Portugal

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Freimaurerei in Portugal

Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)

Die Geschichte der portugiesischen Freimaurerei ist ein blutiger Leidensweg, "vorbei an Kerkerhaften, an den Folterkammern der Inquisition führte dieser zu grauenvollen Schädelstätten, zum Richterpfahl der Garotte, zu den Scheiterhaufen der zahlreichen Autodafés oder ins Exil irgendeiner Teufelsinsel".

Auf Grund eines Patents des englischen Großmeisters Lord Weymouth führte der englische Mathematiker George Gordon, der Verfasser des mathematischen Teils von Bailey's "Dictionarium Brittanicum" von 1730, die Freimaurerei 1735 in Portugal ein. Bei der Einsetzung der ersten Loge waren zahlreiche hohe englische Schiffsoffiziere zu gegen. 1738 gab es in Lissabon zwei Logen. eine katholische, "Königliches Haus der Freimaurer von Lusitanien", und eine protestantische. Erstere kam in der Schenke eines Irlanders zusammen, bestand hauptsächlich aus Iren. Erkundigungen, die die Inquisition bei ihrem Landsmann, dem Theologieprofessor am Kollegium "Corpo Santo", Charles O'Kelly, einem Dominikaner, einzog, ergaben ein günstiges Bild, dennoch wurden alle Mitglieder, die er nannte, vorgeladen, darunter drei Dominikanermönche.

Die Inquisition gab sich mit den Angaben zufrieden und wendete ihre Aufmerksaskeit der protestantischen Loge zu, ohne aber zunächst etwas ausrichten zu können. Fünf Jahre später erstanden der Freimaurerei bereits die ersten Blutzeugen. Ein fanatischer, provenzalischer Dominikanermönch und Ketzerspürer, Bonnet de Meautry der sich selbst "Carnassier de Notre Seigneur" nannte, denunzierte 17 Freimaurer beim Großinquisitor Dom Pedro de Silveira wegen "Verschwörung und Ketzerei" und verlangte energische Bestrafung der "Pedreiros livres", der von religiösen Wahnideen Befallenen.

König Johann V. willigte in eine Verfolgung ein und erließ ohne Zustimmung der Cortes eine rückwirkende "Ordonnanca", laut welcher jeder überwiesene Freimaurer ohne Appellationsmöglichkeit zum Tode zu verurteilen war. Am 8. März 1743 wurde die Lissaboner Loge "Virtud" überfallen: die drei anwesenden Mitglieder Damiao de Andrade und Manoel de Revelhos, beide Aristokraten, und der dienende Br. Christoph Diego mußten nach fürchterlicher Tortur dritten Grades das Blutgerüst besteigen. Sie hatten keine Namen anderer Freimaurer angegeben, die Polizei war aber durch Denunziation einer Frau dreien auf die Spur gekommen und hatte diese verhaftet.

Es waren dies die Französischen Juweliere Jean Thomas Braslé und Jaques Mouton und der schweizerische Diamantenschleifer und Kameenschneider Johann Coustos (s. d.) aus Bern, die an einer Logengründung beteiligt gewesen waren. Sie wurden aufs schwerste mißhandelt, im Palast der Inquisition im Zeitraum von drei Monaten neunmal gefoltert, ohne daß ein "Geheimnis" von ihnen zu erfahren gewesen wäre.

Coustos und seine beiden Brüder wurden am gleichen Tage, da die portugiesischen Freimaurer hingerichtet wurden, in einem Sterbehemd in öffentlichem Aufzug zum Autodafé in die Kirche des heiligen Dominikus gebracht, um dort in Gegenwart des Könings und des Hofes, des päpstlichen Nunzius und des Gesandton von Kastilien ihre Strafe: vier Jahre Kerker und Kirchenbann für den schweizerischen Protestanten, fünf Jahre Verschickung für die beiden anderen, zu vernehmen. Braslé erlag den Folgen der Folterung; Coustos wurde 1744 auf Betreiben des englischen Gesandten Lord Compton, nach Intervention des englischen Großmeisters Lord Barrington, freigelassen, mit Mouton an Bord des holländischen Schiffes "Damietta" geschmuggelt und nach Portsmouth und London gebracht. Zwei anderen Freimaurern brachte das Autodafé den Feuertod. Einer von ihnen war der jüdische Advokat Dr. Jorge da Silva.

