Rezension: Happich "Anleitung zur Meditation"

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Anleitung zur Meditation

von Giovanni Grippo

Die vierte Auflage der »Anleitung zur Meditation« von Carl Happich entsteht aufgrund eines Satzes eines Bruders zu meiner Einsetzung als 16. Logenmeister der Johannis-Loge [[»Zum flammenden Schwert«]http://freimaurer-wiki.de/index.php/Zum_flammenden_Schwert] am 15. November 2013. Nach der Einsetzung durch einen der Abg. Landesgroßmeister der »Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland« (auch »Freimaurer-Orden« genannt) kam ein Bruder zu mir, beglückwünschte mich zu meinem neuen Amt als Vorsitzender Meister und sagte: »Nun stehst du in einer direkten Tradition mit unserem ersten Logenmeister: Bruder Carl Happich.« Mir war der Name bekannt, sowie auch andere berühmte Logenmeister dieser Loge wie Georg Lautenschläger und Wilhelm Klingelhöffer aber auch andere wie Karl Bernhard Ritter, Erwin Rousselle, Otto Wolfskehl u.v.a.m.

Ich kann nicht alles, was ich über Carl Happich in Erfahrung bringen konnte, in dieses Vorwort mit einfließen lassen, ohne Gefahr zu laufen, den Fokus des geneigten Lesers von diesem Buch auf meine Recherche abzulenken; man kann aber aus heutiger Sicht sagen, dass sich das freimaurerische Umfeld Carl Happichs auf Organisationen bezog, die »[…] sich als Brückeninstitutionen charakterisieren [lassen], die eine Vermittlungsfunktion zwischen dem säkularen (kirchenunabhängigen) Bereich, der neuen nichtkirlichen Religiosität [der Zwischenkriegszeit] und traditionellen Organisationen mit religiösen Zielen erfüllten.«(1)

Freimaurerei war vor und zu Carl Happichs Zeiten als eine von wenigen viele Bereiche übergreifenden Brückeninstitutionen in der bürgerlichen, deutschen Gesellschaft als solche stark verankert. Sie hat heute ihre Funktion als Brückeninstitution verloren. Der Zweite Weltkrieg (1939-1945) hat nachhaltig in Deutschland dafür gesorgt.

Die Freimaurerei, so wie ich sie als Mitglied u. a. verstehe, vermag die unverschwiegenste Zunge zu binden, den unvorsichtigsten Schelm zu bändigen, den unmäßigsten Feind zu besänftigen und das unbarmherzigste Herz zu erweichen. Dadurch kann sie zwischen den verschiedensten Organisationen vermittelnd tätig werden. Eine ihrer Methoden ist die Kontemplation aber auch die innere Versenkung im Freimaurertempel, deshalb werden rituelle Versammlungen »Tempel-arbeiten« genannt. Es kann gut sein, dass sich zu Zeiten von Carl Happich die Freimaurerei stark von ihrem mystischen und esoterischen aber auch meditativen Erbe entfernt hatte und schon im Begriff war, ihre Funktion als Brückeninstitution zu verlieren. Zum einen wurde die Kabbala, die im Freimaurer-Orden den roten Faden der Ordenslehre ausmacht, durch den stärker werdenden Antisemitismus geächtet und zum anderen verlor die Alchemie, die von ihren Anhängern noch vor der Freimaurerei »Königliche Kunst« genannt wurde, ihre vermittelnde Vorrangstellung zwischen der Natur und der industriellen Ausbeutung. Die Alchemie zählt u. a. ebenfalls zur Lehre des Freimaurer-Ordens. Alle diese zusammenwirkenden Kräfte verloren sich. »Wie sehr sich die Wissenschaften von der Alchemie entfernt haben, erkennen wir an dem gestörten Verhältnis in der heutigen Zeit zwischen Natur und Mensch. […] Der Mensch hinkt dem wissenschaftlichen Fortschritt hinterher. Wir können dies heute mehr denn je in den sich häufenden Burnouts, den steigenden seelischen Leiden unserer Gesellschaft und an dem Aufkommen der vielen verschiedenen Krankheiten…«(2) aber auch in den Naturkatastrophen erkennen. Ein Lösungsansatz für Carl Happich könnte dabei die Hinwendung von der Kontemplation zur Meditation gewesen sein. Alfried Lehner schreibt in seinem Buch »Die Esoterik der Freimaurer«:

