Traktat: Macht und Maurerei
Macht und Maurerei
Von Br. ANP
Quelle: Freimaurergedanken
Ich möchte heute über etwas sprechen, das mich seit ein paar Wochen, vielleicht Monaten beschäftigt. Es geht um Macht. Gerne schreiben uns Freimaurern Verschwörungstheoretiker zu, über Macht im Überfluss zu verfügen. Wir haben so viel Macht, dass wir (oder die angeblich noch verborgener agierenden Illuminaten) unsere Verschwörungssymbole mitten auf den Banknoten der wichtigsten Währung der Welt verstecken und keiner außer dem Eingeweihten merkt es!
Nächstes Jahr wird es anlässlich des 300. Jubiläums viel Öffentlichkeitsarbeit geben. Nur sehe ich jetzt schon wieder, wie wir uns im Glanz vergangener Zeiten sonnen werden, darin, wer so alles zu unserem illustren Kreis gehörte. Nur, was sagt das über uns heute aus? Meine Prognose: 2018 wird die Freimaurerei im Großen und Ganzen wieder unter sich bleiben und wir beschäftigen uns wieder mit uns selbst und der Arbeit am rauen Stein. Schlecht muss das allerdings, das möchte ich betonen, auch nicht sein.
Was haben nun Verschwörungstheorien und meine gedämpften Erwartungen an die konkreten mittel- und langfristigen Folgen des Jahres „300“ miteinander zu tun? Und was mit „Macht“, worüber ich doch eigentlich sprechen möchte? Ganz einfach: Verschwörungstheoretiker schmeicheln uns, weil Sie uns, unsere Rolle und eben Macht und Einfluss des Bundes oder aber seiner einzelnen Mitglieder maßlos und in grotesker Weise überschätzen. In der Vergangenheit wie in der Gegenwart.
Macht, Einfluss. Da denken wir an Politiker, an die Beiräte und Führungsetagen von DAX-Konzernen, an Staatspräsidenten, Militärs, Lobbyisten in den Lobbys der Parlamente oder auch Meinungsmacht, an Staatsgewalt und Polizei, oder – wenn man es etwas einfacher haben möchte – an Star Wars.
Der Macht-Begriff jedenfalls ist schillernd, vielseitig und in Deutschland in verschiedenen Zusammenhängen sogar verpönt. Zum Zweck dieser Zeichnung möchte ich etwas hemdsärmelig zwischen zwei Formen von Macht unterscheiden, zwischen persönlicher und struktureller Macht. Warum das wichtig ist, werde ich anschließend an einem Beispiel erklären.
Persönliche bzw. personelle Macht: Über diesen klassischen Machtbegriff gibt es Abhandlungen, die Bibliotheken füllen. Klassisch wäre z.B. sehr frei nach Max Weber, dass Macht das eigene Vermögen bezeichnet, eine Entscheidung gegen den Willen eines Anderen durchzusetzen. Unterschieden wird gerne auch zwischen Sanktions- und Gratifikationsmacht. Sanktionsmacht heißt z.B., das Vermögen, Verhaltensweisen zu bestrafen oder Andere durch die Angst vor Strafe überhaupt von einem entsprechenden Verhalten abzubringen. Über Gratifikationsmacht verschaffe ich Dritten Zugang zu Positionen, also eigener Macht durch Teilhabe, zu Geld, Privilegien oder Formen von Belohnungen, über die ich mein Gegenüber an mich in einer klassischerweise asymmetrischen Beziehung binde. Kontext und Situation können Asymmetrien auch schnell umkehren. Strukturelle Macht geht nicht vom Individuum aus. Sie beschreibt viel mehr Gesellschaft bzw. gesellschaftliche Ordnung so, dass sie durch Machtverhältnisse geprägt, von Macht durchdrungen, aber auch erst ermöglicht wird. Strukturelle Macht bildet keinen absoluten Gegensatz zur Macht von Einzelpersonen im vorgenannten Sinne. Sie hilft aber wertneutral zu beschreiben, wie Strukturen einer Einzelperson zu „Macht“ verhelfen können und zwar nicht gegenüber Dritten, sondern allein darauf bezogen, Einzelpersonen oder Gruppen zu ermächtigen, eine Handlung zu vollziehen oder Lebensweise zu pflegen. Ausweiten ließe sich dieser Machtbegriff damit auch auf Infra-Struktur jeder Art. Das klingt kompliziert, darum ein Beispiel. In einem Dorf gibt es einen alten heruntergekommenen Bolzplatz. Die Tore sind windschief, rostig und drohen beim nächsten Lattenschuss den lebensmüden Torwart unter sich zu begraben. Da die Wiese nicht gepflegt ist, Steine herumliegen und der Boden uneben ist, könnte der Torwart noch einmal Glück haben, weil der Torschütze sich vor dem lebensgefährlichen Lattenschuss gerade noch rechtzeitig ein Bein bricht, weil er in einem der vielen Schlammlöcher stecken geblieben ist.