Unter José II. (185O—1877) wurde der liberale Gesandte am Wiener Hof und spätere Marquis Pombal (s. d.) Minister Präsident, der 1744 vom englischen Großmeister Prinzen Friedrich von Wales in eine Londoner Loge aufgenommen worden war und in Wien wiederholt die Loge "Zu den drei Kanonen" besucht hatte. Dessen fortschrittliche Reformen (Schaffung neuer Industriezweige und Häfen, eines Großartigen Kanalisationssystems, liberale Verfassung, Toleranzedikt, Beseitigung der Inquisition, der Folter und der privilegierten Klassen) gereichte dem ausgesogenen, bettelarmen, kulturell heruntergekommenen Land in jeder Beziehung zum Segen. Pombal begünstigte das Wiederaufleben der Freimaurerei. In Portugal und den Kolonien entstanden Logen, die darangingen, große Volksbibliotheken und bedeutende Wohlfahrtsanstalten zu schaffen. Beim Rettungswerk anläßlich des Lissaboner Erdbebens von 1755 erwarben sich die Freimaurer durch aufopfernde Hilfeleistung den Dank der Nation.

Die Thronbesteigung der klerikalen Königin Maria I., 1777, die sich wieder ganz auf die Hidalgos und den Klerus stützte und die 1769 ausgewiesenen Jesuiten zurückrief, machte dem Werk Pombals und der Freimaurerei ein Ende. Die Königin erneuerte das antifreimaurerische Gesetz ihres Großvaters- viele hervorragende Brr. mußten fliehen.
Der berühmte Mathematiker da Cunha war zwei Jahre lang eingekerkert. 1788 fand wieder ein Autodafé statt. Die französische Revolution war ein Anlaß mehr zu gewalttätigster Fehde. Dem Gouverneur von Madeira wurde 1792 befohlen, alle Freimaurer auf der Insel zu verhaften. Durch dessen Frau gewarnt, gelang es ihnen aber, den englischen Schiffskapitan Walter Ferguson zu bestimmen, 64 Brüder mit ihren Familien auf seinem Zweidecker "Good Hope" von Funehal nach Amerika zu führen.

Freimaurersymbole im Segel

Bei der Einfahrt in den Hafen von New York zeigte eines der Segel Freimaurersymbole und die Worte "Asylum querimus" ("Wir suchen Asyl"). Daraufhin lud die Großloge von Pennsylvanien die Flüchtlinge nach Philadelphia ein. Eine Fregatte der Union Flotte brachte die Märtyrer nach Delaware River. Washington entbot ihnen den Gruß der Vereinigten Staaten und erklärte sie zu deren Bürgern.

In Portugal bildeten sich aber trotz aller Verfolgungen auch weiterhin Logen. Geraume Zeit kam man auf Schiffen in den portogiesischen Häfen zusammen. Berühmt wurde die Fregatte "Phönix", englisches Stationsschiff, auf welchem 1797 jeden Freitag abend Loge gehalten wurde. Englische Schiffskapitäne, britische und portugiesische Offiziere, aus Frankreich geflüchtete Royalisten nahmen an diesen teil. Bisweilen waren 140 Brüder in der "Royal Navy Lodge Phönix" versammelt.