»So wird der Freimaurertempel […] zu einem »templum« im ursprünglichen Sinne, nämlich zu einem Ort außerhalb der »tempus«, der profanen Zeit, an dem wir uns der »Kon-templ-ation« hingeben dürfen, um Kraft zu schöpfen für die Aufgaben des Alltags, Kraft aber und Anregung vor allem für die Arbeit am rauhen Stein, für die Arbeit an unserer eigenen Vervollkommnung.«(3)

Carl Happich versteht die Grundbedeutung der Meditation als »Gang in die Mitte«. Das wird später in diesem Buch näher durch ihn selbst erläutert. In die Mitte gehen, bedeutet für ihn, dass sich-Bewusstsein des Verstandes (Ratio) zu verlassen und den Gang ins seelische Zentrum anzutreten, geführt durch das Gewissen (Emotio). Dabei wird sofort klar, dass es sich hier um eine Beschreibung einer bestimmten Handlung, die während der ersten sechs Grade des Freimaurer-Ordens in den Tempelarbeiten immer wieder vollführt wird.(4) In der Mitte des Tempels befindet sich eine Arbeitstafel bzw. ein Arbeitsteppich. Im Freimaurer-Orden besitzt jeder Grad eine eigene Arbeitstafel und ab dem III. Grad werden sie sogar dreidimensional.(5) »Für Freimaurer sind die Arbeitstafeln der jeweiligen Grade eine Art Schlüssel. Die Symbole auf der Arbeitstafel sind einerseits ein Schlüssel für den entsprechenden Grad und andererseits ein Schlüssel zum Verständnis des eigenen freimaurerischen und profanen Lebens. Insbesondere treffen diese Aussagen bei der Arbeitstafel des I. Grades im Freimaurer-Orden zu. In der Arbeitstafel des I. Grades ist die gesamte Ordenslehre enthalten.«(6) Die Brüder werden vom Vorsitzenden Meister aufgefordert die Arbeitstafel zu decken, d.h. sich in die Mitte des Tempels zu begeben, sich um sie herum zu versammeln und sie dadurch zu ver-decken. Der Aspirant wird auf symbolische Reisen durch den Tempel geführt; keine der Reisen macht er alleine. Die Sicht auf die Arbeitstafel wird ihm genommen. Dies ändert sich erst im VI. Grad, im Grad des Andreas-Meisters, dort enden alle Reisen und er wird zum Teil, der um die Arbeitstafel gescharrten Brüder. »Bis zum IV./V. Grad werden wir vom Gewissen auf unseren Reisen geführt.(7) Erst in der Andreas-Meister-Loge, d.h. im VI. Grad […] wird der 1. Aufseher [Ratio] zu unserem inneren Führer. Im IV./V. Grad geschieht auf den Reisen eine Innenschau, geführt durch das Gewissen, dem 2. Aufseher [Emotio]. Im VI. Grad geschieht auf den Reisen eine Außenschau, geführt durch die Vernunft, dem 1. Aufseher.(8) […] Die Bedeutungsebenen der Innen- und Außenschau gehen aber weit darüber hinaus. Der Logenmeister hat seinen Sitz im Osten, von wo das Licht also die Erkenntnis kommt. Er soll ein Stellvertreter Salomos(9) […] sein. Die beiden Aufseher sind im Tempel räumlich so angeordnet, wie unsere beiden Gehirnhälften. Sie haben ihre Stellen im Westen, d.h. im diesseitigen Bereich.«(10)

