ist ein Künstler mit der- artig vielen, teilweise wenig schmeichelhaften Beinamen und Apostrophierungen be- dacht worden wie Oscar Wilde. Dem 1854 in Dublin geborenen Schriftsteller schien al- lerdings eine gewisse Exaltiertheit in die Wiege gelegt worden zu sein: Sein Vater, Sir William Wilde, war ein bekannter Arzt, der in Dublin eine Augen- und HNO-Klinik leitete, seine Mutter war eine bekannte Salonlöwin und Frauenrechtlerin. Beide Eltern nahmen im gesellschaftlichen Leben Dublins eine außergewöhnliche, nicht unumstrittene Rolle ein. Besonders die Mutter, Lady Francesca Wilde, die in ihrer Jugend unter dem Pseu- donym "Speranza" antibritische Gedichte schrieb, unterschied sich in Auftreten, Bil- dungsstand und ihren Ansichten erheblich vom Rest ihrer Geschlechtsgenossinnen, die im viktorianischen England bzw. Irland eher auf eine schmückende Rolle beschränkt waren. Mit der schillernden und provozierenden Mutter verband Oscar Fingal O`Flaherty Wills Wilde, so der Name des Dichters in voller Länge, eine lebenslange in- nige Zuneigung. Wilde hat in seinem kurzen Leben – er starb 46-jährig 1900 in Paris – Kunst und Ge- sellschaft seiner Zeit geprägt wie kaum ein anderer vor ihm oder nach ihm. Der franzö- sische Symbolismus, die L´art pour L´art-Bewegung, der aufkommende Jugendstil, die Präraphaeliten, eine englische Malschule, alle diese Bewegungen und Strömungen verdanken ihm entscheidende Impulse. Er beeinflusste die Mode seiner Zeit durch sei- ne exzentrische Art sich zu kleiden. Tatsächlich waren die Gazetten der Städte, die er auf Vortragsreisen besuchte, weniger mit den Kritiken seiner glänzenden Vorträge ge- füllt, als mit der Beschreibung seiner flaschengrünen Samtanzüge. Auch seine Bonmots und eleganten Zitate füllen Bände. „Ich habe einen ganz einfachen Geschmack: Immer nur das Beste“ ist ein beispielsweise ein Apercu, dass den Weg in unsere Werbung ge- funden hat. Man kann mit einiger Berechtigung behaupten, dass Wilde eher durch seinen Lebensstil im Bewußtsein seiner Zeitgenossen verblieb, als durch seine Literatur. Gewiss: der Au- tor des Dorian Gray, der berühmten Ballade vom Zuchthaus Reading oder zahlreicher Prosagedichte, Kunstmärchen, Dramen wie „Lady Windermeres Fächer“ und Novellen wie dem „Gespenst von Canterville“ ist über die Jahre zu einem Klassiker geworden. Zu Lebzeiten aber blieb ihm die Anerkennung als Künstler und ernsthafter Schriftsteller versagt. Das mag nicht zuletzt an der Tatsache gelegen haben, dass Wilde nicht nur ein äußerst bissiger, wortgewandter und streitbarer Charakter war, sondern auch an seiner Bisexualität, die letztendlich der Auslöser für den gesellschaftlichen Skandal schlechthin war. Er bekannte sich in aller Öffentlichkeit zu seiner großen Liebe Lord Alfred Douglas, genannt Bosie, wurde darauf hin von dessen Vater ebenfalls öffentlich als Sodomit be- zeichnet, verlor die Beleidigungsklage und wurde nach einem weiteren Prozess zu zwei Jahren schwerer Zwangsarbeit verurteilt. Ich erwähne seine sexuelle Vorliebe nicht von ungefähr, vor allem, um das Klischee vom homosexuellen Boheme ein wenig gerade zu rücken: Oscar Wilde war verheiratet und hatte zwei Söhne, mit denen er in inniger Liebe verbunden war. Wenig Klischee dienlich ist auch die Tatsache, das der junge Gymnasi- ast den größten Raufbold seiner Schule k.o. schlug und später walisische Bergleute unter den Tisch trank. Der Dichter war niemals entweder-oder, sondern ein Fleisch ge- wordenes sowohl - als auch. Wie verträgt sich aber diese Biographie mit der Tatsache, dass Wilde Freimaurer war, noch dazu im victorianisch-prüden England? Nun, Wilde kam mit der FM sehr früh in Berührung. Bereits sein Vater war 1842 Wors- hipful Master der Shakespeare Lodge # 143 in Dublin. Als Arzt scheint er den uns wich- tigen Begriff der Caritas sehr ernst genommen zu haben: Arme und zahlungsunfähige Patienten behandelte er kostenlos oder ließ sich von ihnen gleichsam als Endgeld eine irische Sage erzählen. Der hoch begabte junge Oscar schrieb sich 1873 ins berühmte Trinity-College der Uni- versität Dublin ein und wechselte, nachdem er ein Stipendium hatte ergattern können, ans Magdalen College der Universität Oxford. Das berühmte Universitätsstädtchen hat- te zu dieser Zeit ein blühendes Logenleben: allein an der Universität selbst arbeiteten die Apollo University Lodge, das Oxford University Rose Croix Chapter, die Oxford Uni- versity Mark Lodge, das Apollo University Royal Arch Chapter sowie die Coer de Lion Preceptory, eine Loge der Knights Templars. Hier also wurde er mit nicht ganz 21 Jahren 1875 in die Apollo University Lodge einge- führt. Auf Grund eines Dispenses der englischen Großloge konnte diese Loge Mitglie- der im Alter von 18 statt 21 Jahren aufnehmen. Voraussetzung war die Immatrikulation an einem College der Universität. Wilde wurde also am 3. Februar 1875 als Lehrling aufgenommen, im April befördert und im Mai zum Meister erhoben. 