Andreas Michael Ramsay
Ramsay, Andreas Michael
Quelle: Lennhoff, Posner, Binder
Bäckersohn aus Ayr in Schottland, als Erzieher in hoch adeligen Französischen Familien mit einem Französischen Orden ausgezeichnet und hier durch Chevalier, * 1686, † 1743, im Spanischen Erbfolgekrieg Offizier bei den englischen Truppen in den Niederlanden, ein Mann von vornehmster Charakterbildung, kam, von Bewunderung für den in Cambray lebenden, vom Pariser Hofe verdrängten Erzbischof Fènelon und dessen menschenfreundliche Ideen erfüllt, an dessen Sitz, wurde unter dem Einfluß des hochgesinnten Kirchenfürsten Katholik und Mitglied des Lazaristenordents, ging dann, als Fènelon starb, nach Paris, war 1724/25 in St. Germain-en-Leye Erzieher des damals vierjährigen Prendenten Karl Eduard, des Söhnchens des vertriebenen Königs Jakob III. Wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit wurde er aus seinem Vaterlande verbannt. Doch gaben ihm die Behörden seiner wissenschaftlichen Betätigung (er schrieb u. a. "Les voyages de Cyrus" und "La vie de Fenelon") und seiner sittlichen Persönlichkeit wegen einen königlichen Geleitbrief, um in Oxford zum Doktor der Rechte promovieren zu können. Anläßlich dieser Reise wurde Ramsay in London Mitglied der Royal Society. Er war ein starker Bekenner des Freimaurertums, trachtete dieses von Leuten zu befreien, die im Trüben fischten und die Logen als Vorspann für Geschäfte benützen wollten.
1737 hielt er in Paris als Großredner der Großloge seinen berühmten "Discours", der fälschlich dem Großmeister Duc d'Antin zugeschrieben wurde. Die Rede enthielt wichtige Vorschläge zur Reformierung des Französischen Freimaurertums. Er bezeichnete als die zum Eintritt in den sittlichen Orden notigen Eigenschaften "weise Menschenliebe" und "reine Sitten", erklärte, es gelte, die "alten Grundsätze wieder zu beleben und zu verbreiten, die, der Natur des Menschen entnommen, unsere Gesellschaft gegründet haben" und sagte dann:
- "Unsere Vorfahren, die Kreuzfahrer, die sich aus allen Teilen der Christenheit im Heiligen Lande zusammengefunden hatten, wollten so die Menschen aller Nationen in eine einzige Bruderschaft vereinigen. Sie taten sich mit den "Rittern des heiligen Johannes zu Jerusalem" zusammen, die sich dann im Abendlande Freimaurer nannten. Wie sehr ist man diesen vortrefflichen Männern verpflichtet, die ohne großen Eigennutz, selbst ohne der natürlichen Herrschsucht Gehör zu geben, eine Einrichtung ersonnen haben, deren einziger Zweck die Einigung der Geister und Herzen ist, um sie zu bessern und in der Folge eine ganz geistige Nation zu bilden, worin man, ohne daß den Pflichten Abbruch geschieht, welche die verschiedenen Staaten fordern, ein neues Volk schaffen wird, welches, aus verschiedenen Nationen zusammengesetzt, sie alle bis zu einem gewissen Punkt durch das Band der Tugend und der Wissenschaft verknüpfen wird".
In diesem "Discours" hat Ramsay einen historischen Fehler begangen, indem er die Entstehung der Freimaurerei auf die Johannisritter zurückführte und daraus den Namen "Johannisloge" ableitete. Das hat ihm später den ungerechtfertigten Vorwurf eingetragen, daß auf ihn jene bald hernach einsetzende Zeit der freimaurerischen Hochgradverirrungen zurückzuführen sei, in der mancherorts aus der schlichten Bruderschaft ein Chaos von Ritterorden wurde. Ramsay habe die Freimaurerei der katholischen Kirche untertan machen wollen wurde gesagt; der Wunsch habe ihn beseelt, das freimaurerische Ritual mit Bräuchen des katholischen Kults zu verquicken. Nicht nur aus relisiösen, sondern auch aus politischen Gründen, nämlich um seinem einstigen Zögling, Karl Eduard Stuart (s. d. ), eine Phalanx für die Bemühungen zu schaffen, den verlorenen britischen Thron zurückzuerobern, eine "jacobitische Maurerei", im Gegensatz zur "ketzerischen" englischen, die zum Hause Hannover hielt. Die Annahme, Ramsay sei der Erfinder der Hochgrade, ging so weit, daß in zahlreichen Schriften vom "System Ramsay" die Rede ist.