Während im Tempel der Gang in die Mitte fassbar (Ratio) nachgestellt wird, um dem Freimaurer eine Art Initialzündung für den seelischen Gang in die Mitte (Emotio) zu geben, so soll der meditative Weg ins seelische Zentrum das Bewusstsein verändern. Der Bereich des rationalen Denkens sei laut Carl Happich eine Errungenschaft neuerer Zeit, die sich am stärksten in der Zeit der Aufklärung herauskristallisiert hat. »Ihm zugrunde liege eine archaische Schicht des Bewusstseins, die [Carl] Happich »Bildbewußtein« nennt. Unter »Bildern« versteht er sinnenhaft anschauliche, überwiegend visuelle Phantasien und Erin-nerungen. Das Bildbewusstsein fungiert bei ihm als Zwischenschicht zwischen dem Unbewussten bzw. dem in dessen Tiefe verborgenen bildlosen Seelengrund und dem Denkbewusstsein. […] Beim gesunden Menschen finde ein dauernder Ausgleich zwischen Denk- und Bildbewusstsein statt.«(11) Der natürliche Ausgleich zwischen beiden Bewusstseinsarten ist laut ihm verloren gegangen und müsse durch Meditation wieder erlernt und antrainiert werden. Ein Teil davon vermag das freimaurerische Ritual mit auf den Weg zu geben aber einiges bleibt auf der Strecke; geschuldet dem starren Rahmen eines Rituals. Carl Happich bedient sich dabei der Meditation über verschiedene Arten von Kreuzen als Hilfsmittel; so wie sich die Freimaurerei der Rituale als Überträger ihrer moralischen Grund-vorstellungen bedient. »Deshalb wurde durch […] Rituale versucht, eins mit der Schöpfung zu werden. Rituale haben immer schon auf den Menschen eine ursprüngliche, paradiesische und reharmonisierende Wirkung gehabt. Mit dem Hilfsmittel des Rituals vermag sich der Mensch, auf eine nicht rationale Weise, dem Göttlichen zu nähern.(12)« Carl Happich geht einen Schritt weiter und ergänzt das freimaurerische Ritual durch Meditation.

Quellen

(1) vgl. Paragrana; Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie; Band 22; 2013; Heft 2; Hg. Almut-Barbara Renger und Christoph Wulf; Akademie Verlag. S.56. (2) vgl. G. Grippo »Spekulative Alchemie versus Freimaurerei« Heidelberg 2014. S. 6. (3) vgl. A. Lehner »Die Esoterik der Freimaurer« 2014. S. 23. (4)I. Grad wird seit der Ritualrevision 2012/2013 unverständlicherweise die Kette bereits im Ritual des I. Grades (Johannis-Lehrling) gebildet. Im II. Grad (Johannis-Mitbruder) treten die zu befördernden Lehrlinge mit der gesamten Bruderschaft in die Kette, wobei sie nicht wirklich Teil dieser Kette sind, weil sie sich zwischen den beiden Aufsehern befinden. Bei der Kettenbildung ist dies die einzige Ausnahme, bei der sich zwischen den beiden Aufsehern jemand befindet. Üblicherweise kreuzen die beiden Aufseher ihre Degen und bilden ein Andreas-Kreuz aus viermal 90°. (5) vgl. G. Grippo »Die Lehre des Freimaurer-Ordens im Vergleich - Teil I« 2014. S.4. (6) vgl. G. Grippo »Der Baum des Lebens und die Menora im Freimaurer-Orden« 2008. (7) 1910 hat man bei der damaligen Ritualrevision dem 1. Aufseher die Führung bei den drei Gesellen-Reisen zur Vereinfachung anvertraut, weil die Reisen mit mehreren Gesellen durchgeführt werden und im Süden (der Seite des 1. Aufsehers) beginnen. (8) Der 1. Aufseher verkörpert in der Johannis-Loge (I.-III. Grad) den Verstand aber ab der Andreas-Loge (IV.-VI. Grad) die Vernunft. Der 2. Aufseher bleibt durchgehend bis zum VI. Grad des Freimaurer-Ordens die Verkörperung des Gewissens. (9) Salomo gilt laut der Bibel als dritter König Israels, Erbauer des ersten Tempels Jerusalems und weisester Mensch auf Erden. Er wird im 10. Jhdt. v.Chr. gelebt haben. (10) vgl. G. Grippo »Die Lehre des Freimaurer-Ordens im Vergleich - Teil I« 2014. S.4. (11) vgl. Paragrana; Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie; Band 22; 2013; Heft 2; Hg. Almut-Barbara Renger und Christoph Wulf; Akademie Verlag. S.59. (12) vgl. G. Grippo »Das Buch der Wächter – Der Henochische Orden« 2011, S. 402.

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