Diese wurde zur Mutterloge der Lissaboner Bauhütte "Regeneracao", aus der fünf weitere Bauhütten hervorgingen. Der Zusammenhang zwischen den einzelnen Logen in Lissabon, Coimbra, Oporto usw. wurde durch eine sechsköpfige "Comissao do expediente" gesichert. Die Regierung forderte vom englischen Gesandten Sir John Patridge vergeblich die Abberufung des Stationsschiffes. Um so schärfer ging der Polizeichef, der Intendant Diego Marrique (nach anderer Version Pina Manique) vor. In einer Denkschrift an den Prinzregenten Johann, den Sohn der in geistige Umnachtung verfallenen Königin, erklärte er, ein Polizeispion habe auf seinen Eid ausgesagt, er habe durch ein Loch gesehen, daß das "verfluchte Lumpengesindel" das Bild des Heilands mit Füßen getreten, und daß der Gekreuzigte daraufhin unter kläglichen Seufzern Blut vergossen habe. Neuerlich wurde die Todesstrafe auf Freimaurerei gesetzt.

Viele Freimaurer verschwanden auf Nimmerwiederschen in den Kerkern. Trotzdem gab es zahlreiche Beispiele heldenhafter Bekenntnistreue. 1798 schwuren im Alcantaratal 200 Freimaurer, lieber die fürchterlichsten Folterqualen auf sich zu nehmen als der Königlichen Kunst zu entsagen. Differenzen zwischen den Freimaurern von Lissabon und Oporto wurden 1801 in einer zweihundertköpfigen Versammlung im Palast von Gomez Freire d'Andrade, die der Abbe Monteiro leitete, feierlich beigelegt.

Um 1802 wagte man, die erste Großloge aufzurichten. Ein Rat des Hohen Gerichtshofes, Sebastiso Sampajode Castro, wurde zum ersten Großmeister von Portugal gewählt. Don Hippolyte Josée da Costa fuhr nach England, um mit der Großloge einen Freundschaftspakt abzuschließen, der auch zustande kam. Die Verfolgungen wurden immer ärger. Die 1807 unter Junot einrückenden französischen Truppen fanden in einem unterirdischen Verließ neun gefesselte Skelette von Freimaurern.

Die "Franzosenzeit"

Die Franzosenzeit wirkte sich auf die Freimaurerei zunächst nicht ungünstig aus, aber 1808 hatte die Großloge aus nationalen gründen Schwierigkeiten, da sie sich nicht zwingen lassen wollte, das Bild Napoleons in allen Freimaurertempeln anzubringen und auch den Wunsch Junot's nicht zu willfahren gedachte, sich einen Großmeister von seinen Gnaden aufoktroyieren zu lassen. Sampajo wurde 1808 wiedergewählt. Zweimal noch kamen die Franzosen (unter Soult, dann unter Massena), beide Male lebte die Tätigkeit wieder auf, und jedesmal erhob sich nachher die Gegnerschaft zum Schlage.

1809 rief ein öffentlicher Aufzug englischer Armee-Freimaurer mit Fahnen und Emblemen die Inquisition neuerlich auf den Plan. Im folgenden Jahre wurden 30 Freimaurer der Hauptstadt nach den Azoren deportiert. Die Großloge aber, an deren Spitze seit 1809 Fernando Romao d'Alaide Freire stand, arbeitete mit 13 Logen, in denen es viele liberale Offiziere und Beamte gab, im geheimen im Kloster Sto. Vincente de Fora weiter.

Sein Nachfolger, General Gomez Freire d'Andrade (s. d.), ein stark national gesinnter Offizier, wurde 1817 auf eine Denuzziation hin auf Befehl des damaligen Befehlshabers in Portugal, des englischen Generalmajors Heresford, mit elf Brüdern, die gleich dem Großmeister als Anhänger der konstitutionellen Monarchie sich der Fremdherrechaft nicht hatten fügen wollen und auf Änderung sannen, gehenkt. Am Tage vor der Hinrichtung erschien ein englischer Oberst bei dem Großmeister im Gefängnis und bot ihm als Bruder Gelegenheit zur Flucht Gomez lehnte aber ab, daß der andere sich opfere, und blieb. 1853 wurde auf dem Platz, auf dem er starb, ein Denkmal errichtet. 1818 erklärte wiederum Johann VI. von Brasilien aus die freimaurerische Tätigkeit als todeswürdiges Verbrechen. Während der dreijährigen konstitutionellen Monarchie herrschte wieder Freiheit.