1876 wurde er in den 18° des Alten und angenommenen schottischen Ritus eingeweiht, zwei Jahre spä- ter durfte er sich Mark Master der Oxford University Mark Lodge nennen. Welchen spöttischen Geist die Brüder mit dem jungen Studenten aufgenommen haben, bewies er bereits in einem kurzen Toast anlässlich seiner Aufnahme. „I have heard, that St. John the Baptist was the founder of this order (yells of laughter). I hope, we shall emulate his life, but not his death – I mean, we should keep our heads. (Ich habe ge- hört, Johannis der Täufer hat die Maurerei gegründet (tosendes Gelächter). Ich hoffe, das wir seinem Beispiel folgen können, außer seinem Ende. Ich meine damit, wir sollten auf unsere Köpfe aufpassen.). Wilde zeigte sich nach eigenen Worten entzückt vom Ritual und den Ritualgegenständen. Er ging sogar soweit, die Bekleidung, die während der Tempelarbeit getragen wurde (Kniebundhosen, Seidenstrümpfe, Schuhe mit Span- gen) zu seinem Alltagsdress zu machen. Nun aber zu glauben, Wilde sei kein ernsthaf- ter Freimaurer gewesen, muss nicht unbedingt stimmen. Er hat in seiner Oxfordzeit nachweislich andere Studenten zur FM gebracht und dem Royal Arch immerhin vier Kommilitonen zugeführt. Zeitgleich zu seinem erwachten Interesse an der FM, begann seine Zuneigung zum damals in England stark verpönten katholischen Glauben zu wachsen. Auch dieses Detail fügt sich nahtlos ins Gesamtbild ein, wenn man bedenkt, das der AASR voraussetzt, das sich seine Mitglieder zur hl. Dreifaltigkeit bekennen. Die Ritualästhetik seines, des 18° (Prince of the Rose Cross), zeigt starke Ähnlichkeit mit der prärafaelitische Ästhetik und Wilde war ein Mann, der das Ästhetische über alles schätzte und sehr ernst nahm. Ein weiteres Zeichen dafür, das ihm die FM wohl einiges bedeutete, mag die Tatsache sein, dass er in seinem Kapitel Ritualbeamter war. Er könnte sich auch von der Mystik des genannten Hochgrades angesprochen gefühlt ha- ben, aber das ist bloße Spekulation. Was auf jeden Fall zu seinem Charaktertypus passt, ist der Widerspruch, der in seiner gleichzeitigen Neigung zur römisch- katholischen Kirche und Freimaurerei liegt. Die Tatsache, das Freimaurer mit der Ex- kommunikation bedroht waren, wird ihn, den Provokateur, nie wirklich gestört haben. Seiner Mutter schrieb er in der ihm eigenen, ironischen Art 1877: „In letzter Zeit habe ich ein Faible für die Freimaurerei entwickelt und halte schrecklich viel davon- es täte mir schrecklich leid, wenn ich sie aufgeben müsste, falls ich mich vom protestantischen Ketzertum lösen sollte.“ Wildes Enkel, Merlin Holland, hatte zu dem Religi- ons/Freimaurerkomplex seines Vorfahren seine eigene, etwas bizarre Meinung: „Vor- läufig musste die Faszination (zum katholischen Glauben) dadurch befriedigt werden, dass er sich zu den Freimaurern mit ihren quasi-religiösen Ritualen und ihren fantasie- vollen Trachten bekannte; im Februar 1875 wurde er in die Apollo-Loge der Universität aufgenommen.“ Nur mutmaßen können wir über die Zeit nach Oxford. Es ist nicht überliefert, ob der Künstler später noch Logen besucht hat. Es war unter examinierten Studenten damals nicht unüblich, der FM den Rücken zu kehren, wenn die Universität beendet war. Sie sahen dann die Freimaurerei eher als Episode denn als Lebensbund an. Von einem ehemaligen Großsekretär der englischen Großloge ist dann folgendes Zitat überliefert: „Wir sehen gern, dass junge, verheißungsvolle Menschen die Mitgliedschaft der Logen suchen. Wir wissen auch, das eine Anzahl die FM hinter sich lässt, wenn sie einmal der Universität den Rücken kehrt, aber es bleibt immer noch eine Anzahl fanatischer und enthusiastischer Brüder übrig.“ Das könnte auch im Fall Wildes so gewesen sein: Frei- maurerei als Lebensabschnitt. Eines darf bei diesen Überlegungen nicht außer Acht gelassen werden: Selbst die ältesten Brüder in diesen Logen waren nicht älter als 26/27, wobei es mir bei meinen Recherchen nicht gelungen ist, herauszufinden, ob denn auch Professoren oder Doktoranden Mitglieder der Logen waren. Das man in die- sem Alter, zumal als Student, keine besonders ernsthafte, gefestigte Persönlichkeit sein braucht, liegt auf der Hand. Warum also hätte Wilde die FM nicht als amüsante Episode sehen sollen? Er war ein Mensch, der Strömungen und Stimmungen aufnahm und ihnen seinen Stempel aufdrückte. Die Vergänglichkeit von Moden, die glitzernde Schönheit der Ober- fläche, der Jugendkult seiner Zeit, all dies sind Dinge, die den Dichter faszinierten, und all das sind Indizien, das der launenhafte, divenhafte Mann tatsächlich in seinem späte- ren Leben das Interesse an der Freimaurerei verloren hat.

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