Am Rande des Dorfes hat der hiesige Sportverein seinen Sitz. Grün, so saftig grün ist der Rasen mit seinen weißen Spielfeld-Markierungen. Die beiden Metallrahmen der Tore stemmen sich mit ihren festmontierten Fangnetzen noch dem stärksten Lüftchen entgegen. Aber: Zutritt nur für Vereinsmitglieder. Das stellt Fritz, der missmutige Platzwart sicher. Die naheliegende Lösung für den entnervten Fußballfan ist es, dem Verein beizutreten, weil dieser ihm ermöglicht, auf einem heilen Platz Fußball zu spielen, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und über die Mitgliedschaft in verschiedenen Ligen und Dachverbänden neue Leute kennenzulernen, vielleicht sogar beruflich voranzukommen. Der Verein selbst stellt also eine Form positiver Machtstruktur da, die seinen Mitgliedern oder denen, die mit ihm zu tun haben, Dinge ermöglicht, die ihnen sonst verwehrt blieben. Das wäre Lösung 1.
Eine andere Lösung, die zur ersten nicht im Widerspruch stünde, wäre, dafür zu sorgen, dass der lebensgefährliche Bolzplatz so instandgesetzt wird, dass er nicht mehr nur allein für Todesmutige verlockend ist (eine Lösung, die der Verantwortungsethik unseres Bundes deutlich nähersteht). Der schnellste Weg dahin, ist, sich mit den richtigen Ansprechpartnern des Dorfes, der Kommune oder Stadt in Verbindung zu setzen, und selbst zu erkennen, welche Machtstrukturen ich am besten anzapfen muss, um mein Ziel zu erreichen, wo sanfter bis deutlicher Druck und das richtige Wort zum richtigen Zeitpunkt Dinge in Bewegung setzen können. Natürlich ließe sich dieses Beispiel noch viel weiterspinnen, denn ein rundum sanierter Bolzplatz lädt mehr Spieler zum Spielen ein, die nachmittags dort trainieren und selbstständig ohne Verein an ihrem fußballerischen Können feilen können. Würde ich über die entsprechenden Mittel verfügen, könnte ich natürlich als Mäzen auftreten und den Fußballplatz aus eigener Tasche bezahlen, aber das wiederum erfordert eben: Geld, also ein Attribut persönlicher Macht.
Was hat das nun mit Maurerei zu tun? Um den Bau am Tempel der Humanität zu fördern, ist es sinnvoll, sich nicht nur mit symbolischen Werkzeugen, den zu ziehenden Mauern und Bauplänen zu beschäftigen, sondern auch mit symbolischen Bauunternehmen, Werkstoffhöfen, Lieferzeiten, Investoren, rechtlichen Rahmenbedingungen und ähnlichem, denn dann kommen wir unserem Ziel schneller voran.
Die Beschäftigung mit „Macht“ ist also nichts Negatives, wenn man sie als Werkzeug und Ermöglichungsrahmen begreift, ein Ziel zu erreichen. Dabei liegt die Aufgabe, Einflussmöglichkeiten zu erkennen und zum Besten der Menschheit und Umgebung zu nutzen, zunächst beim einzelnen Freimaurer. Im Übrigen ebenso, wie es die Aufgabe ist, Verantwortung und Verantwortlichkeit im Umgang mit Macht und Machtgefügen einzufordern, zu mahnen, wo sie missbraucht werden und darüber zu wachen, dass Einfluss in Fragen der Allgemeinheit nicht zur Bereicherung von Einzelgruppen oder Personen genutzt wird, sondern im Sinne unserer Maximen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität.
Über diese Fragen, auch in Bezug auf unsere alltägliche Umgebung, lohnt es nachzudenken. Auch schon als Lehrling, mit Spitzhammer und vierundzwanzigzölligem Maßstab in der Hand.