Der Staatsrat Isao da Cunha Souto, Major, wirkte als Großmeister. Nach der Gegenrevolution von 1823 erschien sofort wieder ein neues Edikt Johanns VI., das auf freimaurerische Tätigkeit u. a fünfjährige Verbannung nach Afrika setzte. Im folgenden Jahr (Großmeister war Jose da Silva Carvalho, s. d.) erließ der Ursurpator Dom Miguel von Braganza eine Verordnung, die mit den Worten schloß: "Es lebe der Konig! Es lebe die romisch-katholische Religion! Tod und Verderben der ruchlosen Freimaurerbrut!" Ein Hirtenbrief des Kardinals Souza, Erzbischof von Lissabon, führte zur Ermordung von 17 Freimaurern — darunter des Marquis de Loule — durch den Pöbel. "Es muß portugiesisches Blut in Strömen fließen, wie ehemals das der Juden; denn der Infant hat geschworen, das Schwert nicht eher in die Scheide zu stecken, bis er mit den Freimaurern im reinen ist; ich lechze darnach, meine Hände in Blut zu baden", predigte der Pater Joao Mariano. Auf Anordnung des Großmeisters wurden die Logen geschlossen. Eine Zeitlang blieb die Tätigkeit auf die Azoreninsel Terceira beschränkt.

Als aber nach der Kapitulation Miguels bei Ephora 1834 die legitime junge Konigin Maria II. da Gloria ans Ruder kam, konnte sich die Freimaurerei neuerdings ausbreiten. Leider aber setzten unter den Maurern, die während der langen Emigration verschiedene Auffassungen und Riten kennengelernt hatten, die außerdem dem portugiesischen Temperament entsprechend auch ihre verschiedenartigen politischen Bekenntnisse energisch verfochten, Meinungsverschiedenheiten ein. Infolgedessen könnte zunächst eine einheitliche portugiesische Freimaurerei nicht aufkommen.

Eine Zeitlang gab es vier Großlogen, bezw. Großoriente, und eine irische Provinzial-Großloge, die nach englischem, schottischem, irischem und Französischem Ritus arbeiteten. Aus einer ganzen Reihe von Gründungen, die im Laufe eines Jahrhunderts sich bald verschmolzen, bald sich trennten, aber immer wieder verfolgt wurden — noch 1918 wurde in Lissabon der Freimaurertempel des Großorients vom Pöbel demoliert — entstand (erstmals 1870 unter dem Großmeister Paraty) der Grande Oriente Lusitano Unido, innerhalb dessen es zwar auch noch wiederholt zu Spaltungen kam, der aber heute als die maßgebende symbolische freimaurerische Körperschaft anzuschen ist. An seiner Spitze stand lange Jahre bis zu seinem Tode einer der bedeutendsten Männer Portugals, der gewesene Unterrichtsminister Dr. Sebastiao Magelhaes Lima (s.d.).

Nach dessen Tod wurde der zweimalige Staats Präsident Dr. Bernardino Machado (s. d.) zum Großmeister gewählt der aber seine Funktionen wegen politischen Exils nicht übernehmen konnte. Der Grande Oriente Lusitano Unido zählte 1930 in Portugal, Madeira und auf den Azoren 77 Logen und 33 Kränzchen mit rund 5OOO Mitgliedern.

Er ist Mitglied der A.M.I. Adresse: Rua do Gremio Lusitano 25, Lissabon. Außerdem existiert ein Oberster Rat des A. u. A. Schottischen Ritus Adresse: Rua Luz Loriana 67. [Anm.d.Red: Adressen Stand 1932]

(Vergl. Kari Theodor in "Der Zirkel", 43. Jahrgang Nr. 8 ff, 1912, "Latomia", s. Band, 1846, ferner H. C. de Lafontaine, "Freemasonry in Portugal", in "Transactons of the Quatuor Coronati Lodge", XLII., 3., 1931.)

Siehe auch

Weitere inhaltliche Bezüge

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