Die Richtigkeit dieser Erzählungen hat sich aber nie erweisen lassen, und die Forschung nimmt heute mit Recht an, daß Ramsay nichts Neues in die Welt setzen, sondern im Gegenteil zur Einfachheit mahnen wollte. Man hat aber vielfach ganz übersehen, daß in der Ramsayschen Rede andere, sehr viel wesentlichere teilweise auf den Einfluß der Lehren Fènelons zurückgehende Stellen enthalten waren:
- "Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale der Menschen sind nicht die Sprachen, die sie sprechen, die Kleider, die sie tragen, die Länder die sie bewohnen, noch die Würden, die ihnen verliehen wurden. Die Welt ist eine große Republik, in der jede Nation eine Familie und jeder Einwohner eines ihrer Kinder ist.
- Wir wollen alle Menschen von aufgeklärtem Geiste und guten Sitten vereinigen... durch die erhabenen Grundsätze der Tugend, der Wissenschaft, der Religion, in welchen das Interesse der Bruderschaft zum Interesse des ganzen menschlichen Geschlechts wird, woraus alle Nationen gründliche Kenntnis schöpfen und die Untertanen aller Königreiche lernen können sich gegenseitig zu lieben, ohne auf ihr Vaterland zu verzichten. Der Freimaurerorden wurde gestiftet, um gute Menschen, gute Bürger zu formen, Männer, die ihre Versprechungen hochhalten... Wir haben unter uns drei Arten von Brr.: Novizen oder Lehrlinge, Gesellen oder Bekenner, Meister oder Vollkommene. Den ersten erklärt man die sittlichen Tugenden, den zweiten die Tugenden der Heiden und den letzten die christlichen Tugenden, in der Art, daß unsere Einrichtung die ganze Philosophie der Gefühle und die ganze Theologie des Herzens in sich schließt... Der Orden verlangt von jedem von uns eine rege Arbeit, die keine Akademie leisten kaun, weil alle diese Gesellschaften nur wenige Menschen umfassen und mit ihrer Arbeit ein so ausgedehntes Werk nicht leisten können.
- Die Großmeister anderer Länder vereinigen alle dem Bunde angehörenden Weisen und Künstler, um Material zu einem universellen Handbuch zu sammeln, das alle freien Künste und Wissenschaften umfassen soll. Theologie und Politik ausgenommen. Man hat ein solches Werk in England bereits begonnen. Durch Zusammenwirken unserer geeigneten Brüder könnte da in wenigen Jahren etwas Ausgezeichnetes zustande kommen. Man erklärt darin nicht nur technische Worte und ihre Ableitung, man gibt darin auch die Geschichte jeder Wissenschaft und jeder Kunst, ihre Grundlehren und die Art, darin zu arbeiten. Man wird so schließlich die Weisheit aller Nationen in einem einzigen Werk vereinigen. Einer Universalbibliothek alles dessen, was an Gutem, Großem, Leuchtendem und Nüzlichem in Kunst und Wissenschaft existiert. Ein solches Werk wird von Jahrhundert zu Jahrhundert wachsen wird überall Nacheiferung erwecken..."
Der Erfolg dieser von Ramsay bemerkenswerterweise im Manuskript dem Kardinal Fleury vorgelegten Rede blieb nicht aus. Sie wurde in den Logen eifrig erörtert. Schon 1741 begann Diderot das Werk, dessen erster Band 1752 erschien. Fleury aber nahm den Gedanken, die Freimaurerei zu patronisieren, um so die Befriedung Europas zu fördern und dadurch ebensoviel Ruhm zu ernten wie Richelieu durch die Gründung der Akademie, wenig freundlich auf.